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die Juden zum tödlichen Haß und zur unerhörtesten Verfolgung an 1) und selbst bei späterer Duldsamkeit wurde das ganze Judenthum doch immer mit der tiefsten Verachtung behandelt.2) Wenn die Reform guter Polizei zu Augsburg von 1530 (Tit. 22, §. 1) hinter liederlichen Weibsbildern, dem Büttel, Nachrichter und Schinder auch noch den Juden ihre Kleidung bestimmt und ihnen befiehlt, ihren gelben Ring an Kragen oder Kappe ,,öffentlich und unverborgen" zu tragen, so weiß man, daß jene Zeit sich noch nicht von der mittelalterlichen Barbarei frei gemacht hatte, deren plumpen Intriguen selbst hervorragende Juden zum Opfer fallen mußten, wie der Arzt Zedekias 3), der 877 Karl den Kahlen, und Frydank4), der 1349 Günther von Schwarzburg vergiftet haben sollte. 5) Wenn aber über hundert Jahre später jene wüthenden dogmatischen Angriffe, namentlich von Seiten lutherischer Gelehrter, wie z. B. Müller, Wagenfeil, Eisenmenger, welche weit mehr Haß als Kenntniß des jüdischen Wesens verrathen ®), gegen das auf diesem Gebiete nur mit dem zähesten passiven Widerstand ge

1) Ueber die Verfolgungen der Juden zur Zeit der Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts vgl. Christoph Lehmann, ',, Chronica der freien Reichsstadt Speyer" (Frankfurt a. M. 1652), Bd. 7, Kap. 42; sowie Seb. Franck, „Chronica des ganzen deutschen Landes" (Augsburg 1538); besonders aber Dr. Theod. Meyer- Merian's vortreffliche Abhandlung:,,Der große Sterbent mit seinen Judenverfolgungen“, S. 149-211 des Festbuches: ,,Basel im vierzehnten Jahrhundert“ (Basel 1856).

2) Ueber den Judenzins und das Judengeleite handelt weitläufig Ludewig in seiner,,Erläuterung der güldenen Bulle", II, 821 fg. Schon 1434 gebot Kaiser Sigismund in einem Mandat an den Nath zu Augsburg:,, daß ihr von unseren wegen die vorgenante Juden by uch darzu wisent und handelnt, daß fie ein kuntlich offenbar Zeichen, wie uch das gefallet und bequemblich bedunckhet, an sich nemmen, und furter mer uf Marck und Gassen bei einer Bene - öffentlichen tragen, damit dießelben Juden von Christennen sichticlichen gesundert und für Juden erkannt werden."

3) Vgl. Nocoles,,,Geschichte merkwürdiger Betrüger“, II, 335.

4) Ebendaselbst, und Fugger,,,Desterr. Ehrenspiegel", S. 322.

5) Ueber die Betheiligung des reichen berliner Juden Lippold an dem Lode des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg 1571, vgl. Nocoles, a. a. D., S. 335, und den von ihm citirten Gundling.

6) Vgl. darüber die folgende Literatur.

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waffnete Judenthum unternommen wurden; wenn noch hundert Jahre später Joachim in seiner Uebersezung des Rocoles 1) (II, 317 fg.) noch solche Betrachtungen über die Bosheit und zeitliche Strafe der. jüdischen Nation" wiedergeben konnte; und wenn endlich das im achten Decennium des vorigen Jahrhunderts erwachende philanthropische Streben, die Lage der Juden in Deutschland zu verbessern, nichts anders als jene Literatur2) hervorzubringen wußte, die ungeachtet der klaren Darstellung des mit Moses Mendelssohn innig verbundenen Hirschel Lewin 3) das wahre Wesen des Judenthums nicht gründlich auffaßte und daher die ernste politische Aufgabe ungelöst lassen mußte: dann begreift man, daß die von Thiel) mit Beziehung auf Cramer 5) gemachte Bemerkung:,,Sunt itaque Judaei quidem in civitate non vero de civitate", weit mehr als ein bloßes bitteres Wortspiel ist, daß sie an eine bedeutsame Aufgabe mahnt, an deren bisher vergeblich versuchte Lösung sich nunmehr das Judenthum selbst gemacht und dadurch, daß es selbst die früher so ausschließlich und farbig hervortretenden unlautern Elemente nach allen Kräften zu beseitigen strebt und mit Hülfe eines tüchtigen und achtungswerthen Gelehrtenstandes überallhin eine humanistische und sittliche Durchbildung verbreitet 6), eine Reformation angebahnt hat, die nicht

1) J. B. von Rocoles,,,Geschichte merkwürdiger Betrüger" (2 Thle., Halle 1761).

2) z. B. C. W. Dohm,,, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden“ (Berlin und Stettin 1781); D. G. G. Gmelin,,,Abhandlung von den besondern. Rechten der Juden in peinlichen Sachen“ (Tübingen 1785); G. G. von Zangen, „Ueber die bürgerliche Verfassung und Verbesserung der Juden“ (Gießen 1788); G. H. von Berg,,, Staatswissenschaftliche Versuche‘', II, 211 fg., Abhandlung 5: über Judenwucher, u. s. w.

3) Vgl. das vortreffliche Werk:,,Ritualgeseße der Juden, betreffend Erbschaften, Vormundschaftssachen, Testamente und Ehesachen, insoweit sie das Mein und Dein angehen“, von R. Hirschel Lewin, Oberrabiner zu Berlin (Berlin 1778).

4) Principia Jurisprudentiae judaicae §. 14.

5) Weßlarsche Nebenstunden, Thl. 3, Nr. 4, S. 95.

6) Ausgezeichnet dafür wirkt die vom Rabbiner Dr. Ludw. Philippson zu Magdeburg redigirte,, Allgemeine Zeitung des Judenthums als unpar

minder der christlichen Politik als dem Judenthum zum Frommen

gereichen wird. 1)

Fünftes Rapitel.

b. Erstes Auftreten der Zigeuner in Deutschland.

Die Nachrichten über das erste Auftreten der Zigeuner in Deutschland treffen ziemlich bestimmt zusammen. Den ältesten, freilich dürren Nachweis liefert der schon oben angeführte Andreas Presbyter, Augustinermönch im Kloster des heiligen Magnus zu Regensburg und Zeitgenosse des Kaisers Sigismund, indem er in seiner „Bayrischen Chronik“ anführt, daß die Zigeuner im Jahre 1433 nach Baiern gekommen seien. Ebenso sagt der Dominicanermönch Hermann Cornerus von Lübeck, Zeitgenosse des Andreas, in seinem,,Chronicon in Eccardi Corpus hist. med. aevi", II, 1225: , Anno 1417 quaedam extranea et praevie non visa vagabundaque multitudo hominum de orientalibus partibus venit in Alemaniam, perambulans totam illam plagam usque ad regiones maritimas, Secanos se nuncupantes." Alb. Kranz († 1517) in seiner „, Sächsischen Chronik“ (L. XI, c. 2, p. 239) spricht vom Auftreten der Zigeuner schon 1417 in den Gegenden an der Nordsee. Im Jahre 1417 sollen sie, nach Munster, überhaupt in Deutschland eingewandert; im Jahre 1418, nach Joh. Stumpf († 1558), „Schweizer Chronik" (lib., 8, c. 10, p. 425), und nach Johann Guler

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teiisches Organ für alles jüdisches Interesse.“ Interessant ist auch die Erscheinung einer hebräischen Zeitung,, Ha Magid“ (,,Der Verkündiger“), welche jeßt in Johannisberg (Ostpreußen) gedruckt und vom Rabbiner S. Silbermann in Lyk redigirt wird.

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1) Ueber die Schicksale der Juden in Deutschland gibt Gustav Klemm, , Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit", IX, 273-284, eine vortreffliche historische Skizze. Vgl. auch die von ihm besonders S. 284 in der Note angeführte neuere Judenliteratur.

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von Weinegen (Weineck) in dessen Rhaetia oder Beschreibung von Graubündten" (lib. 10, p. 156 b) in der Schweiz aufgetreten; nach Brückner,,,Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel" (Stück VIII, S. 853) im Jahre 1422 unter ihrem Herzog Michael von Aegypten nach Basel gekommen sein. Diese ältern und andern Angaben sind mit der ältern Zigeunerliteratur kritisch beleuchtet von Thomasius in der schon angeführten Dissert. de Cinganis", §. 17-21; ebenso später von Grellmann, a. a. D., S. 155. Die älteste ausführliche Nachricht gibt Seb. Munster (1489-1552) in seiner,,Cosmographie“ (lib. 5, c. 5, p. 603 der neuen deutschen baseler Ausgabe von 1628), und del Rio (1551-1608) ,,Disquis. magic.", lib. 4, c. 3, quaest. 5. Beide sind gerade in jener Zeit mit den Zigeunern persönlich in Berührung gekommen, zu welcher die Zigeuner noch ziemlich ungestört ihr Wesen treiben konnten. Es ist daher interessant, aus den gegebenen Darstellungen die Farbigkeit und penetrante Einbürgerung der Zigeuner an allen Orten, wohin sie gelangten, zu erkennen. Die bezügliche Stelle bei Munster lautet:

,,Als man zahlt von Chrifti Geburt 1417 hat man zum ersten in Teutschland gesehen die Zygeuner, ein vngeschaffen, schwarz, wüst vnd vnflätig Volck, das sonderlich gern stielt, doch allermeist die Weiber, die also ihren Mannen zutragen. Sie haben vnder ihnen ein Graffen vnd etliche Ritter, die gar wol bekleydet, vnd werden auch von jnen geert. Sie tragen bey ihnen etliche Brieff vnd Siegel, vom Kayser Sigmund vnd andern Fürsten gegeben, damit sie ein Gleyd vnd freyen Zug haben durch die Länder vnd Stätt. Sie geben auch für, daß jnen zur Buß auffgelegt sey, also vmbher zu ziehen in Bilgerweiß, vnd daß sie zum ersten auß flein Egypten kommen seyen. Aber es sind Fabeln. Man hat es wol erfahren, daß diß elend Vold erboren ist, in seinem vmbschweiffen ziehen, es hat kein Vatterlandt, zeucht also müssig im Landt vmbher, ernehret sich mit stelen, lebt wie ein Hund, ist kein Religion bey ihnen, ob sie schon jhre Kinder vnder den Christen lassen tauffen. Sie leben ohne Sorg, ziehen von einem Landt in

das ander, kommen vber etlich jahr herwider. Doch theilen sie sich in viel Schaaren, vnd verwechßlen jre Zug in die Länder. Sie nehmen auch Mann vnd Weib in allen Ländern, die sich zu inen begern zu schlahen. Es ist ein seltzams vnd wüst Volck, kan vil Spraache vnd ist dem Bawersvolck gar beschwerlich. Wann die armen Dorffleut im feldt sind, durchsuchen sie ihre Häuser, vnd nehmen was ihnen gefällt. Ihre alte Weiber ernehren sich mit Wahrsagen, vnd dieweil sie den fragenden antwort geben, wie viel Kinder, Männer vnd Weiber sie werden haben, greiffen sie mit wunderbarlicher Behendigkeit ihnen zum Seckel oder zu der Taschen, vnd leeren sie, daß es die Person, deren solches begegnet, nicht gewahr wirdt.

,,Es ist mir Munstero vor etlich vergangnen jahren1) bei Heydelberg begegnet, dz ich mit jnen zu Eberbach in ein Gespräch kam, vnd von ihren Obersten zu wegen bracht, zu lesen einen Brieff2), daß sie sich berühmbten, vnd das war ein Vidimus, so

1) In der lateinischen Ausgabe steht: „Sunt anni plus minusve viginti sex ab hoc tempore, quando ego Munsterus ista scribo etc. Die Vorrede zur „Cosmographie“ ist vom 17. März 1550 datirt.

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2) Der Brief war damals schon über hundert Jahre alt, und erscheint allerdings stark avokryph. Vgl. Ahasv. Fritsch, Diatribe historico-politica de Zygenorum origine vita ac moribus", membr. IV. Thomasius, (a. a. D., §. 27) hält den Brief für echt und bündig. Wurstisen (,, Baseler Chronik", S. 240); Matth. Wehner, (,,Observ. practicae" - verbo 3igeuner), und Crusius (,,Annal. Suev.", S. 384) reden auch noch von andern Freiheitsbriefen und von der Erlaubniß, die von päpstlicher Seite den Zigeunern ertheilt sei, alle christliche Länder zu durchwandern. Abgeschmackt ist die von Muratori, ,, Rerum Italicae", t. 18 ad annum 1422, angeführte Behauptung einer Zigeunerhorde: Aveano un decreto del Re di Vngheria,

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per vigore di

cui essi poteano rubare per tutti que' setti anni per tutto dove andassero e che non potesse essere fatta loro giustizia!! Vergl. Grellmann, a. a. D., S. 170. Uebrigens ist diese Freiheit der Zigeuner schon bald sehr b. schränkt worden. Joh. Bodinus erwähnt zu Ende des zweiten Kapitels im fünften Buch seiner Sechs Bücher,,De republica" eines Edictes Ferdinand's von Spanien von 1492: quo haec pestis, quod in Hispania quoque latissime grassaretur, coërceri coepit. Das Beispiel fand in Deutschland rasche Nachahmung; denn schon im Reichsabschied zu Augsburg, 1500, §. 27, wird allen Ständen des Reichs geboten, die Zigeuner als Erfahrer, Außspeher und Verkund

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