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vatis pro censibus retardatis ad instanciam venerab. dom. decani et capit. Jechab. idem rei nostras sentencias minime formidant", deshalb soll Sorge getragen werden, daß diese Leute ihre Schuld innerhalb 6 Tagen bezahlen und Absolution empfangen, „vel eos extra eorum consorcia eiciant abstineant et penitus excludant, si neutrum fecerint cessantes quoque et cessare facientes in dictorum reorum presencia ut quando vel quociens dicti rei in meta vestri parochie visi fuerint moram traherint domicilium habuerint penitus ab officiis divinorum tam diu quousque aliud a nobis habueritis in mandatis etc." Man sieht, wie weit es schon mit der Opposition gegen die Kirche gekommen war. Die Bestrafung mit dem Banne machte in einzelnen Fällen schon gar nicht mehr einen rechten Eindruck. Die geistliche Behörde mußte deshalb zu Verschärfungen schreiten, wie es in diesem Falle gegen die widerspenstigen Zensiten zu Schernberg geschah. Aus den Rechnungen des Jechaburger Stifts (S. L.-A.) geht hervor, wie häufig die geistliche Behörde genötigt gewesen ist, zur Eintreibung der Retardaten die Hülfe des Richters in Anspruch zu nehmen. Auf ein ähnliches Vorkommnis, wie die Urkunde des Jahres 1511, deutet eine aus dem Jahre 1513 (Oktober): „Officialis Praepositurae Jechaburgensis arrestat per plebanos in Spira superiori 12 sexag. großorum apud Uthen, quos Hans Kuntzens heredes decano et capitulo Jechab. debent, et quidem sub excommunicationis et 20 florenorum poenis" (Kop. Jechab. III, S. L.-A.) Man vergleiche auch die Notiz des Missivenbuches (1517-21), betr. das Kapitel zu Jechaburg: „sie wolten Curt Wangeman der banszbeschwerunge ane entgelt entledigen“ u. s. w.

Doch damit soll es genug sein. Es würde zu weit führen, wollten wir alle Streitfälle auch nur andeuten, die etwa in den lezten 30 Jahren zwischen Kirche und Volk geschwebt haben. Jedenfalls ist der Beweis geliefert, daß ein denkbar schroffer Gegensaß zwischen weiten Kreisen des Volks und der Kirche bestand, ein Gegensaß, zu dessen Überbrückung auch der Besuch des Bischofs von Mainz im Schwarzburger Land im Jahre 1516, wenn wirklich ein solcher Zweck seinem Besuche mit zu Grunde gelegen hätte, nicht beitragen konnte. Auf kirchlichem Gebiete lagen eben die Verhältnisse im Schwarzburgischen am Vorabend der Reformation nicht anders, als in anderen Ländern; sobald die Lehre Luthers im Volk bekannt wurde, mußte außer anderem besonders dieser Gegensatz den Vruch mit dem alten Kirchentume wesentlich beschleunigen.

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Zweites Kapitel.

Die Anfänge der reformatorischen Bewegung.

(Vom Reichstag zu Worms 1521 bis zum Aufruhr des Jahres 1525).

Es ist bekannt, welchen wichtigen Abschnitt für die Grundlegung und Ausbreitung der reformatorischen Bewegung die Zeit vom Thesenanschlag Luthers bis zur sozialen Revolution des Jahres 1525 einschließt. Ereignisse von eminenter Bedeutung für die große Sache der Reformation reihen sich aneinander, alle Welt blickt auf den kühnen Geisteshelden, den schlichten Wittenberger Mönch, den Führer und Mittelpunkt der neuen, gewaltigen Bewegung. Nach nußlosen Verhandlungen und Disputationen (Augsburg, Leipzig) kommt es im Jahre 1520, „dem größten Jahre" des Reformators, zum völligen Bruch zwischen ihm und der Papstkirche! Es ist das Jahr seiner großartigen reformatorischen Streitschriften: „An kaiserliche Majestät und den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" (Anfang Aug. 1520), „De captivitate babylonica ecclesiae (6. Oft. 1520) und „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (gleich nach voriger). Durch die Bulle Exurge Domine (16. Juni 1520) hat Rom den Kezer mit dem Bann bedroht, wenn er nicht innerhalb 60 Tagen widerrufen werde, und er erwidert, statt sich zu unterwerfen, mit der Verbrennung der päpstlichen Drohbulle vor den Stadtmauern Wittenbergs (10. Dez. 1520). In Worms versammelt sich jener glänzende Reichstag des Jahres 1521. Der junge Kaiser Karl V. soll auch in der kirchlichen Reformfrage das entscheidende Wort sprechen. Luther, zum Widerruf aufgefordert, bekennt sich unerschrocken zum Inhalte seiner Schriften, und Kaiser und Stände hören sein denkwürdiges Schlußwort: „Ich kann nicht anders. Hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen!" Durch die Unterzeichnung des Wormser Edikts (26. Mai 1521), in welchem über Luther und alle seine Anhänger in den schärfsten Ausdrücken die Reichsacht verhängt wird, stellt sich der junge Kaiser entschieden auf die Seite der Gegner der religiösen Bewegung, aber es ist ja bekannt: Die Wormser Sentenz war für Deutschland so gut wie nicht erlassen; nirgend im Reich geschah etwas Nennenswertes, um Ernst aus ihr zu machen, auf der einen Seite mochte es wirkliche Sympathie mit der neuen Lehre sein, auf der anderen war es Schwäche und das Gefühl, daß ein kräftigeres Einschreiten das Übel noch verschlimmern werde" (Häusser, Gesch. d. Z.-A. der Ref. p. 17). Gerade in den Jahren von 1521 bis zur sozialen Revolution trägt die religiöse Bewegung ihre Wellen weiter und weiter, angeregt, vertieft durch Luther in Wort und Schrift, troß Wartburg-Eril, Kirchenbann und Reichsacht, nicht zum wenigsten auch gefördert durch die Gunst der

höchsten Reichsbehörde, des ständischen Reichsregiments zu Nürnberg. Es ist bezeichnend, wenn Erzherzog Ferdinand seinem Bruder von Nürnberg ausgeschrieben hat, daß unter tausend Menschen in Deutschland kaum einer ganz frei von der Lehre Luthers sei (Kolde, Luther II p. 80), und der Straßburger Prediger Matthäus Zell hat Recht, wenn er 1523 urteilt: „Es sind auch durch das ganze deutsche Land wenig namhaftiger Stett, darin nit viel der Besten diese Lehre lesen hören und ihr gönnen, indem man sie läßt öffentlich verkaufen“. „Item, so durch das ganz teutsch Land gar noch kein Statt ist, kein Fleck, keine Versammlung, kein Kloster, keine hohe Schul, kein Kapitel, kein Geschlecht, auch gar kein Haus, darinnen nit seyen Leut, die dieser Sekt anhangen“ 2c. (Hagen, Deutschl. litterar. u. relig. Verh. im Ref.-Zt.-A. II p. 159/60). Ja, es sind die Frühlingstage" der Reformation gewesen, die Zeit, da man in Wittenberg nicht daran denkt, etwa besondere Prediger des Evangeliums auszusenden. Sie ergeben sich von selbst; es sind die ausgetretenen Mönche, die von Wittenberg kommenden Studenten, allen voran Luthers Ordensgenossen. Man fragt nicht viel nach Raum oder Zeit bei der Verkündigung der neucn Lehre: „Da war jeder Ort gut genug, wo man hoffen konnte die Leute zu erreichen, die Straße, der Marktplaß, der Kirchhof oder wo es immer war" (cf. Kolde, Luther II).1) Jene beiden jugendlichen Zeugen der evangelischen Wahrheit (Heinrich Voes und Johann von Essen [Esch]) sterben freudig vor dem Rathaus zu Brüssel den Märtyrertod, und Luther verherrlicht ihr Sterben durch das ergreifende Klage- und Siegeslied: „Ein neues Lied wir heben an!" Die Klostertüren öffnen sich, und Mönche wie Nonnen verlassen ihren früheren so hoch gepriesenen Stand. Wir wissen, daß gerade in diesen Jahren der frischen, grünenden Saat große Gefahren drohen. Auf Roms Seite ist man rührig, den allgemeinen Abfall von der alleinseligmachenden Kirche zu verhindern; zwar ist es ein vergebliches Bemühen der päpstlichen Legaten, auf den Reichstagen zu Nürnberg dem Wormser Edikt Anerkennung zu verschaffen; in Augsburg wird der päpstliche Kardinal Campeggi, als er bei seinem Einzuge mit segnender Hand das Kreuz schlägt, verspottet (Frühjahr 1524), und in Nürnberg erlangt er mit bezug auf die Befolgung des Wormser Edikts nur ein dehnbares so viel als möglich"; allerdings verliert Luthers Sache durch den Sturz des reformationsfreundlichen Reichsregimentes eine wichtige Stüße, und auf dem Konvent zu Regensburg vereinigen sich die An= hänger des Alten, um den evangelischen Ständen wirksam Widerstand leisten zu können (1524). Gefahren drohen der neuen religiösen Bewegung gerade in diesen Jahren ihrer Sturm- und Drangperiode" auch durch Vermengung mit jener wilden Schwarmgeisterei eines Carlstadt, eines Münzer oder mit der politischen Erhebung der Ritter unter Sickingen gegen die Fürstenmacht, aber Luther hält sich und seine Sache in einer Zeit, da das Verlangen nach einer Fülle von politischen, sozialen und kirchlichen Wünschen aufs höchste gesteigert ist, frei. 1) cf. auch Ranke, Deutsch Gesch. i. 3. d. Ref. II p. 65 ff.

Das war die Zeit -in großen Zügen charakterisiert - in welche die Anfänge der reformatorischen Bewegung auch im Schwarzburgischen fielen. Die Jahre 1517-1520 haben wir schon in der Einleitung mit berücksichtigt; wichtig sind sie für die Grundlegung der Reformation auch in unserem Lande, denn gerade in ihnen tritt die wachsende Opposition des Volkes gegen die alte Kirche und ihre Vertreter in den sich mehrenden Angriffen auf kirchliche Personen und in den Verlegungen altkirchlicher Ordnungen deutlich hervor. Es verdient gleich hier die auf ihre Richtigkeit nicht weiter zu kontrollierende Nachricht Erwähnung, daß der Guardian des Arnstädter Franziskanerklosters mit unter den wenigen seiner Ordensglieder gewesen sein soll, die ihre Stimme gegen den Ablaßkram Tezels erhoben (Schmidt, Luther in Arnstadt, p. 11). Und wenn auch sonst Nachrichten fehlen, es ist doch so selbstverständlich, daß es eines besonderen Beweises nicht bedarf: in einem Lande und bei einem Volke, daß in so regem Verkehr mit der Außenwelt,') besonders mit Städten wie Erfurt und Nürnberg, Nordhausen und Leipzig stand, unter dem der Unwille gegen die Papstkirche so tief gewurzelt und verbreitet war, wird man auch den Kampf des kühnen Wittenberger Mönchs von Anfang an verfolgt, seine Schriften gelesen und seiner Siege sich gefreut haben. Die rege Beteiligung der Grafen an dem Reichstag zu Worms gewiß waren 3) zugegen läßt auf das hohe Interesse, welches die Schwarzburger den auf dem Reichstage zur Entscheidung kommenden politischen und kirchlichen Fragen zuwandten, schließen. Dort waren sie Zeugen des heldenmütigen Bekenntnisses Luthers; es wird berichtet, Graf Günther XXXIX. habe sich ein genaues Protokoll der Verhandlungen des Reichstages anfertigen lassen.») Näheres erfahren wir nicht, aber es wäre wunderbar, wenn Luthers Auftreten zu Worms nicht auch auf unsere Grafen und besonders auf den späteren Reformator der Herrschaft Schwarzburg-Arnstadt, Graf Heinrich XXXII., einen tiefen Eindruck gemacht hätte, und wenn nicht auch die Gravamina der deutschen Nation gegen die

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1) Auf der Wittenberger Universität studieren in diesem Zeitraum folgende Schwarzburger: W.-S. 1518/19 Franciscus Gasserman de Arnstadt dioc. mag. 10 XI. W.-S. 1519/20 Henricus Mentzel de Lantzendorf dioc. Bamb. I. XI. (?); Christofferus Hanus de Herich dioc. mag. 22. Ap. (?). W.-S. 1520/21 Joannes Sneidewinth de Kunigsch, Mag. dioc. S.-S. 1521; Conradus Puchbach de Kungseh mag. dioc. 24 Septbr.

*) Nach Apfelstedt, Reformations-Einführung in Schwarzburg: Graf Günther XXXIX. von Schwarzburg-Arnstadt, dessen Sohn Heinrich XXXII., Heinrich XXXI. von SchwarzburgSondershausen, ferner Joh. Heinrich von Leutenberg und ein Graf von Schwarzburg, Domherr zu Köln. Nach Walch, Luthers Werke T. XV. werden aufgezählt: 1. Graf Heinrich zu Schwarzburg zu Arnstadt (der 32.), 2. Graf Heinrich von Schwarzburg zu Sondershausen (der 31.), 3. Graf Günther zu Schwarzburg (der 39.). Die Anwesenheit der bei Walch zitierten Grafen wird durch Notizen der Amts- und Rent.-Rechg. betr. Ausgaben für die Reise Graf Günthers XXXIX. und Graf Heinrich XXXI. unzweifelhaft nachgewiesen. In den Reichstags-Akt. II. werden als persönlich anwesend Schwarzburger Grafen nicht genannt; II. 437 werden im Anschlag für die Romzugshülfe 2c. Balthasar, Günther und Heinrich, Grafen zu Schwarzburg, erwähnt; II. 420 protestiert Fr. von Thun gegen die Veranlagung sächsischer Untertanen in dem Anschlag zur Unterhaltung des Reg. und Kammergerichts. Darin wird auch Graf Balthasar von Schwarzburg genannt.

3) Msc. von Scheibe im Fürstl. Archiv zu Rudolstadt.

Übergriffe der Kurie in den schwarzburgischen Herren einen lebhaften Wiederhall gefunden hätten. Sollten nicht auch Schwarzburger und besonders Arnstädter den Reformator in Erfurt gesehen und gehört haben, als er auf seiner Reise nach Worms diese Stadt berührte, wo ihm ein so großartiger Empfang unter dem humanistischen Rektor der Universität, dem „Arnstädter" Crotus, bereitet wurde?1) Nach Ermittelungen aus den Arnstädter Kirchenbüchern wurde Luther von einem Arnstädter, namens Wolf Essiger, wohnhaft in der Wagnergasse, nach Worms gefahren (Schmidt, Luther in Arnst. p. 12). Die Vorgänge in Worms werden auch in unserm Lande, zumal die regierenden Grafen mit ihrer Begleitung persönlich zugegen waren, lebhaft besprochen worden sein. Die Verhandlungen und der Beschluß des Reichstages in der religiösen Frage haben jedenfalls auf den Verlauf der reformatorischen Bewegung des Landes während dieser ersten Jahre umsomehr Einfluß ausgeübt, als die regierenden Grafen, wenn nicht schon früher, so doch gewiß seit Worms darüber im klaren waren, welche Haltung gerade ihre einflußreichsten Lehnsherrn, der Kaiser Karl V., von dem man eben die kaiserlichen Lehn wieder bestätigt erhalten hatte, ferner Herzog Georg von Sachsen und Luthers Landesherr, der Kurfürst Friedrich der Weise, Luther und seiner Lehre gegenüber einnahmen. Denn während der Kurfürst Friedrich, der persönliche Gönner Luthers, „weit i avon entfernt für seine Lehre Partei nehmen zu wollen, doch vieleher den Anschein einer Parteinahme für als gegen Luthers Sache erweckte" (Kolde, Luther I. p. 291), waren jene beiden entschiedene, ja ingrimmige Gegner der reformatorischen Bewegung. Bei der Bedeutung, welche für die weitere Entwicklung der Reformation im Lande die Haltung der Landesherrn hatte, ist es nicht ohne Wichtigkeit, auch an gewisse politische Rücksichten, die die schwarzburgischen Herren, bei aller Wahrung ihrer Selbstständigkeit in der Entscheidung für oder wider die religiöse Neuerung, gerade auf Sachsen und den Kaiser zu nehmen hatten, zu erinnern. Weniger in diesem Anfangsstadium der Entwicklung, wo sich die Luther freundliche und feindliche Partei noch nicht recht organisiert gegenüberstand, als später wird es ersichtlich werden, wie häufig doch auch die politische Abhängigkeit der Grafen für den Verlauf der reformatorischen Bewegung von Vorteil oder Nachteil gewesen ist.

Die Jahre nach dem Wormser Reichstag brachten auch in unserem Lande, d. h. besonders in den Herrschaften Arnstadt und Leutenberg der neuen Lehre eine bedeutsame Ausbreitung. Das bezeugen zunächst die Nachrichten, welche wir über die Herrschaft Arnstadt besitzen.

Hier regierte Graf Günther XXXIX., geb. 1449 (Freitags nach Urbani)*)

1) Unter seinem Rektorat wurden folgende Schwarzburger in Erfurt immatrikuliert : Friederichus Goltschmid de Arnstadt, Nicolaus Rudiger de Schwartzburg, Adam Sejdenzail de Arnstadt, Heinrichus Ultes de Rudelstadt, Michael Franck de Franckenhausen (4 sneberg) und Hermannus Jeger de Dornheim gratis inscriptus benevolentia rectoris, cuius nepos est fratre (Aft. d. Uni. Erf. II. T.)

2) 30. Mai; cf. die diesen Grafen betr. Akten im S. L.-A.

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