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als Lohn. Ruodlieb wählt Weisheit und erhält von dem König zwölf Lehren, die nun im Verlaufe des Gedichtes an dem Helden durch Erfahrung erprobt werden. Heimlich gab ihm aber der König noch große Schäße mit, die er ihm in zwei Brode backen ließ.

§. 6. Legenden. Kaiserchronik. Hannolied. Auch im 12. Jahrh. bleibt die Dichtung noch zum Theil in den Händen der Geistlichen, aber unter dem Einfluß der Kreuzzüge und größtentheils in deutscher Sprache. Sie ist wieder vorherrschend religiös, beschränkt sich aber nicht mehr auf das Leben und Leiden Jesu, wie in den Evangelienharmonien, sondern zieht noch Verwandtes aus der Bibel, aus den Legenden und Heiligengeschichten und endlich aus der Profangeschichte in ihr Bereich. Zu den bekanntesten der Art gehört die von Wernher vom Niederrhein verfaßte Legende von der heil. Veronika, die in ihrem Tuche des Heilands Bild auffaßt, das den kranken Kaiser Titus heilt. Besonders wird die Maria, deren Verehrung dem durch die Kreuzzüge ausgebildeten Frauen- und Minnedienst entsprach, Mittelpunkt der Dichtung. So in dem gemüthlichen, frommen Lob gedicht auf die heil. Jungfrau von dem Pfaffen Wernher von Tegernsee in Bayern (c. 1173). Eine große Zahl solcher Legenden und Wundergeschichten (für welche die von religiösen Ideen beherrschte Zeit der Kreuzzüge besonders empfänglich war) findet man, mit weltlichen Bestandtheilen gemischt, in der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Kaiserchronik und in dem damit verwandten Lobgesang auf den h. Hanno (Erzbischof von Köln, † 1075).

In beiden flicht der Dichter in die ganz unhistorisch und verwirrt dargestellte Geschichte der römischen Kaiser von Pompejus und Gåsar an (mit denen Karl der Große in Verbindung gebracht wird) eine Menge von Erzählungen, Legenden und Novellen ein, reiht deutsche und römische Geschichte an einander und verknüpft nach Art eines Märchens ganz verschiedenartige Dinge. Dieses kühne Verfahren, Altes und Modernes mit leichtfertiger Phantasie auf die confuseste Weise zu verbinden, die Geschichtserzählung als Rahmen für eine bunte Masse von Märchen und Legenden zu gebrauchen und an historische Namen und Begebenheiten fabelhafte Abenteuer und Wunder anzureihen, wurde durch die Kreuzzüge, wo sich Wahres und Erdichtetes so vielfach berührte, und durch den mittelalterlichen Wunderglauben gefördert. In dem Hannolied beginnt der Dichter nach der kurzen Bemerkung, daß er nicht Helden und irdische Kämpfe bes fingen, sondern auf das ewige Seelenbeil hinführen wolle, mit der Schöpfung und dem Sündenfall, geht dann von der Schlacht zwischen Pompejus und Gåsar, die rasch und lebendig geschildert ist, auf Augustus und die Gründung Kölns über, erzählt die Verbreitung des Christenthums unter den (von den Trojanern abstammenden) Franken, deren erster Befehrer in dieser Stadt seinen Siz hatte und das unter seinen Bischöfen so viele Heilige zählt, schildert die Gräuel des Bürgerkriegs unter Kaiser Heinrich IV., und schließt mit dem Lobgesange Hanno's, des 33. Nachfolgers des ersten Heidenbekehrers in der heil. Stadt am Rhein. §. 7. Das Rolandslied. Während der Kreuzzülge fanden nur diejenigen Dichtungen Interesse, die mit dieser großen Begebenheit in irgend einem Zusammenhang standen. Da nun aber die Grundlage der Kreuzzüge der Kampf des Christenthums wider das Heidenthum (Islam) war, so lag es sehr nahe, diesen Kampf schon mit Karl dem Großen, dem ersten heidenbekehrenden Monarchen, beginnen zu lassen. Darum wurden die Sagen von Karl dem Großen und seinen 12 Pairs (Paladinen), die der Zwölfzahl der Jünger Jesu nachgebildet sind und als Apostel handeln, im 12. Jahrhundert in Frankreich mehrfach poetisch behandelt und gingen dann allmählich, wie die Begeisterung für die Kreuzzüge selbst, auch auf Deutschland und die übrigen Länder Europa's über. Das älteste deutsche Gedicht aus dem Sagenkreise Karl's des Großen ist das Pfaffe Rolandslied des Pfaffen Konrad nach einer französischen Darstellung. Es wurde Konrad verfaßt im Dienste Heinrichs des Löwen, der, gleich seiner Gemahlin Mathilde von England, ein Freund der ritterlichen Sagen war.

Inhalt: Karl der Große faßt, von einem Engel gemahnt, den Entschluß, die Heiden in Spanien zur Annahme des Christenthums zu zwingen. Als er bereits viele Burgen und Städte erobert hat, senden die „hoffärtigen" Heiden Friedensboten ab, um dem Kaiser, der als königlicher Prophet und Gottesstreiter auftritt und dessen Augen wie der Morgenstern leuchten, ihre Bereitwilligkeit, sich zu Chrifti Lehre zu bekehren, anzukündigen. Darauf beschließt Karl, Gesandte an den Hof des Heidenkönigs Marñl von Saragossa zu schicken, um sich von dessen wahren Absichten zu überzeugen. Auf Roland's Vorschlag wird die Gesandtschaft seinem Stiefvater, dem falschen Ganelon, übertragen, der sie ungern übernimmt und daher aus Groll auf Roland's Untergang sinnt. Von dem Heidenkönig mit Gold bestochen, bringt er durch

c. 1175.

trügerische Botschaft Karl den Groken dazu, aus Hispanien abzuziehen und seinen Neffen Roland mit der Nachhut des Heeres in den Engpässen der Gebirge zurückzulassen; aber in Folge des Verraths von Ganelon werden die chriftlichen Streiter in dem Thale Roncevalle (§. 271) von einem überlegenen Heer der Heiden überfallen und treß ihrer Riefenstärke und wunderähnlichen Tapferkeit sämmtlich erschlagen. Der Kampf und Tod der Helden, besonders Roland's und seines Freundes Olivier, find trefflich geschildert. Karl, durch Roland's elfer.beinernes Horn (dessen Schall auf Tagesweite gehört ward) zur Hülfe herbeigerufen, zieht mit einem Heer hin und rächt den Tod der Gefallenen durch eine Schlacht, worin die Heiden benegt, Saragossa erobert und ihre Oberhäupter sammt dem König getödtet werden. Mit Karl's Klage und der Bestattung der Todten, wobei allerlei Wunder geschehen, schließt das Gedicht. Der Verräther Ganelon wird in Aachen von Pferden zerrissen. Eine andere mattere Bearbeitung des Rolands liedes ist vom Stricker aus dem dreizehnten Jahrhundert.

§. 8. Herzog Ernst und König Rother. Auch die deutschen Volksjagen wurden von den Geistlichen mit zeitgemäßen Zusäßen erweitert und mit dem Morgenlande in Beziehung gebracht, was man besonders an den beiden Gedichten,,Herzog Ernfi“ und „König Rother" bemerken kann. In dieser Gestalt gingen sie dann in die Hände der fahrenden Sänger über, die zu einer Zeit, wo die Laien noch mit den Geistlichen um den Besitz der Poesie rangen, die deutschen Volksgesänge wieder aus der Zelle in das öffentliche Leben einführten und sie auf den Straßen und den Burgen der Ritter vortrugen.

Aber die Einförmigkeit des Stoffs und die Trockenheit der Behandlung machte eine neue Gattung und ein neues Element nothwendig; dies erhielt die Dichtung in der Minne, die zuerst von Heinrich von Veldeke eingeführt ward, und durch welche die Boefte den Geistlichen gänzlich entzogen und an die Burgen der Ritter und die Höfe der Fürsten gepflanzt wurde. Denn wie sollten Kleriker, die durch den Cölibat von dem Verkehr mit Frauen ausgeschlossen waren, und deren Stellung und Beruf eine ernstere Haltung und Beschäftigung gebot, sich ferner einer Dichtung widmen, worin Frauendienst und Rinne den Mittelpunkt bildeten ?

Im Herzog Ernst, der im 12. Jahrh. mehrfach lateinisch und deutsch bearbeitet wurde und in der Folge als Volkserzählung weit verbreitet blieb, werden an die Geschichte eines deutschen Ritters, der bald als Konrad's II. Stiefsohn (§. 294), bald als Otto's I. Sohn auftritt und zur Sühnung eines an seinem Lehnsberrn begangenen Mords einen Kreuzzug unternimmt, die wunderbarsten Märchen und Abenteuer zu Wasser und zu Land angeknüpft. Man findet darin die Wundergeographte des Alterthums, wie die Homerischen Pygmäen und Gyklopen, ein Kranichvolk u. dergl., mit den orientalischen Märchen von den Riesen Palästina's, von einem Magnetberge im Lebermeer, das alles Eisenwerk aus den Schiffen zicht, von Greifen, die Menschen rauben u. A. Nach diesen und vielen andern Abenteuern gelangt er endlich nach Jerusalem, zieht dann wieder heim und erhält die Verzeihung des Kaisers. Auf ähnliche Weise wurde im König Rother eine ältere Volkssage umgearbeitet und mit Konstantinovel und dem Morgenlande in Verbindung gebracht. In der scandinavischen Wilkinasage heißt der Held Osantrir und ist Vater der Königin Helke, Ezel's erster Gemahlin. Er ist ein König vom Wickingerland und freit um Melias, die schöne Tochter des Hunnenkönigs, der an der Nordsee herrscht. Durch die Kreuzzüge wurde die Erzählung nach Konstantinopel verlegt, die Namen verändert und König Rother zum Ahnherrn Karl's des Großen gemacht. In dieser Gestalt ist der Inhalt folgender: König Rother, der zu Bare (Bari) in Apulien herrscht, läßt um die Tochter Konstantin's werben. Seine Gesandten werden in's Go fängniß geworfen. Da erscheint er selbst unter dem Namen Dietrich in Konstantinopel und führt die Königstochter als Braut heim, nachdem er durch sie die Befreiung seiner gefangenen Gesandten bewirkt. Nach einiger Zeit wird die Königin von einem Spielmann entführt und nach Konstantinopel zurückgebracht, dort aber zum zweitenmal von Rother und seiner Riesenschaar, unter harten Kämpfen mit dem König von Babylon, erworben.

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Aehnliche Erzählungen von Wanderzügen und Brautwerbungen bilden den Inhalt mehrerer anderen von Geistlichen erweiterten und veränderten Volksgedichte des 12. Jahrhunderts (z. B. St. Oswald, Salomon und Morolf u. a.). Auch die schöne, aber unvollendete Ritterdichtung Graf Rudolf, worin die Abenteuer eines deutschen Ritters und Kreuzfahrers im heil. Lande und seine Liebe zu der von ihm zum Christenthum bekehrten Tochter des Heidenkönigs von Halap (Aleppo) geschildert find, gehört dieser Gat tung an, die in den Kreuzzügen neuen reichen Stoff erlangte. Graf Rudolf scheint zwischen 1170 und 1173 verfaßt zu sein.

B. Die ritterliche Minnedichtung.

I. Blüthe der ritterlichen (romantischen) Poesie unter den
Hohenstaufen.

1. Antike Stoffe.

§. 9. Alexanderlied des Pfaffen Lambrecht. Ehe die Dichtung in die Hände der Minnesänger überging, stellte der Pfaffe Lambrecht in seinem Aleranderliede noch ein Denkmal des antiken Geistes und der alten Gesinnung auf. Der Charakter der alten heidnischen Welt war Thatkraft und Vertrauen auf menschliche Stärke, während durch das Christenthum mehr das innere Leben des Gefühls hervorgekehrt wurde. Dort war daher Gebrauch der uns verliehenen Kräfte zu eigenem Frommen und zum Wohl des Vaterlandes Zweck des Lebens; hier erhalten die Handlungen erst Werth und Bedeutung durch die religiöse Richtung und die höhere Eingebung. Die letztere Gesinnung liegt dem Nolandslied zum Grunde; die erstere ist in der Alexandersage enthalten. Die Thaten und Schicksale eines Helden, der in der Wirklichkeit Alles übertraf, was die Geschichte Großzes aufzuweisen hat, wurden schon frühe bei allen Völkern des Morgen- und Abendlandes Gegenstand der Poesie, der Sage und des Märchens. Im Mittelalter gab es mehrere lat. Werke, in denen die Geschichte Alexander's mit einer großen Masse von Erdichtetem und Fabelhaftem verbunden war, und aus denen zuerst,, wälsche“ Gedichte verfaßt wurden. Nach einer solchen (von Alberich von Vicenza herrührenden) wälschen Dichtung bearbeitete im 12. Jahrh. Lambrecht sein Werk, das den schönsten Producten des Mittelalters beizuzählen ist.

Das Alexanderlied zerfällt in zwei Theile, wovon der erste sich mehr an die Geschichte anlehnt, der zweite die Wundersagen und Märchen behandelt. Dort werden Alexander's Erziehung, seine Feldzüge gegen die Perser, seine Schlachten und Heldenthaten höchst lebendig und anschaulich geschildert und in dem Leser sowohl Mitleid für Darius als Bewunderung für den großmüthigen Sieger, dem ein hoher Sinn und eine edle Natur inwohnt, geweckt. In dem zweiten Theil kommt Alexander zuerst zu den Scythen, für deren Armuth und Bedürfnißloßgkeit der Held dieselbe Bewunderung zeigt, wie bei Diogenes im Faß. Auf ihre Frage, warum er, ein Sterblicher wie sie, die Welt so in Bewegung sebe, antwortet er:,, Uns ift von der höchsten Gewalt eingepflanzt zu üben, welche Kraft wir erhalten haben. Das Meer ist dem Winde gegeben, es aufzuwühlen. Dieweil ich Leben habe und meiner Sinne Meister bin, muß ich etwas beginnen, das mir wohlthut." Dann wird der Zug an's Ende der Welt und die gefahrvolle Rückkehr durch die Schreckniffe der Wüsten und Wälder unternommen. An der Welt Ende beschleicht ihn ein Heimweh und eine mächtige Sehnsucht zu Mutter und Lehrer, an die er daher einen Brief richtet, worin sein und seiner Gefährten Schicksale und Erlebnisse, gekleidet in das anmuthige Gewand der orientalischen Fabelwelt, geschildert sind. Die wunderbaren Geschöpfe einer fremden Natur, die zauberhaften Gegenden, die singenden Waldmägdlein, die im Dunkel des Waldes auf grünen Triften mit den Blumen entstehen und verwelfen, können mit den schönsten Schilderungen in der Odyssee verglichen werden. Zuletzt will der makedonische Held noch das Paradies erobern, zieht durch die Hölle voll scheußlicher Ungethüme, erhält aber zulezt die Mahnung, daß der Mensch aus Staub und Erde gemischt sei. Er solle Mäßigung lernen und sein Gemüth Gott zuwenden, dann werde er in das Paradies eingehen. Der Gharakter des Helden und des Alterthums ist portrefflich gezeichnet.

c. 1186.

§. 10. Eneit. Trojanerkri eg. Einen Gegensatz zum Alexanderlied bildet die Heinrich Eneit Heinrich's von Veldeke (Veldeck). Wie dort der Charakter des Alterthums fest- v. Veldeke gehalten wird, so waltet hier schon die Minne vor. Während also Virgil (von dessen Aeneide [§. 209] der deutsche Dichter nur eine französische Bearbeitung kannte) der Beschreibung von Kämpfen und Stürmen den größten Fleiß zuwendet, macht uns Heinrich von Beldeď mit der Empfindungswelt vertraut, die er mit Innigkeit und Lieblichkeit darstellt. Die Helden führen antike Namen, handeln und reden aber wie deutsche Ritter. Besonders ist das Gespräch, worin Lavinia von ihrer Mutter Belehrung empfängt über die Minne, ausgezeichnet durch Gemüthlichkeit und Naivetät. Da Veldeck der Erste war,

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der als Laie und Nitter sowohl den Volksgesang, als die geistliche Dichtung bei Seite ließ und die höfische Bildung, eine regelmäßigere Reimart und die Minne in die neue Poesie einführte, spendeten ihm, als dem Urheber des Minnegesangs, die nachfolgenden Dichter großes Lob.

Zwischen beiden steht der Trojanische Krieg des Herbort von Fritzlar, der die im Mittelalter vielgelesenen lat. Erzählungen des Dares und Diktys von diesem Krieg gekannt zu haben scheint, wenn er gleich nach einem wälschen Vorbilde, das ihm durch die Vermittelung des Landgrafen Hermann von Thüringen zukam, arbeitete. Ein Dichter von mittelmäßigem Talent stellt Herbort Antikes und Modernes, alte, rohe Kraft und neue Sentimentalität unverbunden neben einander. In seiner Ungleichheit und seinen innern Widersprüchen spiegelt sich daher eben so die Verwilderung der Zeit unter den Gegenkaisern Philipp und Otto (§. 318), wie in der männlichen Kraft und Nuhe des Alexanderlieds die ehrwürdige Größe Deutschlands unter Friedrich Barbarossa.

2. Der lyrische Minnegesang.

§. 11. Der Minnedienst. Die germanischen Sitten (§. 213) und das Christenthum rückten im Mittelalter das Weib aus der untergeordneten und niedrigen Stellung, die es in der alten Welt einnahm, heraus und erhoben es zur Leiterin des häuslichen Kreises und zur Gebieterin der Sitte und des Anstandes. Verehrung und Beschüßung der Frauen, als des schwächern Geschlechts, galt für eine wesentliche Tugend des Ritterthums, und jemehr dieses sich ausbildete, destomehr stieg auch der Frauendienst und die Minne. Als sich daher die Nitter der Poesie bemächtigten, war es natürlich, daß die Verehrung der Frauen, die zarten Regungen des Herzens und die Empfindungen der Liebe den Hauptgegenstand ihrer Dichtung bildeten. So entstand diese Poesie der Minne, die in einer Zeit voll Rohheit und wilder Thatenluft Sittigung und Bildungssinn schuf, und verhütete, daß die Welt des Gefühls unter der angestrengten Thätigkeit der Hände erlag; da aber die Ritter sich ausschließlich mit dieser sentimentalen Gefühlswelt beschäftigten und die Minne zum einzigen Gegenstand ihrer Dichtung machten, da Waffenthaten, Kampfspiele, fröhliche Gelage und andere Freuden eines kräftigen Männergeschlechts, womit sich die provençalischen Troubadours (§. 341) noch befaßten, zurücktraten, so mußte diese Dichtung allmählich in Weichlichkeit und Eintönigkeit ausarten und der ganzen Cultur jener Zeit den Charakter des Weiblichen aufdrücken. „Man sang vom Sommer und seiner Wonne, vom Winter und seinen Schmerzen, von der Liebe Luft und Leid, von füßer Maienblüthe und bitterem Reife, der sie tödtet“, man klagte, daß Alles einem ewigen Wechsel unterworfen sei u. dergl. In diesem innigen Mitleben mit der Natur, wodurch dem Minnegesang die Anmuth der Jugendlichkeit verliehen wird, liegt der Neiz und das Wesen desselben. Es war die stumme, zurückhaltende, blöde Liebe der ersten Jugendzeit, die mit den rothen Blumen auf dem Anger und der Heide erwacht, mit dem jungen Laube des Maienwaldes grünt und mit den Böglein der Frühlingszeit jubelt und sipgt; die mit der falb werdenden Linde, mit den wegziehenden Waldsängern, mit dem fallenden Laube trauert, und mit dem trüben Reif und Schnee des Winters in schmerzliche Klagen ausbricht." Die gegenseitige Treue, die Seele des Feudalwesens, wird auch in dem Minnegesang, wie in der ganzen mittelalterlichen Poesie, als die Haupttugend des geselligen Zusammenlebens, als das feste Fundament des Minnedienstes gepriesen.

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Der Form nach zerfällt der Minnegesang in Leiche, die aus einfachen Reimpaaren ohne Strorben bestanden, und in Lieder mit Strophen und künstlichen Reimverschlingungen. Die Minnelieder zeichnen sich aus durch melodische und klangvolle Sprache, wie durch regelmäßigen Strophen- und Berkbau. Wurden sie ja doch meistens zum Saitenspiel gesungen.

§. 12. Die Wartburg. Walther von der Vogelweide. Die ältesten Minnes lieder tragen noch ein volksthümliches Gepräge (z. B. bei Dietmar von Aift, Kürenberger,

Sperrvogel u. A.); bald aber wurde unter den Händen adeliger Sänger der Minnegesang eine adelige Kunst, die aus der Pflege von Blinden und Bettlern in die von Königen und Fürsten überging und an den glänzendsten Höfen gehegt und geübt wurde. Wandernde (fahrende) Sänger, die von Burg zu Burg zogen, belebten die Feste und hielten den Sinn für die Poesie und die alten Heldensagen wach. Unter den Fürsten, die als Beförderer dieser Dichtkunst genannt werden, stehen außer den Hohenstaufischen Kaisern und Heinrich dem Löwen die Babenbergischen Herzoge von Oesterreich und der Landgraf Hermann von Thüringen oben an. Die Wartburg bei Eisenach, wo der letztere seinen Wohnsitz hatte, war im 13. Jahrhundert gerade so der Sammelplatz der begabtesten Dichter, wie vor wenigen Jahrzehnten Weimar. Von dem Wetteifer und Neid der süddeutschen Sänger gegen den Thüringer Hof und seine Dichter gibt der in Kunst, Sage und Poesie vielgefeierte „Sängerkrieg auf der Wartburg“ Zeugniß *). Unter den Minnesängern, deren man mehr als 150 kennt, zeichnen sich die nördlichen um den Thüringer Hof geschaarten (besonders Reinmar der Alte und Heinr. von Morungen) aus durch Reinheit der Gefühle, Zartheit und Tiefe der Empfindungen, leiden aber an Armuth der Ideen und an Einförmigkeit, während bei den schwäbischen (Gottfr. von Neifen u. A.) mehr Mannichfaltigkeit und ein freierer, muthwilligerer Ton herrscht, und bei den süddeutschen am österreichischen Hof (Nithart, Tanhäuser) der Minnegesang schon den Volkston anschlägt, die Feste und Spiele des reichen Bauernstands feiert und auch Tanz- und Trinklieder nicht verschmäht. Der erste Rang unter allen gebührt unstreitig dem wackern Walther von der Vogelweide, in dessen Liedern sich die reiche Erfahrung eines vielbewegten Lebens und die scharfe Beobachtung eines verständigen, vaterländischen Mannes abspiegelt. Er feiert den Dienst der Frauen, bei denen Zucht, Sitte und Treue wohnt, theilt aber nicht dessen Entartung; er rügt mit männlichem Ernst den Berfall der Sittlichkeit und Ordnung während des Interregnums (§. 344) und eifert gegen die Verweltlichung und Gleisnerei des Klerus und gegen das Unwesen des römischen Hofs, ist aber dabei ein frommer, religiöser Mann und ein treuer Anhänger der Kirche. Ueberall beurkundet Walther neben poetischer Fülle und Vielseitigkeit einen kräftigen, auf das Gute und Wahre gerichteten Sinn. Da die süddeutschen Sänger den ersten Rang einnahmen, so wurde dadurch die schwäbische oder mitteldeutsche Mundart die ge wöhnliche Dichtersprache. In der schwäbischen Mundart des herrschenden Kaisergeschlechts, die die obersächsische an Reichthum sowohl als an Wohlklang übertraf, dichtete der Westfale wie der Meißner, sang man am babenbergischen wie am thüringischen Hofe.“

*) Nach dieser Sängermythe (die den Inhalt eines unter dem Namen Wartburg krieg bekannten, aus dem Ende des 13. Jahrhunderts herrührenden Gedichtes bildet) soll einst am Hofe Hermann's von Thủringen ein leidenschaftlicher Streit über die Palme der Minnesängerkunst zwischen Heinrich von Ofter: dingen, der die süddeutsche Partei vertrat, und den Sängern am Hofe zu Eisenach entstanden sein. Zur Beilegung desselben wurde ein Wettkampf angeordnet, in welchem zuerst H. von Ofterdingen siegreich gegen Walther von der Vogelweide auftrat, bis die Erscheinung der Landgråfin Sophie den ersteren so verwirrte, daß er unterlag und zufolge der Uebereinkunft mit dem Strange getödtet werden sollte. Unter dem Schuße der Landgräfin entging jedoch Ofterdingen diesem Schicksale. Ein zweiter Wettstreit begann nun, in welchem Klingsor aus Ungerland, als Zauberer und Dichter weit berühmt, das Schiedsrichteramt übernahm, und nachdem er selbst mit vieler Kunstfertigkeit und tiefsinnigen Räthseln gestritten, endlich dem Ofterdingen gegen Wolfram von Eschenbach den Preis zuerkannte, worauf eine allgemeine Versöhnung erfolgte.

§. 13. Der spätere Minnegesang. Der Frauendienst in seiner schönen Zeit, wo er mit Sitte, Zartgefühl und Herzensreinheit gepaart war, hatte einen poetischen Anstrich und hielt das Interesse für Dichtkunst wach, aber bald nach dem Untergang der Hohen, staufen artete er aus und sank ins Derbe und Gemeine herab. Dies hatte auch den Verfall der Minnepoesie zur Folge, besonders seitdem die Habsburger und die übrigen deutschen Fürsten ihrer Zeit sich so gleichgültig und theilnahmlos dagegen zeigten, kein Hof mehr als Mittelpunkt und Sammelplatz poetischer Bestrebungen diente und der Adel zuletzt die Beschäftigung damit den wenig geachteten Dichtern bürgerlicher Abkunft überließ. Umsonst

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