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Diebe befinden, sind sehr interessant und beurkunden den psychologischen Scharfblick und die tiefe Menschenkenntniß des Verfassers. Leben und Ende des berüchtigten Anführers einer Wildschüßenbande, Matthias Klostermayer oder des sogenannten Bayerischen Hiesels, aus gerichtlichen Urkunden gezogen und mit genau nach den Umständen jeder Begebenheit gezeichneten Kupfern gezieret. Frankfurt und Leipzig 1776.

Gleich der schon erwähnten actenmäßigen Biographie des Friedr. Schwan, Hannikel u. A. ist auch dies Buch, welches mit actengetreuer Ausführlichkeit und lebendiger psychologischer Auffassung das Leben und Ende eines verwegenen, blutdürftigen und beispiellos rachsüchtigen Räubers darstellt, für die Gaunerliteratur beachtenswerth. Vor dem Titel wird in einem schlecht gerathenen Kupferstich der Hiesel mit seinem Buben und seinem allerdings merkwürdigen Hunde dargestellt. Der am Schluß beigegebene dreigetheilte Kupferstich zeigt die Gefangennahme und die Hin. richtung des Hiesel, in welchen Darstellungen jene Zeit sich noch immer gefiel.

Kostanzer Hans, eine Schwäbische Jauners - Geschichte; aus zuverlässigen Quellen geschöpft und pragmatisch bearbeitet. Stutt gart 1789.

In diesem für den Criminalisten und Psychologen in hohem Grade wichtigen Buche wird die meisterhaft geschriebene Biographie eines der großartigsten Gauner gegeben, die je gelebt haben. Die Darstellung ist überall klar und verständlich und zeichnet sich durch ihre Ausführlichkeit und tiefe geistige Auffassung der Individualität des Kostanzer Hans (Johann Baptista Herrenberger) aus, dessen Jugendgeschichte, Uebergang zum Gaunerleben, Gaunertreiben, sowie Zusammenleben mit der ruchlosen Schleiferbärbel, der Frau des Schleifer - Toni (Scherenschleifer Antonius Krämer), die überall wie sein böser Genius erscheint (vgl. S. 87 fg.), in der anziehendsten und spannendsten Weise erzählt wird. Das Buch ist ein glänzender Beweis von der ausgezeichneten criminalistischen

Berufung seines Verfassers, des Oberamtmanns Georg Jakob Schäffer zu Sulz, der die schwierige Untersuchung gegen Herrenberger führte, sich seiner mit seltener Menschenliebe annahm und durch seine unablässigen Bemühungen ihn nicht nur der Todesftrafe entzog, sondern ihm auch später seine gänzliche Begnadignng erwirkte.

Abriß des Jauner und Bettelwesens in Schwaben, nach Akten und andern sichern Quellen von dem Verfasser des Kostanzer Hans. Stuttgart 1793.

Dieser erste Versuch einer rationellen Darstellung des Gau nerwesens ist in der That eine erschöpfende Naturgeschichte des Gaunerthums, und mit vollem Rechte eine Meisterarbeit zu nennen, die noch immer unübertroffen dasteht. Sie ist zugleich ein Beweis, wie lange schon das Gaunerthum fertig und vollendet dagestanden hat, und wie die Gaunerkunft gerade durch ihren schlauen` Versteck und durch ihre Ausbeutung aller social-politischen Verhältnisse eben von diesen Verhältnissen selbst getragen und von ihnen um so sicherer geschüßt wird, je complicirter und künstlicher diese selbst werden. Das Buch, welches nur dem Titel nach sich auf das Gaunerthum in Schwaben beschränkt, umfaßt jedoch das gesammte Gaunerthum, wie es in seinem vollen Wucher sich über das ganze cultivirte Europa erstreckt hat, und verdient daher die genaueste Beachtung. Das Werk zerfällt in drei Theile. Im ersten Theile werden die Jauner, im zweiten die Bettler und im Anhange die Zigeuner abgehandelt. Diese Eintheilung ist unklar und verwirrt den Ueberblick, da im ersten Theile nämlich das specifische Gaunerthum mit allen seinen Künsten und Ränken, im zweiten Theile, im anscheinenden Gegensaße, das Bettlerthum abgehandelt wird, in welchem man jedoch auch nach der Darstellung Schäffer's, ganz nach Art des Liber Vagatorum, nur die Maske des hinter dem Bettel sich versteckenden Gaunerthums erblickt. In gleicher Weise wird in dem kleinen. Anhange von den Zigeunern nicht etwa von der exclusiven Eigenthümlichkeit, Nationalität und Sprache der Zigeuner, sondern nur

von einzelnen gaunerischen Ränken derselben geredet, die jedoch durchaus nicht den Zigeunern eigenthümlich sind, sondern dem Gesammtgaunerthum angehören. Das Buch ist eine überaus reiche Quelle der vielseitigsten Belehrung und muß auch noch jezt jedem Polizeimann bekannt sein, welchem daran liegt, das Gaunerthum in seiner ganzen intensiven und ertensiven Gewalt kennen zu lernen.

Sunfzehntes Rapitel.

H. Die Gruppen- und Personenskizze.

Wie bedeutsam und viel versprechend auch die Stufe war, zu welcher sich, namentlich durch Schäffer's treffliche Schriften, die Gaunerliteratur emporgehoben hatte, so erscheint sie doch gleich nach Schäffer plößlich wie gänzlich abgebrochen. Die ungeheuere Schilderhebung des Räuberthums mit der Französischen Revolution, sein furchtbarer frécher Angriff auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, vor dem die Polizei sogar eine Zeit lang zurückweichen mußte, stellte den Sicherheitsbehörden eine so große, und bei den schwankenden politischen und Territorialverhältnissen, so überaus schwierige Aufgabe, daß es der angestrengtesten Thätigkeit aller Sicherheitsbehörden bedurfte, den Kampf gegen die verbrecherische Masse nur beginnen zu können, der jedoch nur in gelegentlichen Angriffen auf einzelne Gruppen versucht, nicht aber mit einem großen Heereszug gegen das furchtbare Ganze gewagt werden durfte. Sieht man in jenen Aufruhr aller verbrecherischen Kräfte hinein, so muß man erstaunen über den Muth und die Erfolge der preußischen Justiz, die einen Kampf unternahm, wo das Räuberthum nur einen allgemeinen Triumph feierte, man muß erstaunen, daß mitten in dem Kampfe, den man einen dreißigjährigen Krieg der Justiz gegen das Räuberthum nennen kann, überhaupt ein literarisches Werk wie die ,,Actenmäßige Geschichte der Rheinischen Räuberbanden“ erscheinen, erstaunen darüber, daß

es schon solche Resultate aufweisen, und doch noch hinterdrein soviel zu thun nachlaffen konnte. In diesem langen schweren Feldzuge gegen das Räuberthum lernte die Justiz seine Taktik begreifen, sie hatte aber keine Muße, im vollen Kriege theoretische Werke darüber zu schreiben, sie schrieb Notizen, zeichnete Derter und Individualitäten, und documentirte gerade dadurch ihre riesige Thätigkeit, daß sie nur diese Notizen gab. So gewann in dieser Thätigkeit und in der Noth dieser Thätigkeit die Literatur jene eigenthümliche Weise, in der sie vor uns liegt: sie beschränkte sich auf die Gruppen- und Personalskizze 1), nicht aus geistiger Noth, sondern aus der Noth der angestrengtesten Thätigkeit; denn überall in jedem literarischen Werke blickt in hellen Andeutungen und Versuchen das Streben nach einer rationellen Darstellung, und die lebendigste Anerkenntniß ihrer Nothwendigkeit hervor. Rebmann gab das Meisterhafteste und Geistvollste in seiner Darstellung des Damian Hessel, aber es waren nur Skizzen und ungeachtet der drei Auflagen, welche das Werkchen bei dem frischen Interesse der Untersuchung erlebte, waren es gerade jene rationellen Skizzen, die bei weitem nicht genug Berücksichtigung fanden. Vergeblich haben Falkenberg und Wenmohs, Thiele und Zimmerimann die Bahn wieder zu eröffnen gesucht. Seitdem das Räuberthum den offenen Feldzug nicht mehr gewagt hat, glaubte man zu fest an Frieden und an die Niederlage des Gaunerthums, und beachtete es nicht genug, wie im äußerlichen Schein des Friedens gerade bei dem Siechthum unserer bunt bewegten, krankhaft afficirten social-politischen Zustände das Räuberthum ein heimliches Minirsystem ergriffen hat, bei welchem ihm der gelockerte Boden der Sitte und Zucht die Arbeit leicht macht. Die Polizeiliteratur

1) Desto üppiger und verderblicher fingen aber dabei die Näuberromane an emporzuwucheru, mit denen Deutschland überschwemmt wurde, und in denen das Räuberthum gleich einem romantischen Nitterthum gefeiert wurde. Diese ekle und entsittlichende Näuberromantik brachte denn auch wieder die Flut von Ritterromanen zu Wege, welche auf solchem Grunde nichts Wahres, Echtes und Edles liefern und nur zu Verirrungen, nicht aber zu edlen begeisterten Thaten führen konnten.

beschränkt sich auch noch heutiges Tages auf die Personalskizze und blickt mit Zutrauen auf die Polizeigeseßgebung, welche Masse auf Masse häuft auf eben jenem Boden, hem doch der feste Grund fehlt, und der dazu noch vom Gaunerthum immer mehr unters wühlt wird. Es ist darum noth, daß das ganze Gaunersystem offengelegt wird, damit man Acht habe und damit bei einer Erschütterung des Bodens nicht manches untersinke und verschüttet werde, an dessen feste Sicherung man glaubt. Erst in neuester Zeit scheint die in jenen Zeitschriften und den erwähnten Werken lebhaft angeregte und vorbereitete rationelle Literatur sich wieder selbständig erheben und da wieder anfangen zu wollen, wo Schäffer aufgehört hat, wie dies unter anderm das treffliche Werkchen des Criminalrathes F. Hirt in Gera über den Diebstahl beweist. Aus dieser lezten Periode sind nachstehende Werke bemerkenswerth:

Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheines. Erster Theil, die Geschichte der Moselbande und der Bande des Schinderhannes, verfaßt von B. Becker, Sicherheitsbeamten des Bezirks von Simmern. Zweiter Theil, enthaltend die Geschichte der Brabantischen, Holländischen, Merfener, Crevelder, Neußer, Neuwieder und Westphälischen Räuberbande; aus Criminal - Protokollen und geheimen Notizen des Br. Keil, ehemaligen öffentlichen Ankläger im Ruhrdepartement, zusammengetragen von einem Mitgliede des BezirksGerichts in Köln. Köln 1804.

Das Buch ist die Hauptquelle für die Kenntniß des Räuberthums von 1789-1804, und das Ergebniß einer außerordentlich mühsamen und fleißigen Arbeit. Sie gibt in actenmäßigem, chronologisch geordnetem Auszuge eine sehr reiche Darstellung der unerhört vielen Verbrechen, welche von den einzelnen Räuberbanden verübt worden sind, und ist deshalb sehr interessant und wichtig. Bei der großen Masse jener einzelnen Räubereien und bei der Beschränkung der eigenthümlichen geschichtlichen Darstellung auf eine, ohnehin nicht geschickt und chronologisch richtig

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