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Barer, aber anregender Mann, der durch Rousseau's Emil von der Theologie auf das Gebiet Der Pädagogik geführt wurde, gab den Anstoß zur Befreiung der Schule von der Herrschaft der Geistlichkeit und der Kirche. Durch sein mit unerhörter Prahlerei und Wichtigthuerei angekündigtes Elementarwerk und durch seine unter dem Beistande des menschenfreundlichen Fürsten von Dessau in dieser Stadt errichtete Musterschule und Lehrerseminar (Philanthropinum) wurde er Reformator des Erziehungswesens. Zwar war der oberflächliche, zanksüchtige Basedow, der weder häuslichen Sinn noch Gemüth besaß und an einem regellofen, unfittlichen Leben, an Spiel, Tabak und Trunk Gefallen fand, nicht der geeignete Mann, der Anstalt Fortdauer, Halt und Gedeihen zu verleihen; aber sein auf Rousseau's philanthropischen Grundsäßen aufgebautes System, das auf Erleichterung des Unterrichts und auf Verbreitung von Kenntnissen und Bildung unter den niedern Volksklassen hinauslief, wurde von andern strebsamen Männern weiter geführt und brach sich überallhin Bahn. Die nach dem Dessauer Philanthropin in der Schweiz und in verschiedenen Gegenden Deutschlands errichteten Anstalten führten eine gänzliche Umgestaltung des Schulwesens herbei, namentlich als der für Kindererziehung und Volksbildung begeisterte Schweizer Joh. Heinr. Pestalozzi das von Basedow und seinen 17463 Pestalozzi Schülern Campe, Salzmann und Anderen Begonnene zum Ziele führte. Eine große 1827. Menge Kinderbücher und Volksschriften waren die nächste Folge dieser neuen Bestrebungen, doch hat keines der erstern den Ruf von Campe's Robinson Crusoe und Entdeckung von Amerika und keine der letztern den Werth des gemüthlichen Romans Lienhard und Gertrud von Pestalozzi erreicht.

Basedow war anfangs Theolog und schrieb im Sinne der Rationalisten eine Reihe theologischer Schriften, die ihm aber weder Ruhm noch Gewinn in hohem Grade brachten. Da warf sich der thätige Mann, dessen unruhige Natur sich schon aus seinem vielbewegten Leben kund giebt, auf das Erziehungswesen und traf in einer Anzahl pådagogischer Schriften so richtig die Stimmung und Gesinnung der von Sentimentalität und Humanitätsideen durchdrungenen Nation, daß die im Vertrauen auf die öffentliche Meinung unternommene Subscription auf sein Elementarwert sich in Kurzem auf die hohe Summe von 15,000 Thalern belief.

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Der gute Erfolg, den die Kinder- und Volksschriften bei der empfänglichen Nation hatten, bewirkte, daß Deutschland in Kurzem von einer Fluth mattherziger Kinderbücher zur Belehrung und Unterhaltung überschwemmt wurde. Campe's zahlreiche Schriften und Reisebeschreibungen, mit eingestreuten läppischen Gesprächen und Bemerkungen; Salzmann's wässerige und langweilige Bücher; der Kinderfreund des dramatischen Dichters Christ. Felix Weiße und viele ähnliche Produkte brachten ihren Verfassern Ruhm und Gewinn. Ein gleicher Eifer erwachte für volksfreundliche Schriftstellerei und für die Belehrung des Landmanns, seitdem der wackere und verständige J. G. Schlosser in seinem Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk die Bahn gebrochen und Fr. Eberh. v. Rochow seinem Beispiel gefolgt war. Doch verdient nur Pestalozzi's erwähntes Volksbuch eine Auszeichnung wegen,,der Einfalt und Schlichtheit, mit der es dem Volke seinen Gesichtskreis entlehnt und seine Denk- und Handlungsweise und die Freuden des häuslichen Heerdes schildert, um es an sich selbst und innerhalb seiner Sphäre fortzubilden." Wie nichtig nimmt fich dagegen Salzmann's Roman „Karl von Karlsberg oder über das menschliche Elend“ aus.

§. 63. Philosophie. In der aufgeregten Zeit, wo der Geißt sich bemühte, alle seinen freien Flug hemmenden Fesseln abzuftreifen, konnte sich die Leibniz-Wolfische Schulphilosophie (A. §. 53) mit ihrem Formelkram nicht halten; eben so wenig war das System des gelehrten, trockenen und grübelnden Crusius zu Leipzig im Stande, die strebsame Jugend zu fesseln; die Zeit der geschmacklosen, auf unerquicklichen Theorien und unverständlichen Terminologien beruhenden Weltweisheit schien vorüber und Männer von literarischer Bildung und ästhetischem Sinn, wie Moses Mendelssohn („, Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele"); Garve (,,Cicero von den Pflichten“ u. a.); Abbt („vom Tode für's Vaterland“) u. A. kleideten ihre philosophischen Betrachtungen in geschmackvolle Form und in verständliche Sprache ohne dunkle Schulausdrücke. Selbst die

Kant

1724

Lehrer der Philosophie auf Universitäten, wie J. Gg. Heinr. Feder in Göttingen, hul digten den Forderungen der Zeit und befleißigten sich in Vortrag und Schrift einer saß» lichen, geschmackvollen Darstellung. Dadurch gewann zwar die philosophische Wissenschaft an Klarheit und formaler Ausbildung, aber Gehalt, Gründlichkeit und Tiese verschwanden. Ein oberflächlicher Eklekticismus, vom flachen Dilettantismus nicht viel verschieden, gab sich für echte Weltweisheit aus. Da wurde Immanuel Kant in Königs 1804. berg der Schöpfer eines neuen philosophischen Systems, das, anfangs wegen seiner Schwierigkeit wenig beachtet, bald eine gänzliche Umgestaltung aller Bissenschaften zur Folge hatte. In seinen Schriften, unter denen seine drei Hauptwerke: Kritik der reinen Vernunft, Kritik der praktischen Vernunft, und Kritif der Urtheilskraft als Grundpfeiler emporragen, bestimmte er genau die Beschaffenheit und nothwendigen Grenzen des menschlichen Erkenntnißvermögens, stellte die Moral als wesentliche Grundlage aller vernünftigen Religion auf und gab der Rechtslehre und Aesthetik einen festen, einfachen Boden. Hatte anfangs die Kant’sche Philosophie zu wenig Anerkennung gefunden, so erlebte sie bald das Gegentheil. Sie fand Eingang in alle Wissenschaften und Literaturzweige, in die Poesie und in's Leben; sie bewirkte eine gänz liche Reform der Philosophie und bahnte den Weg zu der freien theologischen Richtung, die man seitdem mit dem Namen Rationalismus (Denkgläubigkeit) belegte, und die Heftigkeit, womit Fähige und Unfähige als Verfechter oder Gegner der neuen Weisheit zum Kampf auszogen, gab Zeugniß von dem mächtigen Eindruck, den seine Grundfäße auf alle Gebildeten hervorgebracht. Zur Verbreitung der neuen Philosophie trug Wieland's Schwiegersohn, der aus dem Jesuitenorden ausgeschiedene und zum Protestantismus übergetretene Philosoph Reinhold, welcher im,, deutschen Merkur“ Briefe über die Kant’sche Philosophie veröffentlichte und in Jena vielbesuchte Vorlesungen darüber Fichte hielt, nicht wenig bei. Kant's großer, scharfsinniger Schüler, Fichte, ein muthvoller, 1814 charakterfester Mann von echt deutscher Gesinnung, nahm einen kühnen Flug, indem er von dem Kant'schen Kriticismus zu dem reinen Idealismus überging, in seiner „Wissenschaftslehre“ das Ich als das Erfte und Ursprüngliche sezte, so daß der Mensch alle Außendinge nur durch und in seiner Vorstellung kennt, nicht was sie an und für sich sind, und in seinem „System der Sittenlehre" Freiheit und Selbstthätigkeit als Ziel des sittlichen Strebens hinstellte. Ein energievoller Geist von folgerichtigem Denken,,,versuchte Fichte von einem einzigen unumstößlichen Grundsaß und Gedanken aus die Welt aufzuerbauen“, und gerieth endlich zu der unbedingten Leugnung jeder Realität der Außenwelt. - An Schelling Fichte's Grundsäge knüpfte sein Jünger und Nachfolger, Schelling, seine, auf einer Verbindung des Idealismus (Transcendentalphilosophie) und Realismus (Naturphilosophie) burch die intellectuelle Anschauung beruhende dentis tätslehre an, die er jedoch in der Folge mit andern myftisch-theosophischen Systemen vertauschte, bis er zuletzt zu der neuesten, der Welt versprochenen aber nicht kundge. gebenen positiven Philosophie der Mythologie und Offenbarung“ kam. Segel Schelling's intellectuelle Anschauung gestaltete fich in Hegel's dialektischer Bhilo. 1831. sophie zu einem Begriff, von dem Alles ausgeht und zu dem Alles zurückkehrt, zu der Philosophie des Geistes, der, durch verschiedene Entwickelungsstufen vom Denken zum Sein aufsteigend, nach Ueberwindung der Gegensätze zum vollkommenen Selbstbewußtsein gelangt.

1762

1775

1854.

1770

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Kant, seit 1770 Prof. der Logik und Metaphysik in Königsberg, hat eine große Anzahl Schriften hinterlassen (über das Gefühl des Schönen und Erhabenen; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten; Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft; Rechtslehre; Anthropologie u. a.), die sich zur Vervollständigung des Systems an die drei Kritiken, zu denen er durch Hume's Skeptik angeregt wurde, anschließen. Kant geht von dem Saz aus: ehe Etwas über die Objekte der Erkenntniß entschieden werden könne, müsse das Era kenntnißvermögen selbst geprüft werden. Er fand dann in der Sinnlichkeit, als der Empfänglichkeit für äußere Eindrücke, die Formen des Raums und der Zeit; in dem Verstande das Vermögen, vermittelst der Kategorien die Mannichfaltigkeit der Erfahrung zur Einheit des Begriffs zu führen; in der Bernunft die

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Idee des Unbedingten und Absoluten und in der Urtheilskraft den Begriff der Zweckmäßigkeit und im Willen (prakt. Vernunft) den kategorischen Imperativ des Sittengeseßes. Durch diese Formen des menschlichen Geistes ist nur eine Erkenntniß der in der Erfahrung gegebenen Objecte zu erzielen; was über die Erz fahrung oder die, durch die Sinne wahrnehmbare und durch den Verstand begriffene Natur hinausliegt, kann nicht mehr durch Erkenntniß erfaßt werden. Diese höhere Welt, der tiefere Urgrund der Wirklichkeit, wurde von F. H. Jacobi u. A. ganz dem Glauben überwiesen; Kant aber suchte für die der theoretischen Seite der Bernunft entzogene Befugniß in der praktischen eine Stüße für den Glauben an Gott und Tugend und stellte als solche die unbedingte Gültigkeit des Sittengefeßes auf. Zur Erfüllung dieses Sittengesehes (des kategorischen Imperativs) werden als Postulate gewisse unerweisliche Säße, wie Freiheit, Unsterblichkeit, Dasein Gottes als nothwendig angenommen und als moralisch - praktische Bedürfnisse hingestellt. In der Rechtslehre machte Kant die angebornen und ursprünglichen Menschenrechte zur Grundlage aller Rechtsverhältnisse. Joh. Gottl. Fichte stellte als Ursaß alles Denkens und als Ursache alles Seins das sich selbst und das Nicht - Ich seßende Ich auf. Das Ich ist das mit unendlicher Selbsttbätigkeit begabte Absolute, das als Anstoß und Schranke seiner Thätigkeit das Nicht-Ich, d. h. die Welt der Objecte, die Natur, gegenüberstellt. Die äußere Welt existirt nur durch das Ich und in dem Ich. Das Ich ist also das Ursprüngliche, aus welchem zuerst die Welt und dann Gott als Weltordnung hervorgeht. Diese mit der größten Hartnäckigkeit, ohne alle Rücksicht auf den herrschenden religiösen Glauben durchgeführte Lehre bez wirkte, daß Fichte als Professor der Philosophie in Jena des Atheismus verdächtigt wurde. Ein in seinem philosophischen Journal abgedruckter Aufsaß: ueber die Gründe unsers Glaubens an eine gött liche Weltregierung führte ein Verbot des Journals und eine amtliche Untersuchung herbei, in deren Folge Fichte seine Entlassung forderte und erhielt. Von dem an lebte er theils in Erlangen, theils in Berlin. Als kühner Vorkämpfer für Volksfreiheit, dem mächtigsten Zwingherrn des Zeitalters gegenüber, ist Fichte's Name bei der Nation in ehrenvollem Andenken geblieben. „Dem Einfluß der Idealphilosophie und Fichte's gedruckten Reden verdankte Deutschland in den traurigen Zeiten, als Napoleon's Polizei jedes edle und nationale Streben verfolgte, die Stählung der Seelen und die Verbreitung von Schriften, welche, ohne gerade politisch zu sein, dennoch politisch wirkten.“ In seinen, Reden an die deutsche Nation“ strebte er das Volk zum Leben und Handeln zu erwecken, indem er die sittliche Erziehung in Preußen zu verbessern unternahm. Fichte's Nachfolger in Jena wurde Fr. W. J. Schelling, geboren am 27. Jan. 1775 zu Leonberg im Würtembergischen, gestorben auf einer Badereise zu Ragaz in der Schweiz im August 1854. Frühe entwickelt, bezog er mit 15 Jahren die Universität Tübingen und verfaßte schon während seiner Studienzeit mehrere philosophische Abhandlungen in Fichte's Geist. Während seines Aufenthalts in Jena ergab er sich immer mehr dem Zdealismus seines Vorgängers, wie aus der Schrift „über das Ich“ hervorgeht, die Fichte als einen Commentar seiner Wissenschaftslehre ansah. In der Schrift,,Ideen zu einer Philosophie der Natur“ erscheint ihm die Natur noch ganz als Ausfluß des menschlichen Geistes,,,als Dope pelbild, das der Geist selbst producirt, um durch die Vermittelung desselben zur reinen Selbstanschauung, jum Selbstbewußtsein zurückzukehren.“ Erst in der Schrift,, von der Weltseele“ legt Schelling der Natur ein eignes, selbständiges Dasein bei und stellt der idealen Transcendental - Philosophie Fichte's eine Naturphilosophie zur Seite. Diesen Uebergang zu der zweiten Periode bezeichnen die zwei Schriften „Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie“ und System des transcendentalen Idealismus“; beide Wissenschaften, die Natur- und Geistesphilosophie, erscheinen hier als die zwei entgegengeseßten Pole, jene als Inbegriff des blos Objectiven, diese als Inbegriff des blos Subjectiven. Die Naturphilosophie, die, von der Erfahrung ausgehend, durch eine Reihe endloser Entwickelungen auffteigt, hat zum Ziel die vollkommene Darstellung der Intellectualwelt in den Geseßen und Formen der erscheinenden Welt und hinwiederum vollkommenes Begreifen dieser Geseße und Formen aus der Intellectualwelt, also die Darstellung der Identität der Natur mit der Idealwelt." Die Transcendentalphilosophie ist die inwendig gewordene Naturphilosophie“, worin dieselbe successive Entwickelung am anschauenden Subject vorgenommen wird, bis durch eine Stufenfolge von Anschauungen ,, das Ich sich zum Bewußtsein in der höchsten Potenz erhebt". Wie die Naturphilosophie zerfällt auch die Transcendentalphilosophie in drei Theile, in die theoretische, in die praktische und in die Philosophie der Kunst. Das Kunstwerk,,als die vollkommene Identität der Idee und der Erscheinung" (des Geistes und der Natur) ist dem Philosophen das höchste Product des Geistes, in welchem die Intelligenz zur vollkommenen Selbstanschauung gelangt. Durch diese Entgegenseßung der Natur- und Transcendentalphilosophie war Schelling schon über Fichte hinausgegangen. Er lehnte sich mehr an Spinoza an und machte in der dritten Periode seines geistigen Lebens, während seines Aufenthalts in Würzburg, die Identität des Idealen und Realen, des Denkens und Seins zum Prinzip, daher auch seine Philosophie nach diesem hervortretenden Kriterion hauptsächlich als Identitätslehre bezeichnet wird. Seine bedentendsten Schriften aus dieser Periode find: Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge";,,Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums" u. a. In der leztern Schrift versuchte Schelling von diesem Standpunkte der Identität oder Indifferenz aus eine encyklopädische Bearbeitung sämmtlicher philosophischen Disciplinen in übersichtlicher, populär gehaltener Darstellung. Nach diesem neuen Standpunkt,, sollte die intellectuelle Anschauung eine Handlung der absoluten Vernunft sein, und diese absolute Vernunft sollte das Absolute als Indifferenz zwischen dem Subjectiven, welches Fichte hervorgehoben, und dem Objectiven, welches Jacobi suchte, vermittelnd auffassen.“ -,,Zwischen Subject und Object kann daher, da es eine und dieselbe absolute Identität ist, die sich in beiden darstellt, kein

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qualitativer Gegensaß, sondern nur eine quantitative Differenz (ein Unterschied des Mehr oder Weniger) stattfinden, so daß Nichts entweder blos Object oder blos Subject ist, sondern daß in allen Dingen Subject und Object vereinigt sind, nur in verschiedenen Mischungen“; die Stufenfolge dieses Uebergewichts it eine Reihe von Potenzen des Subjects und des Objects, und es ist die Aufgabe der wissenschaftsiden Construction (wie Schelling seine neue Methode nannte), die Stufenfolge dieser Potenzen ohne die Beis hülfe der Erfahrung als nothwendige Evolutionen und Manifestationen des Absoluten darzustellen. — Über auch auf dem Standpunkt der Indifferenz barrte Schelling nicht aus. Die construirende Methode verz lassend, folgte er mehr und mehr seiner schrankenlosen Phantasie und warf sich auf die religiöse Myñik, befon: ders seitdem er durch seine Berufung nach München an die Academie und dann an die neugegründete Unis versität in neue Umgebung gekommen. In seiner Schrift,, Philosophie und Religion” u. a. lebnt er sich an die Reuplatoniker an, läßt die Welt durch einer Abfall vom Absoluten entstehen und sieht in der Bersöhnung dieses Abfalls, in der vollendeten Offenbarung Gottes, die Endabsicht aller Geschichte. Mit dieser Idee verknüpft er die platonischen Vorstellungen von einem „Herabfteigen der Seele aus der Intellectualität in die Sinnenwelt", von einer Wanderung und Erlösung und legt der Wissenschaft nur in so fern Berth bei, „alt fie speculativ, d. i. Contemplation Gottes ist“. „Losgesagt von der Meinung des aufklärerischen Geschlechts, daß die Menschheit sich erst allmählich von der Dumpiheit des Inftinkts zur Vernunft emporgerichtet, fand Schelling fie vielmehr von einem Zustand früherer Bildung herabgesunken, in dem sie einst der Erziehung höherer Wesen, „eines Geistergeschlechts", theilhaftig gewesen sei; in der gefallenen Periode zeigten sich solche Lehrer nur noch einzeln wieder, die mit Bewußtsein zur Herstellung jenes vollkommeneren Lebens anleiteten. In der Rolle solch eines Lehrers wies er also auf die Urwelt zurück, wo ihm die Sage von Göttern und Halbgöttern als eine geschichtliche Thatsache, die Mythologie als das größte aller Kunstwerke erschien, dał einer unendlichen Auslegung fähig set." Dieses Eingeben auf den Reuplatonismus und auf die religtöjen Mystiker und Schwärmer des Mittelalters führte endlich Schelling zu der tiefsinnigen Theoforhie des Jacob Böhme und zu einer fünften Periode seiner Philosopbie. Diese Richtung gab sich zuerst fund in der merk würdigen Schrift, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit“ und in einer Streitschrift gegen Jacobi. Darin stellt er Gott als Urgrund oder Indifferenz dar, der in zwei gleich ewige Anfänge, in Grund und Eristenz, in Ideales und Reales aus einander gehe, um dann burą die Liebe, durch das ewige Wort in Gott, wieder versöhnt zu werden. Indem sich nämlich der Urgrund nach dunkeln und ungewissen Gesezen, einem wogenden Meere gleich, sehnend bewegt, erzeugt er eine innere Borstellung, durch welche er sich selbst im Ebenbilde erblickt. Diese Vorstellung ist, das ewige Work in Gott", welches in der Finsterniß als Licht aufgeht und zu seinem dunkeln Schnen den Verstand hinzugibt“. Dieser Verstand, vereint mit dem Grunde, wird freischaffender Wille. Sein Geschäft ift die Anordnung der Natur, des bisher regellosen Grundes; und aus dieser Verklärung des Realen durch das Ideale entsteht die Schövfung der Welt. Die Weltentwickelung hat zwei Stadien: 1) Die Geburt des Lichtes oder die stufenweise Ents wickelung der Natur bis zum Menschen. 2) Die Geburt des Geistes oder die Entwickelung des Menschen in der Geschichte. In jedem Naturwesen sind zwei Prinzipien zu unterscheiden, das dunkle Prinzip, durch wels ches die Naturwesen von Gott geschieden sind und einen Particularwillen haben, und das göttliche Brinzip des Verstandes, des Universalwillens. Bei den vernunftlosen Naturwesen herrscht der Universalwille alb äußere Naturmacht, als leitender Instinkt; im Menschen sind beide Prinzipien, der Universalwille und der Particularwille, vereinigt, aber zertrennlich, und auf dieser Zertrennlichkeit beruht die Möglichkeit des Guten und Bösen. Das Gute ist die Unterordnung des Particularwillens unter den Universalwillen, die Berkch: rung dieses richtigen Verhältnisses ist das Böse“; in der Möglichkeit beider besteht die menschliche Freiheit. In Christus ist das Prinzip der Liebe dem Mensch gewordenen Bösen entgegengetreten. „Das Ende der Geschichte ist die Versöhnung des Eigenwillens und der Liebe, die Herrschaft des Universalwillens, so daß Geti ist Alles in Allem." Seine Gottesidee ist demnach eine Vereinigung von Naturalismus und Theismus, se daß Gott Grund und Ursache zugleich ist. — Nach der Aufstellung dieses Systems beobachtete Schelling ein langes Schweigen, indem er, einige kleinere Abhandlungen abgerechnet, Nichts im Druck erscheinen lieś. Selbst seine im Jahre 1841 erfolgte Berufung nach Berlin, um durch sein neuestes System „Philoforble der Mythologie und Offenbarung" der Hegel'schen Begriffslehre entgegen zu wirken, hat dieses Schweigen nicht zu zerreißen vermocht. Die Darstellung dieses lezten Systems der „rofitiven Philosophie“ hat Schelling der Welt vorenthalten und das von Andern darüber Veröffentlichte kann nicht als authentische Quelle gelten. Die Schelling sche Philosophie ist kein geschlossenes, fertiges Syftem, zu dem sich die einzelnen Schriften als Bruchtheile verhielten, sondern sie ist wesentlich, wie die platonische Philosophie, Entwickelungsgeschichte, eine Reihe von Bildungsstufen, die der Philosoph an sich selbst durchlebt hat. Staft die einzelnen Wissenschaften vom Standpunkt seines Prinzips aus systematisch zu bearbeiten, hat Schelling immer wieder von vorn angefangen, immer neue Begründungen, neue Standpunkte versucht, meist (wie Plato) unter Anknüpfung an frühere Philosopheme (Fichte, Spinoza, Neuplatonismus, Leibniz, Jacob Böhme, Gnosticiss mus), die er der Reihe nach in sein System zu verweben gesucht hat.“

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Schelling's Landsmann und Studiengenosse in Tübingen war Georg W. Fr. Hegel, geb. den 27. Aug. 1770 zu Stuttgart. Nach einigen in der Schweiz und in Frankfurt a. M. als Hauslehrer verlebten Jahren habilitirte sich Hegel in Jena, wo er bis zum Jahre 1806 in Schelling's Geift philosophische Vorträge hielt. Unter dem Kanonendonner der Schlacht bei Jena vollendete er die „, Phånomenologie des Geißter“, sein erstes großes und selbständiges Hauptwerk, die Krone seines Jenaer Wirkens, seine „Entdeckungsreisen“, wie er sie selbst nannte. Von Zena siedelte er nach Bamberg über, wurde aber schon im Jahre 1808 Rector

des Gymnasiums zu Nürnberg, wo er sein großes Werk über,,Logik" bearbeitete. Im Jahr 1816 folgte er einem Rufe als Professor der Philosophie nach Heidelberg und gab dort die,,Encyklopädie der philosophischen Wissens schaften“ heraus, worin er zum erstenmal das Ganze seines Systems aufstellte. Seine größte Berühmtheit aber erlangte Hegel erst durch seine 1818 erfolgte Berufung nach Berlin, wo er sich eine ausgebreitete, wissen= schaftlich thätige Schule heranzog, Vorlesungen über alle Zweige der Philosophie hielt und seinem System eine Zeit lang die Geltung einer Staatsphilosophie erwarb. An Schelling sich anlehnend, theilte Hegel seine Bhilosophie in drei Theile:,,1) Die Exposition des Indifferenzpunktes, die Entwickelung der reinen, allem natürlichen und geiftigen Leben zu Grunde liegenden Begriffe oder Denkbestimmungen, die logische Entfalz tung des Absoluten- die Wissenschaft der Logik; 2) die Entwickelung der realen Welt oder der Natur - Naturphilosophie; 3) die Entwickelung der idealen Welt oder des concreten, in Recht, Sitte, Staat, Kunst, Religion, Wissenschaft sich bethätigenden Geistes Philosophie des Geistes. Diese drei Theile des Systems stellen zugleich die drei Momente der absoluten Methode: Thesis, Antithesis und Synthesis dar. Das Absolute ist zuerst reiner, stoffloser Gedanke; zweitens ist es Anderssein des reinen Gedankens, Berzerrung desselben in Raum und Zeit - Natur; drittens kehrt es aus dieser Selbstentfremdung zu sich felbft zurück, hebt das Anderssein der Natur auf und wird erst dadurch wirklicher, sich wissender Gedanke oder Geist." Diese fortschreitende Entwickelung des Geistes von den niedrigen zu den höhern Bewußtseinsformen bis zur vollkommenen Selbsterkenntniß und Selbstgewißheit geschieht durch die Methode der Dialektif.

Möser

1720-94.

1735

1752

Johannes

1752

1809.

§. 64. Geschichte. Auch die Geschichtschreibung nahm einen mächtigen Umschwung. Justus Möser zeigte in seiner Osnabrück'schen Geschichte, wie man nur durch Erforschung und Würdigung der einheimischen Lebensverhältnisse, Sitten und Einrichtungen zu einer wahren Volks- und Landesgeschichte gelangen könne; Herder's Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit gaben den Anstoß zu einer freiern, großartigern Auffassung der Weltgeschichte, indem sie den Forscher auf die philosophische Höhe führten, von der das Auge die Völkermassen vieler Jahrhunderte überschaute; und wenn schon Schlözer gegen diese poetische Auffassung ankämpfte, die klassischen Autoren gering- Schlözer schätzte und mit praktischem Sinn blos die bestehenden Verhältnisse erfaßte und zu bessern 1809. suchte, die höhere philosophische Anschauung der Geschichte machte sich dennoch geltend. Ludw. Tim. v. Spittler schied zuerst mit ordnendem Sinn den Geist und das Wesen der Spittler Geschichte aus dem massenhaften Material der Kirchen- und Staatengeschichte, machte auf 1810. das Freiheitsbedürfniß der Menschennatur und auf die heiligen Rechte der Völker aufmertfam und verlieh der historischen Darstellung Klarheit, Würde und Adel der Sprache. Der Schweizer Johannes von Müller strebte nach dem Ruhm eines deutschen Thukydides, v. Müller indem er die großartigen Erscheinungen der Weltgeschichte in objectiver Ferne betrach tete und in kunstvoller rhetorischer Sprache darstellte; ihm war es gegeben, den historischen Stoff, den er sich durch unermeßliche Belesenheit zu eigen gemacht, mit dem Lichte des Geistes zu durchdringen und zu schöner Form zu gestalten. Ein begeisterter Herold der Freiheitskämpfe und der republikanischen Tugend seiner Landsleute in seiner Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft, entbehrte er im Leben der männlichen Haltung und Festigkeit und endete als Minister der Napoleonischen Militärherrschaft in Kaffel; er bildete in dieser Beziehung den Gegensatz zu seinem Mainzer Kol- Georg legen, dem charaktervollen, für Freiheit und Weltbürgerthum schwärmenden Georg For Forter fter, der im Strudel der französischen Revolution unterging. Friedr v. Raumer Raumer schrieb seine Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit mit der Vorliebe eines geb. 1781. Romantikers für die untergegangene Herrlichkeit der mittelalterlichen Welt; Leopold Ranke suchte das bewegte Leben und die verwickelten Zustände der Reformationszeit in Deutschland, Italien (,,Geschichte der Päbste“), Frankreich und England durch neue Forschungen aufzuhellen und durch lichtvolle und gewandte Darstellung anschaulich zu machen. Barthold Georg Niebuhr beleuchtete mit der Fackel historischer Kritik die Ge- Niebuhr schichte des alten Roms und sammelte mit raftlosem Fleiß und bewunderungswürdiger Belesenheit aus den Werken der Alten die zerstreuten Winke und Notizen zu seinem unsterblichen Werke, das eine neue Epoche in der Behandlung der Geschichte des Alterthums begründete. Nicht zufrieden, das Widersprechende der traditionellen Geschichte nachzuweisen und die Irrthümer in dem bisher für historisch Gehaltenen darzuthun, war Niebuhr zugleich bemüht, „die unter der Hülle der Sagendichtung verborgene Wahrheit zu erken

1754-94.

Ranke

geb. 1795.

1776

1831.

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