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für eine solche Anleihe zu schaffen, wäre eine Kleinigkeit. Die zu solchen Zwecken ausgegeben Goldbonds der Vereinigten Staaten, wenn auch nur mit 3 Prozent verzinslich, würden alsbald in der ganzen Welt über dem Parikurse gesucht werden. Die bisherige Methode, nach der Arbeitsweise der Danaiden das Fass der Goldreserve des Schatzamts immer wieder mittelst verzinslicher Coin-Anleihen zu füllen, ist völlig ad absurdum geführt. Viermal hat man seit 1893 Bonds zum Schutze der Goldreserve - im Gesamtbetrage von 262,315,400 Dollars ausgeben müssen, und trotzdem weiss jeder, dass die erste schlimme Panik, welche ausbricht, die Goldreserve binnen 24 Stunden in die Luft sprengen würde.

Die Vereinigten Staaten können von Glück sagen, dass diese Panik, welche nach der demokratischen Nationalkonvention von Chicago drohte, nicht zum Ausbruch kam. Jetzt nachdem die Furcht, Bryan könne siegen, Dank der rasch fortschreitenden Aufklärung der Massen, im Wesentlichen geschwunden ist, wo vielmehr der Glaube tagtäglich mehr um sich greift, das amerikanische Volk werde, unwillig darüber, so lange am Narrenseile der Silberschwindler geführt zu sein, die ganze free coinage-Bewegung mittelst eines zermalmenden Verdicts am 3. November ersticken, kann die Gefahr einer solchen verwüstenden Panik als beseitigt gelten.

etwas

Wenn aber die republikanische Partei auch nur aus den Vorgängen der letzten Monate gelernt hat, so wird es ihre erste Aufgabe sein müssen, sobald sie zur Macht kommt, das Papiergeld der Union auf eine breite, sichere Goldbasis zu stellen. Dadurch würde sich McKinleys Name mit einer der segensreichsten Reformen verknüpfen, deren Bedeutung für die Prosperität des Landes ebenso zweifellos wäre, wie es die bisher mit seinem Namen verknüpfte Hochschutzpolitik nicht ist.

V.

Es ist für das politische Leben eines grossen Volkes ein Glück, gelegentlich vor eine grosse Frage gestellt zu werden, vor der alle kleinen Parteikünste versagen. Die Erregung,

die das Innerste der Bevölkerung ergreift, verursacht unter Umständen eine gefährliche Krisis, aber ist der Volkskörper gesund genug, dieselbe auszuhalten, so wird die Krisis zum Heil. Hier nun ist eine Frage aufgetaucht, die nicht nur die Interessen des ganzen Landes auf das Tiefste berührt, sondern die zugleich die nationale Ehre angeht. Die Repudiation, der Bruch eines gegebenen Zahlungsversprechens, die Absicht, auf gesetzgeberischem Wege sich um die Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten herumzudrücken, hat etwas Abstossendes für jeden Ehrenmann. Bei der free coinageBewegung aber handelt es sich um den Versuch, ein ganzes Volk zu einer solchen Schwindelei zu überreden. Solange die free coinage-Theorie bona fide, das heisst in Unkenntnis des Zusammenhangs der Dinge, vorgetragen und aufgenommen wurde, mochte die Sache gehen. Aber je mehr der Bevölkerung die Schuppen von den Augen fallen, je deutlicher der kleine Sparkasseneinleger, der Versicherungsnehmer, der auf festes Gehalt angewiesene Beamte, der Lohnarbeiter erkennen, dass die freie Silberausprägung für sie bedeutet, dass sie 53 Cents zurückerlangen, wo sie 1 Dollar eingezahlt, versichert, als Gehalt oder als Lohn bisher erhalten haben, desto heftiger ergrimmen diese Elemente über die Zumutung der Silberfanatiker. Aber auch mancher ehrliche Farmer, dem die Ueberzeugung kommt, sein Vorteil bei free coinage liege in der Benachteiligung seines Gläubigers, der ihm Geld auf sein Landgut vorgeschossen hat, fängt an sich zu schämen, dass man ihm zumutet, auf solche Weise seine Lage zu verbessern. Aus alle dem hat sich mehr und mehr das Gefühl entwickelt, dass die nationale Ehre engagirt sei, dass man der Welt zeigen müsse, wie schlecht sie informirt sei, wenn sie glaube, das amerikanische Volk sei fähig, mit fraudulent money seine Verbindlichkeiten zu tilgen. Was diese Seite des nationalen Gefühls bedeutet, weiss jeder, der zu Volksversammlungen gesprochen hat. Nichts riss in der Rede, die Carl Schurz am 5. September in Chicago hielt, zu so rasendem Beifall hin, wie der Hinweis darauf, dass die Ehre des Landes und seine ganze Zukunft in Gefahr seien. "The father, who teaches such moral principles to his children, educates them for fraud, dishonour, and the penitentiary."

Bricht diese Stimmung weiter durch, so kann die Wahl vom 3. November zu einer glänzenden Ehrenrettung des amerikanischen Volkes führen, und diejenigen würden vollauf gerechtfertigt sein, die den Glauben an die Ehrenhaftigkeit und den common sense dieses Volkes sowie an den Segen der Freiheit nie verloren haben. Zugleich würde Alexis de Tocquevilles Wort erneut zu Ehren kommen: "En Amérique l'homme n'obéit jamais à l'homme, mais à la justice ou à la loi.”

Chicago, 10. ix. 96.

THEODOR BARTH,

Mitglied des Deutschen Reichstags.

(Ein weiterer Artikel folgt in der nächsten Nummer.)

DER ACHTZEHNTE MÄRZ.*

... Im Sommer '46 begann ich ernsthaft, mich, eines abzulegenden Examens halber, mit Chemie zu beschäftigen und ein Jahr später lag das Examen, vor dem ich mich gefürchtet hatte, glücklich hinter mir. Aber was vor mir lag, war nicht gut; keine Spur von Lebensaussicht, bloss eine arme Braut, die auf mich wartete. Da nicht abzusehen war, dass sich dies bald ändern würde, verblieb mir nichts anderes, als wieder einen Unterschlupf zu suchen, und so trat ich im Spätherbst '47 in die Jungsche Apotheke ein, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstrasse.

Diese Jungsche Apotheke, darin ich den " 18. März❞ erleben sollte, war ein glänzend fundirtes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so dass das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel arme Leute. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel und ich habe, während meiner ganzen pharmaceutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärte sich dadurch, dass die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute garnicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten. Ausser dem Thran wurde noch abdestillirtes Nussblätterwasser, das kurz

Aus "Lebenserinnerungen."

vorher durch Dr. Rademacher berühmt geworden war, ballonweise dispensirt; ich kann mir aber nicht denken, dass dies Mittel viel geholfen hat. Wenn es trotzdem noch in Ansehen stehen sollte, so will ich nichts gesagt haben.

Der Besitzer der Jungschen Apotheke gehörte zu der bekannten Berliner Familie gleichen Namens und war ein älterer Bruder des um seiner vorzüglichen Backwaare willen in freundlichem Andenken stehenden Bäckers Jung unter den Linden. Beide Brüder waren ungewöhnlich schöne Leute, schwarz, dunkeläugig, von sofort erkennbarem französischem Typus; sie hiessen denn auch eigentlich Le Jeune und erst der Vater hatte den deutschen Namen angenommen. Es liess sich ganz gut mit ihnen leben, so weit ein Verirrter, der das Unglück hat, sich für "Percy's Relics of ancient English Poetry" mehr als für Radix Sarsaparillæ zu interessiren, mit Personen von augesprochener Bourgeoisgesinnung überhaupt gut leben kann. Aber freilich mit der Kollegenschaft um mich her stand es desto schlimmer, die Betreffenden wussten nicht recht, was sie mit mir anfangen sollten, und als in einem damals erscheinenden liberalen Blatte das die "Zeitungshalle" hiess, ein paar mit meinem Namen unterzeichnete Artikel veröffentlicht wurden, wurde die Verlegenheit nur noch grösser. Im Ganzen aber verbesserte sich meine Stelllung dadurch um ein nicht Unbeträchtliches, weil die Menschen mehr oder weniger vor jedem, der zu Zeitungen irgend welche Beziehungen unterhält, eine gewisse Furcht haben, Furcht, die nun mal für Uebelwollende der beste Zügel ist. Wer glaubt, speziell hierlandes, sich ausschliesslich mit "Liebe" durchschlagen zu können, der tut mir leid.

Die grotesk komische Furcht vor mir steigerte sich von dem Tag an, wo die Nachricht von der Pariser Februar-Revolution eintraf, und als in der zweiten Märzwoche kaum noch ein Zweifel darüber sein konnte, dass sich auch in Berlin irgend was vorbereite, begann sogar die Prinzipalität mich mit einer gewissen Auszeichnung zu behandeln. Man ging davon aus, ich könnte ein verkappter Revolutionär, aber auch ein verkappter Spion sein, und das Eine war gerade so gefürchtet, wie das Andere.

So kam der 18. März,

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