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und Hochzeit des Armenadvokaten Siebenkäs) sind der Schilderung des Kleinlebens ge-
widmet und gehören der eigentlich humoristischen Gattung an; es find Beschreibungen
idyllischer Zustände in der Studirstube, mit großer Gemüthlichkeit durchgeführt, und be-
weisen, daß dies das eigentliche Feld war, auf dem sich der Dichter hätte halten sollen.
Aber seine Natur drängte ihn, das Verschiedenartige und Widerstrebende zu vereinen;
darum sehen wir den Dichter, der eine so entschiedene Gabe für die Auffassung des wirk-
lichen Lebens besaß, im Kampanerthal sich mit der Lehre von Gott und Unsterblichkeit
befassen.
Am vollständigsten erscheint Jean Paul's Wesen im Titan und in den Fle
geljahren, die daher für seine bedeutendsten Romane gelten können. Dort schildert er
mit ergreifender Wahrheit „die titanischen Naturen des Zeitalters" nach der ideal edlen,
wie nach der grenzenlos verdorbenen Seite, zwar übertrieben, aber nichts desto weniger
tief und wahr, und mit großartiger künstlerischer Ausführung.,,Die Schilderungen Ita-
liens, die enthusiastische Verklärung des Südens, aus dem die Gestalt der Linda als seine
fleischgewordene Verkörperung heraustritt, athmen eben so großen Zauber, wie die idyl-
lische Lieblichkeit von Albano's Jugendbildern." In den vollendeten Flegeljahren wird
an zwei verschiedenartigen Brüdern, von denen der eine das rührende Abbild der träume-
rischen Jugendunschuld, der andere ein Weltkenner und Humorist ist, die doppelte Richtung
der Jean Paul'schen Poesie in gelungenster Weise anschaulich gemacht und der tragikomische
Zusammenstoß der Jugendideale mit der prosaischen Welt am besten geschildert. In diesen
beiden Werken scheint der Dichter „das Uebermaß seiner Phantasiekräfte ausgetobt zu
haben“, daher die übrigen (wie Kaßenbergers Badereise; Leben Fibels; der
Comet, ein satirischer Roman) wenig Neues mehr bringen und ruhiger gehalten find.
Seine letzten Werke sind wissenschaftlicher Art: Vorschule der Aesthetik; Levana
oder Erziehungslehre; Selina oder über die Unsterblichkeit; da aber Jean Paul, der
Mann der Einbildungskraft, keine Wissenschaft ganz durchdrungen, wenn gleich sich um
alle behufs seiner Dichtungen bekümmert hat, so haben diese Werke keinen bedeutenden
wissenschaftlichen Werth, so reich sie auch an einzelnen geistreichen pädagogischen und äfthe-
tischen Bemerkungen sein mögen.

§. 96. Erweiterung der Romanliteratur. Keine Literaturgattung fand mit der fortschreitenden Bildung so viele Bearbeitung und einen so ausgedehnten Leserkreis als der Roman. Er sammelte alle Reflexe deutscher Bildung bis in ihre verlorensten Extreme, alle Richtungen, alle Tendenzen, alle Farben. Der Staat, die Kirche, die Gesellschaft, die Familie wurden in seine Kreise gezogen; die Stoffe erschöpften in ihrer Zusammenfassung unser modernes Leben. Aber auch in keiner andern Gattung machte sich die Mittelmäßigkeit und Unfähigkeit so geltend, und in keiner andern Gattung wurde die sclavische Nachahmung inländischer und auswärtiger Vorbilder so weit getrieben, als in dieser. Der humoristische Roman wurde seit Jean Paul weniger cultivirt als früher; nur Aug. Langbein, Ad. v. Knigge und vor Allen Ernst Wagner, wie Jean Paul sich in kleinen Verhältnissen bewegend, gelangten darin noch zu einigem Ruhm. Amadeus (eig. Ernst Theod. Wilh.) Hoffmann aus Königsberg, dessen humoristische Erzählungen sich auf dem Gebiete des Schauerlichen, Wilden und Zerriffenen bewegen, gehört zu den Romantikern, deren Beispiel nicht minder als Jean Paul ihn zu der krankhaften Uebertreibung geführt haben (Anh. §. 100).

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1757

1835.

. Wag

ner 1767 -1812.

August Langbein, geb. 1757 bei Dresden, geft. 1835 in Berlin, ein mittelmäßiges dichterisches Talent, Langbein verfaßte, scherzhafte Gedichte" und die Romane Thom. Kellerwurm ";,,Franz und Rosalie“; „der Bräus tigam ohne Braut“ u. a. m. - Ernst Wagner, geb. zu Meiningen 1767 und daselbst gest. 1812; seine bes liebtesten Romane sind: Wilibalds Ansichten des Lebens", eine Bildungsgeschichte in Wilhelm Meisters Art mit idyllischer Grundlage; „, die reisenden Maler", mit einigen glücklich ausgeführten landschaftlichen Studien; Reisen aus der Fremde in die Heimath", eine locker zusammenhängende Sammlung von Schilderungen, kleinen Erzählungen, Sentenzen, Charakteristiken,,,oft überschwenglich und gesucht, oft wahr und bezeichnend“. — Adolf Freiherr v. Knigge, ein Hannöverscher Edelmann, der ein pielbewegtes Leben führte 1752 - 96.

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nigge

Meißner 17531807.

1756

1839.

Bulvius

17621827.

und durch seine Theilnahme am Illuminatenorden (Lehrb. §. 672) sich vielen Angriffen und Unannehmlichkeiten ausseßte, ist weniger bekannt durch seinen komischen Roman „die Reise nach Braunschweig“, als durch sein vielgelesenes Buch:,, Ueber den Umgang mit Menschen,“ das zwölf Auflagen erfuhr und die Absicht hatte, Vorschriften zu einem glücklichen und nüßlichen Leben und Wirken in der Belt und unter Wenschen zu geben.

Dagegen nahm die Zahl der historischen Romane sündfluthartig zu, und wie erbärmlich auch die meisten Erzeugnisse waren, fie fanden dennoch Leser und wanderten legionweise in die Leih- und Lesebibliotheken, wo sie den zahlreichen Klassen der Halbge, bildeten eine verderbliche Unterhaltung gewährten. Die ältern Schriften dieser Gattung von Meißner und Feßler, die ihre Stoffe vorzugsweise aus dem Alterthume entlehnFesler ten, waren weniger gefährlich; aber auch weniger verbreitet; seitdem aber durch die Ko mantiker (Anh. §. 100) das Mittelalter als die goldene Zeit der Menschheit gepriesen ward, und durch La Motte Fouqué u. A. das Ritterthum und der Minnedienst in ein zauberisches Gewand gehüllt wurde; als die studirende Jugend an altdentscher Tracht und langem Haar sich ergötzte und für die Idee eines deutschen Kaiserthums schwärmte, da wurde der Mitterroman die Lieblingslectüre der Nation und füllte die Köpfe der Menschen mit phantastischen Gebilden und verschrobenen Ansichten. Die Ritterromane von Spies und Genoffen und als Seitenstücke dazu die zahllosen Näuberromane, die durch den Rinaldo Rinaldini von Vulpius (Goethe's Schwager) eingeführt wur den, erzeugten in den Mittelklassen eine ähnliche krankhafte Geistesrichtung wie die romantische Dichtung mit ihrem Kunstenthusiasmus, ihrem überspannten Katholicismus und ihrem restaurirten Feudalwesen in den vornehmen, überbildeten Kreisen. Der Geschmack an P. Bach Ritter- und Räuberromanen, unter denen nur die „Sagen der Vorzeit“ von L. Bacter 1837. (Veit Weber) aus dem Hannöverschen eine ehrenvolle Ausnahme bilden, war ein vOTübergehender; der Einn des Volks ward nüchterner und verlangte auch im historischen Roman einen der Wirklichkeit sich anschließenden, natürlichen Stoff. Dies hatte zur Folge, daß das Gebiet der neuern Geschichte vorzugsweise als Unterlage der Romanliteratur benutzt wurde, und daß Werke erschienen, die, wie mittelmäßig auch mitunter die Ausführung und mie oberflächlich die Erfassung der Zustände und Charaktere sein mochte, sich doch ans wirkliche Leben anlehnten und dem Leser einige, wenn auch oft trübe und einseitige Belehrung gewährten. In dieser Art verdienen die Romane von van der Velde, Hauff, Steffens, Zschokke u. A. wegen ihrer Volksthümlichkeit und Verbreitung besonders hervorgehoben zu werden.

ter 1762

Velde 1779

1824.

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Aug. Gottl. Meißner, geb. in Baugen 1753, gest, in Fulda 1807; Verfasser der Romane,,Acts biades"; Majaniello"; Bianca Capello" u. a. - Feßler (Ign. Aur.), geb. 1756 in Ungarn; zuerst Kapuziner, ward er 1791 Protestant und wirkte zuletzt in Rußland, † 1839. Am bekanntesten ist er durch seine Romane, Marc Aurel“; „Aristides und Themistokles“; Attila", halb lobpreisende Geschichte halb Roman. Sehr interessant ist seine Selbstbiographie: „Feßler's Rückblick auf seine 70jährige Bilger: Van der schaft". Van der Velde (Franz K.), geb. zu Breslau 1779, geft. 1824. Zu seinen bekanntesten Romas nen gehören:,,Die Eroberung von Mexico"; die Lichtensteiner";,,Arwed Gyllenstierna“; „ Chriftine und ihr Hof". Wilh. Hauff, geb. 1802 in Stuttgart, gest. 1827, einer der talentvollßten Erzähler, W. Hauff eröffnete seine schriftstellerische Laufbahn mit „, Märchen“, die sich durch phantasievolle Auffassung und gez 1802-27. Tungene Darstellung auszeichnen; die Mittheilungen aus den Memoiren des Satans" find fragmens tarische Darstellungen aus dem wirklichen Leben, interessant geschildert; der,, Mann im Monde" sellte eine Persiflage der lüfternen Romane von Clauren (eig. Heun) sein, einem dem verweichlichten und finns lichen Geschlechte sehr zusagenden Schriftsteller jener Zeit, und mar der Anfang eines literarischen Kampfes, dem Glauren julegt in der öffentlichen Meinung erlag. Zu den besten bistorischen Romanen gehört sein Roman „Lichtenstein", worin die Zeit mit ihrer Denkweise und Eigenthümlichkeit besser gezeichnet ist, als in den meisten andern. Durch originelle Erfindung ausgezeichnet sind seine „Pbantasien Steffens im Bremer Rathsfeller." Heinr. Steffens, geb. in Norwegen 1773, geft. in Berlin 1845, ein als 1773- Philoforh, Naturforscher und Dichter thätiger Mann ven unrubiger Empfänglichkeit und phantaftish beweglicher Natur. Durch Schelling für die Naturphilosophie gewonnen, schrieb und lehrte er zuerst in diesem Zweige der Wissenschaft, bis ihn die Befreiungskriege fortrissen. Nach Beendigung derselben lebte er theils in Berlin, theils in Breslau u. a. D., mit raftloser Thätigkeit alle Erscheinungen in Literatur,

1845.

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1848.

Religion und im Staatsleben erfassend und würdigend. Neben den philosophischen Studien befaßte er sich auch mit kirchlichen Fragen zur Rechtfertigung seines Lutherthums gegen die Union und schrieb dann mehrere durch Tiefe und Mannichfaltigkeit der innern Anschauung, wie durch Tebendige Darstellung,,,grans diose Decorationsmalerei" und treue Naturschilderung bedeutende Romane und Novellen:,, die Familie Bichoffe Walseth und Leith ";,,die vier Norweger";,,Malcolm"; und endlich eine höchft ausführliche Selbstbios 1771graphie: Was ich erlebte" in 10 Bon. Heinr. Bschokke, geb. zu Magdeburg 1771, brachte den größten Theil seines Lebens in der Schweiz zu, wo er im Schulwesen, in der Politik und als Schriftsteller ein bewegtes, thätiges Leben führte. unter seinen vielen und verschiedenartigen Schriften sind zu merken: 1) Dramatische Dichtungen („Abällino, der große Bandit“; „Julius von Sassen“). 2) Geschicht= liche Werke; „Geschichte des bayerischen Volks und seiner Fürsten“, mehrere Schriften über einzelne Theile der Schweizer - Geschichte und „des Schweizerlandes Geschichte für das Schweizervolk." 3) Volks= schriften: „Das Goldmacherdorf“; „Meister Jordan“; „Spruch und Schwank“; „der Gebirgsförster“ u. a. 4) Zeitschriften: „Schweizerbote“; „Miscellen für die neueste Weltkunde“; „Erheiterungen“ u. a. 5) Romane und Erzählungen, darunter:,, der Kreole“; „Alamontade“; „Ionathan Frock “; „Clementine";,, der zerbrochene Krug“ u. a. Dazu sind auch zu rechnen seine Bilder aus der Schweiz". naturhistorische Gemälde. 6) Das weitverbreitete Buch: „Stunden der Andacht“ in 8 Bdn., das zahlreiche Auflagen erlebte und als dessen Verfasser erst in den leßten Jahren Zschokke bekannt ward, ist der Ausdruck des modernen Rationalismus. 7) Die „Selbstschau“, eine Art Selbstbiographie, und endlich 8) lyrische Gedichte (,,Feldblumen“), Naturlaute ohne dichterischen Schwung.

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Die zunehmende Bedeutung der Novellen- und Romanliteratur für das gesellige Leben hatte zur Folge, daß selbst die größten Dichter dieser Literaturgattung sich zuwendeten, wodurch mehr Mannichfaltigkeit und Tiefe in dieselbe kam. Schiller's unvollendeter,,Geisterseher“ hatte zwar nur die schlimme Folge, daß Deutschland nun neben den Ritter- und Räuberromanen auch noch mit einer Fluth von Zauberund Geisterromanen überschwemmt wurde; dagegen wies Goethe durch seine Novellen (,, Wilhem Meister“; „, Wahlverwandtschaften“) auf das reiche Familienleben mit seinen Freuden und Leiden, seinen Kämpfen und Berwickelungen, seinen vielseitigen Seelenleben hin und bewirkte dadurch, daß die Romanschriftsteller ihre Blicke mehr auf die Gegenwart richteten, die Zustände des wirklichen Lebens nach allen Richtungen erforschten und alle Verhältnisse des Familien- und Gesellschaftslebens, alle geistigen und religiösen Interessen der verschiedenen Stände, alle Wechselfälle des irdischen Daseins in ihren Werken darstellten. Dadurch wurde alles Menschliche in den Bereich des Romans gezogen und dieser folglich häufig nur als Form und Rahmen für die Verbreitung gewisser Ideen benutzt. Bei dieser Dehnbarkeit der Form zu den verschiedenartigsten Stoffen ist es nicht zu verwundern, daß die neuesten Schriftsteller, die sich bei ihren literarischen Arbeiten nicht strenge an die Sache hielten, sondern gerne nach allen Seiten ausschweiften und keinen ihrer Gedanken, Einfälle oder Bemerkungen unterdrücken wollten, die Romanliteratur vorzugsweise pflegten, so daß alle dem,,jungen Deutschland" angehörenden Dichter und die meisten Literaten der Jehtzeit, mochten sie sich auch in andern Gattungen versucht und ausgezeichnet haben, daneben doch Romane und Novellen, und zwar gewöhnlich mit Beziehung auf bestehende Verhältnisse, auf herrschende Ansichten, auf das Leben und Treiben der Gegenwart verfaßt haben. So Immermann, Gußkow, Sternberg, Wilibald Alexis (Häring); der „märkische Walter Scott" u. a. m. Besonders war Spindler lange Zeit der Liebling der Romanleser, nachdem Lafontaine's (Anh. §. 93) empfindsame Familiengemälde (der Sonderling; die Familie von Halden; Klara dü Plessis und Clairant; Hermann Lange u. a. m.) in den Hintergrund getreten waren. Denn das ist das Schicksal der Romanschriftsteller, daß ihr Ruhm ebenso schnell verbleicht als er erworben wird, und daß die Gunst des Publikums so flüchtig und wandelbar ist wie die des Glücks.

Karl Lebr. Immermann, geb. 1796 zu Magdeburg, starb 1840 als Landgerichtsrath in Düsseldorf, wo er zugleich die Leitung des Theaters übernommen hatte. Hauptsächlich bekannt und fruchtbar als Dras matiker (,, die Prinzen von Syrakus“; „, das Thal von Ronceval“; „König Periander“; „das Auge der Liebe"; die Trilogie,,Alexis“ und die tiefsinnige Mythe,,Merlin" u. a. m., Stücke, in denen die verschrobene Romantik der ersten Zeit allmählich einer gesundern Richtung weicht) hat er sich doch nicht Weber, Geschichte II. 9. Aufl. (Literatur.) 7

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geringern Ruhm erworben durch seine Erzählungen, Miscellen" und Romane (die Grigonen“, eine Schilderung der zerrissenen Zeit und ihrer Verkehrtheiten; „, Münchhaufen“ 11. 4.). Freiherr von Ungern-Sternberg, geb. 1806 bei Reval in Esthland, nach mancherlei Reisen in Bien seshaft, ist einer der fruchtbarsten Novellenschriftsteller, aber ohne Tiefe und Gehalt. „Die Zerrissenen“; ,, Lessing"; Molière"; „, Jena und Leipzig ";,, Paul“ u. a. gehören zu den bekanntesten.

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Stilististe

Glätte geht ihm über künstlerische Anlage. In seinem neuesten Roman,, die Ritter von Marienburg“ hat er mit Verachtung und Vernachlässigung aller historischen Kenntniß ein reiches, anziehendes Ritterleben gezeichnet, worin unter vielem Abenteuerlichen, Schrecklichen und Frivolen dennoch eine gewisse Gentalität hervorleuchtet. Karl Spindler, geb. 1795 zu Breslau, an verschiedenen Orten, zulezt in Baden-Baden wohnhaft. Unter seinen zahlreichen Romanen erfreuten sich „der Bastard“, „der Jude“, „der Jesuit“ und ,,der Invalide" des größten Beifalls. Er mißbrauchte sein reiches, wenn auch nicht tiefes Talent durch allzu große Productivität, weßhalb seine spätern Erzeugnisse „der Vogelhändler von Imbft“, sein Taschen: buch,,Vergißmeinnicht" wenig Beachtung fanden. Vergessen und von häuslichem Leide niedergebeugt, starb er am 12. Juli 1855 im Bad Freyersbach im Renchthal an einem Schlaganfall. Wilibald Aeris (Håring), geb. zu Breslau, gab in Verbindung mit dem Criminalisten Hißig den „neuen Vitaval”, eine Sammlung von Verbrechergeschichten, heraus. unter seinen Werken find hervorzuheben: Baladmor", ,,Cabanis“, „Roland von Berlin“, „,Shakespeare und seine Freunde" und der neueste vaterländische Roman: ,,Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder vor 50 Jahren“, ein auf gründlichen Geschichtsstudien über jene wichtige Periode in Preußen aufgebautes Werk mit seiner Fortseßung „Isegrimm”, einem Gharakterbild and der Uckermärkischen Junkerschaft. Ludw. Rellstab, geb. zu Berlin 1799, geft. daselbst 1860, anfangk Militär, dann als Schriftsteller und Journalist thätig, machte sich, nachdem er wegen der satirischen Schrift ,,Henriette die schöne Sängerin" einige Monate in Gefangenschaft zugebracht, besonders bekannt durð die Romane,,das Jahr 1812“ in 4 B. u. drei Jahre eines Dreißigen“ in 5 Bdn. Theodor Mügge, geb. 1810 in Berlin, ein fruchtbarer Schriftsteller, unter dessen zahlreichen Schriften am beliebtesten sind : Toussaint Louvertüre“, „Erich Randal“ und „Afraja“, ein Roman voll wilder Naturscenen aus der Nähe des Nordcaps und der norwegischen Schneefelder. Ernst Willkomm schrieb mehrere Romane mit Beziehung auf Zeitfragen: „Thomas“, „,weiße Sclaven“,,,Wallenstein."

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6. Goethe's Alter und die romantische Dichtung.

§. 97. Verbreitung der deutschen Literatur. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts waren Weimar und Jena der Mittelpunkt einer Bildung und literarischen Thätigkeit, wie sie noch nie auf so kleinem Raume vereinigt war. Als aber der Tod Einen um den Andern der großen Dichter abrief, und ein Jahr nach Schiller's Hintritt die Schlacht von Jena und die verhängnißzvollen Kriegsereignisse den literaris schen Kreisen einen erschütternden Schlag versetzten, hörte das Land auf, Sammelplay und Brennpunkt der Cultur zu sein; Weimar blieb nicht länger die Metropole der Dichtkunst, alle Städte und Landschaften fingen an, mit eigenem Lichte zu strahlen. Mit Staunen wurde man nun gewahr, welche Riesenschritte die Bildung im ganzen Baterlande und unter allen Klassen gemacht. Die Blicke der anderen Völker richteten sich nach Deutschland, und diejenige Nation, die bisher so oft ihre geistigen Bedürfnisse von fremdem Abfall gesättigt, diente jezt ihren frühern Lehrmeistern, den Franzosen, Engländern, Italienern, als Muster und Vorbild. Zwar mißbilligte Napoleon die Neigung der Franzosen für deutsche Cultur und verbannte Frau von Stael aus seinem Reiche (Lehrb. §. 800 b. C.), weil sie gewagt, in ihrem Buche über Deutschland ein anderes Voll, als die Franzosen, zu preisen, allein der Einfluß der deutschen Literatur machte sich dennoch geltend; die klassische Vornehmheit und Politur der alten Zeit erlag in Paris der mit jugendlichem Ungestüm auftretenden und von den Sympathien des Volks getragenen neuromantischen Schule. Ebenso wenig vermochte sich England den Einwirkungen deutscher Bildung zu entziehen, wie sehr auch die orthodoxen Wächter des anglikanischen Zion gegen die deutsche Freigeisterei und Denkgläubigkeit eiferten. Der begabtefte ihrer Dichter, Lord Byron (Lehrb. §. 800 b. B.), vereinigte in sich den ungestümen Freiheitsdrang der Kraftgenies, die philosophische Wegsetzung über kirchliche und confessionelle Beschränktheit unserer großen Dichter und das überreizte Gefühls- und Seelenleben, so wie die Sinnlichkeit unserer Romantiker. Aber alle diese Eigenschaften steigerte er auf's

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Aeußerste und wurde dadurch der Schöpfer jener, auch nach Deutschland verpflanzten, unglücklichen Poesie der Zerrissenheit“ und des ,,Weltschmerzes“, zu der sich die vornehme Welt hingezogen fühlte, weil sie darin die eigene Stimmung wiederfand. Auch nach Scandinavien, Polen und Ungarn bahnte sich die deutsche Literatur einen Weg. Der große Völkerkrieg gegen Napoleon, der, wie einst die Kreuzzüge, fast alle europäischen Staaten gegen den mächtigen Zwingherrn unter die Waffen führte, begünstigte und erleichterte den Austausch. Es entstand gleichsam eine Weltliteratur, in welcher nicht ein bestimmter Geschmack, wie einst der französische, Ton und Richtung angab und die Herrschaft führte, sondern worin Alles, was irgend eine Nation Großes und Schönes geschaffen, Geltung und Würdigung haben sollte.

§. 98. Charakter der deutschen Romantik. Den Mittelpunkt dieser neuen Weltliteratur bildete Deutschland: seine Lage, seine Bildung, die Natur des Volks schien es zum Hüter und Lenker der geistigen Bestrebungen bestimmt zu haben. Und wer wäre geeigneter gewesen, dem Vaterlande diesen Ehrenposten zu erwerben, als die Häupter der romantischen Dichter mit ihren herrlichen Anlagen, mit ihrer anregenden Thätigkeit, mit ihrer Empfänglichkeit für die Schönheiten fremder Literatur, wären sie auf Goethe's und Schiller's Wegen fortgeschritten, statt nach neuen Kunst- und Geschmacksregeln zu streben, und hätten sie die zweideutige Ehre, Schöpfer einer Schule oder Secte zu sein, dem sichern Ruhme nicht vorgezogen, als Wahrer und Förderer der errungenen, auf Freiheit und Humanität gegründeten Cultur gepriesen zu werden? Goethe freilich war zu groß und vielseitig, als daß die Romantiker nicht hätten versuchen sollen, an diese feste Säule ihre Schule anzulehnen; sie näherten sich ihm mit ungemessener Bewunderung und Lobpreisung, um ihn als „Idol ihres Cultus“ aufzustellen; erst als er den Tempel ihrer Verehrung verschmähte und sich ihnen nicht unbedingt hingab, erkaltete allmählich ihr Lob. Schiller dagegen wurde gleich anfangs von den Romantikern, die weder an seinem Freimuth, noch an seinem weiten Christenthum, noch an seinem dichterischen Verfahren Behagen fanden, unterschätzt und vornehm bei Seite geschoben, so sehr auch ihre eigenen ästhetischen Gesetze und Ansichten auf seinen Forschungen beruhten. Aus Widerwillen gegen die Aufklärung („, Abklärung“) und die darauf gegründeten Revolutionsideen flüchteten sie sich in das Mittelalter und in die religiöse Mystik und Mythologie und meinten, in gänzlicher Mißkennung des Zeitgeistes und der Volksbestrebungen, in dem Aber- und Wunderglauben einer geistig armen Zeit und in der thatlosen Beschaulichkeit des Morgenlandes einen Damm wider den Unglauben der Freidenker zu finden; ja Einige, wie Friedrich Schlegel, Adam Müller, Zach. Werner, Hamann's Landsmann und Geistesgenosse u. A. m., suchten im Schooße der römisch-katholischen Kirche Schutz gegen die Vermessenheit der menschlichen Vernunft, gegen den Forschungstrieb der Nationalisten und gegen die Neuerungslust eines beweglichen Geschlechts, und dienten gleich Genz, Jarce u. A. (§ 107) der reactionären Staatskunst Metternich's in Desterreich. Statt, wie Schiller, die neuere Zeit und die Geschichte zum Vorwurf der Dichtung zu nehmen, die Wirklichkeit zu idealisiren und dem realen Leben einen poetischen Anstrich zu geben, machten die Romantiker die Poesie zum Mittelpunkt alles Lebens und Strebens,,,wo alle geisligen Richtungen, alle Momente der Welt- und Menschenauffassung zusammenlaufen sollten“, und empfahlen alle jene Perioden der Menschheit, „wo ein solcher poetischer Anstrich auf dem wirklichen Leben zu liegen schien, Ritterthum und katholisches Christenthum, Mittelalter und Orient." Der Wunderglaube und die religiöse Beschaulichkeit einer christlichen Vorzeit, das Minnewesen und der finnliche Religionsdienst einer untergegangenen Ritterzeit, die heilige Kunst des Mittelalters, die blüthenreiche Dichtung der Morgenländer, das Volkslied und die phantastereiche Märchenwelt einer fernen Vergangenheit fesselten vorzugsweise ihr Interesse. In den „glänzenden Hervor bringungen des Mittelalters in Leben und Poefie" fand A. W. Schlegel die Wege

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