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achten. Man sieht, Lord Bentink forderte nur Rechtes und Billiges, seine Manier und sein Ton waren aber hart und beleidigend, und eine persönliche Zusammenkunft der Königin mit dem stolzen und troßigen Lord führte zu einem förmlichen Bruche. Es entstand ein heftiger Wortwechsel; Lord William drohte mit einer Revolution und die Königin verbat sich in beleidigenden Ausdrücken seine Einmischung in die innern Angelegenheiten. Ohne ausdrücklich vom Ministerium bevollmächtigt zu sein, die Königin allenfalls ganz zu entfernen oder doch wenigstens ge= waltsam mit ihr zu verfahren, konnte jezt Lord Bentink Nichts weiter unternehmen, weil er nur zu Nathschlägen, nicht zum thätlichen Eingreifen bevollmächtigt war; er überließ daher das Commando der Truppen einstweilen dem General Maitland und kehrte nach London zurück, um sich neue Vollmachten zu erbitten.

Als der Lord nach drei Monaten aus London nach Sicilien zurückkehrte, war er als bevollmächtigter Minister und Oberbefehlshaber der Truppen mit der Vollmacht versehen, Forderungen, die er mit Güte nicht erlangen könne, mit Ge= walt durchzusehen, und er säumte nicht, das Leßtere zu thun. Sobald er im Oktober 1811 wieder in Palermo zurück war, zog er einen großen Theil der englischen Truppen in der Nähe dieser Stadt zusammen und führte, wenn wir Botta glauben, gegen die Königin eine Sprache, wie sie seit achtzig Jahren täglich irgend ein brutaler Engländer gegen einen indischen Rajah führt, oder wie sie Lord Palmerston gegen den Minister des Königs von Griechenland oder gegen den der Königin von Spanien neulich geführt hat 88). Bei den folgenden Geschich

88) Botta Storia d'Italia cet. Vol. VI. Libro 26. p. 227. Tento Bentink di nuovo la regina colle persuasioni, di nuovo la regina nella riso-` luzione, di voler fare da se, e non a posta altrui, si fossero o Inglesi o parlamenti, persisteva. Minaccioso allera venne sul dire, arresterebbe il re arresterebbe la regina, gli manderebbe in Inghilterra. lascerebbe in Palermo a governare il regno, il figliuolo del principe hereditario don Francesco, fanciullo di due anni, con assistenza d'una regenza, alla quale chiamerebbe come capi il duca d'Orléans e il principe Belmonte. Man sieht, auch hier steht wieder Louis Philipp, als ein Iterum Crispinus hinter der Coulisse.

ten ist man oft in Zweifel, ob man sich mehr über den Sturz einer schändlichen und empörend grausamen und unmoralischen Despotie freuen oder über Troß und Insolenz eines ganz verhärteten Aristokraten der schlimmsten Art ärgern soll. Die Königin erklärte nämlich zuerst, sie habe allerdings die Engländer um Schuß gebeten, doch sei sie nicht Willens, den Preis dafür zu bezahlen, den sie jezt verlangten, sie wolle also ver= suchen, ihre Insel selbst zu schüßen, die Engländer könnten nun abziehen. Darüber lachte der Engländer. Als die Königin sich hernach an der Spize ihres Heers den Engländern mit Gewalt widersehen wollte, bewiesen ihr ihre eignen Minister, daß es den Sicilianischen Soldaten an Kleidung, an Waffen, an Nahrung, kurz, an allem Nöthigen fehle, und daß sie außerdem gar nicht geneigt wären, für die Sache der Königin zu fechten. Nicht einmal die Geistlichen und das fanatische Volk konnte Carolina bewegen, ihr gegen die englischen Kezer beizustehen. Sie hatte vergebens an alle Klöster geschrieben, es blieb ihr Nichts übrig, als die Regierung aufzugeben, die Hauptstadt zu verlassen und sich auf ein in der Nähe von Termini gelegenes Landhaus zurückzuziehen.

Die folgenden Geschichten werden freilich durch den Cha= rakter der Königin glaublich, wir wagen jedoch die einzelnen Umstände und den Zusammenhang nicht zu entwickeln, weil Lord Williams Creaturen Manches für ausgemacht ausgaben, was sehr zweifelhaft ist. Es erschien nämlich am 3. December 1811 aus dem englischen Hauptquartier bei Messina eine Proclamation, worin von einer furchtbaren Conspiration angesehener Sicilianer der Hofpartei mit den Franzosen gegen die Engländer die Rede ist. Gleichzeitig werden allerlei Geschichten von Mordanschlägen gegen Lord Bentink in Umlauf gebracht und eine sehr bedeutende Anzahl von Personen in Verhaft ge= nommen, welche als Freunde und Vertraute der Königin bekannt waren. Gleich hernach legte der König am 16. Januar 1812 die Regierung auf unbestimmte Zeit nieder. Vermöge einer am erwähnten Tage öffentlich bekannt gemachten Urkunde ernannte König Ferdinand seinen Sohn Franz Januarius Joseph zu seinem Generalstellvertreter mit voller königlicher Macht

vollkommenheit bis zur Wiederherstellung seiner Gesundheit. Obgleich dieser Prinz schon fünf und dreißig Jahre alt war, so gebrauchte ihn doch sowohl sein Vater und seine Mutter als Lord Bentink nur gleich einem Strohmann, hinter dem sie sich verstecken könnten. Bentink regierte schon vorher in König Georgs Namen als Bevollmächtigter und als Obergeneral der Truppen der Engländer, er ließ sich jezt vom Stellvertreter des Königs Ferdinand, dem Prinzen Franz Januarius, zum Generalcapitän von Sicilien, oder eigentlich zum unabhängigen Regenten der Insel ernennen, und änderte als solcher sogleich alle bisherige Anordnungen. Alle politischen Gefangenen wurden freigelassen, und die Häupter der Sicilianischen Barone, welche vorher verbannt gewesen waren, weil sie die Rechte des Herrenstandes (nicht die des Volks) gegen die Königin Carolina mit Nachdruck vertheidigt hatten, besonders der Prinz Belmonte, Ventimiglia, Villa Franca und Cesena erhielten einen überwiegenden Einfluß. Um gleich Bonaparte über die bestehende Militärregierung den Schatten oder das Licht einer Constitution zu breiten, berief Lord Bentink als Generalcapttän das aus drei Kammern bestehende Parlament nach Palermo, um über eine neue Constitution zu berathschlagen. Das Parlament bestehend aus den drei getrennt berathenden Ständen des Mittelalters versammelte sich im Juli 1812, und gab eine Verfassung nach Bonapartes Art, das heißt, Lord William Bentink ließ den Sicilianern Einrichtungen vorschlagen, die ihm als Engländer vortrefflich schienen, die aber weder auf italienisches Herkommen, noch auf italienische Sitten, noch auf demoralisirte, lange Zeit in schnöder Knechtschaft gehaltene Menschen berechnet waren. Die Verfassung verkündet eilf Grundsäge, als Grundfesten jedes civilisirten Staats, welche durchaus vortrefflich sind 89); aber die einzelnen Verfügungen gleichen dar

89) Die etlf Grundartikel der ephemeren Constitution, um welche die Stcilianer hernach schändlich betrogen wurden und deren Vernichtung bis auf unsere Tage und gerade in unsern Tagen schreckliche Grausamkeiten und Verfolgungen auf der einen Seite und furchtbaren Aufstand und Gewaltthaten auf der anderen hervorruft, waren folgende: 1) Dem Könige ist die vollziehende Gewalt übers tragen. 2) Die richterliche Gewalt gebührt den zu Richtern bestellten Personen

um nicht weniger, wie alle ohne Rücksicht auf die Gewohnheiten der Völker decretirten und discutirten Verfassungen, aufgedrungenen Geseßen. Man vermißt überall das Ueberlieferte, das Nationale, das Eigene und Besondere.

Lord Bentink scheute sich nicht einmal ganz öffentlich zu sagen, daß Einrichtungen, die für englische Nationalität, Natur, Gewohnheiten, Religion und Sitten passen mögen, nothwendig auch allgemeine Gültigkeit haben müßten, und ließ deßhalb ver= fügen: Daß das Parlament so lange versammelt bleiben solle, bis die Verfassung vollständig eingerichtet sei, er fügte hinzu, daß man die Constitution, so viel nur immer möglich, englisch einrichten solle 90). Ganz im Sinne seiner hochkirchlichen Weisheit und anglicanischen Exclusivität gab Lord Bentink zu, daß auf heftiges Verlangen der höhern Geistlichkeit der Konstitution ein Artikel beigefügt ward, der jeden, welcher sich nicht zur herrschenden Kirche bekannte, von den Vortheilen der Verfassung ausschloß 91). Zur Ehre des englischen Lords muß man jedoch eingestehen, daß er den Versuch der Barone, einen ähn= lichen Artikel zu Gunsten der Feudalgerechtsame in die Constitution einzuschieben, vereitelte. Als die Constitution fertig war, regierte Lord Bentink unter dem Titel eines ersten Kanz

unter Aufsicht des Parlaments; doch sollen die Richter ganz unabhängig sein; die Person des Königs ist unverleglich. 4) Die Minister sind dem Parlamente verantwortlich. 5) Zwet Häuser, eins der Gemeinen und eins der Pairs bilden künftig das Parlament, die Geistlichkeit hat Siz unter den Patrs. 6) Die Barone sollen jeder nur eine Stimme haben. 7) Das Recht, das Parlament zusammenzuberufen, steht dem Könige zu; doch muß diese Zusammenberufung alle Jahre geschehen. 8) Keln Sicilianer kann anders, als nach den vom Parlament anerkannten Geseßen vor Gericht gezogen oder verurtheilt werden. 9) Das Feudalrecht und die Investitur find abgeschafft. 10) Die Vorrechte der Barone über ihre Vasallen find abgeschafft. 11) Jeder Gesezesvorschlag, der sich auf Abgaben bezieht, muß vom Unterhause kommen.

90) Il parlamento vedesse quante e quale parte della constituzione della Gran Bretagna convenissero alla Sicilia ed esse ad utilità commune si accettassero.

91) Che la religione catholica Romana fosse sola religione del regno che il re la professasse; quando no s'intendesse deposto.

lers über Sicilien und der Prinz und Generalvicar des Königs sank zum bloßen Figuranten herab.

Schon im Januar 1812, also noch che die Konstitution ganz fertig war, bildete sich Lord Bentink ein, die Sicilianer so beglückt zu haben, daß er die Insel fortan gegen die Franzosen mit Hülfe der englischen Flotte und eines aus Sicilianern. bestehenden Heers vertheidigen könnte. Er wollte die englischen Truppen auswärts gebrauchen und bot dem englischen Ministerium an, zehntausend Mann nach Spanien zu schicken, um Lord Wellington und die Anführer der spanischen Guerillas von der Küste des mittelländischen Meeres her zu unterstüßen. Das Ministerium nahm den Vorschlag an und Lord William schickte seinen Bruder an Wellington, um das Nöthige zu verabreden; als aber die Sache der Ausführung nahe war, hatte Lord Williams Einbildungskraft schon andere Luftschlösser ge= schaffen. Erst wollte er die vorher nach Spanien bestimm= ten Truppen zu einer Unternehmung in Dalmatien gebrauchen, bei welcher ihn der russische Admiral unterstügen sollte; hernach wollte er sie im obern Italien an's Land sehen, bis endlich das englische Ministerium befahl, daß er alle andere Unternehmungen aufgeben und mit den in Sicilien entbehrlichen Truppen nach Spanien gehen solle.

5.

Spanien im Jahre 1812 und 1813.

Als endlich festgesezt ward, daß die aus allerlei Volk von Lord William Bentink geworbenen, erst nach Dalmatien, dann nach Oberitalien bestimmten Truppen, welche vorerst auf den kleinern Inseln des mittelländischen Meeres vertheilt waren, nach Catalonien übergeschifft werden sollten, zeigte sich, daß sie viel zu schwach seien, um etwas Vedeutendes unternehmen zu können. Es waren nur etwa sechstausend Mann, von denen nicht die Hälfte Engländer oder Deutsche und Schweizer waren, worauf man trauen konnte. An ihrer Spiße erschien nicht Lord Bentink, wie er versprochen hatte, sondern der General

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