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Kaiser gegen des Papstes Verhalten feierlich protestiren, und auf die Entgegnung des Papstes hin wurde dem Gesandten ein zweiter, noch schärferer Protest nach Rom übermittelt. Dass er dann unveröffentlicht blieb, hing mit den Versuchen des Papstes, mit dem Kaiser wieder freundschaftlichere Beziehungen anzuknüpfen, zusammen. Diese blieben zwar resultatlos, weil der Kaiser die Hausinteressen des Papstes nicht fördern wollte, aber sie wurden immer aufs Neue wiederholt, weil der Papst sich unsicher fühlte, so lange nicht Frankreich sich zur Unterstützung seiner Politik bereit erklärte. Wenn es dann schliesslich nach langen Bemühungen der kaiserlichen Diplomatie gelang, dem Papste einige Concessionen zu Gunsten des Interims abzuringen, so wurden dieselben durch die beigefügten Bedingungen fast völlig illusorisch gemacht. Obgleich Rom vor dem Interim nicht die Besorgnisse zu hegen brauchte, welche man vor dem Trienter Concil in der Erinnerung an das Constanzer und Basler hatte, lieh es zu des Kaisers Reformplänen ebensowenig seine Mitwirkung als zu denen des Concils. Da aber das Interim die Mitwirkung des Papstes zur nothwendigen Voraussetzung hatte, so genügte dessen Theilnahmlosigkeit, ihm den Lebensnerv abzuschneiden.

Die S. 109 fg. abgedruckten Aktenstücke beweisen hinlänglich, dass das Interim nur äusserst geringe Erfolge erzielte. Wohl gab man allgemeine Versicherungen über die Bereitwilligkeit, das Interim anzunehmen, uud offene Weigerung war selten. Jene Versicherungen aber waren nicht nur oft zweideutig gefasst, sondern häufig auch nicht ernst gemeint. So kam es, dass das zwischen den Protestanten und der katholischen Hierarchie gelöste Band nur an wenigen Orten wieder angeknüpft wurde, indem mit Genehmigung einzelner Bischöfe früher geweihte katholische Geistliche, die protestantisch geworden waren, den Gottesdienst nach Interimsart abhielten. In anderen Gegenden fügte man sich den äusseren Vorschriften, die Predigt blieb protestantisch. Der Versuch, das Interim in einer den protestantischen Anschauungen wohlwollenden Deutung zur Grundlage des kirchlichen Lebens zu machen, welchen man in Sachsen und Brandenburg unternahm, hatte auch wenig Erfolg und trug nur zur

inneren Zersetzung des Protestantismus bei, dessen hervorragendste Vertreter wegen ihrer hiebei bewiesenen Nachgiebigkeit die heftigsten Anfeindungen zu erleiden hatten.

Aus den dem kaiserlichen Archiv entnommenen Correspondenzen geht hervor, dass der Kaiser zwar überall bemüht war, die geistlichen und weltlichen Stände zur Einführung des Interims an Stelle des Protestantismus aufzumuntern, und dass er hiebei auch Drohungen nicht sparte, selbst aber durchaus jede thätliche Mitwirkung an diesem Werke unterliess. Wenn Seld im Jahre 1555 schreibt: „Aus guten Gründen beabsichtigte der Kaiser es nicht, mit Gewalt die Unterwerfung der Leute unter sein Dekret zu erwirken", so entspricht dies Urtheil durchaus dem, was uns die gleichzeitigen Akten zeigen. Das Interim hatte für Karl so weit Bedeutung, als es die Protestanten zur Nachgiebigkeit in katholischem Sinne nöthigte; der Kaiser verlangte, dass sie sich demselben, anscheinend freiwillig, unterwarfen und wies auf diesen Erfolg hin, um dem Papste gegenüber die Aussichten eines ökumenischen Concils zu betonen. Wäre nun

ein solches, ja wäre nur der Papst auf die Ideen des Interims eingegangen, wer will sagen, ob ihm dann grössere Bedeutung beschieden gewesen wäre? Nur so viel steht fest, unter den Verhältnissen, wie sie einmal bestanden, siechte es dahin; seine rein äusserliche Annahme war, wie Seld sagt, Kinderspiel.

Erst unter ganz veränderten Verhältnissen, als das Concil wieder in Trient versammelt war, begegnen wir einer Massregel, welche als eine gewaltsame Exekution des Interims erscheint, nämlich der Ausweisung der Augsburger Prediger, Nr. 726, S. 205-227. Das Material, welches hierüber mitgetheilt werden kann, ist indessen noch lückenhaft und besonders mit Rücksicht auf den Nachtrag S. 335 wird man ein zuversichtliches Urtheil zu meiden haben. Es ist nur so viel klar, dass der Gedanke dazu wahrscheinlich nicht in dem kaiserlichen Cabinette entsprungen ist, und dass wenigstens dessen leitender Minister sich der Unmöglichkeit, dies Vorgehen zu verallgemeinern, völlig bewusst war, und auch in Bezug auf Augsburg zur Milderung rieth. Vielleicht könnte man annehmen, dass man am kaiserlichen Hofe gar keinen bestimm

ten Gedanken bei jenem Vorgehen hegte, wenn man sieht, dass der Bischof von Arras wenige Tage nachher. den ganzen Vorfall als durchaus unbedeutend hinstellte und, während derselbe die religiösen Leidenschaften in Deutschland heftig erregte, versicherte, man habe die Sache bereits vergessen, und kein Mensch kümmere sich mehr darum.

Keinen grösseren Erfolg als das Interim hatte der Plan Kaiser Karls, seinem Sohne Philipp die Nachfolge im Kaiserthum zuzuwenden, über dessen Entwicklung in Nr. 599, S. 161-204, Aktenstücke und Correspondenzen mitgetheilt werden.

Ein besonderes Heft des Wiener Archivs bewahrt das Material, welches sich auf diese Angelegenheit bezieht. Während der Anwesenheit der geschäftserfahrenen Königin Marie, welchre um dieser Frage willen eigens nach Augsburg berufen war, wurden in den ersten Monaten des Jahres 1551 die betreffenden Verhandlungen gepflogen.

Dieser Successionsplan, die Frage der Coadjutorie, wie man ihn nannte, war schon früher aufgetaucht und ist besonders im September 1550 eifrig besprochen worden. Obschon aber grade mit Rücksicht auf diese Besprechungen Granvella klagte, dass das erforderliche Geheimniss nicht gewahrt worden sei und der päpstliche Nuntius ihm eines schönen Tages ziemlich genau den Stand der Sache geschildert habe, hat dennoch ein seltsamer Zufall uns hierüber keine genauen Nachrichten aufbewahrt. Eingehend kennen wir dagegen die späteren, nämlich die Verhandlungen, um derentwillen die damaligen Gesandten das heitere oder ernste Dreinschauen der Betheiligten mit forschendem Blicke prüften, weil sie gar keine Kenntniss davon zu erlangen vermochten; eigenhändige Aufzeichnungen der Königin Marie und Ferdinands, sogar die Billets, welche man sich damals zu Augsburg über die Gasse zuschickte, sind uns erhalten.

Der Plan des Kaisers scheint anfänglich dahin gegangen zu sein, seinem Sohne Philipp neben dem Römischen Könige Ferdinand eine Stellung zu verschaffen, so dass derselbe nach seinem Tode, wenn Ferdinand zum Kaiser vorrückte, Römischer König werden oder schon jetzt als Coadjutor, oder wie man es immer zu nennen gedachte, an Ferdinands Seite treten sollte. An dem Widerspruch des Königs Ferdi

nand scheiterte dies alsbald, und jetzt verfolgte man die Fortsetzung des zwischen Karl und Ferdinand bestehenden Verhältnisses in der folgenden Generation als Ziel, so dass, sobald Ferdinand zum Kaiserthrone emporstieg, dem Prinzen Philipp die Würde eines Römischen Königs zu Theil werden und Maximilian ihn hierin ablösen sollte, wenn nach Ferdinands Tode Philipp Kaiser wurde. Nach langen und heftigen Streitigkeiten wurde hierüber in der Habsburgischen Familie eine Einigung erzielt; aber damit war erst die Hälfte gethan, es handelte sich darum, auch die Zustimmung der Kurfürsten zu erreichen, welche man nicht umgehen konnte. Mit dem grössten Eifer verfolgte Karl V. diese Bestrebungen, aber er musste zu seinem Aerger sehen, dass nicht nur die seinem Bruder Ferdinand übertragene und von diesem, wie er meinte, widerwillig und nachlässig betriebene Verhandlung mit Kurbrandenburg und Kursachsen, sondern auch diejenige, welche von seiner Schwester und seinen Räthen Veltwyk und Lyère mit den Rheinischen Kurfürsten gepflogen wurde, erfolglos blieb. Der Kurfürst von der Pfalz gab mündlich die besten Versicherungen, aber schriftlich nur eine in allgemeinen Ausdrücken abgefasste Antwort; die Erzbischöfe wichen den gemachten Zumuthungen aus, obschon der Nuntius, wenn wir ihm glauben dürfen, im Interesse des kaiserlichen Wunsches bei Mainz und Köln thätig gewesen war. Allem zum Trotz liess der Kaiser nicht von dem einmal erfassten Gedanken ab; noch zu einer Zeit, als ausser ihm die ganze Welt nur an den drohenden Krieg dachte, gab er seiner Schwester den Rath, erneute Versuche in dieser Richtung zu Gunsten Philipps zu unternehmen.

Neben dem Successionsprojekt war es das Streben nach Förderung des Trienter Concils, was damals Karls Blick befangen hielt und ihn nicht erkennen liess, welche Gefahren ihm von Moritz von Sachsen drohten. Denn neben dem Brandenburgischen glaubte er grade von dem Sächsischen Kurfürsten die eifrigste Förderung des Concils erwarten zu können. Die in Nr. 728 abgedruckten Gutachten geben uns ein Bild von der in den massgebenden theologischen und politischen Kreisen Kursachsens herrschenden Strömung. Wie wenigstens in unsern Aktenstücken Melanchthon, so hatten

auch Kommerstadt und Fachs sich mit dem Concilsgedanken befreundet, und ich wüsste keinen Sächsischen oder Brandenburgischen Staatsmann anzugeben, der ihm widerstrebt hätte. So glaubte Karl V. sich dem so lange verfolgten Ziele einer Wiedervereinigung der Kirchen nahe, zumal da er vom päpstlichen Stuhle nach Pauls III. Tode nicht mehr gleich grosse Hindernisse wie früher besorgen mochte. Grosse Erwartungen zwar setzten die kaiserlichen Staatsmänner sicherlich nicht auf den Hirteneifer des neuen Papstes, mochte ihnen auch die Kunde werden, dass derselbe Thränen der Rührung vergossen habe, als ihn Cardinal Cervino daran erinnerte, dass gleich seinem Körper auch alle die glänzenden päpstlichen Gewänder und die von den Menschen geküssten Pantoffeln zur Speise der Würmer bestimmt seien. Das waren im besten Falle augenblickliche Gemüthswallungen. Aber weil man den damaligen Träger der Tiara früher als Concilslegaten genügend kennen gelernt hatte, um zu wissen, dass er ein eigennütziger, und zugleich kraft- und charakterloser Mann war, so durfte man hoffen, durch Zuwendung einiger hunderttausend Dukaten oder einer Italienischen Herrschaft an seine Nepoten werde er sich unter Hintansetzung der päpstlichen Allmachtsgedanken sogar zu einem Unternehmen, welches das ihm sonst in zweiter Linie stehende Wohl der Kirche bezweckte, bewegen lassen.

Für dieses Urtheil über Julius III. und seinen Hof könnte man hunderte von Beweisen beibringen; nirgends wohl spiegelt sich auf wenigen Seiten das ganze Römische Treiben besser ab, als in der Instruktion, mit welcher Julius III. den Pietro Camajano Ende 1551 an den kaiserlichen Hof absandte, Nr. 785. Die weitgehendste Anmassung, der Anspruch auf das Recht Könige abzusetzen, die grösste Geringschätzung der auf dem Concil versammelten Väter und überhaupt des Episkopats verbindet sich darin mit kriechender Bettelei zu Gunsten der weltlichen Herrschaft, oder vielmehr richtiger gesagt: zu Gunsten der berüchtigten päpstlichen Familie. Wie ein Rohr schwankte Julius III. zwischen dem Kaiser und dem Könige von Frankreich hin und her. Als Heinrich II. gegen ihn energisch auftrat und seinen Einfluss auf die Französische Kirche und seine Einkünfte

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