Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Schloffer

17751840.

Leo

Heeren 1760

Wachs

"

nen und ans Licht zu bringen, die ältesten Zustände in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit wiederherzustellen, aus den brauchbaren Werkstücken ein neues historisches Gebäude aufzuführen“. Obwohl ein Bewunderer der antiken Republiken und der Kraft der römischen Plebejer, sah er doch in der französischen Revolution und ihrer Tochter, der Julikatageb. 1776. strophe, das größte Unheil für die moderne Staatsordnung. Fr. Christoph Schloffer in Heidelberg faßt in seiner Weltgeschichte mit tiefem Blick die Lebensthätigkeit der Bölker alter und neuer Zeit in ihrer Totalität auf, indem er die innige Verbindung der Literatur, Sitten und Denkweise mit den Erscheinungen des öffentlichen Lebens nachweißt, und schildert in seiner Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts die Erscheinungen und Charaktere, die Thaten und Meinungen der jüngsten Vergangenheit mit Tiefe, Schärfe Rotted und Freimuth und mit dem strengen Richtmaß der Moral und des Rechts. Karl v. Rotteck aus Freiburg im Breisgau, ein Vorfechter liberaler Grundsäße mit Wort und Schrift, bediente sich der Weltgeschichte als Mittel zur Verbreitung politischer Ideen und geb. 1789. demokratischer Lehren unter dem Volke; während Heinrich Leo von Halle, ein schreibfertiger, protestantischer Historiker, mit dem Zorn eines Dominikaners gegen die durch die Reformation und Revolution in die Welt gekommene Aufklärung eifert, nur in der göttlichen Fürstenmacht, umgeben von einer starken Priesterschaft, nicht aber in einem in gesetzlicher Freiheit lebenden Volke das Heil der Welt, das Glück der Staaten erblickt und durch, theologischen Firniß“ und „kecke, burschikose Einseitigkeit“ die historische Würde herabsetzt und den Zeiger der Weltgeschichte zurückzustellen" sich bemüht. — A. H. L. Heeren in Göttingen stellte in seinen „, Ideen über Politik, Verkehr und Han1842. del 2c. der alten Welt“ und in andern historischen Werken über die vielseitige Lebensthätigkeit der Völker des Alterthums viele neue Ansichten auf; E. Wilh. Wachsmuth in geb. 1784. Leipzig hat mit tiefer Gelehrsamkeit und gründlicher Forschung sowohl das hellenisce Alterthum als die französische Revolutionszeit und die Culturzustände Dahls der verschiedenen Völker in allen Zeiten durchbrungen, und Friedr. Chriftoph Dahlmann, geb. 1785. einer der bedeutendsten theoretischen Politiker der Gegenwart, hat, nachdem er sich in der Geschichte Dänemarks u. a. W. auch als geistvollen und gelehrten Hißoriler bewährt, in der Geschichte der englischen und französischen Revolution Politik und Geschichte verbunden, um Fürsten und Staatsmännern aus der Vergan genheit prophetische Winke und Warnungen über die zu wählende Regierungsweise zu geb. 1805. ertheilen. Dahlmann's Freund und Gesinnungsgenosse Georg Gottfr. Gervinus, aus Darmstadt, einer der Göttinger Sieben (Lehrb. §. 835), hat in seiner „Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen" oder wie der Titel der vierten Auflage lautet, Geschichte der deutschen Dichtung" ein Werk ausgeführt, das an Tiefe der Forschung wie an freier, großartiger Auffassung und vaterländischer Gesinnung stets eine Zierde unserer Literatur bleiben wird, und hat dann in seinem gründlichen und geistreichen Werke über Shakespeare den Blick der deutschen Nation zur Zeit der größten politischen Verwirrung durch das Hinweisen auf das harmonische Schaffen dieses großen, klaren Geistes zu schärfen und aufzuklären gesucht. In seiner,, Einleitung in die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts" unternahm er, den Gesetzen des Aristoteles folgend, die Tonftruction der Weltgeschichte im Großen, indem er, gestüßt auf den Verlauf der Geschichte im Alterthum und Mittelalter, den Entwickelungsgang des Staats in der neuern Zeit und den Charakter der geschichtlichen Zukunft zu bestimmen versuchte. Die Geschichte selbst, von der bis jezt vier Bände vorliegen, ist ein Meisterwerk deutscher Historiographie sogeb. 1818, wohl an gründlicher Forschung als an ebler Darstellung. Ludw. Häusser hat in seiner „deutschen Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes" die Gebrechen und den Fall des deutschen Reichs und die große Zeit der Freiheitskriege mit vaterländischem Sinn und kräftigem Naturalismus dargestellt und Heinr. v. Sybel die „Geschichte der Revolutionszeit“ mit umfassendem Blick und strenger Wahrgeb. 1813. heitsliebe behandelt. Georg Waiz setzte in der,, Geschichte Schleswig-Holsteins“ seinem

mann

Gervinus

Häuffer

Sybel.
Waiz

"

Drøysen

Vaterlande, aus dem ihn der dänische Haß vertrieben, ein schönes Denkmal und suchte in verschiedenen Werken die verflochtenen Zustände und das reiche Leben des Mittelalters aufzuhellen. Gustav Droysen, Max Duncker und Theod. Mommsen widmeten ihre schriftstellerischen Talente der Geschichte und Literatur des Alterthums; der erste, indem geb. 1808. er durch die Uebersehung des Aristophanes die Stellung und Bedeutung dieses großen Komödiendichters anschaulich machte, in der,,Geschichte Alexanders des Großen" ein begeistertes Bild von diesem königlichen Helden entwarf und in der „Geschichte des Hellenismus“ die dunkeln Jahre der Diadochenzeit aufzuhellen suchte, bis er es in neuerer Zeit unternahm, den Gang der „preußischen Politik“ geschichtlich nachzuweisen und im „Leben Yords", diesem entschlossenen Gegner der französischen Zwingherrschaft, ein würdiges Denk- Dunder mal zu sehen. Der zweite, indem er in den bis jetzt erschienenen vier Bänden der „Ge- geb. 1812. schichte des Alterthums" die morgenländischen Staaten und das hellenische Volk bis zum Ende der Perserkriege mit Anmuth und stilistischer Gewandtheit nach den verschiedenen Lebensäußerungen zeichnete; Mommsen endlich hat die „römische Geschichte“ bis zu Cäsars geb. 1817. Tod mit sicherem Griff und genialer Behandlung dargestellt, aber der antiken Geschichte durch moderne Färbung und keckes Urtheil viel von ihrer Würde und plastischen Ruhe ge

nommen.

[ocr errors]

-

Justus Möser, ein westfälischer Beamter, war einer der wichtigsten Prosaschriftsteller seiner Zeit, der die Sprache des Volks wie Wenige in feiner Gewalt hatte. In einer humoristischen Schrift Harlekin, oder Bertheidigung des Grotesk - Komischen, nahm er zuerst das Volksmäßige auf der Bühne gegen Gottsched und seine Genossen und eine aus dem Volke hervorgehende Literatur gegen Pietiften und vornehme Nachahmer in Schuß; in einem zweiten höchft wichtigen Werkchen,, Schreiben an den Herrn Vicar von Savoyen, abzugeben an Herrn Jacob Rousseau“ verficht Möser mit echt deutschem Sinne gegen Rousseau's wohlgemeinte Träume die Nothwendigkeit einer positiven Religion und eines Cultus für das Volk und weist in herzlicher und besonnener Rede nach,,,wie schwankend eine Moral ist, die, durch sentimentale Reden erzeugt, auf Gefühle gegründet wird, welche nach der verschiedenen Organisation einzelner Menschen verschieden find". Von höchster Wichtigkeit ist Möser's Einleitung in die Osnabrück'sche Geschichte, die ein neues Licht über das Wesen der bistorischen Wissenschaft verbreitete; und in seinen patriotischen Phantasien find treffliche und freimüthige Gedanken und Bemerkungen über öffentliche Dinge aller Art niedergelegt. Ein Geist, wie der seinige, der, an die noch gesunden niedersächsischen Verhältnisse anknüpfend, vom Kleinen und Einzelnen zur Reform des Großen und Allgemeinen hinstrebte, dem die kosmopolitische Bils dung des Jahrhunderts den feinen Tact für das Volksthümliche und Deutsche nicht abgeftumpft, der mit dem richtigsten Verständniß für die Mannichfaltigkeit des deutschen Lebens der aufkeimenden Richtung des Uniformirens und Centralisirens entgegentrat, ein solcher Geist konnte in einer Zeit, wo der kosmopolitische Humanitätseifer in voller Blüthe stand, nur eben einen begrenzten Einfluß gewinnen." Aug. Ludw. Schlözer, Profeffor der Geschichte und Staatswissenschaft in Göttingen, wandte die Grundsäße eines Bolingbroke und Voltaire (Lehrb. §. 660, 671) auf die gelehrte Geschichte an und verband mit ihrer Kritik tiefe Forschungen und gründliche Kenntnisse; und genügte auch der trockene, prosaische Mann, dem in seiner Kleinen Weltgeschichte, in seiner Allgemeinen Geschichte von dem Norden und in seinen Russischen Annalen das Materielle über das Geistige und die numerische Größe über die sittliche ging, bei weitem nicht allen Anforderungen, so war doch sein Freimuth, sein Kampf gegen Willkür im Staats- und Rechtswesen und sein Eingehen in den nach Freiheit, bürgerlicher Bewegung und Abschüttelung der mittelalterlichen Fesseln gerichteten Geist der Zeit höchst ehrenwerth und folgenreich. In seiner Zeitschrift (,,Briefwechsel“) für Staatsverwaltung, Regierung und Zeitgeschichte „schuf er ein Tribunal, vor dessen Aussprüchen bald alle Finsterlinge Deutschlands, alle die zahlreichen kleinen Tyrannen, ihre despotischen Beamten und Schergen erblaßten.” Anfangs ein lauter Verfechter der Revolution, selbst des Bastillefturms, der Vernichtung des Feudalstaats am 4. August und der Erklärung der Menschenrechte, änderte er seine Gesinnung und sein Urtheil, als die neuen Ideen auf blutigen und kriegerischen Bahnen einherschritten. Reicher an Ideen und gewandter in Stil und Darstellung war Ludw. Tim. Spittler in Stuttgart, Professor der Geschichte in Göttingen, spåter Minister und Staasrath in Würtemberg. In seinem Grundriß der Kirchengeschichte, der als kurzer Jubegriff seiner gelehrten Untersuchungen in dem weiten Gebiet der Religionsgeschichte und des Kirchenrechts gelten kann, stellt er mit großem Freimuth die allmähliche Entstehung der kirchlichen Sagungen und Einrichtungen dar und führt harte Schläge gegen Priesterthum und Hierarchie. In seiner geistreichen Geschichte der europäischen Staaten weist er allenthalben auf das Bedürfniß freier landständischer Verfassungen hin und steht daher weit über Schlözer, der auf die freie Bewegung eines Volkes weniger Werth legte, als auf Ordnung, kräftige Verwaltung und gute Rechtspflege. Mit richtigem Tacte trifft Spittler überall das Wesentliche, worauf es in jeder Periode ankommt, und zeigt hier, wie in seiner Geschichte von Würtem berg und von Hannover, an der Vergangenheit, welche Rechte seine Zeitgenossen gegen Fürsten und Privilegirte zu schüßen hätten, aber als kluger Weltmann bricht er bei der Geschichte seiner Zeit ab. Auch

Mommsen

in dem mit Meiners herausgegebenen götting. hist. Magazin lieferte Spittler vortreffliche Beiträge zur Aufhellung schwieriger und wichtiger Punkte der verschiedenen Staatengeschichten. Den größten Ruhm als Geschichtschreiber erlangte Johannes von Müller aus Schaffhausen. Seine Empfänglichkeit für jede großartige Erscheinung in der Geschichte, so wie der Mangel fefter Grundsäße und männlicher Gesinnung bewirkten, daß er bald für Volksfreiheit begeistert war und den Bastillesturm als den „,schönsten Tag seit dem Untergang der römischen Weltherrschaft“ pries, bald der unumschränkten Herrschermacht, wo sie in großs artiger Thatkraft sich kund that, das Wort redete. Vor dem französisch - preußischen Kriege als Genoffe der Kreise des Prinzen Louts Ferdinand ein eifriger Gegner der Bonaparte'schen Zwingherrschaft, ånderie Müller schon 1806 seine Gesinnung, als ihn Napoleon in Berlin in einer Audienz empfing und durch Freundlichkeit seiner Eitelkeit schmeichelte. Seine eigenen wahren Ansichten treten nirgends hervor, weder wenn er in seis ner Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft die Großthaten eines einfachen, für Freihett und Baterland kämpfenden Volkes schildert; noch wenn er in den vier und zwanzig Büchern Allgemeis ner Geschichte bald die Herrlichkeit eines Ludwig XIV. oder die großartige Wirksamkeit eines Zaar Beter preist, bald sich für die Heldenthaten und den Freiheitssinn der griechischen und römischen Borzeit begeistert; noch wenn er, wie in seinen Reisen der Påøfte, der römischen Gurie das Wort redet, oder durch glân: zende Schilderung der Ritterzeit dem Adel schmeichelt. Er schuf objective Kunstwerke, die den Eindruck cines Epos machten und eine mächtige poetische Wirkung hervorbrachten. Aber zwei Dinge werden mit Recht an ihm getadelt, sein bombastischer, rhetorisch ausgeschmückter Stil, bei dem er Tacitus zum Vorbild nahm, und seine Charakterschwäche und Gesinnungslosigkeit im Leben. Auf dem schlüpfrigen Boden, auf den ihn Gesdid und Eitelkeit geführt, bewegte er sich mit unsicherm Tritt. Er machte in Mainz den Höfling der geiftlichen Herren, in Wien den Schmeichler der Fürsten und Vornehmen und endete als Minister des leichtsinnigen Hieronymus Bonaparte in Cassel und als Lobredner der Napoleonischen Militärdesvotie. In vielfacher Berührung mit Müller, aber an Charakter, Gesinnung und Lebensglück gänzlich von ihm verschieden, kand Georg Georg Forster. Schon als Knabe nahm er mit seinem Vater Theil an der Gook'schen Entdeckungsreise Forster um die Welt und erwarb sich als Jüngling durch die anziehende Beschreibung derselben einen literarischen 1754-94. Namen. Seinem unternehmenden Geist waren die deutschen Verhältnisse zu enge; er sehnte sich nach einem

großartigern Wirkungskreise, als ihm seine Lehrämter in Cassel, Wilna und Mainz darboten. Die französische Revolution ergriff ihn mächtig; sie schien ihm das Glück der Freiheit zu bringen, dessen Ahnungen im Grunde seiner Seele lagen; er stürzte sich in den Strudel, in dem er gebrochenen Herzens umkam (Fehrb. §. 722). Abhandlungen verschiedener Art und Briefe gaben Zeugniß von seinem edlen Streben und Tharafter, wie von seinem scharfen Beobachtungssinn für alles Schöne und Eigenthümliche in der Natur, in Kunjt und Völkerleben.

II. Klopstock.

§. 65. Sein Leben. Friedr. Gottlieb Klopstock wurde 1724 in Quedlin burg geboren. Schon als Knabe verband er mit einem frommen, gläubigen Gemüthe, das seine Mutter gepflegt, einen kräftigen, fröhlichen, von seinem rüftigen Vater und der freien Natur geweckten Sinn. Auf der guten Lehranstalt in Schulpforte sog er Begeisterung für die klassische Literatur des Alterthums ein; ihr entnahm er die Kraft der Rede, die Mannichfaltigkeit des Versbaues, den Schwung und die Musik der poetischen Sprache und den Flug der Phantafie, die sich in seinen Oden finden. Dort entwickelte sich auch sein Hang zur Empfindsamkeit, der sich in der Liebe zur Natur und Einsamkeit äußerte und eine elegische Stimmung in ihm erzeugte. Das Bedürfniß der Freundschaft, das mit aller Stärke in ihm erwachte, führte ihn dem Leipziger Bund zu; er stimmte in die heitere Geselligkeit, wie in die sehnsüchtige Schwermuth des Kreises ein und machte in den Bremer Beis trägen die drei ersten Gesänge der Mesfiade bekannt (1748), die in ganz Deutschland eine so enthusiastische Bewunderung erregten, daß er als der Schöpfer einer neuen Epoche der Literatur begrüßt wurde. Eine unerwiederte Liebe zu der Schwester (Fanny) eines seiner Freunde erhöhte die schwermüthige und empfindsame Stimmung, ohne jedoch den fröhlichen Sinn und die männlich-kräftige Natur in ihm zu tilgen, die sich namentlich während seines Aufenthalts in Zürich bei Bodmer äußerte und in seiner Liebe zum Reiten und Schlittschuhlaufen, das er so warm besang, zu erkennen gab. Im Jahre 1751 erhielt er durch die Vermittlung des Grafen von Bernstorf von dem dänischen König Friedrich V.

ein Jahrgehalt zur Vollendung seiner Messiade. Nun lebte er abwechselnd in Kopenhagen und Hamburg, wo er (1754) sich mit seiner,,geliebten Meta" verheirathete, die ihm aber schon 1759 durch den Tod entrissen ward. Auch in Karlsruhe, wohin ihn der hochherzige Markgraf Karl Friedrich berief, weilte er kurze Zeit. Die letzten Jahre brachte er ausschließlich in Hamburg zu, und als er 1803 daselbst starb, wurde er in dem Dorfe Ottensen bei Altona neben seiner Meta mit königlichen Ehren beerdigt. Er war ein begeifterter Freund der Freiheit und strafte mit Strenge in der Ode Fürstenlob die Schmeichler der Regenten; darum begrüßte er auch mit Enthusiasmus die ersten Erscheinungen der französischen Revolution, wendete sich aber bald mit Unwillen ab, als Ludwig XVI. auf dem Schaffot blutete, und sprach offen seinen ,,3rrthum" aus.

§. 66. Seine Werke. Klopstock war ein deutscher Patriot, darum sang er in seinen Bardieten so begeistert von den Freiheitskämpfen Hermann's und der Germanen, darum dichtete er eine tadelnde Ode auf Friedrich II., den Freund der französischen Literatur, darum wollte er anfangs Heinrich den Vogler als den Befreier des Vaterlandes, von dessen Thaten er schon als Knabe in Quedlinburg begeistert war, zum Helden seines Epos machen, ehe er den Messias, den Befreier des Menschengeschlechts, wählte. Ein hoher Sinn, eine reine Seele, ein edles Streben und ein kräftiger Schöpfungstrieb machten Klopstock zum König der klassischen Literatur der Deutschen. In seinen Dichtungen lassen sich drei Elemente erkennen. Das Antik-Klassische, das ihn auf die Versmaße des Horaz, auf die Verschmähung des Reims und auf die poetische Sprache und den feinen Formsinn der Alten führte; das Deutsch - Vaterländische, das ihm Abscheu vor den Franzosen und ihrer Berstandesdichtung einflößte, Ossian's nebelhafte Gefühlspoesie lieb machte und ihn in seinen Oden und Bardieten zu der altdeutschen Mythologie und zu dem Dunkel und der Ueberspannung der altnordischen Dichtung führte. Die dadurch erzeugte Bardenbegeisterung war in der deutschen Literatur von langem Nachhalt. Das dritte Element ist das christliche, das ihn in seinen feierlichen geistlichen Liedern und zu dem groBen lyrisch-epischen Heldengedicht Messiade anregte, das die seit achtzehn Jahrhunderten in der christlichen Menschheit lebende Idee von der Erlösung der Welt durch den Opfertod des Heilands zum Gegenstand hat und damit die ganze altchriftliche Mythologie von guten und bösen Engeln verbindet.

Schon die ersten Gesänge der Mesfiade erregten ein unerhörtes Interesse, das bei der allmählichen Entstehung der einzelnen Gesänge (1748–1773) sich immer steigerte und in eine unglaubliche Spannung überging. Die ganze Nation war für und gegen Klopstock in einer wahren Aufregung und während weichmüthige Seelen über Abbadonna's Abfall Ströme von Thränen vergossen und seine Begnadigung durch Bittschriften erflehten, eiferten die Orthodoren über Mißbrauch der Religion und Gottiched und seine Schüler über die Neuerung in Sprache und Versbau, Zwei Männer, die Klopstock vorangingen, hatten Einfluß auf die Entstehung und Ausführung dieses Gedichts; der große Musiker Händel, der sein Dratorium Messias einige Jahre früher componirt hatte und auf Klovstock's musikalische Natur von großer Wirkung war, und der englische Dichter Milton (Lehrb. §. 559), dessen verlorenes Paradies" kurz zuvor von Bodmer übersetzt worden war. Die Messiade ist nicht frei von Fehlern; die Hauptmängel sind, daß sie in fortdauernder Erhabenheit gehalten ist und dadurch in steter Spannung und Empfindung bålt, ohne ein Ausruben zu gönnen; dann daß sie mehr lyrisch als episch ist, d. h. daß sie zu wenig Handlung enthält, und Reden, Schilderungen und idyllische Scenen den Hauptinhalt bilden, und endlich, daß die geschilderten Gegenstände, Gott und Engel, Himmel und Hölle, für die menschliche Phantastie zu groß sind.

Klopstock war sowohl durch seine eigenen Werke als durch seine verschiedenartige Anregung vom größten Einfluß auf die Literatur des ganzen Jahrhunderts. Vom heiteren Wein- und Liebesliede bis zum feierlichen Hymnus fand man in ihm das Vorbild; seine in der Gelehrtenrepublik niedergelegten Ansichten über Sprache und Literatur erlangten allgemeine Geltung; der elegisch empfindsame Ton der Messiade ging auf die ganze Nation über. Man zollte ihm eine grenzenlose Verehrung sowohl wegen des Adels seiner Gesinnung und der Trefflichkeit seines Charakters, als wegen seiner Dichtungen, und diese Verehrung verlor fich selbst dann nicht, als er sich in vornehmer Abgeschlossenheit vom Volke

zurückzog, sich nur in einem engen aristokratischen, von Damen und Abeligen gebildeten Kreise bewegte, über Grammatik und Orthographie schrieb und an der geistigen Regsamkeit um ihn her keinen Theil mehr nahm.

§. 67. Die Schweizer (Geßner). Nirgends wurde Klopstod's Erscheinung mit größerm Jubel begrüßt, als in der Schweiz. Bodmer lud den Sänger der Messiade zu fich ein und wurde durch ihn so jugendlich angeregt, daß er sein früher begonnenes Werk, die Noachide, nunmehr in Klopstock's Manier vollendete und noch andere Werke in ähnlicher Art verfaßte. Klopstock zeigte sich für diese Theilnahme sehr empfänglich und schloß fich mit Innigkeit an Bodmer an, um so mehr, als Gottsched in thörichter Verblendung die neue Richtung der Poesie verdammte, zur Bekämpfung der seraphischen („sehr affischen“) Dichtung alle ihm zu Gebote stehenden Waffen – Verdächtigung bei den Orthodoxen und ohnmächtige Verspottung anwendete und den talentlosesten aller Dichter, den Freiherrn von Schönaich (der ein Epos nach altem Schlag (Anh. §. 57) und eine satirische Aesthetik gegen Bodmer und Klopstock verfaßt hatte), dem Sänger der Messiade als ebenbürtigen Mitbewerber um die Palme der Dichtkunst gegenüber ftellte. In der Schweiz rief die enge Verbindung mit Klopstock eine Fluth patriarchalischer Heldengesänge im Tone und in der Form der Messiade und die Wiederaufnahme einer bisher vernachlässigten Dichtgattung, der Idylle, hervor, in welcher der Maler und Buchhändler SaGegner lomon Geßner durch eine Reihe von Hirtenpoesien mit malerischen Naturschilderungen und Gefühlsüberschwenglichkeit („Der Tod Abels“, „Der erste Schiffer“) einen Namen gewonnen hat.

1736-87.

Moser 1723-98.

Die Idylle befaßt sich mit der Schilderung eines Naturzustandes und ist, wie der Name (Bildchen) be: zeichnet, der Malerei verwandt. Bei der Darstellung eines harmløsen Hirtenlebens voll Unschuld und Gins fachheit ahmte man die Schilderungen und Ausmalungen einzelner Scenen der Messiade so wie die biblischen Dramen Klopstock's (z. B. den Tod Adam's) nach. Troß einzelner Schönheiten entbehren Geßner's Wyllen jedes dauernden Interesses, da die süßliche, sentimentale Sprache in glatter Prosa nicht entschädigt für den Mangel an Wahrheit, Handlung und echter Natur. Seine Hirten find Menschen der großen Welt, im Schifergewande auf die Wiese gesezt. Geßner's jüngerer Zeitgenosse und Geistesverwandter war der ehemalige Mönch Bronner, der Dichter von Fischer idyllen.

,,Wie Bodmer die leere Form, Geßner die sentimentale Weichheit und idyllische Schilderei der Klopstock'schen Poesie auf die Spitze trieb, so that dies Joh. Kasp. Lavater aus Zürich in Bezug auf ihren christlichen Gehalt. Seine ersten Produkte waren poeti scher Art, theils Schweizerlieder, aber immer unter dem christlich - moralischen Gesichtspunkte, theils geistliche Gesänge, wo er einen feierlichen, salbungsvollen Lon anstimmte, theils epische Paraphrasen einzelner Theile der Bibel in Klopstoc'scher Art. Als Mitglied der für Religion und Vaterland glühenden „, patriotischen Gesellschaft“ der Schweiz theilte er mit vielen seiner Landsleute das schwärmerische Hochgefühl und Selbstvertrauen, das Klopstock angeregt, aber später überspannte er seinen Geist durch gesteigerte Andachtsübungen, Selbstprüfungen und religiöse Betrachtungen bis zu einem schwärme, rischen Enthusiasmus, der aber, weil wissentlich und künstlich erzeugt, ohne Feuer und Wärme war (Anh. §. 61. d.).

"

Von Klopstock angeregt, versuchte sich auch der als Publicist und Staatsmann berühmte Freiherr Fr. Karl von Moser aus Stuttgart (Sohn des gleichfalls als Publicist und Staatsrechtslehrer ausgezeichneten Joh. Jac. Moser, † 1785, dessen Rechtsfinn der Herzog von Würtemberg durch eine fünfjährige Haft auf der Festung Hohentwiel umsonst zu brechen suchte) in mehreren geistlichen Dichtungen (,,Daniel in der Löwengrube“); doch ist er bekannter durch seine prosaischen Schriften (Staatsgrammatit; der Herr und Diener; patriotische Briefe; patriot. Archiv; vom deutschen Nationalgeist u. a.). Er war ein vaterländisch gesinnter Mann, der freiere, den Engländern nachgebildete Ansichten über Staatsverfassung und Bürgerthum mit christlicher Strenggläubigkeit verband und die Ansicht zu begründen suchte, daß wahre chriftliche Gesinnung auch wahren Patrio

« ZurückWeiter »