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Unter den Fürsten Deutschlands, welche der Reformation fast von anbeginn an ergeben waren und der Förderung derselben ihre Kräfte widmeten, wird man nicht an lezter Stelle den Namen Ernsts des Bekenners, des Herzogs von Braunschweig und Lüneburg

nennen.

Weniger mächtig als die sächsischen Fürsten, weniger begabt und energisch vielleicht als Philipp von Hessen und Casimir von Brandenburg hat er sich durch sittlichen Ernst, durch treue Hingabe an die Pflichten seines Amtes unter seinen fürstlichen Genossen eine angesehene Stellung zu erringen gewußt. Nie hat er gefehlt, wo es galt, für die gute Sache einzutreten.

Seinem Andenken sollen die folgenden Blätter gewidmet sein. Ein Lebensbild habe ich zu zeichnen unternommen. Die gewaltige Bewegung, welche die Zeit erfüllte, in die es uns versezt, steht auch im Mittelpunkte dieses Bildes. Die Beförderung der Reformation im eignen Lande und im großen deutschen Vaterlande wurde seine Lebensaufgabe, und daher beansprucht auch diese Seite seiner Thätigkeit vorzugsweise unser Interesse, während das andere, was er sonst als Regent gewirkt hat, dahinter zurücktritt, wie es uns auch in geringerem Maße von den Zeitgenossen überliefert ist.

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Hier mag auch sogleich auf den eigentümlichen Charakter hingewiesen werden, den Herzog Ernst der Reformation des Fürstentums Lüneburg aufgedrückt hat: es ist eine Reformation von oben", nicht hervorgegangen aus einer tiefgehenden Bewegung des Volkes, sondern unternommen und durchgeführt von dem Landesherrn unter geringer aktiver Beteiligung der Massen. Auch ist der Herzog dabei nicht ausschließlich von religiösen Motiven geleitet gewesen, sondern es spielen politische und finanzielle

Interessen bei seinem Vorgehen eine nicht unwesentliche Rolle. Das eine wie das andere aber findet seine Erklärung und relative Berechtigung in den Zuständen der Zeit und kehrt in der Geschichte der Reformation öfter wieder. Das unter der Herrschaft der alten katholischen Kirche verwahrloste Volk bedurfte des Anstoßes und Antriebs von außen, um in die Bewegung hinein gezogen zu werden. Anders lag in der Regel die Sache in den Städten, wo in der Bürgerschaft ein reges geistliches Leben pulsierte und der religiöse Drang häufig genug so mächtig war, daß er nur eines Mahnrufes bedurfte, um sich unaufhaltsam Bahn zu brechen. Aber auch hier vermischten sich nicht selten mit den religiösen politische Interessen: die Zünfte trachteten nach Gleichberechtigung mit den Patriziern und suchten mit der Durchführung ihrer religiösen Forderungen auch politische Reformen durchzuseßen. Ebenso wenig kann es überraschen, daß die Fürsten, welche der Reformation ihren Arm liehen, die Vorteile sich zu nuße machten, welche ihnen und ihren Unterthanen aus der Beseitigung der Institute der römischen Kirche erwuchsen. Auch gut katholische Fürsten, die nach damaliger Rechtsauffassung sich befugt hielten in die kirchlichen Verhältnisse umgestaltend und reformierend einzugreifen, haben bekanntlich keine Bedenken getragen, sich politische und finanzielle Vorteile zu verschaffen, ähnlich denen, welche aus der Einführung des Protestantismus notwendig folgten. Es wird, um den sittlichen Wert des Vorgehens der evangelischen Fürsten zu bestimmen, lediglich darauf ankommen, zu ermessen, ob ihnen die Religion in Wahrheit Herzenssache war, oder ob es etwa in erster Linie materielle Interessen waren, die sie der Reformation in die Arme trieben. Daß jenes und nicht dieses bei Herzog Ernst zutrifft, mag schon jezt nachdrücklich betont werden und wird, so hoffe ich, in der nachfolgenden Darstellung seine Bestätigung finden.

I.

Die Jugendzeit Ernsts bis zu seinem Regierungsantritt.

Schon sehr frühe hatte sich von den Welfischen Stammlanden das kleine Fürstentum Grubenhagen abgezweigt, später (1373) trennte sich das Fürstentum Lüneburg ab, dessen Umfang sich fast genau mit dem heutigen Regierungsbezirk deckt, und`erst am Ende des 15. Jahrhunderts zerfiel auch das noch übrige Stück in die beiden Fürstentümer Braunschweig-Calenberg und Braunschweig-Wolfenbüttel, so daß wir beim Beginn der Neuzeit vier Fürsten in den Welfischen Landen herrschen sehen. Lüneburg war darunter das von der Natur am wenigsten begünstigte Land. Weite Strecken unfruchtbarer Heide, dazwischen kleine Dörfer und Einzelhöfe mit „räucherichen Hütten", in denen es aussah wie in einer „Arche Noah", in denen Hunde, Kazen, Kühe, Kälber, Rosse, Säue, Hühner, Schafe, alles bei einander" wohnte, in demselben Raume, „wo der Bauer auf Stroh lag, alten stinkenden Speck aß und Brot so hart wie ein Wettstein!" Wir begreifen, daß den Mann, der damals das Land so schilderte, (Urbanus Rhegius) eine Sehnsucht ergriffen haben muß nach dem sonnigen Süden, dem er entstammte. Aber die harte Arbeit um das tägliche Brot hatte auch ein starkes Geschlecht erzeugt, treu seinem Fürstenhause und treu festhaltend an den von den Vätern überkommenen Gewohn= heiten.

Freilich muß man die Stadt Lüneburg ausnehmen, wenn man von geringer Wohlhabenheit des Fürstentums redet, denn dort in der alten Hansestadt besaß man Reichtum und Macht; aber ihr Zusammenhang mit dem Fürstentum hatte sich gelockert,

und gerade beim Beginn der Neuzeit strebte die Bürgerschaft derselben eifrig darnach, sich vom Herzoge völlig unabhängig zu machen.

In einer der kleineren Städte, die Lüneburg gegenüber sämtlich sehr unbedeutend waren, in Uelzen, wurde am 26. Juni 1497 in dem damaligen Fürstenhause, der späteren Schule, dem Herzoge Heinrich dem Mittleren sein zweiter Sohn geboren und nach seinem Großvater mütterlicherseits Ernst genannt.

Unter den Augen seiner Mutter wuchs der Knabe zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Otto auf. Wir wissen nichts über diese Zeit seiner Kindheit und über seine Entwicklung zum Jüngling. Nur das ist uns überliefert, daß der Propst Burdian von Isenhagen kurze Zeit sein Lehrer gewesen ist. Erst mit dem Ausgange der Knabenzeit tritt er wieder in unseren Gesichtskreis. Im Jahre 1512 wurden die beiden Brüder Otto und Ernst auf die von dem Bruder ihrer Mutter, dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen, gegründete Universität Wittenberg gesandt. Ihr bisheriger Lehrer, Magister Egbert Nithard aus Minden, begleitete sie auch dorthin und am Sonntag Judica 1512 wurden. sie nebst einer Anzahl junger meist Lüneburgischer Adligen, deren Namen uns die Wittenberger Matrikel aufbewahrt hat, von dem damaligen Rektor Wolfgang von Reitenbusch_immatrikuliert. Ein anderer erprobter Lehrer, der Erzieher des Kurprinzen Johann Friedrich, Georg Burkard Spalatinus wurde ihnen durch ihren Oheim Friedrich den Weisen zur Seite gestellt.

Was die Brüder dort getrieben, welchen Studien sie sich vorzugsweise gewidmet haben, darüber geben uns unsere Quellen nur dürftige Auskunft. Nur das erfahren wir aus einer im Jahre 1537 gehaltenen Gedächtnisrede, deren Verfasser kein Geringerer als Melanchthon ist, daß Ernst bei dem Rechtsgelehrten Henning Göden, dem Monarcha juris, wie man ihn nannte, sich mit juristischen Studien beschäftigt hat; die Gedanken des römischen Rechts über die absolute Gewalt der Fürsten hat er sich jedenfalls völlig zu eigen gemacht und sie in seiner späteren Regierung in seinem Lande zur Durchführung zu bringen gesucht. Daß gerade ein Mann wie Spalatin, der sich in der Folgezeit durch seine historischen Werke einen Namen gemacht hat, dem Jünglinge

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