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das Asylrecht, welches die christliche Kirche bereits im 4. Jahrhundert vom Staate erlangte und in wechselndem Umfange behauptete.

Die kirchliche Gemeinschaft kam, abgesehen von dem kleineren Kreise gottesdienstlicher Versammlungen, äußerlich zum Ausdruck in regelmäßigen oder außergewöhnlichen Versammlungen (ovvodo, concilia). Dieselben umfaßten entweder die bischöfliche Diözese oder eine oder mehrere Provinzen oder die gesamte Kirche (ökumenische Konzilien). Die Zahl der letzteren, die schon früh das höchste Ansehen genossen und deren Beschlüsse als inspiriert angesehen wurden (Leo I.: instruente spiritu sancto), beträgt in den ersten sechs Jahrhunderten 5, nämlich: Nicäa 325, Konstantinopel I 381, Ephesus 431, Chalcedon 451, Konstantinopel II 553. Dazu kommen aus späterer Zeit: Konstantinopel III (Trullanum I) 680, Nicäa II 787, Trullanum II (Quinisextum) 692 (von den Römern nicht anerkannt), Konstantinopel IV 869 (von den Griechen nicht anerkannt). Die Berufung dazu erfolgte seitens der kaiserlichen Regierung; auch führten der Kaiser oder kaiserliche Kommissäre den Vorsit, während die Vorlagen, die Leitung der Debatten und der Abstimmung, also die innere Seite des Konzils dem bischöflichen Präsidium überlassen war. Die Bestätigung der Beschlüsse (ögo, definitiones), welche dóɣuara, ovußola hießen, sofern sie dogmatischen, xavóves, wenn sie kirchenrechtlichen Inhaltes waren, und von den berechtigten Teilnehmern des Konzils unterschrieben wurden, vollzog der Kaiser. Der kirchenrechtliche Stoff, welchen die allgemeinen wie die engeren Konzilien ergaben, wurde schon frühzeitig in Sammlungen zu= sammengeschlossen (die apost. Konstitutionen und Kanones 3.-5. Jahrhdt.), auf Grund deren am Ende des 5. oder am Anfange des 6. Jahrhunderts im Abendlande der Abt Dionysius Exiguus ein größeres Korpus (codex Dionysii) herstellte, das zu hohem Ansehen gelangte und bald zahlreiche echte und unechte Zufäße erhielt. Für das Morgenland fertigte eine ähnliche Arbeit an der antiochenische Presbyter Johannes Scholastikus (seit 565 Patriarch in Konstantinopel) unter dem Titel ovvtaɣua xavóvwv, die später von ihm mit einem Auszuge aus kirchlichen Gesetzen in den Novellen Justinians zu dem Nomokanon (voμoxavóves) vereinigt wurde.

Weiterhin sind als Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft die offiziellen Korrespondenzen zu betrachten, in denen einzelne Diözesen, bezw. deren Bischöfe miteinander verkehrten, sowie die an bestimmte Personen ausgehändigten Empfehlungs- oder Beglaubigungsschreiben (literae communicatoriae, canonicae, formatae). Diese letteren hatten, um einer Fälschung vorzubeugen, eine bestimmte Form. Vorzüglich waren die von Alexandrien aus erlassenen γράμματα πασχάλια (epistulae paschales), welde den Tag der Djterfeier zur Kenntnis brachten, ein Zeichen der kirchlichen Einheit und Gemeinschaft. (Optatus: totus orbis commercio formatarum (scl. literarum) in una communionis societate concordat).

Die prinzipielle Gleichheit aller innerhalb der Gemeinde (1 Petri 2,9; Apok. 1, 6) wird im Neuen Testament durch den daselbst gefeßten Unterschied von Seitensen und Geleiteten (ἐπίσκοποι, πρεσβύτεροι, ἡγούμενοι, ποιμένες λαός, ποιμνίον, πλῆθος τῶν πιστῶν u. f. m.), über denen, bat. neben Senen noch die Apostel, die ordnungsmäßigen Gemeindelehrer (didάoxado), die Toogyra und die evaɣyɛhioraí stehen, nicht verlegt. Jene Scheidung ergab sich

als eine selbstverständliche aus dem Charakter der Kirche als eines sittlichreligiösen Organismus. Indeß erfährt sie im 2. Jahrhundert schon in der Weise eine Steigerung und neue Begründung, daß das von allen Gläubigen ausgesagte Priestertum auf die Lehrenden und Leitenden beschränkt wird, und nach Analogie des alttestamentlichen Priestertums eine mit besonderen Vorrechten ausgestattete geistliche Beamtenschaft, deren Angehörige sich als den Stand, als die erste Rangklasse, xλngos (clerus, clerici), ordo (o. ecclesiae, ecclesiasticus, sacerdotalis) bezeichnen, sich herausbildet, welchem die Gemeinde als Laós, plebs entgegengesetzt wird. Indes hat die Idee des allgemeinen Priestertums auch noch in einer Zeit gelegentlich Ausdruck gefunden, welche jene Entwicklung als abgeschlossen hinter sich hatte (Frenäus, Chryfoftomus). Insofern jede geordnete Gemeinschaft einer bestimmten Organisation und Verfassung bedarf, sezten die Apostel in den von ihnen gegründeten Gemeinden Beamte zu dem Zwecke ein, die kirchlichen Angelegenheiten des betreffenden Verbandes von Gläubigen zu leiten (Akt. 14, 23; Tit. 1,5, vgl. Clem. Rom. I, 42). Die anfangs mit sehr einfachen Mitteln arbeitende Verwaltung wurde in dem Maße, als die Gemeinden anwuchsen, umfassender und gestaltete sich schon frühzeitig fast in ihrem ganzen Umfange zu einem Vorrechte des Klerus. Dieser klerikale Stand, dessen Organisation, wie die Organisation der Kirche überhaupt, sich zwar nicht ganz ohne Einfluß synagogaler Verfassung, aber doch vorwiegend unter bestimmter Einwirkung der vorhandenen politischen Regierungs- und Verwaltungsformen vollzogen hat, stufte sich in bestimmte Ordnungen ab, für welche später die Bezeichnungen ordines majores und ordines minores üblich geworden sind. Zu jenen zählen die Bischöfe, Presbyter und Diakonen, zu diesen sämtliche übrigen Kleriker. Daneben verfügte die Kirche über eine Anzahl von Beamteten (Katecheten, Hermeneuten, diplomatische Agenten), die zwar in der Regel, aber nicht not= wendigerweise dem Klerus angehörten. Die Übernahme eines kirchlichen Amtes wird schon im Neuen Testament von den Bedingungen reiner Lehre, unbescholtenen Wandels und persönlicher Befähigung, in einzelnen Fällen auch eines bestimmten Alters abhängig gemacht (Akt. 6, 3; 1 Tim, 3, 2 ff.; 5, 9 ff.; Tit. 1, 5 ff.). Diese Kandidaturnormen, die indeß in ihren Einzelheiten nicht immer allgemein gültig waren, erfuhren im Laufe der Zeit eine Spezialisicrung und Verschärfung; die Praxis und die Einwirkung alttestamentlicher Verordnungen führte neue ein (Ausschluß von Pönitenten, Lapsi, in nahen Verwandtschaftsgraden Verehelichten, Verstümmelten, mit Gebrechen Behafteten u. s. w.). Als ungeeignet galten auch — vielleicht zum Teil unter Einfluß der in der römischen Staatsverwaltung maßgebenden Grundsäge folche Personen, deren Gewerbe als unmoralisch beurteilt zu werden pflegte (Schauspieler, Zirkuskämpfer, Schenkwirte); ferner niedere Magistrate, denen amtliche Abhängigkeit die freie Verfügung über ihre Person hinderte. Sklaven konnten nur mit ausdrücklicher Erlaubnis ihrer Herren ordiniert werden; auch gegen Freigelassene, falls deren Patrone Heiden waren, bestand eine Abneigung (Syn. Illib. c. 80); Militärpersonen standen allein die niederen Ordines offen. Von seiten des Staates dagegen und unter Protest der Kirche wurde der Eintritt der Dekurionen in den Klerus geradezu verboten oder von gewissen Bedingungen (Zustimmung der Kurie, Verzicht auf das Vermögen)

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abhängig gemacht. Der Grund lag in der Gefahr, welche die Verödung des Dekurionats für den Staat bedeutete, da in jenem die gesamte Lokalverwaltung des römischen Staates ruhte. Daher erfolgten schon unter Konstantin d. Gr. Einschränkungen, die in der Folge troß der lebhaften Gegenwirkung der Kirche verschärft wurden. Die Ehe, jedoch mit strenger Innehaltung des beschränkenden apostolischen Verbotes zweiter Ehe (1 Tim. 3, 2.12; Tit. 1, 6), ist in der alten Kirche kein absolutes Hindernis gewesen; nur hinsichtlich der Bischöfe gelangte an der abschließenden Grenze der altchristlichen Periode die Forderung der Ehelosigkeit, zum Teil fin vollem Umfange, zum Teil in der modifizierten Form des Verbotes ehelicher Gemeinschaft nach der Ordination ziemlich allgemein zur Geltung. Eine bestimmte wissenschaftliche Vorbildung war in der alten Kirche keine Wahlbedingung; aber das Bedürfnis einer solchen ist schon frühzeitig empfunden worden und hat in mehreren Hauptgemeinden (Alexandrien, Cäsarea, Antiochien) diesem Zwecke dienende theologische Bildungsanstalten geschaffen. Aber noch unter den am Konzil zu Ephesus (449) teilnehmenden Bischöfen entdecken wir zwei des Schreibens unkundige (Mansi VI, S. 927). Dem entsprechen die Klagen über die Unkenntnis der Geistlichen, die gelegentlich laut werden (Chryfoftomus, Hieron., August.).

Bei der Wahl zu den kirchlichen Ämtern kommen in den ersten drei Jahrhunderten zwei Faktoren in Betracht, die Gemeinde und der Klerus, bezw. der Bischof. Während aber in apostolischer Zeit die eigentliche Entscheidung in der Gemeinde lag (Aft. 1,15. 23. 6, 1 ff.; vgl. Clem. Rom. I, 44), wurde im Verlaufe des 2. und des 3. Jahrhunderts mit der Ausbildung und Konsolidierung der Hierarchie der Schwerpunkt mehr und mehr auf die Seite des Klerus gerückt und die Wahlbeteiligung der Gemeinde schließlich auf einen formalen Konsensus reduziert. (Cyprian Ep. 38: In ordinationibus clericis, fratres carissimi, solemus vos ante consulere et mores ac merita singulorum communi consilio ponderare). Aber auch dieser Rest früheren Rechtes wird in der Folgezeit fast überall beseitigt, und nur eine schwache Reminiszenz daran, die Wahl durch die plöhlich sich geltend machende vox populi (Ambrosius von Mailand, Martin von Tours) wird noch anerkannt. Dagegen tritt nun bei der Wahl besonders der höhern Kleriker die staatliche Gewalt mit dem Klerus mehr oder weniger entschieden in Konkurrenz oder auch der Patronat, dessen Anfänge in das 5. Jahrhundert fallen (Conc. Arausic. I). Die erwählten Personen wurden durch einen feierlichen Akt (zagotovía, ordinatio) in ihr Amt, welches immer ein lokal genau bestimmtes sein sollte (ordinationes loco fundatae), eingeführt. Die in ermahnender Ansprache und in Gebet und Handauflegung bestehende Ordinationsform apostolischer Zeit (Akt. 1, 23 f. 6,6; 1 Tim. 4, 14; 2 Tim. 1, 6) hat sich später mannigfach erweitert und für die einzelnen Ämter besonders gestaltet und in Wort und Zeremonien eine feste Gestalt gewonnen.

Gewaltsame Ordinationen, in der Kirche immer mißbilligt, wurden durch eine kaiserliche Verordnung vom Jahre 460 für ungültig erklärt und mit Strafe belegt. Die später firierte Ordnung, daß die einzelnen klerikalen Grade in der bestehenden Folge durchlaufen werden mußten, beginnt am Ausgange der altchristlichen Zeit fast allgemein Sitte zu werden; die früheren JahrHunderte kennen dieses System des Aufsteigens nicht, immerhin aber legte man

Wert darauf, daß die höheren Ordines vollständig durchmessen würden. In zahlreichen Fällen aber jüngerer und älterer Zeit ist ein beschleunigtes, nur formales Hindurchgehen durch die klerikalen Grade zur Anwendung gekommen und hat rechtliche Anerkennung gefunden. Auf einem Epitaph des 5. Jahrhunderts, welches einem Brescianer Bischof Flavius Latinus von seiner Enkelin gesetzt ist (C. J. L. V, 1 Nr. 4846), ist bemerkt, daß der Tote 12 Jahre Exorzist, 15 Jahre Presbyter und dann 3 Jahre und 7 Monate Bischof ge= wesen. Hinsichtlich der klerikalen Gewandung ergeben die literarischen und die monumentalen Quellen übereinstimmend, daß in den ersten vier Jahrhunderten eine solche weder im bürgerlichen Leben noch bei Vollziehung gottesdienstlicher Akte üblich gewesen. Nur scheint in letterem Falle die weiße Farbe bevorzugt worden zu sein. Erst seit der Mitte ungefähr des 5. Jahrhunderts gewinnt der Klerus zunächst dadurch eine auszeichnende Kleidung, daß er im Gegensatz zu den Laien, welche die altrömische Tracht. (Tunika und Pallium) aufzugeben anfangen, diese lettere festhält. Zu derselben Zeit ungefähr bildet sich, auf Grund der antiken Kleidung, aber unter dem Einflusse alttestamentlicher Verordnungen, christlicher Symbolik (Hirtenstab, Ring u. s. w.) und höfischer Etiquette für den Bischof ein eigentümlicher Ornat aus; ebenso schaffen die beiden erstgenannten Faktoren eine besondere liturgische Kleidung, die in dieser Zeit noch ziemlich einfach erscheint (Mosaiken in S. Vitale in Ravenna, Fig. 1) und die Grundlage der reichen und mannigfaltigen kirchlichen Vestimenta des Mittelalters bildet. In Behandlung des Hauptund Barthaars folgten die Kleriker anfangs der allgemeinen Sitte. Erst im 5. Jahrhundert kommt vereinzelt der Brauch auf, das Haar kurz und den Bart lang zu tragen. Die Tonsur gelangt im Klerus erst gegen Ende dieser Periode zur Anwendung, und zwar wurde sie ihm aus Mönchskreisen zugetragen. Sie wurde als Nachbildung der Dornenkrone Christi gedeutet und, nachdem sie weitere Verbreitung gefunden, als eine apostolische Institution bezeichnet (daher die Namen Tonsura Petri und T. Pauli), obwohl noch der Bischof Damafuz von Rom seine Abneigung dagegen ausgesprochen hatte. Ihr Ursprung ist in einem weltflüchtigen Motiv zu suchen; sie gehört ursprünglich in das Gebiet der tendenziösen Unkultur, welche das Asketentum zur Schau trug. Den Auszeichnungen, welche die Kirche dem Klerus gab, fügte der Staat auch seinerseits einige hinzu; dahin gehören gänzliche oder partielle Immunität und die Befreiung von der übernahme gewisser öffentlicher Ämter (ážerovoɣroía). Das Verzeichnis, welches die Namen der Geistlichen einer bestimmten Gemeinde oder Kirche enthielt, hieß albus (album), sancta matricula, griechisch xavor; daher auch die Bezeichnung oi ev xavóvi (lat. canonici) für Kleriker.

An der Spitze des Klerus steht der Bischof (éníσxoлоç, еpiscopus, лáñαç, paрa, лoodoos, Toоεσros praepositus). Während im Neuen Testament (Akt. 20,17. 28; Tit. 1,5.7 u. s. ö.) und mehrfach auch bei den apostolischen Vätern (Clem. Rom, Herm., Polyk.) die Bezeichnungen niσxолоs und лоεσẞirε05 parallel fteben und eine Mehrheit von ἐπίσκοποι per πρεσβύτεροι als Ge meindevorstand genannt wird, gelangt, abgesehen von der jerusalemitischen Gemeinde, welche von Anfang an eine monarchische Verfassung hat (Jakobus der Gerechte), in der Kirche im Verlaufe des 2. Jahrhunderts ein monarchischer

Episkopat zur Ausbildung, welcher die Mitpresbyter sich unterordnet (die ignat. Briefe, Cyprian). Dieser Episkopat beruht nicht auf einer Anordnung der Apostel (R. Rothe und die kath. Ansicht), hat sich auch nicht aus einer an= fangs coordinierten Stellung der presbyterialen und episkopalen Amtsgewalt

entwickelt

(Hatch-Harnack), sondern ist unter der

Einwirkung bestimmter geschichtlicher Verhältnisse entstanden. Der monarchische Bischof vereinigt in sich die oberste Auktorität. Er ist der juristische Vertreter der Gemeinde, verwaltet das Kirchenver

mögen, übt die

höchste Auf

sicht überSitte und Lehre und schließt rechtsgiltig von der kirchlichen Gemeinschaft aus u. nimmt in dieselbe auf. Seiner Leitung unterliegt nicht nur

der Kultus als Ganzes, sondern auch einzelne Teile

desselben, wie

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fig. 1. Mosaik in der Upsis von S. Vitale in Ravenna.

In der Mitte Justinian, neben ihm der Erzbischof Maximianus in grüner Casula in Begleitung zweier Kleriker. Hinter dem Kaiser drei
Staatsbeamte und die Palastwache (D. Kirche S. Vitale geweiht 547).

die Konsekration der Abendmahlselemente, die Taufe, die Predigt ju. a. können ordnungsmäßig nur durch ihn oder mit seiner ausdrücklichen Bewilligung (jussione episcopi) vollzogen werden. Das Ansehen des Bischofs fam in mancherlei Ehrenbezeugungen (z. B. die oоoxivyois) und Titulaturen zum Ausdruck. Auch der Staat respektierte es und gewährte dem

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