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J. Döllinger, Die Reformation, ihre innere Entwicklung u. ihre Wirkungen. 3 Bde. Regensb. 1848-51.

J. Janssen, Geschichte des deutschen Volks seit dem Ausgang des MA.3. 7 Aufl. Freiburg 1881 f. (Bis jezt 5 Bde., die Vorgeschichte der Reformation, sowie diese selbst bis 1618 behandelnd. Das ganze auf 6 Bde. berechnet). Zur Kritik der geschichtsentstellenden Einseitigkeiten dieses schroff ultramontanen Werks: bes. A. Ebrard, Die Objektivität J. Janssens, kritisch beleuchtet. 2. Aufl., Gütersloh 1882; G. Kawerau, in Luthardts Ztschr. f. kirchl. Wissensch. 1882. 83; J. Köstlin, Luther u. Janssen, der deutsche Reformator und ein ultramont. Historiker, Halle 1883; Mart. Rade, Bedarf Luth. wider Janssen der Verteidigg.? Lpz. 1883; Mar Lenz, Janssens Gesch. des deutschen Volks, Münch. 1883; G. Bossert, Württemberg u. Janssen, Halle 1884.

Erste Periode: Die Reformationszeit

(Zeit der reformatorischen Grundlegung und der kath. Gegenreformation) (1517--1648).

Chronologische Uebersicht über die Reformationszeit (1517–1648).

I. Die lutherische Reformation in Deutschland bis zu Luthers Tode (1517—46). 1. Martin Luther unter allen Erscheinungen der neueren deutschen Ge= schichte die volkstümlichste und unter allen kirchengeschichtlichen Größen die einzige, welche mit alttestamentlichen Prophetengestalten von der Bedeutung eines Mose, Samuel oder Elia sich vergleichen läßt — wurde geboren zu Eisleben am 10. November 1483,*) als Sohn des Bergmanns Hans Luther, späteren Hüttenbesizers zu Mansfeld, sowie der Margaretha, geb. Ziegler (nicht „Lindemann"; s. Knaake, Stud. und Krit. 1881, IV). Erzogen nacheinander in Schulen zu Mansfeld, Magdeburg, Eisenach, 1501-5 zu Erfurt dem Studium der Jurisprudenz und der humanistischen Wissenschaften obliegend, trat er am 17. Juli 1505, bald nach Erlangung der philosophischen Magisterwürde, in das Erfurter Augustiner-Eremitenkloster ein. Auf seines Vorge= sezten Joh. Staupit (s. oben S. 196) Wunsch und Mahnung empfing der durch schwere Seelenkämpfe Hindurchgegangene und durch das Studium der Kirchenväter, besonders Augustins, in theologischer Erkenntnis Geförderte 1507 die Priesterweihe. Im folgenden Jahre übernahm er eine philosophische Professur an der (1502 durch Friedrich den Weisen gestifteten) kursächsischen Universität Wittenberg. Von da kehrte er 1509 noch einmal auf eine Reihe von Monaten nach seinem Erfurter Kloster zurück und machte sodann 1511 (nicht 1510) die für seinen inneren Entwicklungsgang und seine Vorbildung zum Reformator hochwichtig gewordene Reise nach Rom in Geschäften seines Ordens. 1512 Promotion zum Doktor der hl. Schrift und Beginn theologischer VorLesungen (besonders über den Pfalter seit 1513). 1516 Prediger an der Stadtkirche in Wittenberg; auch Visitator der sächsischen Augustinerklöster, als Stell= vertreter von Staupit. Evangelisch angewehter und angeregter Mystiker war Luther damals (Verehrer Taulers 2c., auch schon Verächter des Aristoteles

*) Gegen den Versuch Holzmanns (Zeitschr. f. wissenschaftl. Theol. 1871, III) und anderer zur Herabrückung des Zeitpunkts von Luthers Geburt um ein Jahr, so daß er mit Zwingli (geb. 1. Jan. 1484) Ein Geburtsjahr haben und 10 Monate jünger als dieser sein würde, vgl. Knaake, Ztschr. f. d. gesamte luth. Theol. 1872, I; K. Wieseler, Ztschr. f. hist. Theol. 1874, IV; Köstlin, M. Luther, Bd. I, S. 25.

und freimütiger Kritiker vieler Schäden der Hierarchie) - immer aber noch getreuer Sohn der römischen Kirche, der den Sentenzenmeister Petr. Lombardus hochhielt, die Anrufung der Gottesmutter empfahl und den Sat: Ecclesia non potest errare verteidigte. In einem Stücke freilich, was die Stärke seines Sündebewußtseins und die schriftgemäße Reinheit und Fülle des darauf fußenden Glaubens an die Sündenvergebung in Christo betrifft, war er sämt= lichen früheren Vertretern einer evangelisch-reformatorischen Geistesrichtung in der Kirche weit überlegen.

2. Die reformatorischen Anfänge Luthers (1517–21), hervor= gerufen durch den ablaßkrämerischen Unfug des in Diensten des Kardinalerzbischofs und Kurfürften Albrecht von Mainz-Magdeburg wirkenden Dominikanerpriors Joh. Tezel, schließen in sich folgende Hauptakte: Anschlagung der 95 Thesen „Zur Erklärung des Wesens der Ablässe“ an die Thür der Schloßkirche zu Wittenberg (31. Oktober 1517);*) literarische Fehde mit dem diese Thesen angreifenden Ingolstädter Universitäts-Prokanzler Dr. Joh. Ec und dem päpstlichen Palastmeister Sylvester Prierias (O. Praed.); fiegreiche Verteidigung von 40 philosophischen und theologischen Thesen in einer akademischen Disputation zu Heidelberg im April 1518), wodurch eine Reihe tüchtiger junger Kräfte aus Süddeutschland, wie Bucer, Billicanus, Brenz, Schnepf für die evangelische Sache gewonnen werden. Ferner festes Beharren auf dem betretenen reformatorischen Grunde in den Verhandlungen mit zweien päpstlichen Kommissarien: Kardinal Cajetan zu Augsburg (Oktober 1518) und Kammerherrn Karl von Miltiz auf Schloß Altenburg (Januar 1519); Verteidigung von 13 Thesen wider Eck auf der Leipziger Disputation, 27. Juni bis 18. Juli 1519 - welches vor Herzog Georg von Sachsen aufgeführte akademische Turnier zwar unentschieden blieb, aber zu einer wichtigen Bildungsschule für den, hier zuerst zur Anfechtung des päpstlichen Primats sowie zur Behauptung einer Irrtumsfähigkeit auch der allgemeinen Konzilien gedrängten Reformator wurde. Hierauf im Sommer und Herbst 1520 Veröffentlichung der kühnen reformatorischen Streitschriften: 1) „An kaiserliche Majestät und den christlichen Adel deutscher Nation" (wider die „drei Mauern, hinter denen das Papsttum sich verschanzt hat");**) 2) De captivi*) Titel des Urtexts der Thesen (in der Weimarer Krit. Gesamtausg. I, S. 229 ff.): Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum. Amore et studio elucidandae veritatis haec subscripta disputabuntur Wittenbergae, praesidente R. P. Martino Luthero, Artium et S. Theologiae Magistro ejusdemque lectore ordinario. Quare petit, ut qui non possunt verbis praesentes nobiscum disceptare agant id literis absentes. In nomine domini nostri Jesu Christi. Amen. Zu den wichtigsten Thesen gehören folgende: Th. 1. Dom. et Mag. noster J. Chr. dicendo: Poenitentiam agite etc. omnem vitam fidelium poenitentiam esse voluit. 6. Papa non potest remittere ullam culpam, nisi declarando et approbando remissam a Deo, etc. 10. Indocte et male faciunt sacerdotes ii, qui morituris poenitentias canonicas in purgatorium 26. Optime facit Papa, quod non potestate clavis (quam nullam habet), sed per modum suffragii dat animabus remissionem. 36. Quilibet christianus vere compunctus habet remissionem plenariam a poena et culpa etiam sine literis veniarum sibi debitam. 50. Docendi sunt christiani, quod, si Papa nosset exactiones venialium praedicatorum, mallet basilicam S. Petri in cineres ire quam aedificari cute, carne et ossibus ovium.

reservant.

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**) In den deutschen Werken, Erlang. Ausg. Bd. 21, S. 280. „Die Romanisten haben drei Mauern mit großer Behendigkeit um sich gezogen, damit sie sich bisher beschüßt, daß sie niemand hat mögen reformieren; dadurch die ganze Christenheit greulich gefallen ist. Zum

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tate babylonica Ecclesiae Praeludium (Kritik der scholastischen Lehre von den 7 Sakramenten), sowie 3) der etwas milder gehaltenen Schrift: Von der Freiheit eines Christenmenschen". Die lehtgenannte Schrift in lateinischer Übersetzung fandte Luther im Oktober 1520 an den Papst, begleitet mit einem Schreiben, worin er demselben in höflicher Form, aber unter fester Wahrung seines Standpunkts freimütig das ihn umgebende kirchliche Verder= ben aufdeckte.*) Dann Verbrennung der ihn erkommunizierenden Bulle Leos X. (Exurge Domine) und der päpstlichen Dekretalien, 10. Dezember 1520. Feierliche Ablehnung jedes nicht mit Schriftgründen als notwendig dargethanen Widerrufs vor Kaiser Karl V. und dem versammelten Reichs= tage zu Worms, 18. April 1521.**) Beginn des Bibelüberseßungswerks (N. Ts.) während des neunmonatlichen Exils auf der Wartburg, welches behufs seiner Sicherstellung wider die Folgen des Reichsachtsedikts (vom 8. Mai 21) auf Veranstaltung Friedrich des Weisen über ihn verhängt wurde. 3. Humanismus und Reformation. Philipp Melanchthon (Schwarzerd) ein Schwertsegerssohn und Neffe Reuchlins aus Bretten in der Pfalz, geb. 16. Febr. 1497, schon 13jährig in Heidelberg Humaniora studierend, 16jährig Herausgeber einer griechischen Grammatik von grundlegender Bedeutung, 17jährig als Magister zu Tübingen lehrend und kaum 21jährig von da auf Reuchlins Empfehlung als Prof. des Griechischen nach Wittenberg berufen, bald „Praeceptor Germaniae, uno minor Erasmo". Er wirkte zunächst nur ganz indirekt, durch philologische und philosophische Lehr

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ersten, wenn man hat auf sie gedrungen mit weltlicher Gewalt, haben sie gesezt und ge= sagt: weltliche Gewalt habe nicht Recht über sie, sondern wiederum, geist liche sei über die weltliche. Zum andern, hat man sie mit der heiligen Schrift wollen strafen, sehen sie dagegen: es gebühre die Schrift niemand auszulegen denn dem Papst. Zum dritten dräuet man ihnen mit einem Konzil, so erdichten sie, es möge niemand ein Konzil berufen denn der Papst. Also haben sie die drei Ruten uns heimlich gestohlen, daß sie mögen ungestraft sein, und sich in sichere Befestigung diefer dreier Mauern geseht, alle Büberei und Bosheit zu treiben, die wir denn jezt sehen.' Die später (S. 292) folgenden Reformvorschläge lauten auf: Beschränkung der üppigen Hofhaltung des Papsts; Sicherung des deutschen Volks wider päpstliche Expressungen; Entscheidung aller Rechtshändel, auch in Kirchenfachen, vor deutschen Gerichten; Abthuung aller weltlichen Gewalt des Papsts, soweit sie auf erlogenen Schenkungen und angemaßten Rechten beruhe; Zurückführung der Klöster auf ihre ursprüngliche Bestimmung zu Schulen; Aufhebung des Cölibats; Abstellung des kanonischen Rechts, des Abgotts Ariftoteles und des Gößendiensts der Heiligenanrufung; Beßerung des akademischen Studiums und des Volfsunterrichts, u. f. f.

*) Quare, optime Leo, his me literis rogo expurgatum admittas tibique persuadeas, me nihil unquam de tua persona mali cogitasse: deinde me talem esse, qui tibi optima velim contingere in aeternum. - Sedem autem tuam, quae Curia Romana dicitur, quam neque tu neque ullus hominum potest negare corruptiorum esse quavis Babylone et Sodoma sane detestatus sum ... Facta est e Rom. Ecclesia, quondam omnium sanctissima, spelunca latronum licentiosissima, lupanar omnium impudentissimum, regnum peccati, mortis et inferni . . . . Interim tu, Leo, sicut agnus in medio luporum sedes, sicut Daniel in medio leonum, et cum Ezechiele inter scorpiones habitas, etc.

**) Der am Schlusse seines lezten Verhörs in Worms gethaner berühmter Ausruf wird von Knaake (3tschr. f. luth. Theol. 1870) und Kolde (Luther u. der Reichstag zu Worms S. 60) in der herkömmlich überlieferten Form: „Ich kann nicht anders; hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen!" als echt verteidigt. Wesentlich so auch Köstlin (Luthers Rede in Worms, Halle 1874; sowie in s. gr. Lutherbiographie); nur hebt derselbe die altbezeugte Variante zum lezten der drei Säßchen: „Gott fomm mir zu Hilf!“ als möglicherweise ursprünglich hervor.

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vorträge (auch der Leipziger Disputation nur als stiller Hörer beiwohnend), als Gehilfe von Luthers reformatorischem Wirken. Aber seit dessen Wart= burgeril begann er, durch seine für die deutsch-protestantische Dogmatik grundlegend gewordenen Loci communes rerum theologicarum (3mal aufgelegt schon im Jahre des Erscheinens 1521), auch in gewaltigem schriftstellerischem Schaffen sein Bundesgenosse zu werden: „der schwäbische Waffenschmiedsohn, welcher das vom sächsischen Bergmannsohne Luther aus tiefem Schachte hervorgeholte Metall des Glaubens zu Schuß- u. Truzwaffen für die evang. Christenheit verarbeitete“ (T. J. Nitsch). Anders sein Oheim Reuchlin, der dem Reformationswerke leztlich ganz fern trat († 1522); desgl. der in seines ritterlichen Freundes Franz v. Sickingen tollkühne Fehde und Niederlage (1522—23) verwickelte und obendrein moralisch verkommene Ulrich v. Hutten, gest. in der Schweiz 1523. Erasmus, bis zum Wormser Reichstag, ja noch darüber hinaus, nicht ungünstig über Luthers Kampf wider das Papsttum und Mönchtum urteilend*), beginnt seit 1523, infolge von Luthers derbem Auftreten gegen König Heinrich VIII. von England. feine frühere kühle Haltung mit einer offen feindseligen zu vertauschen (Streit mit Luther über den fr. Willen 1524-26). Ein Erasmianer an Kaiser Karls V. Hofe war dessen Sekretär Alfonso de Valdes, zeitweilig nicht ohne ein gewisses Interesse für die Sache der Evangelischen, aber doch nur für Melanchthon einiges Verständnis zeigend, über Luther stets mit ungerechter Härte urteilend (sein Auftreten erkläre sich aus Konkurrenzneid gegen die Dominikaner; seine Schriften seien voll schädlichen Gifts, sein Wirken ein Ruin für Deutschland, 2c.). Nur jene Heidelberger Humanisten (s. oben 2) und eine Anzahl anderer jüngerer Angehöriger der Richtung, wie Urbanus Rhegius in Augsburg † 1541, Andreas Osiander in Nürnberg † 1552, Justus Jonas (Jodokus Koch (geb. zu Nordhausen 1493, 1516 Prof. in Erfurt, 1518 Kanonikus das., seit Somm. 1521 Prof. in Wittenb. u. Propst an Allerheiligen daf., geft. 1555], Joh. Bugenhagen (Dr. Pomeranus, geb. zu Wollin 1485, Stud. u. Mag. in Greifswald bis 1504, dann humanist. u. theol. Lehrer zu Belbuk bei Treptow a. d. Rega, 1520 durch die Lektüre von Luthers Praelud. de capt. babyl. eccl. für die reformat. Sache gewonnen, 1521 Dozent in Wittenberg, 1523 Stadtpfarrer [u. spät. Sup.] das., mit dem J. 1528 in sein kirchenorgani= sierendes Wirken als „Apostel des Nordens" oder Evangelisator Norddeutschlands eingetreten, s. u.) wurden zu treuen und festen Stüßen der evangelischen Sache.

*) Vgl. feinen Brief an Kurfürst Albrecht von Mainz vom 1. November 1519, worin er u. a. über Luther sagt: Haec, opinor, moverunt animum Lutheri, ut primum auderet se quorundam intolerabili impudentiae opponere. Quid enim aliud suspicer de eo, qui nec honores ambit nec pecuniam cupit? De articulis quos obicciunt Luthero in praesentia non disputo, tantum de modo et occasione disputo. Ausus est Luth. de indulgentiis dubitare, sed de quibus alii prius nimis impudenter asseveraverant; ausus est immoderatius loqui de potestate Romani Pontificis, sed de qua isti nimis immoderate prius scripserant, etc. Ungefähr ein Jahr später äußert er in mündlicher Unterredung gegen Friedrich den Weisen scherzend, aber in wohlwollendem Ton: Luthers Verbrechen sei doch im Grunde nur das: „daß er dem Papst an die Krone und den Mönchen an die Bäuche gegriffen habe". Die öffentliche Meinung urteilte um diese Zeit wesentlich im Sinne einer Zusammengehörigkeit beider, des Erasmus und Luthers. Vgl. sprichwörtliche Redeweisen wie: Erasmum peperisse ovum, Lutherum exclusisse; Ubi Erasmus innuit, Lutherus irruit; Pontifici Erasm. plus nocuit iocando, quam Luth. stomachando.

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4. Fortgang der reformatorischen Bewegung bis 1529. Durch das stürmische Treiben einiger Zwickauer Schwärmer in Wittenberg, mit welchen sein Kollege A. Bodenstein v. Karlstadt († 1541) und sein Ordensgenosse, der Augustiner Gabriel Didymus gemeinsame Sache machten, wurde Luther schon Anfang März 1522 zum Verlassen der Wartburg und zur Wiederaufnahme seiner Wittenberger Thätigkeit veranlaßt. Er zeugte mit siegreicher Energie sowohl wider diesen ersten Versuch zur Umwandlung der Reformation in eine Revolution, als gegen dessen spätere Wiederholung durch Karlstadt (in Orlamünde 1524), sowie gegen die geradezu sozialrevolutionäre Bewegung der süddeutschen und thüringischen Bauern (lettere unter Thom. Münzer besiegt bei Frankenhausen 15. Mai 1525). Zwar die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern. wahrscheinlich verfaßt von Christoph Scheppeler in Memmingen und von da aus seit dem März 1525 (als „das ge= druckt Büchlin“) verbreitet, worin 1. Wahl der Prediger durch die Gemeinden, 2. Abschaffung aller Abgaben bis auf die Zehnten, 3.—8. Aufhebung (bezw. Milderung) der Leibeigenschaft, der Jagd- und Forstgeseze. der Frohndienste, sonstiger Dienste und Lehnszinse, 9. festes Recht nach altem Brauch, 10. Rückgabe widerrechtlich angeeigneter Grundstücke, 11. Abschaffung des Todfalls, 12. Prüfung von dem allem am Maßstab des göttlichen Wortes gefordert wurde, hieß er anfänglich gut als Grundlage zur Ausgleichung des Streits. Aber wider ihr greuelvolles Wüten trat er dann mit aller Strenge und Schärfe verurteilend auf. *) Bald nach Dämpfung dieses gefährlichen Aufruhrs trat er, dem früheren Vorgange Karlstadts und andrer theologischen Kollegen folgend, am 13. Juli 1525 in den Ehestand mit Kath. v. Bora (früher, seit 1515, Nonne im Cisterzienserinnen-Kloster Gottes- u. Marienthron zu Nimptschen b. Grimma, von da 1523 zusammen mit acht Gefähr= tinnen [dabei einer Schwester von Staupik] unter Beihilfe von drei Torgauer Bürgern entflohen und auf Luthers Fürsprache zu Wittenberg gaftlich untergebracht) und fuhr mit seinen mannigfachen Arbeiten am inneren Aufund Ausbau des Reformationswerks rüstig fort: Bibelübersehung bis 1534; erste geistl. Liedersammlung 1524; deutsche Messe 1526; Organisation des kursächs. Kirche durch die große, mit Mel., Bugenh. u. J. Jonas zusammen ausgeführte Kirchenvisitation 1528-29; dann aus Anlaß der letteren: Abfassung des großen und kleinen Katechismus (Frühling 1529). Die Reformation hatte inzwischen eine Reihe fürstlicher Anhänger und Beschüßer gewonnen: außer Friedrichs des Weisen Nachfolger Johann dem Beständigen

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*) Zuerst, in der „Ermahnung zum Frieden auf die 12 Artikel der Bauerschaft in Schwaben“ (Anfang Mai): .. Sie haben 12 Artikel gestellet, unter welchen etliche so billig und recht sind, daß sie auch vor Gott und der Welt den Glimpf nehmen und den 107. Pfalm Vers 40 wahr machen, daß sie Verachtung schütten über die Fürsten". Aber dann Wider die räuberischen und mörderischen Bauern" (Ende Mai oder Anfang Juni): Dreierlei greuliche Sünden wider Gott und Menschen laden die Bauern auf sich, daran fie den Tod verdienet haben an Leib und Seele manchfältiglich: Zum ersten, daß sie ihrer Obrigkeit Treu und Hulde geschworen haben, aber diesen Gehorsam brechen muthwilliglich. Zum andern, daß sie Aufruhr anrichten, rauben und plündern mit Frevel Klöster und Schlösser, die nicht ihr sind. Zum dritten, daß sie solche schreckliche, greuliche Sünde mit dem Evangelio decken. So soll nun die Obrigkeit sie getrost fortdringen und mit gutem Gewissen drein schlagen, weil sie eine Ader regen kann. - Darum, liebe Herren, löset hie, rettet hie, erbarmt euch der armen Leute; steche, schlage, würge hie, wer da kann. Blei: best du darüber todt: wohl dir, seliglicheren Tod kannst du nimmermehr überkommen.“

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