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Wilhelmine.

fern?

Gedenken Sie hier eine Schlacht zu lie

Erbprinz. In durchaus friedlichen Absichten bin ich eben. nicht hier, wenn ich auch, wie Prinzessin Wilhelmine bereits 5 wissen werden, mich mehr auf die Defensive beschränken muß. Wilhelmine. Und auch diese werden Sie nicht schonend genug ergreifen können. (Für sich.) Das Billet wird nicht mehr nöthig sein. (Laut.) Wie ließen Sie meinen Bruder ? Wohlauf? Viel beschäftigt?

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Erbprinz. Der Kronprinz führt in seinem Eril ein Leben voll heiterster Abwechselung. Er hat sich Rheinsberg in einen kleinen Musensiz umgeschaffen, der bald den ernsten Studien, bald der poetischen Erholung gewidmet ist. Wir haben schöne Stunden dort verlebt, unvergeßliche; man sollte nicht glauben, 15 daß man sich an der mecklenburgischen Grenze so viel Phantasie erhalten kann. Man malt dort, man baut, man meißelt, man dichtet. Das Regiment, welches unter dem unmittelbaren Befehl des geistreichen Prinzen steht, dient dazu, durch militärische Evolutionen die strategischen Angaben des Polybius 20 zu verwirklichen. Kurz, ich würde mich unglücklich fühlen, diesen reizenden Aufenthalt verlassen zu haben, wäre mir nicht ein so ehrenvoller Auftrag geworden. Ja, Prinzessin, der Kronprinz wünscht über die Lage, in der sich hier Schwester und Mutter befinden, genaue an der Quelle geschöpfte Er25 kundigungen einzuziehen, nöthigenfalls auch zu berathen, wie dieser Lage abzuhelfen, diesen Widerwärtigkeiten zu begegnen sei.

Wilhelmine. Erführe man, daß ich einem Prinzen, der bis jest weder meinem Vater noch meiner Mutter vorgestellt wurde, hier im offenen Saal Audienz gebe, ich glaube, daß 30 ich mich rüsten könnte, einige Wochen auf die Festung Küstrin zu gehen. (Will, sich verneigend, abgehen.)

Erbprinz. Prinzessin! Ist es also wirklich wahr, was man mit Schaudern an allen Höfen Europas erzählt, daß der König von Preußen den Hof, seine Umgebungen, seine eigene Familie tyrannisirt?

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Wilhelmine. Prinz, Sie brauchen einen harten Aus- 5 druck für das, was ich nur unser eigenthümliches Ceremoniel nennen möchte. In Versailles schwebt alles mit Zephyrflügeln über die glacirten Parquets. Hier tritt man ein wenig derb mit klirrenden Sporen auf. In Versailles hat sich die königliche Familie in eine große Gesellschaft aufgelöst, wo nur 10 noch die Verwandtschaft der Geister, die Bande der ungebundensten Neigungen heilig gehalten werden. Hier ist der Hof eine einzige bürgerliche Familie, wo man noch vor Tisch sein Gebet hält, die Aeltern immer zuerst reden läßt, mit dem pünktlichsten Gehorsam, wenn es verlangt wird, fünf eine 15 gerade Zahl sein läßt und sich dann nur aus Liebe manchmal ein bischen zankt, aus Liebe manchmal ein bischen quält, aus Liebe sich das Leben ein wenig sauer macht.

Erbprinz. Prinzessin, ich schwöre Ihnen, das muß anders werden.

Wilhelmine. Wie sollte es?

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Erbprinz. Der Kronprinz hat mich beauftragt, alle erdenklichen Mittel aufzubieten, Sie von dieser Barbarei zu befreien. Gebieten Sie über mich. Sie sehen mich bereit dazu. Zuerst empfahl er mir dringend Ihre geistigen Bedürfnisse. 25 Wie ist es mit der französichen Sprache?

Wilhelmine. Der König haßt alles, was vom Ausland kommt, und nichts mehr als Frankreich, seine Literatur und seine Sprache.

Erbprinz. Der Kronprinz wußte das und schickt Ihnen 30 deshalb, um hiermit gleich den Anfang zu machen, aus seinem

rheinsberger Kreise ein kleines geschwäßiges, aber sehr gelehrtes Männchen, einen Franzosen, Namens Laharpe

Wilhelmine. Die strengsten Befehle verbannen alle französischen Sprachmeister aus Berlin.

5 Erbprinz. Laharpe geht zu Ihnen, ohne daß man ihn fennt.

Wilhelmine. Unmöglich. Zu mir darf niemand, der sich nicht bei der Schloßwache ausweisen kann.

Erbprinz. So hören Sie Laharpe's Vorträge bei der 10 Sonnsfeld, Ihrer Hofdame.

Wilhelmine. Unmöglich.
Erbprinz. Bei der Königin.
Wilhelmine. Unmöglich.

Erbpring. Mein Himmel, sind Sie sich denn nie eine 15 Stunde allein überlassen?

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Wilhelmine. Sonntäglich zwei Stunden in der Kirche. Erbprinz. Das ist ja entseßlich! In Versailles haben nicht nur die Prinzessinnen schon von zehn Jahren, sondern sogar ihre Puppen ihren eigenen Hofstaat!

Wilhelmine. Der einzige Ort, den ich zuweilen längere Zeit ohne Begleitung besuchen darf, sind drüben jene Zimmer im untern Stockwerk des Schloffes

Erbprinz. Wahrscheinlich die Privatbibliothek des Königs?
Wilhelmine. Nein!

25 Erbprinz. Eine Galerie von Familiengemälden? Wilhelmine. Sehen Sie den Rauch, der aus den geöffneten Fenstern hervordringt?

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Erbprinz. Das ist - doch nicht etwa die Gar küche?

Wilhelmine. Die Garküche nicht, aber auch nicht viel Besseres. Es ist, mit Ehren zu melden, die königlich preußische

Waschküche! Sehen Sie, Prinz, da ist es der Schwester des Kronprinzen erlaubt, stundenlang sich hinzustellen und ehrbar zuzuschauen, wie man die Wäsche spült, sie mangelt, die Kleider stärkt, die Gedecke, die Servietten sortirt Erbprinz. Einer Prinzessin ?

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Wilhelmine. Sehen Sie das kleine Fenster mit den grünen Blumenstöcken und dem kleinen Hänfling im Käfig? Dort wohnt die Frau des Silberwäschers. Während die arme Königstochter zuweilen scheinbar wie eine Magd an den Töpfen und Kesseln zu walten scheint, schlüpf' ich heimlich zu jener 10 guten Frau, wo ich hinter den Blumen frei und heiter lachen kann, verstohlen dem kleinen Hänfling aus meiner Hand sein Futter reiche und mir schon oft gesagt habe: Bei all deinen Leiden, all deinem Kummer bist du doch noch glücklicher als der arme kleine Sänger da im Käfig, dem sie nimmer die 15 Freiheit geben werden, und säng' er noch so schön, noch so melodisch in allen Sprachen der Erde.

Erbprinz (bei Seite). Sie ist bezaubernd! (Laut.) Und Laharpe?

Wilhelmine. Da es denn gewagt sein soll — dorthin, 20 Prinz, schicken Sie mir diesen gelehrten Herrn, dort will ich, wie es der Bruder befiehlt, meinen französischen Stil bilden und unter anderm lernen, wie man recht elegant, recht modern französisch sagen kann: Ja, wagen wir den Anfang eines neuen Lebens! Bleiben Sie der Freund meines Bruders, 25 bleiben Sie mein Beschüßer! Für jezt aber leben Sie wohl. (Filt ab.)

Bierter Auftritt.

Erbprinz (allein). Dann Fräulein von Sonnsfeld.

Erbprinz. Wo weil ich denn! War das eine Scene aus Tausendundeiner Nacht oder bin ich wirklich an den Ufern 5 jener gemüthlichen Spree, die sich in die Havel ergießt? Wahrhaftig, dieser preußische Hof mit seinen Zöpfen und Kamaschen ist romantischer, als ich mir gedacht habe. Laharpe, du hinter jenen Blumenstöcken? Dir dieses Tête-àtête mit einer Prinzessin, die die Küche besucht, und einem 10 Hänfling, der das Glück hat, ihr in die Finger beißen zu

dürfen? Wie ist sie schön! Sie ist schöner als das Bild, das Friedrich auf dem Herzen trägt, und schon in dies Bild hab' ich mich verliebt. (Sich umsehend.) Magisch bannt es mich an diese Räume, die sie wie ein Genius durchschwebte. 15 (3um Fenster.) Dort unten auf dem Plaß die blizenden Bajonnette der manövrirenden Truppen; hier der Eingang zu den Zimmern einer Prinzessin, die zu besigen die höchste Seligkeit der Erde wäre und dort — wohin führt wohl jene Thür, durch welche die kleine Hüterin dieses Paradieses 20 entschlüpfte? (Nähert sich der zweiten hintern Thür, ihm zur Rechten.)

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Fräulein von Sonnsfeld (tritt ihm schnell und erregt entgegen). Fort, fort! Prinz! die Königin kommt

Erbprinz. Die Königin? Wohin denn?

Sonnsfeld. In jenes Zimmer drüben vielleicht, daß Sie einen Ausweg finden — Ums Himmels willen, man darf Sie hier nicht gesehen haben.

Erbprinz (wird von ihr in die entgegengeseßte Seitenthür gedrängt.) Meine Terrainkenntniß vermehrt sich schon. (Ab.)

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