Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

sollte: ein gelehrter Schulmeister, ein frommer geschickter Prediger und ein weiser Rat. Als erster evangelischer Rector, oder „Superattendens der scholen," wie ihn Schomaker nennt, wurde der tüchtige und gelehrte Magister Hermann Tulichius von Wittenberg berufen. Neben ihm wirkte Lucas Lossius, der sich eng an Rhegius angeschlossen und sich später als Schriftsteller einen Namen gemacht hat. Rasch ist die Lüneburger Schule emporgeblüht.

Häufig hielt Rhegius mit den Prädicanten Disputationen ab, um durch die Widerlegung der katholischen Lehre die alten Anhänger des Luthertums zu stärken und neue zu gewinnen. Aber der Rat unterstüßte ihn wenig, viele katholische Geistliche lebten noch in Lüneburg, und die Partei derselben war noch immer eine sehr starke. Mit Genehmigung des Herzogs forderte und erlangte Rhegius vom Rate, daß man die katholischen Geistlichen auf das Rathaus beschiede, damit sie dort auf die Frage antworten sollten, ob seine Predigt göttlich oder ungöttlich sei. Im Namen der andern antwortete ein Bardowiker Kanoniker: „Liebe Herren, hier steht ein Haufen ungelehrter Pfaffen, die nichts zu antworten wissen." Da erhob sich ein großes Gelächter, und der Rat gebot den Pfaffen: „hinfort das Maul zu halten. und keine unziemlichen Judicia und Reden wider die Predigten hören zu lassen."

Aber weiter kam Rhegius nicht; er wurde allmählich auf die Seite der Bürgerschaft hinübergedrängt, welche damals wieder sehr erregt war und unter dem Titel des Evangeliums auch alle möglichen weltlichen Forderungen erhob. Mit ihrer Hülfe wurde dem Rate nach vielen Weigerungen und Ausflüchten ein Mandat abgedrungen, daß bei Verlust der Stadtwohnung jedermann und besonders die Ordensleute am 24. September bei einer von Rhegius angesetzten Disputation erscheinen sollten. Troßdem erschienen die Geistlichen nur in geringer Anzahl und die Disputation hatte nicht den gehofften Erfolg; der Sieg, den die evangelische Partei dabei errang, war allzu leicht und mühelos gewesen. An eine Durchführung der in dem Mandate angedrohten Strafe hatte der Rat jedenfalls nie gedacht. Eine Abnahme der alten Klagen, welche Rhegius hatte beseitigen

wollen, finden wir in der Folgezeit nicht. Nach wie vor wurden Disputationen gehalten, und noch im Spätsommer schrieb der Superintendent an Förster: ich bin hier wie ein Schaf mitten unter Wölfen." Das sieht nicht nach einer Verbesserung der Sachlage infolge der Disputation aus.

Ueberdies geriet Rhegins in eine schiefe Stellung zwischen beiden Parteien. Den Bürgern war er nicht radikal genug; seiner Ueberzeugung nach konnte er nicht allem, was sie forderten, zustimmen. So namentlich nicht in der Frage nach Verwendung der kirchlichen Güter, über die uns ein Gutachten von ihm vorliegt. Die Bürger verlangten Aufhebung sämtlicher Brüderschaften, deren es in Lüneburg etwa 30 gab, darunter die sehr reiche Kalandsbrüderschaft; ihre Güter sollten eingezogen und zum Besten der Stadt verwandt werden. Auch der Herzog war für die Aufhebung der Gilden, von ihm erwirkten die Bürger (wohl durch Rhegius) ein Mandat, welches Ostern 1533 von den Kanzeln verkündigt wurde: daß niemand innerhalb oder außerhalb der Stadt Lüneburg sich unterstehen sollte, in eine gottlose Gilde zu gehen. In betreff der Verwendung ihrer Güter und der geistlichen Güter überhaupt stimmte Rhegius jedoch durchaus nicht mit den Bürgern überein. Er meinte, man müsse untersuchen, ob die geistlichen Güter mit Recht oder mit Unrecht an die Geistlichen gekommen seien, nur die letteren dürfe der Rat einziehen und zu Zwecken der Kirche, der Schule und zum Besten der Armen verwenden. Diesen Vorschlägen hat sich später der Rat bei der endgültigen Regelung der Verhältnisse genähert.

Aber auch dem Rate war der Superintendent dadurch unbequem geworden, daß er sich auf Seite der Bürgerpartei gestellt hatte. „Er verlor", so berichtet uns der patrizisch gesinnte Schomaker, seine Gunst, und es wurde die Hand von ihm abgezogen, denn er war ein haftiger, unduldsamer Mann, mit dem man nicht gut auskommen konnte." So war sein Wirken in der lezten Zeit seines Aufenthaltes auf allen Seiten gehemmt; und er mag froh gewesen sein, als er im Herbst 1533 nach Celle zurückkehren konnte.

Erst ganz allmählich ist es in den folgenden Jahren in Lüneburg zur völligen Durchführung des Luthertums gekommen,

und je mehr der Rat sich selbst demselben anschloß, um so mehr gewann er seine alte dominierende Stellung wieder. Spuren des Katholicismus finden sich allerdings noch in späterer Zeit, aber nach 1540 wird es schon als etwas Merkwürdiges berichtet, wenn ein Katholik in Lüneburg stirbt. Größere Gefahr drohte eine Zeit lang von den Wiedertäufern, von denen wir in Lüneburg bereits 1533 hören. Aber mit der Unterwerfung von Münster erlosch auch die Furcht vor ihnen. Daß die Bewegung hier nicht weiter um sich griff, dazu hat besonders auch Rhegius beigetragen, der eifrig gegen die Wiedertäufer thätig war. Er hat sich stets, auch in der späteren Zeit, mit Rat und That der Stadt angenommen, und seinen Nachfolger wiederum war es jener Heinrich Ratbrock in schwierigen Fällen unterstüßt. Man hatte ihm mit Undank seine Arbeit gelohnt, er aber hatte treu seine Pflicht erfüllt und konnte in Rückblick auf seine Thätigkeit wohl schreiben: „Wer verloren geht, der mag durch eigne Schuld verloren gehen, wer unrein ist, der sei immerhin unrein. Die Zeit wird kommen, wo sie, durch traurige Erfahrung belehrt, einsehen werden, daß ich Christum rein gepredigt habe."

Wir haben geglaubt, hier auch über die kirchlichen Vorgänge in Lüneburg, obwohl der Herzog ja nicht unmittelbar daran beteiligt ist, einen Ueberblick geben zu sollen, um das Bild der Thätigkeit Ernsts auch nach einer negativen Seite hin zu vervollständigen. Auf das deutlichste ergiebt sich aus der Schilderung der Verhältnisse, wie ohumächtig der Fürst der Stadt gegenüber war.

X.

Politische Streitigkeiten des Herzogs und der Stadt Lüneburg. Das Kloster St. Michaelis und die Stifter Bardowif und Ramelsloh.

Troß aller Verhandlungen mit Lüneburg war man einem Ausgleich der weltlichen Streitfragen noch nicht näher gekommen. Auch der Versuch des Herzogs, sich in diesen Angelegenheiten · direkt an die Bürgerschaft zu wenden, war mißlungen. Einen Brief, den Ernst an dieselbe gerichtet, hatte man uneröffnet dem Rate übergeben. Urbanus Rhegius vermochte, selbst als er noch bei dem Rate in Gunst stand, nichts in dieser Richtung zu thun. Er scheint sich sogar von den politischen Streitfragen völlig fern gehalten zu haben und das mit Recht, denn jeder Vermittlungsversuch hätte seiner Stellung in Lüneburg nur schaden können. Später hatte der Herzog allerdings wohl die Absicht, sich des Rhegius und der Bürgerpartei gegen den Rat zu bedienen, und forderte daher, daß an einer Verhandlung in Lüne am 10. Juni 1533 auch Deputierte der Bürgerschaft und der Superintendent teilnehmen sollten; aber sehr entschieden wurde dies abgelehnt.

Selbst in geringfügigern Sachen gaben beide Parteien nicht nach und daran scheiterte öfters die anscheinend nahe Versöhnung. Für den Herzog war es von unangenehmer Bedeutung, daß der Rat im Hinweis auf frühere Verträge sich mit Entschiedenheit weigerte, ihm von den in Lüneburg belegenen Gütern der ausländischen Geistlichen eine Abgabe zu geben, die zu fordern Ernst sich berechtigt glaubte. Auf den Rat des Syndicus von Braunschweig, Levins von Emden, zog er dann die im

Fürstentume liegenden Güter dieser Geistlichen ein und gab dieselben auch nicht heraus, als ein Mandat des Kammergerichts ihm das befahl.

Weit tiefer und einschneidender war jedoch der Streit, welcher sich um das Kloster St. Michaelis und die Stifter Bardowik und Ramelsloh zwischen Ernst und dem Rate erhob. Wir müssen auf diese Punkte etwas näher eingehen, da sie den Herzog während der lezten Jahre seiner Regierung unausgesezt beschäftigten.

Den Abt von St. Michaelis, Boldewin von Mahrenholz, haben wir bereits kennen gelernt und gesehen, wie derselbe das von Ernst geforderte Inventar der Güter des Klosters auszustellen sich weigerte. Dabei beharrte er seit jener Zeit. Indes war sein Verhältnis zu dem Herzoge noch nicht schlecht zu nennen, noch 1528 schenkte er der jungen Gemahlin Ernsts bald nach ihrer Hochzeit einen goldenen Becher. Zu einer Ausführung der Bestimmungen des Landtags vom August 1527 kam es hier natürlich ebensowenig wie in den andern Klöstern. Auch an Boldewin sandte daher Ernst Mitte Juli 1529 ein ähnliches Schreiben wie an den Rat von Lüneburg zugleich mit dem Artikelbuche und der Instruktion für die Prediger und befahl, daß er Gottes Wort lauter und rein predigen und die Mißbräuche gegen dasselbe abschaffen lassen solle. Außerdem aber wurde mit Hinweis auf den früheren Landtagsbeschluß noch einmal die Lieferung des Inventars gefordert.

Boldewin wollte abdanken, er fühlte sich dem drohenden Sturme nicht gewachsen. Sein Schwager ermahnte ihn zum Ausharren, und so lehnte er die Forderungen des Herzogs ab. In einem Schreiben an seinen Schwager (noch vom Jahre 1529) gibt er die Gründe für seine Weigerung näher an und zeigt sich darin als ein sehr eifriger Katholik. Er will keine verlaufenen, vom Kaiser und Papst verdammten Prediger, die nicht durch Auflegung der Hände geweiht sind, im Kloster dulden. Versucht der Herzog ihnen eine falsche Lehre aufzudrängen, so verlegt er seine Pflicht. Auch des Rats wegen darf er im Kloster keine Lehre einführen, die Zwietracht in der Stadt erwecken kann. In betreff des Inventars beharrt er bei seiner Weigerung, denn

« ZurückWeiter »