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als Rec. meint. Denn da wo es heißt: „der Kurfürst konnte der Versuchung nicht widerstehn, für einen apostolischen Bischof zu sorgen,“ ist nicht bloß die Meinung des Kurfürsten und seiner Räthe bezeichnet, mit der sie ihr Verfahren vor sich selber rechtfertigten, sondern es läuft auch ein wenig Ironie mit unter, angedeutet in dem Ausdrucke, daß der Kurfürst dieser Versuchung nicht widerstehn konnte, denn der apostolische Charakter dieses Bischofs in der Meinung des Hofs bestand gutentheils darin, daß kurfürstliche Kammer die Einkünfte des Bisthums und der neue Bischof einen kleinen Gehalt bezog; auch wüßte ich kaum, warum unser lutherischer Eiferer Amsdorf viel apostolischer sein sollte als der milde und gelehrte Julius v. Pflug, jedenfalls war das Verfahren gegen alles hergebrachte Recht. Dieser Rec. hat auch das Verhältniß des Lehrbuchs zum mündlichen Vortrage ganz in meinem Sinne aufgefaßt, wenn mich schon dieses etwas frappirt hat, daß er den Styl deßhalb änigmatisch nennt. Aber die beigebrachten geschichtlichen Beispiele zeigen, daß er die Sache selbst vollkommen versteht. Es ist nehmlich davon die Rede, daß die allgemeineren und nur andeutenden Darstellungen des Lehrbuchs auf ganz bestimmten historischen Anschauungen ruhn, und den sachkundigen Lehrer zur Mittheilung und Ausführung derselben einladen. Änigmatisch möchte ich dieses deßhalb nicht nennen, weil derjenige, der die Urkunden der Geschichte nicht bereits kennt, doch auch nicht grade etwas Räthselhaftes findet, sondern nur etwas, über das er leichter hinweggeht als ein Anderer und ohne den ganzen Inhalt zu erschöpfen. Ein Keim oder eine Knospe kommt freilich erst in der entwickelten Blüthe zur vollen Anschauung: aber wer die Knospe sieht, hat doch auch nicht bloß ein Räthel vor sich, sondern schon etwas Wirkliches und Verständliches. Es verhält sich dieses auf ähnliche Weise, wie wenn Rec. das Verhältniß meiner Kirchengeschichte zu einer katholischen, überhaupt orthodoxen Kirchengeschichte mit dem Verhältniß der florentinischen zur römischen Malerschule vergleicht. Jeder Gebildete merkt ohngefähr, was mit dieser Vergleichung gemeint sei, und daß sie etwas Treffendes enthalte. Wer aber mit der Eigenthümlichkeit beider Schulen genauer bekannt ist und ihre Werke in lebendiger Anschauung hat, der erkennt die tiefe Wahrheit und die Fülle der Beziehungen in dieser geistvollen Vergleichung.

Jena, am 4. Juni 1837.

Zur vierten Auflage.

Die Jahre, welche zwischen dem vorigen Abdruck liegen, haben mir diesmal Raum und Lust gebracht, sowol manches Einzelne weiter zu durchforschen, dafür doch den mitforschenden Zeitgenossen der beste Dank gebührt, als auch das Ganze zu überarbeiten, ohne daß der Charakter dieses Buchs verändert werden konnte. Sein Zweck stand jeder Erweiterung des Umfangs entgegen. Den Inhalt

immer beziehungsreicher und bestimmter zu fassen, ist bei der Größe des Gegenstandes eine unendliche Aufgabe: aber es gemahnt mich an diesem Morgen, an welchem ich vor 7 Jahren die erste Vorrede niederschrieb, mit einem zu wehmüthigen Gefühl daran, welch ein Stück der kräftigsten und wol auch ruhigsten Zeit meines Lebens an diese bloße Ausbesserung innerhalb einer eng verschränkten Form gesezt worden ist, als daß ich noch irgend einen guten Vorsaß in dieser Sache für die Zukunft aussprechen möchte.

Jena, am Himmelfahrtsfeste 1841.

Zur fünften Auflage.

Das Jahrzehent, auf welches der Schluß der ersten Vorrede hinwies, ist vergangen und allerdings im lebendigen Verkehr mit dem Zeitalter manche Behauptung umsichtiger begründet oder umgestaltet worden. In deutscher und fremder Sprache hat dieses Buch durch die Hände der Jugend seinen Weg in stille Pfarrhäuser und in Paläste gefunden. Und so mag es forthin, ein gesundes Bewußtsein von der geschichtlichen Entwickelung der Kirche kräftigend, unter Gottes Segen seinen Weg gehn, bis auch seine Zeit vorüber sein wird.

Jena, am 1. Januar 1844.

Zur sechsten Auflage.

Das Neue dieser Auflage findet sich in der Geschichte der ältesten und der neusten Zeit. In jener ist es zunächst durch die Untersuchungen der neuen tübinger Schule veranlaßt. Diese konnten auch meiner frühern Arbeit nicht fremd sein, liegen aber jezt durch Baur's Paulus und Schwegler's nachapostolisches Zeitalter noch mehr im großartigen Zusammenhange vor uns. Ich war nicht in Gefahr durch die Nothwendigkeit zurückzunehmender Behauptungen gegen den Grundgedanken jener Geschichtsanschauung verhärtet zu sein, denn schon in der ersten Gestalt dieser Kirchengeschichte habe ich es ausgesprochen, daß die erste kirchliche Orthodoxie Ebionismus war, die nachher von einer höhern Bildung überflügelt zur Keßerei wurde, und meine frühste theologische Abhandlung, leider schon von 1824, auf die auch Schwegler sich berufen hat, suchte nachzuweisen, daß der Brief an die Hebräer einem ebionitischen Kreise angehöre. Dennoch habe ich mich nicht davon überzeugen können, daß auch nach dem Tode des Paulus und außerhalb Palästinas der Kampf des jüdischen und paulinischen Christenthums noch ein Jahrhundert durch unentschieden fortwogte und das treibende Princip der Geschichte wie der Literatur dieses Jahrhunderts sei. Aber meine Revision der ältesten Kirchengeschichte ist fast durchaus ein stilles Zwiegespräch

mit der tübinger Schule gewesen und aneignend wie ablehnend durch sie gefördert worden. Zur neusten Geschichte hat der Inhalt der legten vier Jahre sich dem alten Stamme in neuen Jahresringen und Sprossen leicht angeseßt. Jena, am 1. Advents-Sonntage 1847.

Zur siebenten Auflage.

Die Durchsicht zum neuen Drucke hat so viele Verbesserungen, oder doch Änderungen gebracht, daß mir, da ich auch früher nichts vernachlässigt zu haben meinte, die Unermeßlichkeit des Gegenstandes wieder recht eindringlich geworden ist. Hierdurch ist zu meinem Verdruß dießmal eine stark vermehrte Auflage entstanden. Ich darf mich wol entschuldigen wie Pascal bei einem seiner Provinzialbriefe, daß mir die Zeit gefehlt hat es kürzer zu machen. Zwar zu einem Buche soll man sich immer Zeit nehmen, denn insgemein nöthigt uns niemand zur vorzeitigen Veröffentlichung. Indeß bei bloß neuer Auflage findet doch zuweilen eine Nöthigung statt. Als ich vorigen Frühling meine kirchenhistorischen Vorlesungen wiederanzufangen hatte, waren nicht hinreichende Exemplare dieses Lehrbuchs vorhanden, und ich mußte mich entschließen, die einzelnen Bogen, wie sie aus der Presse kamen, in die Hände meiner Zuhörer zu geben, so daß ein sehr bestimmter Zwang des Fertigwerdens auf mir lag. Auch ist in der Ordnung, daß, wer eine Monographie schreibt, die Sache besser versteht als alle Andere; wer dagegen allgemeine Geschichte, der hat von Vielen zu lernen und kann fast von Allen corrigirt werden.

Jena, am 27. Februar 1854.

Zur achten Auflage.

Bei der Muße, in der ich den neuen Druck vorbereiten konnte, war es möglich, was seit 1854 auf diesem Gebiet erforscht oder geschehen ist, einzutragen, und doch eher eine verminderte als vermehrte Auflage zu geben. Mein alter Freund Rudolph Wagner erinnerte unlängst daran in der Form eines Selbstbekenntnisses : „Als Christ glaube ich, daß ich werde Rechenschaft geben müssen von jedem unnügen Worte.“ Ich meine doch, das Gotteswort [Matth. 12, 36] könnte auch ohne Übertragung ins Japhetische etwas anders übersegt werden, als Luther es übersegt hat, und so scharf wird unser Herr nicht mit uns verfahren, daß er für jedes unnüße Wort im heitern Geplauder unter Freunden Rechenschaft fordern sollte: aber für das, was einer drucken läßt, gefällt mir's sehr wohl, und ich habe wenigstens in diesem Buche alles darauf angesehn, ob es nicht als unnug ausgemärz werden könne.

Bei Durchsicht der neusten Geschichte ist mir's wehmüthig aufgefallen, zu wieviel theuren Namen nun das Todesjahr zu schreiben war, unter ihnen die beiden großen Schriftforscher, Lücke und Winer, jener aus einem Gegner mir ein Freund geworden, dieser einst mein lieber Lehrer, und der neben Neander uns so lange als der Repräsentant der Kirchengeschichte galt, Gieseler, mein edler Widersacher.

Von Kirchenvätern und einigen andern Schriften, die mehrmals nach der Seitenzahl citirt werden mußten, sind nachfolgende Ausgaben gemeint: Cypriani Opp. ed. Fell. 713. Epiphanii Opp. ed. Petav. Par. 622. Hieronymi Opp. ed. Martianay, wo Vallarsi nicht ausdrücklich erwähnt ist. Justini Opp. ed. Otto, Jen. 847 s. Leon. M. Opp. edd. Ballerinii. Origenis Opp. edd. Delarue. Gerson, ed. Du Pin, Antu. 706. Guicciardini, Ven. 583. 4. Matthaeus Paris, Par. 644. Melanchth. Epp. im Corpus Reformatorum. Platina 664. holländische Ausgabe. Trithemii Annales Hirsaug. S. Galli 690. Sleidan. Argent. 555. Sarpi 699. 4. Seckendorf, Francof. 688. Ranke, deutsche Gesch. 3. A. Die Monumenta Germaniae ed. Pertz nach der Bändezahl der Scriptores. Ich habe geschwankt, ob ich nicht die Citate aus Luthers Werken, deren deutscher Text nach der Walch'schen Ausgabe angeführt ist, in die Erlanger Ausgabe übertragen sollte. Aber diese Ausgabe ist doch in der Unzahl ihrer kleinen Bände für den wissenschaftlichen Gebrauch gar zu unbequem und im Drucke gar zu kärglich ausgestattet, als daß nicht eine auch der Form nach würdige Ausgabe der Werke Luthers, die so gut ein deutsches Nationaldenkmal sind als der Kölner Dom, bald zu erwarten wäre, geseßt auch das neue Mode-Lutherthum brächte das nicht zu Stande. Luthers Briefe nach de Wette, Seidemann und Burkhardt.

In den Noten zur neusten Geschichte bedeutet A. KZ. die Darmstädter Allgemeine Kirchenzeitung ; Ev. KZ. Evangelische Kirchenzeitung ; Brl. KZ. die (1853 eingegangene] Berliner Allgemeine Kirchenzeitung; Prot. KZ. Protestantische Kirchenzeitung; [N. Ev. KZ. Neue Evangelische Kirchenzeitung; A. Ev. Luth. K3. Allgemeine Evang. Lutherische Kirchenzeitung;] A. AZ. Augsburger Allgemeine Zeitung; D. AZ. Leipziger, nachmals Deutsche Allgemeine Zeitung. Einigemal sind Actenstücke, die auch in den Kirchenzeitungen stehn, aus politischen Zeitungen citirt, da ich sie mir aus diesen zuerst notirt hatte; aber noch immer ist der Wunsch auch für den künftigen kirchengeschichtlichen Gebrauch nur ein Wunsch, daß unsere Kirchenzeitungen etwas vollständiger, als bisher in Bezug auf das Ausland geschehn ist, alles Urkundliche sammeln, zumal eine Fortseßung von des armen Rheinwald Acta historico-ecclesiastica faum noch zu erwarten ist. Jena, am 3. August 1858.

Zur neunten Auflage.

Noch einmal habe ich dieses Buch überarbeitet, doch ist das Meiste stehn geblieben. Die Arbeit eines vollen Menschenalters liegt darin, denn von andern Studien, die eher Kopf- oder Herzweh machen, bin ich immer gern zu diesen friedlichen Geschichten zurückgekommen, und doch weiß ich so gut als damals, da ich die erste Vorrede schrieb, wieviel daran noch mangelhaft ist. Die Kirchengeschichte, wo sie sich nicht bloß im Allgemeinen halten und auch das nur auf Grund specieller Forschungen darlegen will, hat einen so unübersehbaren Inhalt und so viele Beziehungen auf Verhältnisse, die an den äußersten Gränzen der Theologie liegen, daß ein einzelnes Menschenleben schwerlich ausreicht sie zu umspannen, auch wenn, wie ich dessen mit stillem Dank gedenke, Fremde, kundige Freunde und Schüler, diese allmälich in jene übergebend, fleißig daran geholfen haben.

Naturgemäß ist geschehn, und ich darf mich dessen freuen, daß in den 33. Jahren, seit dieses Buch von den Studenten so von Jahr zu Jahr mit hinübergenommen wurde ins Pfarrhaus, Manches daraus in die gewöhnliche Behandlung der Kirchengeschichte und in das gemeinsame Bewußtsein übergegangen ist. Überseßungen ins Dänische, Englische, Magyarische und Französische haben bei so vielem nur Angedeuteten und Zusammengedrängten eigenthümliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, besonders die französische ist meines Wissens einigemale versucht und wieder aufgegeben, endlich doch zu stande gekommen.

Der Verfasser ist gleich in der ersten Gestalt dieses Buchs hinter den Thatsachen gänzlich zurückgetreten, darin darf es sich den Schriften der Einsiedler von Port-Royal vergleichen, daß außerhalb der Vorrede, in der nach hergebrachtem Rechte das Ich seine Stätte hat, dasselbe meines Erinnerns nur noch in den Anmerkungen zweimal vorkommt auf Anlaß einer nicht aufgefundenen Handschrift und zur Bezeugung des persönlichen Eindrucks einer Thatsache. Mein protestantischer Standpunkt in der Anschauung von Ereignissen und Personen hat sich freilich nirgends verborgen, aber dieser gewährt die unbedingte Freiheit und fordert die parteilose Gerechtigkeit des Urtheils auch über das ihm Fremdartige, ja Feindselige. Ist es doch protestantische Geschichtschreibung gewesen, welche zuerst ein begründetes und maßvolles Urtheil über die geistige Größe Gregors VII festgestellt hat. Diese Freiheit ist der katholischen Geschichtschreibung nicht gegeben, wenn auch das Gegentheil zu dieser Zeit nicht immer so äußerlich hervortritt, wie auch der neuen Auflage von Alzogs Kirchengeschichte das Imprimatur des Erzbischofs von Freiburg vorgedruckt ist; also die geistliche Censur eines wissenschaftlichen Buchs mitten in Deutschland und in einem aus den Schlingen des Concordats geretteten Lande! Dennoch könnte der katholischen Theologie durch die neue Ausgabe meiner Kirchengeschichte in Erinnerung kommen, was sie über ein andres Buch mir ganz vergessen zu haben scheint, daß ich

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