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jeden braven Gardisten, daß es keines weiteren Aufrufs und keiner Zwangsmaßregeln bedürfe, um Jeden an dem ihm angewiesenen Plaß zu finden. Wien, 12. Oktober 1848.

Scherzer.

Die Steiermärker an die Wiener.

Liebe Wiener!

So eben ist wieder eine neue Deputation aus Graß an= gekommen, um die noch immer verzögerte Abseßung Wickenburgs zu bewirken.

Nach ihren Mittheilungen hat Graf Wickenburg die an ihn Montag und Dienstag vom Minifterium erlassenen telegraphischen Depeschen, in welchen die Ankunft Jellachichs und die für Wien drohende Gefahr berichtet und die dortige Nationalgarde auf ihre Anfrage aufgefordert wurde, hierher zu kommen, abermals verheimlicht; die Proklamationen des Reichstags verweigerte er, dem Landvolke bekannt zu geben, weil die Druckkoften zu hoch wären! Fordert man von ihm Organisirung des Landfturmes, so will er es ohne Erlaubniß des Reichstages nicht zugeben. Er läßt aber durch Militär alle Bahnhöfe der Eisenbahn beseßen, so daß zu besorgen, daß die Euch Wienern zu Hülfe Eilenden dann eben so behandelt werden, wie die tapfere Schaar des steiermärkischen Freischüßen - Bataillons, welche bei ihrer Abreise von Graß von ihren eigenen Kameraden verrätherisch überfallen wurden.

Graf Wickenburg erklärte der Deputation des Graßer demokratischen Vereins, Jellachich sei nach Wien gekommen, um sich mit dem Wiener demokratischen Vereine zu vereinigen!

So wagt er es noch, Spott und Hohn zu treiben!

Wien! die drei nach einander hierher gelangten Deputa= tionen haben, troß ihrer wiederholten Vorstellungen, weder die Abseßung Wickenburgs, noch irgend eine Autorisation zur Organisation des Landsturms, und ganz Steiermark ist auf den Beinen. Wien, den 12. Oktober 1848.

-Im Namen der steiermärkischen Deputation. Jos. Lepp. Stiger. Dr. Emperger. Joseph Pregel. Anton Neß.

Am Schlusse dieses Abschnittes dringen fich mir über die Ereignisse dieses Tages manche Bemerkungen auf.

Der Antrag, bezüglich der Ausnahme vom Waffendienst, führte in der Folge zu verderblichen Konsequenzen, da bereits mit Messenhausers Antritt des Oberkommando's nicht weniger als 2000 Gardisten fich Dienstenthebungskarten zu verschaffen gewußt hatten. Desgleichen war Scherzers Antrag, nur uniformirte Garden desselben Bezirks zu Nachsuchungen nach Garden, die sich dem Tienste entzogen, zu ermächtigen, eben so unpraktisch als nachtheilig, da von ganz schwarzgelben Bezirken, wie z. B. die Landstraße, nicht zu erwarten stand, daß eine Krähe der andern die Augen aushacken würde. Der Befehl der Permanenz wurde übrigens nicht beachtet und Verfasser dieser Geschichte verwandte zu Nachforschung nach versteckten Garden meist nur die Garden des Wiedener Bezirks oder Mobile, welche gegen Feiglinge keine Schonung kannten. Im Laufe des Tages waren von Salzburg und Linz Garden angekommen, etwa 130 an der Zahl, an der Spiße der Salzburger Garden Professor Reyher. Sie waren Zeugen des Schauspiels, wie ein im Schwarzenberggarten gefundener Leichnam auf das Schauerlichste verstümmelt, zu der Permanenz des Reichstages getragen wurde.

Wäre es zu damaliger Zeit eine Möglichkeit gewesen, daß die ungarische Armee hätte heranrücken können, *) so würde der verstümmelte Leichnam unter Trommelschlag und Fackelschein durch die Straßen Wiens geführt worden sein, um das Volk zur Rache zu entflammen und die Behörden zu zwingen, die Ungarn herbeizurufen. Einer derartigen Demonstration, wie fie von Becher und Fenneberg beabsichtigt ward, gegenüber, würden alle Illufionen, alle Phantasien vom legalen Boden zu Nichte geworden, ja selbst der gewaltige Einfluß des Studentenausschusses ohnmächtig gewesen sein. Aber die Genannten hatten die zuverlässige Nachricht erhalten, daß ein Vorrücken

*) Warum die Ungarn nicht kamen, und im ersten Augenblicke nicht kommen konnten, wird in einem der nächßtfolgenden Kapitel ausführlicher gesagt werden.

der ungarischen Armee binnen wenigen Tagen unmöglich sei, und darum unterblieb eine Demonstration, die von den unermeßlichsten Folgen gewesen wäre. Zudem waren in diesem Augenblicke die bewaffneten Massen nicht organisirt, es fehlte an Führern, an Geschüß, an gleichmäßiger Munitionsverthei= lung, so daß die ungarische Armee von Seiten Wiens nur eine schwache Unterstüßung zu erwarten hatte.

XII.

Der 13. Oktober.

Im Laufe des 12. und 13. Oktobers trug man fich in Wien mit den abenteuerlichsten Gerüchten. Die Posten gingen nur unregelmäßig ab und zu, Alle, die Auerspergs oder Jellachichs Stellung pasfiren mußten, wurden angehalten, Zeitungen und Briefe weggenommen, die leeren Wagen selbst oft gar nicht hineingelassen. Daher auch die abenteuerlichsten Gerüchte, welche in Wien von Mund zu Mund gingen. So erzählte man fich, der König von Preußen sei troß der herrlichen Armee, von der ein Theil zum Volke übergegangen, feierlichst bei Fackelschein geköpft worden. König Mar von Bayern und der abgedankte Ludwig waren, nach zuverlässigen Nachrichten, gehängt und die Republik proklamirt. In OÜmüß endlich sollte man auf Ferdinand geschossen haben. Das Vorrücken einer 40,000 Mann starken ungarischen Armee wurde stündlich gemeldet, ohne daß die fortwährenden Enttäuschungen die Hoffnungen des Volkes je niederzuschlagen vermocht hätten. Die Läden waren theilweise noch geschlossen, die Barrikaden in der inneren Stadt zur Erleichterung der Kommunikation theilweise abgetragen. Nur zwei Thore, das alte Kärnthnerthor und das Burgthor, waren zur Passage von Fuhrwerk von ihren Barrikaden befreit worden. Auersperg und Jellachich hatten ihre Stellung um die Stadt in einem Halbkreise eingenommen, dessen bedeutendste Punkte die

Höhen des Laaerbergs und die Spinnerin am Kreuze waren. Vom Stephansthurme aus sah man, wie unweit der Spinnerin am Kreuze eine Redoute aufgeworfen und das Lager theilweise durch Erdarbeiten befestigt wurde. Jellachich hatte seine Vorposten bis gegen die St. Marrer Linie vorgeschoben, daher auch seit dem 12ten der hin und wieder erschallende Kanonendonner. Die kampfluftigen Garden greifen die Vorposten an und erhalten Kanonen-, mitunter auch Kartätschenkugeln zur Antwort.

Die Reichstagsfißung vom 13ten beginnt um 10 Uhr. Borrosch's Antrag eines Völkerkongresses und einer darauf bezüg= lichen Adresse war gestern mit einigen unwesentlichen Modifikationen nach kurzer Debatte angenommen worden. Pillersdorf erwähnt der Aufforderung einiger böhmischen Deputirten in der ,,Konftitutionellen Zeitung aus Böhmen“ an ihre Meinungsgenossen, in Brünn sich zu versammeln, lautend wie folgt:

Wir gefertigten Reichstagsdeputirten ersuchen unsere parlamentarischen Meinungsgenossen aller im Reichstage vertretenen österreichischen Länder, zu einer Besprechung über die zur Sicherung der parlamentarischen Verhandlungsfreiheit und der un= gefährdeten Existenz des konftituirenden Reichstags im Interesse der Gesammtmonarchie zu treffenden Maßregeln sich am 20. Oktober d. 3. zu Brünn in Mähren zuverlässig einzufinden.

Prag, den 10. Oktober 1848.

Palacky. Pinkas. Rieger. Tyl. Stanek. Hamernik. Král. Kratochwile. Schönhansl. Nebesky. K. Hawlicek. Pulpán. Reichert. Weznici. Sediwy. Jelen. Stiebig. Wocel. Dr. Brauner.

Nach einigen Bemerkungen über diese Aufforderung ftellt er folgenden Antrag:

Der Reichstag beschließt, mit Rücksicht auf die im „Konftitutionellen Blatte" vom 11ten d. enthaltene Aufforderung einiger böhmischen Abgeordneten:

,,Der Reichstag hat auch unter den Ereignissen der leßten Tage feine Berathungen unter Beobachtung aller legalen Formen nie unterbrochen; er ist die einzige legale, konstituirende und gefeßgebende Autorität. Die überwiegende Mehrzahl hat,

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