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Vom Thore des Gefängnisses la Force aus schickte Malet einen der ihn begleitenden Soldaten in die Caserne la Babylone mit Ordres für die Unteroffiziere des dort liegenden zweiten Infanterieregiments der Pariser Garde. Unter diesen scheinbar offiziell ausgefertigten Befehlen waren besonders die, daß dieses Regiment Detaschements aussenden, den Palast des Se= nats, den Schaß, die Bank, die äußeren Thore (les barrières) besehen und schließen lassen solle. Diese Befehle nahm Rabbe, der Oberst des Regiments, ohne Prüfung für ächt und schickte ohne Weiteres Abtheilungen des Regiments aus, um sie auszuführen. Es zeigte sich dabei, daß Jedermann so gewohnt war, blindlings und mechanisch zu gehorchen und Alles den Militär- und Polizeibehörden zu überlassen und ruhig zu erwarten, wie die Sache werden würde, daß Niemand für sich zu handeln wagte.

Als die drei Generale das Gefängniß la Force verließen, begab sich Lahorie von der ganzen Cohorte begleitet zum Polizeiminister, um diesen und den Polizeipräfecten in seiner Amtswohnung zu verhaften, und sich und Guidal an ihrer Stelle einzusehen. Die ganze Stadt war voller Bestürzung, als man bei Tagesanbruch erfuhr, was vorging; es regte sich aber keiner der Bürger. Savary, Herzog von Rovigo, ward von Lahorie, der, wie Guidal von seiner Stelle Besiz nahm, in Verhaft genommen, nachheriger Erzkanzler, Pasquier, ward, ebenfalls wieder in das öffentliche Gefängniß abgeführt und der Oberkerkermeister trug kein Bedenken Beide anzunehmen. Der Polizeipräfect Pasquier schrieb zwar ein Billet an Savary, dieser erhielt es aber nicht. Der Präfect des Seinedepartements, Frochot, benahm sich am schwächsten, denn er gehorchte dem Befehl Souliers, der seine Leute auf dem Plaze la Grève aufgestellt hatte und mit Offizieren auf's Stadthaus gegangen war, um ein Local für die Sizungen der vorgeblichen provi= forischen Regierung einzurichten. Frochot ließ sich zu diesem Geschäfte gebrauchen.

Was die provisorische Regierung angeht, so wurden fretlich die Namen der Mitglieder nicht öffentlich bekannt, doch erregte die Auswahl Verdacht und Bedenklichkeit, weil diese

Namen auf einen weitern Plan zu deuten schienen, der freilich nicht an's Licht kam. Genannt wurden Mathieu von Montmorency, Aleris von Noailles, der General Moreau, der Präfect Frochot, der Name des Fünften ward geheim gehalten. Malet selbst war auf den Play Vandome gegangen, um dort den Stadtcommandanten Hüllin auf der Commandantur selbst zu verhaften. Dies mißlang nicht allein, sondern es ward dort in einem einzigen Augenblicke das ganze drei Monate lang mühsam vorbereitete Unternehmen durch einen Zufall vereitelt. Malet, der General des Senats und der provisorischen Regierung, kündigte dem Commandanten Arrest an, dieser verlangte aber den Haftbefehl zu sehen, der General zog darauf ein Pistol und schoß ihn nieder. Schon war dann Malet im Begriff über die Büreaur, die Stabsoffiziere, die Siegel zu schalten, und hatte sich deshalb zum General Doucot, dem Chef des Generalstabs, verfügt, als er plöglich erkannt ward. Er hatte sich nämlich in seiner Bestallung und beim Auftreten einen andern Namen gegeben als den feinigen; der zufällig in der Commandantur anwesende Generalinspector der Polizei, Pâques, und der Chef de Bataillon, Laborde, der die Militärpolizei besorgte, erkannten aber in ihm ihren alten Arrestanten Malet. Laborde und Doucot packten und entwaffneten ihn daher und schickten ihn in's Gefängniß zurück. Die ganze Sache endigte auf die Weise schon um 9 Uhr Morgens gleich einem Possenspiel, denn die Generale Guidal und Lahorie waren, als fie verhaftet wurden, sehr erstaunt, daß ein im Grunde geisteskranker Mann sie zu ihrem Verderben so arg habe irre leiten können.

Uebrigens wäre auch ohne das zufällige Ereigniß auf der Commandantur die Sache vereitelt worden, weil Lahorie dem Herzoge von Rovigo eine ganze Stunde Zeit gelaffen hatte ehe er ihn abführen ließ. Diese Zeit hatte dieser benut, um den ehemaligen Jägeroffizier, der bei ihm die Geschäfte des Secre= tärs besorgte, an den Staatsrath Néal zu schicken, der dann nebst den andern Chefs der Ministerien sich zum Erzkanzler verfügte, wo Conferenz gehalten ward; auch war der Kriegs

minister schon in Bewegung und hatte die Gensd'armen (gensd'armes d'élite) auffißen lassen.

Die Actenstücke, welche am 25. December 1812 im Moniteur gedruckt wurden, leiten künstlich auf ein anderes Resultat als dasjenige ist, welches Desmarets in dem angeführten Buche und auch Savary in seinen Denkwürdigkeiten gegeben haben. Nach jenen Actenstücken war Soulier schuldig und die Jacobiner hatten die Sache angestiftet, wie denn auch Napoleon in der heftigen Rede, die er nach seiner Rückkehr im Staatsrath herauspolterte, geradezu sagt, die Ideologie und die Leute, welche die Volkssouveränität proclamirt und dem Volke einge= bildet hätten, es dürfe sich der Negierung widersehen und Antheil an der Regierung fordern, seien an allem Unglück Frankreichs und auch an diesem lezten Schuld. Auf die Jacobiner kam man übrigens erst später; anfangs ward Napoleon durch den Namen Lahorie auf Moreau geleitet. Er urtheilte hernach im Staatsrathe über seine Beamten, wie wir alle feit März 1848 in Deutschland über unsere in der alten juristischen und. diplomatischen Weisheit, in der Routine der Kanzleien und in den Alfanzereien der Höfe gebildeten Staatsleute geurtheilt haben: „Er habe die Leute, die er habe anstellen und für Freunde halten müssen, durchaus erbärmlich gefunden und sehe jezt ein, daß er dadurch seine Herrschaft auf sehr morsche Stüßen gegründet habe 72)."

72) Die sämmtlichen Actenstücke, welche im Moniteur vom 25. Dec. 1812 col. 1423 sqq. abgedruckt sind, findet man auch hinter dem ersten Capitel des ersten Theils von Fain Manuscrit de 1813; dort sieht man unter No. VII. pag. 168-193 Alles betsammen, was sich auf Frochots elendes Benehmen bezieht. Die Worte Napoleons im Staatsrathe, auf welche im Tert angesptelt wird, sind: Triste reste de nos revolutions! au premier mot de ma mort sur l'ordre d'un inconnu des officiers mènent leur régiment, forcer les prisons, se saisir des premières autorités! Un concierge enferme les ministres sous ses guichets! Un préfet de la capitale, à la voix de quelques soldats, se prête à faire arranger sa grande salle d'apparat pour je ne sais quelle assemblée de factieux! Tandis que l'impératice est là, le roi de Rome, les princes, mes ministres et tous les grands pouvoirs de l'état! Un homme est il donc tout ici? Les institutions, les sermens rien?

Frochot est un

Die Schuldigen waren übrigens längst verurtheilt und hingerichtet, ehe Napoleon nach Paris kam 73); doch war er, wie Thibaudeau sagt, mit der Strenge des Urtheils der Militärcommission, welche über die Schuldigen richtete, deren Präsident der General Dejean war, durchaus nicht zufrieden. Thi= baudeau urtheilt über das Betragen der Behörden, wie wir über das der mehrsten deutschen Behörden während der Unruhen vom Februar bis Mai 1848. Er sagt: „Das elende Benehmen der höchsten Behörden, die maschinenartige Folgsamkeit des Militärs, die Gleichgültigkeit der Staatsbürger, die Ergebung in jedes Schicksal, welche Alle bewiesen, hätte den Kaifer zur Einsicht bringen sollen, wohin sein System führe. Das war aber nicht der Fall." Den lezten Saz haben wir aus Thibaudeau beigefügt, weil Napoleon zu gleicher Zeit die Warnung verschmähte, die ihm die Gottheit durch den Ausgang seines Zugs nach Rußland in Beziehung auf Frankreich, und die, welche sie ihm durch Malets Conspiration in Beziehung auf seine Person gab.

2.

Zweifelhaftes Benehmen Desterreichs und Abfall Preußens.

Oesterreich war nicht, wie Preußen, im eigentlichsten Sinne zum Bunde mit Frankreich so gezwungen worden, daß ihm nur

honnête homme, devoué. Mais son devoir était de se faire tuer sur les marches de l'hôtel de ville. Il faut un grand exemple à tous les

fonctionnaires.

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73) Témoignages historiques etc. pag. 317. La destitution du préfet Frochot solennellement prononcée fut la dernière rigueur qui suivit cette malheureuse équipée. Des le 28 Octobre les trois généraux, le colonel et le major de la cohorte avaient subi l'exécution militaire avec quatre officiers de leur corps et deux du régiment de Paris. Boccheciampe, qui s'était laissé nommer préfet de la Seine périt avec eux; le jeune Boutreux, installé préfet de police fut arrêté après et jugé seul. Le colonel Rabbe obtint un sursis, que l'empereur convertit en grace, en considération de ses anciens services. Le faux aide de camp, corporal Rateau, eût la même chance, par égard, je crois, pour son oncle, procureur général à Bordeaux. Ainsi sur vingt cinq accusés dix furent absous et quinze condamnés, dont deux graciés.

die Wahl blieb, entweder ganz vernichtet zu werden, oder sich für die Franzosen aufzuopfern; es konnte also auch seinen Abfall vom Bunde nicht wie Preußen damit entschuldigen, daß ein erzwungener Eid Niemanden binden kann. Dies und die wiederholte Verlegung der Bedingungen des Bundes von Seiten der Franzosen sind für Jeden, der die Sache unpartheiisch betrachtet, nur nicht für Franzosen, hinreichende Entschuldigung des offnen, von keiner Treulosigkeit begleiteten Abfalls der Preußen; Metternich glaubte, um sich entschuldigen zu können, seine jesuitisch diplomatischen Künste anwenden zu müssen. Bis zum Februar 1813 ward die Maske eines treuen Bundesgenoffen beibehalten, obgleich seit October 1812 Walpole in Wien die Unterhandlungen eingeleitet hatte, deren Frucht der durch den russischen Bevollmächtigten, den Elsasser emigrirten Baron von Anstetten, mit dem Fürsten von Schwarzenberg abgeschlos= fene Waffenstillstand war. Ueber die schlauen Winkelzüge, wodurch Metternich seit Mitte Decembers 1812 den französischen Kaiser unter dem Scheine treubewahrter Bundesgenossenschaft hinzuhalten wußte, bis er sicher und ohne sich eines offenen Treubruchs schuldig zu machen, den Ton ändern könne, giebt die Correspondenz der beiden französischen Gesandten in Wien, Otto und Narbonne, die beste Auskunft. Otto's Correspon= denz, womit wir es zunächst zu thun haben, reicht vom 16. December 1812 bis zum 20. März des folgenden Jahrs, und der Baron Fain hat sie als achte Beilage dem zehnten Capitel des ersten Theils seiner sogenannten Handschrift von 1813 an= gehängt. Dies sind dieselben Briefe, welche im October 1812 auch im Moniteur (col. 1101) abgedruckt sind.

Schwarzenberg soll ausdrückliche Justruktionen gehabt haben, den Krieg mit den Russen zu Gunsten der Franzosen auf ähn= liche Weise zu führen, wie ihn die Russen um 1809 gegen Oesterreich geführt hatten; dies zu untersuchen, ist nicht unsere Sache, sein Betragen war aber unstreitig schon im December 1812 so zweideutig, als Metternichs Reden an den Minister Otto. Schwarzenberg stand an der Spize der vereinigten Corps der Sachsen unter Reynier, der Polen unter Poniatowsky und der Oesterreicher, die er nach Polen geführt hatte Schlosser, Gesch). d. 18. u. 19. Jahrh. VIII. Bt. 4. Aufl,

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