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große Glocke vom St. Stephan das Sturmfignal geben. In wenigen Augenblicken sah man nur Bewaffnete in den Straßen, die sich jedoch bald wieder zerstreuten, da der Allarm ein falscher gewesen war. Im Laufe des Tages wurden in der Nähe des Schwarzenberggartens ein weiblicher und drei männliche Leichname gefunden. Sie trugen Schußwunden und Säbelhiebe. Dem weiblichen Leichnam fehlten zwei Finger.

VIII.

Der 9. Oktober.

Mit dem frühesten Morgen hatten sich abermals Gerüchte von Jellachich's Anmarsch gegen Wien verbreitet und die Nationalgarde war schon am frühesten Morgen allarmirt worden. Flüchtige Landleute und ein von der magyarischen Landesregierung abgesandter Eilbote bestätigten den Anzug des Kroatenführers. So wurde denn auch bei Eröffnung der Sißung des Reichstagsausschusses sofort beschlossen, den Abgeordneten Prato entgegenzusenden, um der kroatischen Armee ein Halt zuzurufen. Der Reichstag selbst hielt an diesem Tage keine Sißung. Die von ihm an diesem Tage in Folge seiner gestrigen Beschlüsse publizirten Proklamationen find folgende:

Kundmachung.

Der nachfolgende Beschluß der hohen Reichsversammlung in der Sizung vom 8. Oktober 1848 wird hiemit kundgemacht:

1) Der Reichstag, der ohnehin vor der Beendigung des Konstitutionswerkes unauflösbar ist, erklärt, auch unter den bedrohlichsten Umständen unter keiner Bedingung sich selber aufzulösen, sondern seiner Pflicht unerschütterlich getreu zu bleiben.

2) Der Reichstag ist ein untheilbares Ganzes; er vertritt alle Völker Defterreichs, welche ihn beschickt haben.

3) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und durch die freien Wahlen der auf dem Reichs

tage vertretenen Völker das alleinige konftitutionell -legale Organ der Einigung zwischen dem konftitutionellen - Monarchen und der Volkssouveränität zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.

4) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völker, wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang auferlegen.

5) Der Reichstag wird auf dem konftitutionell-legalen Boden fest beharren, um von ihm aus mittelst konstitutionelllegaler Maßregeln das Vaterland, den erblichen Thron und die Volksfreiheit zu wahren.

6) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, fich binnen längstens vierzehn Tagen, von heute an, beim Reichstage wieder einzufinden.

Wien, den 9. Oktober 1848.

Im Namen der konstituirenden Reichsversammlung. Der erste Vize- Präsident.

Franz Smolka.

Schriftführer 1. Carl Wifer.

Von Seite des Studentenkomite's wurde beschlossen, auf Ansuchen einiger Mitglieder des Permanenzausschusses, zwanzig Legionäre als Eskorte zu einer für die Soldaten Auersperg's bestimmten Brotlieferung beizustellen. In der Nacht vom 8ten auf den 9ten war ein Legionär, der eben vom Posten abgelöst, auf dem Heimwege über das Glacis von einer Patrouille Auersperg's niedergestochen worden und die Anzeige eine halbe Stunde vorher auf die Aula gelangt. Zehn Wagen mit Brot wurden unter Eskorte der Studenten in das Lager am Schwarzenberggarten geführt. Die Erbitterung des Volkes, insonderheit der Wiedner Bevölkerung, welche tagtäglich Raub, Mord und Plünderung erfahren mußte, war grenzenlos, undɛ es bedurfte aller Sympathieen, welche man für die Aula hegte, um diese Zufuhr ruhig an ihren Bestimmungsort gelangen zu lassen. Der Plan einer Cernirung von Auersperg's Stellung und Aushungerung war bereits von entschlossenen Männern entworfen, die Orte zu Anlegung von Minengängen bezeichnet worden. Von den deutschen Grenadieren, welche innerhalb des Lagers von der Wiener Oktobertage. 13

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Artillerie und dem / polnischen Regiment Nassau bewacht_wur'den, war nur wenig Widerstand, wo nicht eine Vereinigung zu erwarten, und der Angriff war für den 13ten bestimmt worden. Zu den unerläßlichen Vorbereitungen, Sammlung von Freiwilligen, Herrichtung von Geschüß, Pechkränzen u. s. w. bedurfte man nothwendig einiger Tage. Der am hellen Tage unter dem Schuße der Legion bewerkstelligte Brottransport vereitelte den wohlangelegten Plan, denn die Mehrzahl der demokratischen Garden würde sich geweigert haben, einen Angriff zu unternehmen, bei dem sie nicht auf Unterstüßung und Mitwirkung der Legion zählen konnten. Ungeachtet die Legion erklärt hatte, fie würde die Zufuhr nicht nur nicht hindern, sondern sogar beschüßen, wurden an demselben Tage zwei Häuser in der Nähe des Belvedere ausgeraubt und einem Fleischer fieben Stück Ochsen genommen. Statt der Bezahlung erhielt er Kolbenstöße und zwei Bajonetstiche. All dies erschütterte nicht die Treue, mit der man am legalen Boden fefthielt. Vom Studentenkomité gingen an diesem Tage folgende Kundmachungen und Proklamationen aus:

Hochherziges Volk von Wien!

Die Art und Weise, mit der man das freie Ungarnvolk verfolgte, die Errungenschaften unserer Freiheitskämpfe zu vernichten suchte, das unkonftitutionelle Verfahren der gestürzten Minister, gegenüber dem österreichischen und ungarischen Volke, hat Euch zu einer Erhebung veranlaßt, so glorreich in ihren Ursachen und Erfolgen, als nur irgend eine Revolution in der Geschichte dasteht." Unerschütterlich war der Muth des Volkes, beispiellos feine Todesverachtung. Durch die Achtung des Eigenthums und die musterhafte Unterordnung unter militärische Führer habt Ihr Euch als vaterlandsliebende konftitutionelle Bürger gezeigt, als die sichersten Stüßen der Demokratie.

Wenn auch an diesen Tagen durch das grauenvolle und beklagenswerthe Ende eines, wenn auch schuldbeladenen Mannes eine trübe Erinnerung haftet, so ist es um so mehr an Euch, durch festes Zusammenhalten und unermüdliche Wachsamkeit und Ausdauer unseren geseßlichen Widerständen Kraft und Erfolg zu verleihen. Sollten daher außer der Stadt lagernde Truppen

gegen alles Recht und konstitutionellen Brauch einen Angriff gegen uns versuchen, so find wir überzeugt, daß wir in Euch die Männer des 6. Oktobers finden, so wie Ihr Ei

Eurerseits uns ftets als treue und wackere Brüder erkennen werdet, rasch dem Rufe und dem Zeichen Eurer Führer folgend, schaart Euch feft zusammen um das Banner der Freiheit und des Rechts, denn nur dadurch vermögen wir unsern erkauften Sieg zu befestigen und dessen segensreicher Folgen, theilhaft zu werden.

r. Die souveräne Reichsversammlung allein bildet Eure ge= seßlichen Vertreter, ihren Befehlen feid Ihr Achtung und Gehorsam schuldig. Darum Einheit, Wachsamkeit und Ausdauer! Nehmt unfern Handschlag und unser Wort, mit Euch für die Freiheit zu leben, zu kämpfen und zu sterben.

Wien, am: 9. Oktober 1848.

Vom Studentenausschuß.

Geehrtes Centralkomité aller freisinnigen Vereine Wiens!

Vereint mit uns seid Ihr in den Tagen der Gefahr mit Gut und Blut für unsere Errungenschaften eingeftanden, habt mitgekämpft mit allen geistigen und physischen Kräften für die heilige Freiheit. Als Mitkämpfer für das edelste Gut der Menschheit müffen wir uns gegenseitig festigen und stärken. Wir können daher nicht zurückhalten den Ausdruck des tiefgefühlten Dankes, welcher uns für Euer und aller Demokraten edles und energisches Wirken durchdringt. Nehmt demnach unsern wärmften Dank für die Opfer, welche Ihr Alle auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt.

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In der Ueberzeugung, daß Ihr, gleich uns, in dem beget= fterten Wirken verharren werdet, entsenden wir Euch unsern Brudergrüß und Handschlag.

Wien, am 9. Oktober 1848.

Der Ausschuß der Studenten.

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Eine weitere Adresse an Fenner v. Fenneberg, die ihm den Dank des Komitė's ausspricht, find wir nicht im Stande mitzutheilen, da dieselbe von der Haussuchungskommission der Ehre

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