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uns nichts überliefert, aber den Standpunkt des Herzogs zu den religiösen Fragen können wir aus dem Schriftstücke bereits mit ziemlicher Sicherheit erkennen.

Einschneidender als diese Einzelverfügung waren jedoch Maßregeln der herzoglichen Regierung gegen die Rechte eines ganzen Standes, welche mit Schluß des Jahres 1523 ergriffen wurden und welche die weitgehendsten Folgen gehabt haben.

III.

Das Fürstentum und der Bauernkrieg. Maßregeln gegen die Klöster und die Landtage von Celle und Uelzen (1525).

Die Schulden des Landes zwangen den Herzog, da die Mittel, welche ihm zu Gebote standen, ungenügend waren, sich nach anderer Hülfe umzusehen. Wenigstens die drückendsten Lasten wollte man abtragen; es wurde daher beschlossen von den Klöstern eine Beihülfe im Betrage von 28000 Gulden zu erheben. Persönlich oder durch Gesandte sezte der Herzog sich mit den Prälaten in Verbindung, und es gelang ihm auch seinen Zweck zu erreichen, allerdings nur gegen Zugeständnisse, welche auch er seinerseits machen mußte. Thatsächlich ist dies ein Eingriff in die Rechte der Klöster, denn nicht nach vorhergehender gemeinsamer Beratung hatten die Prälaten dies Darlehen, wie sie es nennen, bewilligt, sondern ausdrücklich schreibt der Herzog an den Abt von St. Michaelis: es sei im Rate (d. h. von den weltlichen Hofräten) für gut angesehen, diese Forderung an die Prälaten zu stellen. Die ihnen drohende Gefahr erkannten die Prälaten denn auch sehr wohl, und als sie die Zahlung leisteten, ließen sie sich urkundlich vom Herzoge versprechen, daß man sie in Zukunft mit derartigen Abgaben, die sie allerdings völlig unverpflichtet gegeben hätten, verschonen wolle. Auch ihre übrigen Privilegien ließen sie sich noch einmal ausdrücklich bestätigen.

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Trozdem ging man am Hofe bald noch weiter. Die Säcularisationsgedanken, welche während des Bauernkrieges und nach

Beendigung desselben bei vielen, selbst gut katholischen, Fürsten Deutschlands auftauchen, fanden an dem protestantisch gesinnten Hofe Ernsts natürlich erst recht Boden.

Von dem Bauernkriege selbst blieb ja das Fürstentum Lüneburg glücklich verschont. In angeborener konservativer Gesinnung standen die Landbevölkerung und die Bewohner der kleinen Städte der Bewegung kalt gegenüber. Allerdings fürchtete man für die Ruhe in der Stadt Lüneburg; der schroffe Gegensaß, welcher dort zwischen den Bürgern und den Patriciern bestand, machte die Gefahr um so größer. Auch hier drang das Luthertum allmählich ein und zwar zunächst in die Kreise der Bürgerschaft. Im Anfang des Jahres 1525 sah sich der Rat veranlaßt, einige Bürger, welche Lutherische Schriften gelesen und deutsche Psalmen gesungen hatten, aus der Stadt zu verweisen. Man duldete den Aufenthalt dieser Verbannten in der herzoglichen Residenz Celle, aber doch sah Ernst in diesen ersten Regungen des Luthertums weit mehr eine Aeußerung des aufrührerischen Geistes des Pöbels als das mit Freuden zu begrüßende Erwachen des Volkes, das sich von den alten Irrtümern zu der neuen Lehre wendet. Er richtete an den Rat von Lüneburg (am 15. Mai 1525) ein warnendes Schreiben und befahl ihm ernstlich, „nachdem sich unlängs viele geschwinde Läufe und Aufruhr begeben“, bei sich dafür zu sorgen, daß das Wort Gottes verkündigt und sonst allerlei Gottesdienst mit Singen, Lesen, Beten, Fasten und andern guten Werken zur Ehre Gottes so geübt und gehalten werde, wie das seit langer Zeit gebräuchlich gewesen sei, bis von christlicher Obrigkeit eine andere Ordnung in der Christenheit eingerichtet werde. Besonders über Handwerksleute und Gesellschaften sollen sie fleißige Aufsicht üben, und wer sich an einem Geistlichen vergreift, den soll man an Gut und Leben strafen.

Das Schreiben ist außerordentlich charakteristisch für die ganze Persönlichkeit des Herzogs. Wir wissen aus einem nur zwei Monate späteren Briefe, auf den ich zurückkommen werde, daß er schon damals völlig mit den alten Anschauungen gebrochen hatte, daß er selbst bereit war, Gut und Blut für die Verteidigung der Lehre Luthers einzusehen. Aber noch hoffte

er, daß die Reichsgewalt selbst eine Aenderung und feste Verhältnisse schaffen werde. Die Gefahr, welche ein Aufruhr dem Lande bringen konnte, war für ihn bei dem Schreiben maßgebend. Er erwartete keinen Segen für das religiöse Leben des Fürstentums von einem plöglichen Umsturz der Verhältnisse; erst mußte die neue Lehre noch fester Wurzel schlagen, ehe er daran dachte, eine durchgreifende Aenderung zu schaffen. Darum forderte er zunächst noch auf das Strengste die Beibehaltung der bestehenden Ordnung der katholischen Kirche. Schritt für Schritt ging er vorwärts, um endlich, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, zu erreichen, was möglich war und den noch vorhandenen, geringen Widerstand dann mit kräftiger Hand zu Boden zu schlagen.

Während er hier das Bestehende, auch wo es im Widerspruch mit seiner eignen Anschauung stand, schüßte, ging er an einem andern Punkte, wie wir bereits andeuteten, aufs neue vor. Abermals handelte es sich um die Rechte der Klöster. Man beabsichtigte nämlich am herzoglichen Hofe, unter Hinweis auf die durch den Bauernaufstand den Klöstern drohende Gefahr von den Prälaten ein Verzeichnis ihrer Güter und Einkünfte und die Hinterlegung ihrer „Kleinodien, Briefe und Siegel" an einem sicheren Orte zu fordern.

Der Plan zu diesem Vorgehen ist wahrscheinlich in dem Kopfe des Kanzlers Förster entstanden; er wollte der Fürstengewalt, ähnlich wie es damals in andern Territorien geschah, einen Zuwachs an Macht erringen, indem er den Prälatenstand in größere Abhängigkeit vom Landesherrn brachte.

Jesus Sirach sagt (10, 5): Es steht in Gottes Händen, daß es einem Regenten gerate; derselbige giebt ihm einen löblichen Kanzler. Johannes Förster war ein solcher löblicher Kanzler; er hat viel dazu beigetragen, daß die Regierung Ernsts so segensreich für sein Land gewesen ist. Er stammte aus Hessen und war schon unter Heinrich dem Mittleren am Hofe thätig; seinen Söhnen wurde er in der ersten schweren Zeit ihrer Regierung die beste Stüße. Die spätere Zeit vermag ja nicht mit völliger Sicherheit zu entscheiden, wer an den gefaßten Entschlüssen und

Maßnahmen der Regierung den meisten Anteil hat, ob der Fürst oder sein trefflicher Kanzler. Doch kann man die Bedeutung Försters, wie ich glaube, nicht leicht überschäßen. Die meisten aus dieser Zeit uns erhaltenen Konzepte der herzoglichen Kanzlei zeigen seine außerordentlich charakteristische, aber schwer lesbare Handschrift. Tüchtig war er als Geschäftsmann, aber dabei ein durchaus wahrer Charakter. Der Sache Luthers war er eifrig zugethan. Ein Mann, der später in nahe Beziehung zu ihm trat, der Pastor Undermark in Celle, schreibt wenige Jahre später (1529) von ihm: „Dieser, als er in evangelischen Sachen wunderlicher Weis brennet und hißig ist, wie wohl er in des Fürsten unzähligen Händeln und Geschäften immer unledig ist, läßt er doch nicht nach, sondern versucht und arbeitet in alle Wege, damit das Evangelium Christi glückselig von Tage zu Tage fortgehe; denn was thut er nicht bei Fürsten und Edeln, Aebten und Pröpften, Mönchen und Nonnen, Blutsverwandten und Schwägern, auf daß sie zur Erkenntnis Christi kommen: schickt und giebt den Abwesenden Bücher oder Briefe, riechend nach aller Gottseligkeit und Lehre, jezt bittet, jezt straft er die Gegenwärtigen, ja gibt an allen Orten einen Prediger der Wahrheit". Andere Männer standen ihm zur Seite, Juristen wie der Licentiat Heinrich von Brocke, der uns oft in den Geschäften des Herzogs begegnet, Heinrich von Kramm, der dem Herzoge sehr ergebne Propst von Wienhausen, und adlige Räte wie der tapfere Asche von Kramm, der Sieger von Soltau. Auf Veranlassung des letteren schrieb Luther das Büchlein: „Ob auch Kriegsleute im seligen Stande sein mögen". Er starb im Jahre 1528 in Chur auf der Rückkehr aus Italien, wo er für Karl V. gefochten hatte. Ihnen lassen sich noch andere zugesellen, wie Kurt von Bülow, Johann Haselhorst, Thomas Grote, Johann von der Wick, Levin von Embden, der braunschweigische Syndicus, der oft auch im Dienste des Herzogs beschäftigt ist.

Sie alle jedoch treten an Bedeutung und Einfluß hinter Förster zurück, der die eigentliche Leitung der Geschäfte ganz in seiner Hand hatte. Er suchte die Macht des Herzogs immer weiter auszudehnen, und dieser Absicht entsprang, wie ge

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