Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

landgräflichen Besuches beim Kaiser gewesen sein. Es ist daher gewiss die Frage berechtigt, ob angenommen werden kann, dass der vorhandene Bericht über die Verhandlung vollständig sei. Es ist zu beachten, dass wir es mit einer offiziellen Version zu thun haben, dass uns der Text vorliegt, welchen der Landgraf selbst verbreitet hat. Seine Glaubwürdigkeit ist daher wohl nicht über allen Zweifel erhaben; eine kurze Stelle, welche Rommel II, 476 aus einem Briefe des Landgrafen an den Kurfürsten von Sachsen1 mittheilt, lässt uns einen Einblick thun in einen andern Gedankenkreis, ohne uns jedoch Klarheit zu verschaffen.

Kann man auch vermuthen, dass der Landgraf andere Absichten bei der Zusammenkunft mit dem Kaiser hatte, als es nach seinem Berichte scheinen mag, so ist es doch ziemlich gewiss, dass derlei Gedanken nicht verwirklicht wurden. Am 30. März schrieb der Kaiser über die Begegnung mit dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen folgendermassen seinem Sohne Philipp2: „Der Pfalzgraf legt den Wunsch nach Verständigung in der Religionsfrage und nach Herstellung von Frieden und Recht an den Tag und bietet hiezu seine guten Dienste an. Der Landgraf hat zu verstehen gegeben, dass er seinestheils das Gleiche thun wird, aber er sprach nur von seinem Wunsche, ohne ein anderes geeignetes Mittel angeben zu können; aus allem, was er sagt, geht nur die Schwierigkeit der Verständigung hervor. Doch, wie dem auch sein möge, wir denken mit Gottes Hülfe. An dieser Stelle ist leider eine Lücke in dem uns vorliegenden Abdruck und man muss sich mit der Vermuthung beruhigen, dass nur gleichgültige Worte ausgelassen sind; nur so viel steht fest, dass eine Annäherung des Landgrafen an den Kaiser, eine Nachgiebigkeit gegen ihn nicht das Resultat der Speirer Conferenz war, dass die Hoffnungen, welche man in des Kaisers Umgebung gehegt hatte, vereitelt waren. Anderseits wird aber auch deren im Ganzen durchaus ruhiger und geschäftmässiger Verlauf nicht eine

1 Prof. Varren trapp theilt mir brieflich mit, dass es ihm noch nicht gelungen sei, dieses wichtige Aktenstück, welches Rommel augenscheinlich dem Kasseler Archiv verdanke, wieder aufzufinden.

2 Maurenbrecher Karl V. und die deutschen Protestanten S. 45*.

besondere Verschärfung in der kaiserlichen Stimmung gegen die Schmalkaldner veranlasst haben.

Der Bairische Landtag im Januar 1547, Nr. 78, S. 25—41, hat in der grossen Sammlung von Krenner keine Aufnahme gefunden. Er gewährt aber doch mancherlei Interesse, weil sich aus der Verhandlung ergibt, wie die fürstliche Politik, welche während des Schmalkaldischen Kriegs eine selbstständige und eigennützige Rolle gespielt hatte, durch die ständischen Rechte überall gehemmt wurde, aber eifrig bemüht war, diese Beschränkungen ihrer Selbstständigkeit zu beseitigen. Auffallend ist, dass in den ganzen Verhandlungen gar nicht die vorhandenen religiösen Wirren zu Tage treten, welche im folgenden Jahrzehnt die Bairischen Landtage so sehr bewegten.

Nr. 159, S. 42-160, ist dem Interim gewidmet und zerfällt in zwei Abtheilungen, von welchen die eine das Zustandekommen, die andere die Einführung des Interims behandelt; in die erstere sind aber auch einige Aktenstücke aufgenommen worden, welche das Schicksal der vom Kaiser gleichzeitig mit der religiösen Frage verfolgten Verfassungspläne zur Anschauung bringen sollen. Es geschah dies, weil mein Aktenmaterial vorzugsweise geeignet war, die Bairische Politik zu beleuchten, die Thätigkeit der Bairischen Staatsmänner in der Religionsfrage aber im engsten Zusammenhange steht mit ihrem Verhalten in den staatlichen Angelegenheiten. Die Bairische Regierung war hiebei von dem Streben geleitet, des Kaisers Pläne zu vereiteln, ihn in allerlei Schwierigkeiten zu verwickeln, um sich dann von ihm die nöthige Unterstützung theuer abkaufen zu lassen.

Deshalb wird in Nr. I und VIII der Kaiser darauf hingewiesen, dass der Schmalkaldische Krieg um der Religion willen geführt worden sei, eine Erinnerung, die ihn peinlich berühren musste, weil er in offiziellen Kundgebungen das Gegentheil versichert hatte. Und wenn dem Kaiser die Herstellung der alten Kirche mit all ihren Besitzungen und Herrlichkeiten und die Exekution der Beschlüsse, nicht etwa des von ihm gegenüber dem Papste vertheidigten Trienter, sondern irgend eines künftigen Concils zugemuthet wurde, so ist klar, was das bedeutet. Denselben

Sinn scheint es zu haben, wenn in Nr. XIII dem Papste, zu dessen Consequenz man wohl kein Zutrauen hegte, die Berechtigung bestritten wird, bezüglich der beiden Hauptpunkte des Interims, Laienkelch und Priesterehe, zu dispensiren. Man kann in den Eckschen Concepten verfolgen, wie der Bairische Kanzler verschiedene Ansätze machte, ehe er die Behauptung wagte, dass die Communion unter Einer Gestalt von der Zeit der Apostel an üblich gewesen sei. Man hielt in der Theorie den schroffsten und unversöhnlichsten Standtpunkt fest, weil man wusste, dass dieser in der Praxis undurchführbar sei und durch dessen Behaup tung der kaiserliche Wunsch nach einer Verständigung mit den Protestanten am sichersten vereitelt werde. [Nr. VIII Anfang]. Der Grundgedanke der damaligen Bairischen Politik war derselbe, welchen schon im Jahre 1536 der päpstliche Nuntius als ihren Kern erkannte: Als die Baiern vorschlugen, der Kaiser solle vor Berufung eines Concils verpflichtet werden, die Beschlüsse eines solchen auszuführen, möchten Deutsche daran Theil genommen haben, oder nicht, da urtheilte der Nuntius, derlei anscheinend von Hingebung gegen die Curie erfüllte Vorschläge gingen aus falscher Gesinnung hervor. Auch auf Baierns Politik im Jahre 1547/48 wird man sein Urtheil anwenden dürfen, und mit ihm nur darüber zweifeln können, ob auch der Herzog, oder bloss sein allmächtiger Kanzler sich dessen bewusst war. 1 Wenn Kaiser Karl V. in Nr. XIV seine Vorwürfe nur gegen letzteren richtet, so darf daraus nicht gefolgert werden, das nach seiner Ansicht der Herzog selbst unbetheiligt war.

Die Wirksamkeit der Eckschen Politik tritt auch in dem offiziellen Schriftenwechsel des Reichstags, ja gerade in Aktenstücken hervor, von denen man bisher annahm, dass sie im Gegensatze zu Eck entstanden seien. Um dies klar zu stellen, sind nach den Eckschen Concepten auch manche Stücke der Reichstagsakten abgedruckt worden, welche schon in Sastrow's Leben von Mohnike mitgetheilt waren. Nur sehr wenige Quellen besitzen wir, die über das allmähliche Zustandekommen des Interims, insbesondere über die

1 Lämmer Monumenta Vaticana S. 176 vgl. auch den im Jahre 1542 erstatteten Bericht Morone's über seine Münchner Verhandlungen S. 399.

Stellung, welche die protestantischen Stände dabei einnahmen, Aufschlüsse gewähren. Auch ich vermag nur Bruchstücke darüber zu bieten. [Vgl. S. 334]. Aus Nr. XI. erfahren wir bloss etwas über den Anfang der Verhandlungen im Febr. 1548, und danach scheint man damals eher einen Waffenstillstand der beiderseitigen Confessionen mit einander, also die später im Religionsfrieden getroffene Lösung, angestrebt zu haben; diese Gedanken bilden die Grundlage der in Nr. X. mitgetheilten Gutachten des Dr. Fachs.

Nr. XII gehört der Zeit nach zu den vorbereitenden Verhandlungen, der Sache nach zu den die Bemühungen um Einführung des Interims behandelnden Aktenstücken, welche die zweite Unterabtheilung von Nr. 159 bilden. Schon bei dieser Verhandlung mit dem eben vom Kaiser mit dem Kurhute beliehenen Moritz von Sachsen wurden die Schwierigkeiten klar, welche das Interim finden sollte.

Einer der bedeutenderen Räthe des Kaisers, Gerhard Veltwyk schrieb am 22. Mai 1548 über das Interim: „Man sucht einen Weg zu finden, um es ins Werk zu richten, und hofft, dass dies leicht sein werde. Die Schwierigkeit, welche sich dabei herausstellt, liegt darin, dass es keine Geistlichen, Prediger oder Lehrer gibt, die das Volk in der katholischen Lehre unterrichten könnten, die Laster sind nicht gebessert und der Papst thut nichts, um mit guter Reform und Lehre die Absichten des Kaisers in's Werk zu richten.1" Wenn Veltwyk damals noch glaubte, die Hindernisse würden weggeräumt werden können, so bedurfte es nur weniger Wochen, um seine Ansicht hierin zu berichtigen. Am 26. Juni schon schrieb er: „Die öffentliche Meinung auf dem Reichstage, welche wohl einen Schluss auf die Gesinnung der Leute zulässt, geht dahin, dass kein Mensch gern das Interim annimmt, dass man aber in solcher Zeitlage mancherlei verspricht, was man später nicht zu halten gedenkt; man glaubt, der Kaiser werde wegen des Concils genug mit dem Papste, wegen der Reform genug mit den Bischöfen zu thun haben, und gedenkt so dem Interim leicht auszukommen. Wenn man dessen Beobachtung auch mit Gewalt erzwingen wollte,

1 Hier, wie im Folgenden, benutze ich mehrfach Archivalien, welche ich erst in jüngster Zeit durchgearbeitet habe.

so würde doch kein Prediger zu finden sein, der es vortragen würde; Niemand wird bereit sein, die Mühe zu übernehmen, welche die Lutherischen Prediger ertragen haben; kurz gesagt: der Kaiser kämpft für die Religion gegen das Haupt, welches der Papst ist, und gegen zwei Glieder der Kirche in Deutschland."

Dieser Ausspruch Veltwyks bezeichnet scharf und klar die Hindernisse, welche der Durchführung des Interims im Wege standen. Er spricht von zwei Gliedern und meint damit wohl erstens die grosse Mehrzahl der Protestanten. Die Glaubenslehre, welche im Interim vorgetragen war, entsprach im Ganzen den katholischen Anschauungen, mochten auch einzelne Ansdrücke den Lutherischen Lehren gegenüber nicht grade besonders scharf gewählt sein. Wie sollte sie nun eingeführt werden, wenn das Oberhaupt der Kirche sich kühl oder gar feindselig dagegen verhielt? Schon wenn das kirchliche Herkommen im Sinne der hervorgetretenen Reformationsideen eine Abänderung erleiden sollte, hielt der Kaiser hiezu des Papstes Mitwirkung für erforderlich. Das andere Glied, von dem Veltwyk spricht, ist wohl die katholische Geistlichkeit. Selbst die Ausführung der Vorschriften über die Besserung der Sitten im Clerus und die Abschaffung der kirchlichen Missbräuche, konnte, obgleich über deren Nothwendigkeit unter Katholiken wie Protestanten Niemand zweifelhaft war, keine durchgreifende sein; denn man berief sich darauf, es sei dies eine Anmassung der Rechte, die Einen sagten des Concils, die Andern: des Papstes. Von Wenigen abgesehen, ergriff die katholische Geistlichkeit diese Handhabe gegen die drohende Reform mit Eifer und fast jeder Bischof benutzte sie, um, wie Veltwyk sagt, unter theoretischen Deklamationen über die Nützlichkeit einer Besserung der bei dem Nachbarn bemerkten Laster, das eigne Haus in dem bisherigen Zustande zu erhalten. „Mir scheint", so schrieb der kaiserliche Rath Lyère, „den geistlichen Ständen bereitet die ihnen zugemuthete Reform eben so viel Verdruss, als das Interim den Protestanten." Es machte auf sie natürlich keinen Eindruck, wenn die Einmischung des Kaisers in die geistlichen Dinge von den kaiserlichen Räthen mit der vorhandenen Nothlage entschuldigt wurde.

« ZurückWeiter »