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,,In ihn (Jesum) und durch ihn glauben, ist so viel, als einig und in das Eine gezogen werden, in ihm unzertrennlich vereinbart! Der Eremit Marcus nennt ihn ein solches eigenes, vor sich bestehendes Wesen und Leben in der Seele, und zwar der Dinge, die man hofft und erwartet." Die Mystiker machen einen großen Unterschied zwischen den Ausdrücken, Gott oder Jesus glauben, oder an Gott, an Christus glauben. Sie wollen lieber, daß man fage: in Gott, in Chris stus glauben, (was zwar lateinisch und griechisch, aber nicht deutsch ist). Joseph Bona sagt:,,Was die Wurzel dem Baume, der Grund einem Hause, ein Brunn (Quell) dem Bächlein ist, das ist der Glaube dem christlichen Leben und den übrigen Tugenden." Mehrere Mystiker nennen sogar Jefum einen fidem incarnatam. Sie sehen, wie Alle mit der Sprache ringen, um es nur recht stark auszudrücken, was die Bibel auch mit dem Worte rósaves zu thun sucht, daß der Glaube etwas Wesentliches, Wirkliches, Lebendiges und Belebendes in dem Menschen sey, himmelweit verschieden von dem leeren, kalten, todten Fürwahrhalten, oder gat blos die christliche Religion Annehmen, wozu es manche unserer Eregeten fast in allen Bibelstellen herabwürdigen, herabwürdigen, verwåssern

möchten.

Was die Guyon über den leidenden (passive) und nackenden (nue) Glauben sagt, ist das Reinste, Zarteste, Tiefste, was aus einem religiösen Gemüth fließen mag.,,Man muß eine männliche Tugend haben, durch die man Kreuz und Kránkung allen füßen Empfindungen vorzieht;" (wie ja auch kräftige Menschen körperliche Abhärtung allem weichlichen Wesen vorziehen). „Denn nackend muß man dem nackenden Jesus folgen, so daß, wenn er" (wohlverstanden: er, nicht wir) „uns seine tröstende Empfindung entzoge, man eben so vergnügt wäre und ihm mit der nämlichen Treue diente. Der nackte Glaube beraubt die Seele und leert sie aus von Allem, was sie im günstigen Glauben erhalten hatte. Er entstellt sie so, macht fie so nackt, daß sie sich selbst eben so unleidlich wird, wie sie sich vorher geliebt und bewundert hatte." Sie verstehen ja wohl, daß das Alles aus dem Glauben fließen muß: Jesus führt, be= raubt mich so, macht mich so nackt; es muß also gut und nöthig zu meiner Erziehung seyn. Sonst wäre es christlicher Stoicismus, fast årger als der heidnische.

Alle Mystiker behaupten übrigens, Glaube sey eine Gabe Gottes;,,eine Kraft, die über alle Natur ist, durch welche wir auf eine unbekannte, uns begreifliche Art mit Gott vereinigt werden, welche

Vereinigung auch allen Verstand übersteigt." So sagt Marimus. Der Nämliche schreibt über die Macht des Glaubens:,,Wer den rechtschaffenen Glauben in Christum hat, der befißt zugleich alle göttliche Gaben auf einmal, denn wenn Christus in unseren Herzen durch den Glauben wohnt, in ihm aber alle Schäße der Weisheit und Erkenntniß verborgen find, so sind auch alle Schäße in uns verborgen. Sie werden aber dem Herzen offenbart, nachdem ein Jeder etwa durch die Gebote gereinigt ist. Dies ist der Schatz im Acker des Herzens." ,,Bewahret man diesen Glau ben," sagt Cyrillus,,,so ist er so mächtig, daß er auch die, so auf dem Meere wandeln, leicht ma chen kann wie Petrus. Der Glaube kann Alles ausrichten und sich unterstehen." (Nichts mehr, als was Jesus Markus 9, 23. und Paulus Ebr. 11 sagt.) Alle Mystiker bestehen aber auch darauf, daß Werke, Gehorsam gegen Gott und Jesus Gebote durchaus nothwendig seyen; sonst sey es kein Glaube.

Wie genau alle diese Ideen mit den Bibelideen übereinstimmen, wissen wir Alle; besonders wenn wir nicht willkührlich zu Glauben machen, was nicht Glaube ist, sondern bei der Erklärung Paulus stehen bleiben (Ebr. 11.):,,Der Glaube

ist eine gewisse Zuversicht, des, das man hofft, und nicht zweifelt an dem, was man nicht fieht." Weniger wird es bedacht, welchen Werth Jesus auf diesen Glauben, auf dies feste 3utrauen legt, da er niemals nach Frömmigkeit, nach Richtigkeit der Erkenntniß, oder nach irgend etwas Anderem als nach Glauben fragt. Lesen Sie einmal die Geschichte von der heidnischen Frau (Matth. 15.), von Jairus (Matth. 9.), von dem Hauptmann zu Kapernaum (Lúc. 7.), besonders aber die classische Erzählung und Rede, Luc. 4, 22 27. Am wenigsten denkt man daran, daß der Mensch schon als solcher zum Glauben organifirt ist, wie er zum Essen, Trinken und zum Schlaf organisirt ist. Dieser Contrast zwischen seinen Bedürfnissen und seinen Kräften; das Viele, wornach er strebt, und das Wenige, was er allein erreichen kann, machen ihm jeden Augenblick andere Wesen nöthig, durch die es ihm möglich wird, Mehr zu erreichen. So wenig der Mensch sein eigenes Fleisch essen, sein eigenes Blut trinken kann, so wenig kann er sich geistig behelfen, ohne andere Wesen außer ihm. Dem Weinstock, wie allen Rankengewächsen sieht man es gleich an, daß sie bestimmt sind, sich an einer festen Stübe empor zu halten, wenn sie gedeihen sollen. Was der Weinstock unter den Pflanzen,

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das Weib unter den Menschen ist, das ist das Menschengeschlecht in der Geisterwelt. Nun ist aber Glaube das einzige Medium, wodurch geiftige Mittheilung möglich wird, das Auge, wodurch man Licht sieht, das Ohr, wodurch man Tône hört. Habe ein Wesen alle mögliche Kraft, alle mögliche Liebe, sey du ihm äußerlich noch so nahe, bedarfst du noch so viel. Ohne Glauben kann das reiche Wesen Nichts geben, und das dürftige Nichts empfangen. Ohne Glauben ist also auch kein Dank und keine Liebe möglich. Aber durch Glauben, durch festes Zutrauen geht die Kraft des Starken in den Schwachen über. Seine Kraft wird unsere Kraft, feine Weisheit unsere Weisheit, sein Licht unser Licht. Je reicher und liebevoller das Wesen ist, an das wir glauben, und je empfänglicher für Mittheilung wir sind, desto mehr empfangen wir. Das Gefühl unserer Dürftigkeit macht uns reich, das Gefühl unserer Schwäche macht uns stark. Wir sind schwächer in dem Maße, als wir uns für stark halten, und årmer, je mehr wir auf unsern Reichthum rechnen. Durchgehen Się einmal Ihre Geschäfte von Einem Tage, von Einem Morgen, und achten Sie darauf, wie oft Sie dabei auf Andere rechnen, sich auf Andere verlassen müssen, und Sie werden finden,

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