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geoisie hin und wieder mächtig einwirkte. Die Preffe, obgleich eins der größten Wiener Blätter, war das wohlfeilfte (die Nummer 2 kr.) und wurde außerdem zu Taufenden von Eremplaren in Stadt wie Provinz gratis vertheilt. Von den bedeutendsten Oppositionsblättern waren die ehrlichsten und entschiedensten die „Konstitution“, der „Radikale“, der „Studentenkourier“ und der Freimüthige".

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Die „Konstitution“, in ihrer anfänglichen Gestaltung ein Schmähblatt der niedrigsten und gemeinsten Gattung, hatte sich binnen wenigen Monaten aus dem Schlamme, in den gleich ihr die große Mehrheit der Wiener Blätter aller Farben versunken waren, emporgehoben und durch den ernstern, würdigerern Ton ihrer Haltung eine allgemeine Geltung erworben. Obgleich die Redakteure wie die Mitarbeiter der Konstitution jeder posi= tiven publizistischen Bildung ermangelten und eine tiefere Auffassung der Verhältnisse von ihnen nicht zu erwarten war, fo wirkten dieselben mit diesem Volksblatte doch mehr als alle ihre Gegner mit den spalten- und gelehrsamkeitreichen Artikeln. Von mancher Nummer der Konstitution wurden an 20,000 Exemplare im Einzelverkauf abgescht. Die Abonnentenzahl belief sich in leßterer Zeit auf ungefähr 3000. Unter den Mitarbeitern der Konstitution zeichneten sich durch die volksthümliche Haltung und Verständlichkeit ihrer Artikel besonders Grißner jun. und der Vorstand des Arbeitervereins, Hrczka, aus. Der „Radikale,“ durch den bekannten Dr. Becher geleitet, war unstreitig das am talentvollsten geschriebene Oppositionsblatt, wenn auch hier und da einzelne Ausfälle gegen ministerielle Personen oder Minister ins Skurrile ausarteten ein Fehler, der Tausenau's Polemik vorzüglich eigen war. Engländer, S. Kolische, Jellinek und Berger waren tüchtige Kräfte, welche den,,Radikalen“ zu einem der gediegenften Oppositionsblätter in Oesterreich emporhoben. Ihm schlossen sich, wie schon erwähnt, Oskar Falke's und Buchheim's geistreicher,,Studentenkourier“ und Mahler's „Freimüthiger“ ehrenvoll an. Die ehemals privilegirten Blät= ter, wie Bäuerle's „Theaterzeitung“, der „Humorist“, „Wan= derer" u. s. w. waren dem alten System treu geblieben und bellten nun, mit einem konstitutionellen Halsband versehen, nach wie

vor in der von ihren hohen Gönnern befohlenen Tonart. Die Zahl der Blätter in Wien war Legion. Alle Tage tauchte ein neues auf und ein anderes verschwand, und es wäre eine über unsere Kräfte gehende Aufgabe, einen genauen statistischen Nachweis zu liefern. Die schmußigsten und gemeinsten, der Auswurf Aller waren aber die „Gassenzeitung“ und die „Geißel“, lettere Eigenthum des würdigen Herrn Bäuerle.

Das Ministerium vor dem 6. Oktober, mit Ausnahme Bachs, aus abgelebten Greisen, unfähigen Individuen und verknöcherten Bureaukraten bestehend, konnte sich keine lange Dauer versprechen und der Sturz desselben wäre auch ohne den 6. Oktober durch eine Nevolution, nur wenige Tage später, bewerkstelligt worden. Wir wollen das Ministerium, dessen AmtshandLungen wir bereits aus der Darstellung der ungarischen Verhältnisse genügend kennen, in seinen einzelnen Individualitäten flüchtig schildern. Wessenberg, ein Greis an Jahren, aber nicht an politischer Anschauung, durch Pipiß und Erb vollkommen tyrannifirt, war als Minister-Präsident nur eine Puppe der genannten Abenteurer, die in Kompagnie mit Latour ein Kabinet über dem Kabinet bildeten. Ein Märtyrer Metternichs, hatte er in der 1. k. Komödie der „Sühnung“ den zärtlichen greisen Vater spielen müssen, eine Stelle, der er sich mit wenig Glück entledigte, indem er nur als der vollkommene Dupe der österreichischen Kamarilla auftrat. Dobblhoff, ein Iffland'scher Minister vom Scheitel bis zur Zehe, die angeborne adlige Nacensympathie nur selten verleugnend, hätte gern den ehrlichen Mann ge= spielt, aber nur der Wille war stark, und der Baron Dobblhoff sehr schwach. Kraus, ein bürgerlicher, aber kluger Bureaukrat, war nächst Bach der begabteste unter den Ministern, denn er hatte die Zeit begriffen und suchte derselben in so weit Rechnung zu tragen, als es seine schuldige Devotion gegen die Kamarilla und die Erhaltung seines Portefeuilles gestatteten. Während der Oktobertage benahm er sich in seiner Stellung zu Wien eben so klug als umsichtig, und nur seinem Gebaren dankt es die Dynastie, wie die ganze verächtliche Brut ihrer Kreaturen, daß nicht sofort die Scenen von 1789 aufgeführt wurden. Hätte Kraus, als Messenhauser und Braun zu Kommandanten

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gewählt wurden, seine Unterschrift verweigert und desgleichen. die Verabfolgung der 200,000 Gulden zur Besoldung der bewaffneten Arbeiter verweigert, so hätte die Erklärung einer provisorischen Regierung und die volle Herrschaft eines Schreckenssystems wohl schwerlich lange auf sich warten lassen. Sein Kollege Hornbostl war ein gemüthlicher Wiener, ein wackrer, redlicher Mann, geschickter Fabrikant, aber unbrauchbarer Minister, mehr dazu berufen, die Bourgeoisie in dem neuen konftitutionellen Himmelreich zu repräsentiren, wie als Staatsmann eine Rolle zu spielen. Hornbostl hat sich von den Niederträchtigkeiten des Nabinets fern gehalten und man zog ihn auch Seitens der Kamarilla nicht in die Verschwörung, weil man wußte, wie er zu ehrlich sei, um sich als Werkzeug diplomatischer Schurkereien gebrauchen zu lassen. Der schlaueste und gewandteste yon allen Ministern war Dr. Bach, der auf den Schultern des Volkes zum Ministersiße emporgeftiegen, als ächter Emporkömmling Alles anwandte, um seine hohen Gönner vergessen zu machen, daß er aus der „Kanaille“ in diese hocharistokratische Umgebungen gelangt sei. Er war ein williges, fügsames Werkzeug, zu jeder politischen Niederträchtigkeit bereit, sobald sie ihn in der Macht erhalten und die Gunst der Kamarilla erhalten konnte. Er war es, der dem berüchtigten Herrn Levi Neumann den Antrag einflüsterte, welchen er in der Reichsversammlung ftellte, dahin lautend:,,Wien in den Belagerungszustand zu erklären." Wäre Bach am 6. Oktober in die Hände des Volks gefallen, das Schicksal Latours wäre ihm unausbleiblich gewesen und wahrlich, wenn sich Mord je vertheidigen ließe, so würden wir sagen: er hätte einen Würdigern erreicht. Latour wurde als Volksverräther ermordet und doch war er nichts weniger als ein Verräther des Volks.

Latour war ein ergrauter starrer Aristokrat, ein eingefleischter Soldat, dessen Weltanschauung nicht über die Spiße seines Degens reichte, aber er gab sich keine Mühe, seine Gefinnungen zu verbergen, er liebäugelte nicht mit konftitutionellen Prinzipien, die er haßte, er liebäugelte nicht mit Bourgeoisie und Volk, das er verachtete, und das für ihn nur eristirte, Soldaten zu liefern und beherrscht zu werden. Wer aber dem

um

Volke offen und ehrlich den Fehdehandschuh ins Gesicht schleudert und nicht wie Bach die konstitutionnellen Prinzipien zum Deckmantel politischer Niederträchtigkeit und Servilismus macht, der konnte auch nicht das Volk verrathen. Latour war nicht durch das Vertrauen des Volkes zum Ministertische berufen worden, und konnte demzufolge auch dessen Vertrauen nicht verrathen. Die Tödtung Latours, begleitet von den grauenerregen= den Unthaten, die an seiner Leiche verübt worden, verdient nicht den Namen einer Volksjustiz, es war ein schändlicher Mord. Nicht daß wir Latour als schuldlos erklären aber sein Tribunal war ein Staatsgerichtshof, von dem, wenn unparteiische Richter gesessen hätten, jedenfalls ein schuldig ausge= sprochen worden wäre. Hätte es Dr. Bach getroffen, so würden wir zwar den Mord nicht entschuldigen, aber den Namen Volksjustiz doch mehr gerechtfertigt finden. Auch ihn wird die allwaltende Nemesis einst ereilen! Die Physiognomie des Reichstages zu schildern, behalten wir uns für den Verlauf dieser Darstellung vor, da dessen Verhandlungen, wie die Zeichnung der hervorragenden Individualitäten, die wir in diesen Blättern mittheilen, ihn prägnanter und richtiger als eine flüchtige Skizze darzustellen vermögen.

Es bleiben uns noch, ehe wir zur Geschichte des 6. Oktobers übergehen, einige Worte über das Vereinswesen und die Orga= nisation der Aula zu sagen übrig.. Wien zählte am 6. Oktober folgende, ihrer Zahl, wie Tendenz nach, bedeutende politische Vereine:

1) Der demokratische Verein. Vorsitzender: Dr. Tausenau. Komitémitglieder von Bedeutung durch journalistisches Wirken oder thätige Theilnahme an der Oktoberrevolution: Dr. Gustav Frank, Sigm. Engländer.

2) Der liberale Verein an der Wien. Vorsitzender: Chaisses genannt Chaffée.

3) Der liberale Verein auf der Landstraße. *)

*) Wo die Vorsißenden nicht genannt sind, geschieht dies, um sie nicht an die k. . Schlachtkommission zu liefern, da der Verfasser nicht in Kenntniß, ob bieselben noch in deren Bereich sind oder nicht. Die hier bezeichneten Vor

4) Der Arbeiterverein in der Josephstadt. 5) Der Arbeiterverein Konkordia.

6) Der Handwerkerverein.

7) Der demokratische Verein in Gunderzdorf.

8) Der deutsch-katholische Verein.

9) Der Verein der Deutschen in Oesterreich. Obmann: Löhner und Schröter. Ausschußmitglieder: Uhl, Kuh, Fenneberg, Suttern u. A.

10) Der Verein der mit der Legion sympathisirenden Garden. Vorsißender und Organisations-Kommissär: Dr. Tausenau und Fenner v. Fenneberg.

11) Verein für Wahrung der Volksrechte. Vorsißender: Dr. Wessely, Gemeinderath.

12) Der konftitutionelle Verein. Vorfißender: Dr. Vinerot. 13) Der Verein der deutschen Frauen. Vorsißerin: Karoline Perin, geb. Pasqualati.

Mit Ausnahme der Vereine 8, 9, 11 und 12 waren sämmt= liche Vereine fest mit einander verbunden und errichteten wenige Tage vor dem Ausbruch der Oktober-Ereignisse einen CentralAusschuß, der am 3. Oktober seine erste Sißung hielt und sich auf Fenneberg's einstimmig angenommenen Antrag zur Beforgung seiner Geschäfte, und leichteren Leitung des Ganzen in drei Sektionen theilte, welche die politischen, finanziellen und militärischen Angelegenheiten berathen und die Beschlüffe dem aus 30 Mitgliedern bestehenden Ausschußse zur Diskussion und Ausführung auferlegen follte. Die politische Sektion ward von Tausenau, die militärische von Fenneberg und Frank und die finanzielle von X*** präsidirt. Leider war am 6. Oktober der Central-Ausschuß noch nicht der Art organisirt, daß er sofort eine erfolgreiche Thätigkeit hätte beginnen können und so viel auch von dessen Wirken in den bisher erschienenen einzelnen Brochüren über die Oktobertage gesagt ist, so müssen wir doch im Interesse der Wahrheit die Aufklärung geben, daß eben durch

sizenden oder Komitémitglieder sind entweder in Sicherheit oder den k. t. Schlächtern durch Unterzeichnung auf Proklamationen und Plakaten ohnehin

bekannt.

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