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und Delius.

Von Steevens' Reprint habe ich mich einer sorg

fältigen Abschrift bedient und zu grösserer Vorsicht einige Stellen, wo ich mich auf diese allein verlassen musste, durch ein eingeklammertes Fragezeichen bezeichnet.

Bei der Gestaltung des Textes bin ich von der Ansicht ausgegangen, dass der beste Text in der Quartausgabe von 1604 (QB) enthalten ist, und dass alle übrigen Drucke und Hülfsmittel nur als Verbesserungsmittel desselben zu betrachten sind. Ob ich diese Ansicht überall folgerichtig durchgeführt habe, kommt mir zu entscheiden nicht zu; über einzelnes werden allerdings stets Meinungsverschiedenheiten obwalten. Den Umfang der Textkritik zeigt die Thatsache, dass meine Recension von der Collier'schen, welche durch den Abdruck in der Tauchnitzer Sammlung gegenwärtig wenigstens in Deutschland die verbreitetste sein möchte, an mehr als anderthalb hundert Stellen abweicht, ungerechnet die öfters nicht unwesentlichen Verschiedenheiten in Schreibung und Zeichensetzung. Den Text selbst habe ich in Paragraphen eingetheilt, eine Neuerung, die für das philologische Studium Shakespeare's unerlässlich ist und von der es unbegreiflich erscheint, dass sie noch kein einziger Shakespeare-Herausgeber eingeführt hat. Einen Versuch hierzu hat allerdings ganz kürzlich Professor Craik in Belfast gemacht, dessen vortreffliche Ausgabe des Julius Cæsar (The English of Shakespeare &c. London, 1857) mir erst während des Druckes zugekommen ist. Allein Professor Craik hat die Reden gezählt, wodurch eine Antwort, die nur aus einem Halbverse besteht, in gleichen Rang mit einem seitenlangen Monologe gesetzt wird. Ich habe dagegen meinen Paragraphen eine möglichst gleichmässige Länge zu geben und dadurch das bisher äusserst beschwerliche und unsichere Nachschlagen und Anführen bequem und sicher zu machen gesucht. Eine andere Art der Einthei

lung ist wegen der in Shakespeare's Stücke eingestreuten prosaischen Stellen unmöglich; aus demselben Grunde ist auch die Zählung in der Meyer'schen Ausgabe des Julius Cæsar (Hamburg, 1857) gänzlich unbrauchbar, da sie sich nicht in andere Ausgaben übertragen lässt.

Manchem Leser wird vielleicht die Zahl der Citate und Parallelstellen zu gross erscheinen; allein ich habe absichtlich auf diesen Punkt einen grössern Werth gelegt als gewöhnlich geschieht, nicht aus gelehrter Prunksucht, sondern weil hierin in der modernen Philologie bisher viel zu wenig gethan worden ist, und ein Uebermaass mithin weit weniger nachtheilig erscheint als ein Mangel. In der neueren Philologie hat sich noch nicht, wie in der klassischen, eine langjährige feste Praxis gebildet, und es ist daher hier doppelt schwierig, das rechte Maass zu treffen.

In allem Uebrigen mag das Werk für sich selber sprechen. Ich übergebe es der Oeffentlichkeit mit dem Wunsche, dass es das philologische Studium der englischen Sprache und Literatur befördern helfen und seines grossen Gegenstandes nicht unwürdig befunden werden möge.

DESSAU, 4. Juni 1857.

K. E.

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Von allen Werken Shakespeares hat sich keines durch ein so stetiges Wachsthum an Berühmtheit, an Anziehungskraft und vielseitigster Wirksamkeit ausgezeichnet, als jenes grossartige 'Gedankentrauerspiel', in welchem der unsterbliche Schwan vom Avon seine erhabenste Poesie wie seine tiefste Philosophie niedergelegt hat. Mit Recht sagt S. T. Coleridge, dass Shakespeares Hamlet der Liebling aller Nationen sei, bei denen die Literatur Englands gepflegt worden ist. An ihn knüpfen sich nicht nur die glänzendsten Namen der französischen und deutschen Literatur, sondern er ist sogar in die Entwickelung ganzer literarischer Epochen verwachsen, und man darf von einer Geschichte desselben in einem höhern Sinne sprechen, als bei irgend einem andern Stücke des grossen Barden. Nach Hegel'schen Ideen liesse sich diese Geschichte sogar in drei Perioden eintheilen, von denen die erste, die englische oder Shakespeare'sche der Hegel'schen Thesis, die zweite, die französische oder Voltaire'sche der Antithesis und endlich die deutsche oder Göthe'sche der Synthesis entsprechen würde. Zur Abrundung des Ganzen fehlt auch ein einleitender Zeitraum nicht, der uns in die sagenhafte Zeit zurückführt, in welcher der Stoff des Stückes zuerst seine Entstehung fand.

Am Hamlet hat sich die dichterische Begeisterung ganzer Geschlechter entzündet; ihm verdanken die grössten englischen und deutschen Schauspieler die schönsten Blätter ihres Lorbeerkranzes; an ihm haben die hervorragendsten Kunstrichter ihren Geschmack gebildet und ihren Scharfsinn entfaltet; in ihm finden die philologische Erklärung und Kritik ein nicht minder fruchtbares Feld für ihre mühevolle Thätigkeit, als in den klassischen Werken der Griechen und Römer. Was Wunder also, dass die durch den Hamlet ins Leben gerufene Literatur bereits zu einer fast unübersehlichen Masse angeschwollen und noch immer im Wachsen begriffen ist? Denn so lange das deutsche und angelsächsische Geschlecht nicht von anderen Völkerstämmen verschlungen wird und in ihnen untergeht, so lange wird

es auch nicht müde werden, dem Hamlet seines grössten Dichters seine Bewunderung und Liebe zu zollen.

Die älteste bekannte Quelle, auf welche sich die Erzählung von Hamlet zurückführen lässt, ist die Dänische Geschichte des Saxo Grammaticus (Vol. I, 1 p. 138-161 edid. Müller et Velschow, Havniae 1839). Die Geschichte ist nach Saxo Grammaticus im Auszuge folgende:

Der König Rörik hatte nach dem Tode Gervendills dessen beiden Söhnen Horvendill und Fengo die Statthalterschaft von Jütland übertragen. Nach dreijähriger Amtsverwaltung ergab sich Horvendill der Seeräuberei und wurde ein so gewaltiger Seeheld, dass er sogar die Eifersucht des Königs Koller von Norwegen erregte, welcher auf Mittel sann, die Macht und den Ruhm Horvendills zu verdunkeln. Nach langem Suchen traf er ihn mit seinen Schiffen bei einer lieblichen Insel an. Beide Helden stiegen an das Land und verabredeten einen Zweikampf unter der Bedingung, dass für den etwa Verstümmelten ein angemessenes Wergeld gezahlt und für den etwa Getödteten von dem Ueberlebenden eine geziemende Bestattung ausgerichtet werden solle. König Koller fiel und wurde ehrenvoll begraben, Horvendill aber kehrte mit Beute und Ehre beladen heim und wusste sich durch reiche Geschenke den König Rörik so geneigt zu machen, dass ihm dieser seine Tochter Geruthe zum Weibe gab. Geruthe gebar ihrem Gemahl einen Sohn, Namens Amleth.

So viel Glück erweckte den Neid Fengo's. Fengo ermordete seinen Bruder Horvendill und fügte zum Brudermord noch die Blutschande hinzu, indem er die Wittwe desselben heirathete. Ja er wusste sogar sein Verbrechen zu beschönigen; er sprengte nämlich aus, dass die sanfte Geruthe von ihrem Gemahl auf das Grausamste gemisshandelt worden sei, und dass er nur, um sie zu schützen, den Horvendill getödtet habe.

Amleth allein schien dies Vorgeben zu durchschauen. Um jedoch seinem Stiefvater nicht verdächtig zu erscheinen, stellte er sich blödsinnig, wälzte sich im Schmutz und entstellte sein Gesicht durch Besudelung. Bisweilen setzte er sich an den

1 Die erste Ausgabe des Saxo Grammaticus (Handschriften sind nicht vorhanden) erschien zu Paris 1514 cura Jodoci Badii Ascensii; die zweite Basel 1534 typis Joh. Bebelii; 3. Francofurti a. M. 1576 ex officina Andr. Wechelii; 4. Sorae 1644 seq. recogn. et illustr. S. J. Stephanio, fol.; 5. Lipsiae 1771 cura C. A. Klotzii, 4°; 6. Saxonis Grammatici Historia Danica. Recensuit et commentariis illustravit Dr. Petrus Erasmus Müller. Opus morte Mülleri interruptum absolvit Mag. Joannes Matthias Velschow. Havniae, Gyldendal. 1839. 2 Bde Text.

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