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Von noch geringerem Werth ist der in Prosa geschriebene Roman Beißkunig, den der kaiserliche Geheimschreiber Mar Treizsauerwein nach Maximilian's Entwurf und Angabe ausführte und worin değ Kaifers Thaten und Geschichte bis zum venetianischen Krieg in verhüllter Form und mit allegorischen Namen erzählt find (z. B., Weißkunig" Marim. und sein Vater Kaiser Friedrich; der,,blaue König“ der König von Frankreich; „die braune Gesellschaft“ die Niederländer u. (. w.).

III. Lehrdichtung (didaktische Poesic).

§. 24. Der wälsche Gast. Freidant. Der Strider. Der unnatürliche, lügenhafte und oft unsittliche Inhalt der herrschenden Ritterdichtungen mußte nüchternen und besonnenen Männern anstößig werden. Dies bemerkt man schon bei Walther vonder Vogelweide, dessen verständiger, mit Welt- und Menschenkenntniß gepaarter Sinn jede Verschrobenheit und Entartung in Kirche und Staat wie im geselligen Leben schnell bemerkte und scharf rügte. Directer bekämpft die leichtfertige Richtung der Zeit und der herrschenden Poesie Thomafin Tirkler (Zerkläre) aus Friaul (1216) in seinem „wålschen Gast", einem Buche, das im Geist der alten griechischen Philosophen, mit denen der Berfaffer bekannt war, und mit echt deutscher Gesinnung geschrieben ist, wenn gleich die Sprache hie und da den Fremdling verräth.

Nach ihm haben die Ritterpoesien nur für die Jugend als Beispiele des Guten Werth, Er wachsene bedürften einer ernsteren Form der Belehrung; daher wollte er darthun, „, was das Gute, Fromm: heit, Tugend und Zucht dem Wesen nach sei.“ Als Grund aller Tugend erscheint ihm die Stetigkeit, d. b. Sittlichkeit aus Grundsaß und consequentes Handelu darnach; das Gegentheil ist die Unftete oder das Schwanken und Zweifeln, woraus Laster, Unzufriedenheit und Unglück bervorgebe. Er lehrt, daß nur derjenige wahren Adel besize, dessen Herz und Gemüth dem Guten zugewendet sei, daß nicht Geburt, sondern Tugend den Menschen hochstelle und daß nur das Streben nach dem Höhern, nicht aber Ängere Vorzüge, die nur zu oft den Hinanstrebenden von der Himmelsleiter herabzögen, wahres Glück bewirken

könnten.

Der Form nach verschieden, aber der Gesinnung nach ähnlich ist Freidank's Bescheidenheit (1229), eine Sammlung von Lehren, Denksprüchen, volksthümlichen Sprichwörtern *), Räthseln und kleinen Fabeln, zur Bescheidung d. i. Unterweisung zusammengestellt, die sich dem Geiste nach so enge an Walther von der Vogelweide anschließen, daß man diesen mehrfach für den Verfasser hielt. Er eifert gegen die Hoffahrt, des Adels, gegen die Entartung des Klerus, gegen den Verfall aller Zucht, Geseßlichkeit und Ordnung im Reich; er lehrt, daß Gott dienen der Anfang aller Weisheit sei, und empfiehlt Reue und Besserung in Zeiten. Ueberall treffen wir dieselbe kernige, durch und durch gesunde, aus dem edelsten Boden der deutschen Nation aufgewachsene Gesinnung, den echten volksmäßigen Ernst, der aus unbefangener Heiterkeit, und den echten, edlen volksthümlichen Scherz, der aus tiefernster Gesinnung hervorgeht.“ Verwandt mit Freidank ist der,,Cato", ursprünglich eine Sammlung lateinisch abgefaßter Lebensregeln, die schon im 13. Jahrhundert in deutsche Verse übertragen wurde. Im Stricker, einem mittelmäßigen Dichter aus Desterreich, findet man schon das bürgerliche Element mit dem ritterlichen gepaart; denn während er in der „Frauenehre“ über den Verfall des Nitterthums, die Entartung des Minnedienstes und die Abnahme der Kunst und des Geschmacks klagt, enthält ein anderes Gedicht von ihm, „die Welt“ (eine bunte Sammlung von Beispielen und Gleichnissen, die sich hauptsächlich um Ehe und Haus und die niedern Verhältnisse des Lebens bewegen), allerlei Schwänke, Fabeln, Erzählungen und Allegorien mit einer moralischen Nutzanwendung, im Geiste des Bürgerthums.

*) Die deutschen Sprichwörter enthalten hauptsächlich Klugheits- und Lebensregeln und gehen eben fo auf Begründung der Menschenkenntniß aus, wie die griechischen Sprüche auf Selbsterkenntniß und die hebräischen (Salomo's) auf moralische Belehrung.

§. 25. Beispiele. Der Renner. Boner's Edelstein. Als im 14. Jahrhundert dem entarteten, nur auf Raub und Wegelagern bedachten Ritterthum das Städtewesen mit seinem frischen frohen Leben, seiner bürgerlichen Freiheit und seinem häuslichen Wohlstand siegreich gegenübertrat, erlag auch bald die ritterliche Dichtung der bürgerlichen

Lehrpoesie. An die Stelle der Klage über den Verfall des Nitterwesens und Minnedienstes tritt allmählich die heitere Lust des Volks, und der entarteten Ritterpoesie lagert sich das Lehrgedicht, die Fabel und der Schwank gegenüber, und verdrängt jene mit der Zeit. Enthält des Strickers Welt noch Beziehungen zur Minne und zum Mitterthum, so ist dagegen im Renner des Hugo von Trimberg (c. 1300) und im Edelstein des Ulrich Boner (eines Berner Predigermönchs, c. 1335) Belehrung und Besserung des Volks einziger Zweck. Hugo von Trimberg, Schulrektor zu Bamberg, eifert, gleich den Mystikern seiner Zeit (§. 357), gegen die Verderbniß der Welt, aber nicht mehr, wie der Strider und Freidank, in wehmüthiger Klage über das gesunkene Ritterthum, sondern in ernster Rüge wie ein strenger Sittenprediger, der alle Stände und Verhältnisse ins Auge faßt.

Der Grund alles Verderbens liegt ihm in Hoffahrt, Sabgier und Unmäßigkeit (Fraß), die er daher mit Ernst bei allen Ständen rügt. Besonders ist die bei allen Klassen herrschende Erwerbsucht, woraus Unzufriedenheit, Neid und andere Uebel entstehen, der Hauptgegenstand seiner Angriffe. Praktische Belehrung der Laien durch Beispiele, Gleichnisse, Fabeln, Geschichten, Bilder und direkte Bermahnung ist der Zweck dieses moralischen Sammelwerks, das er Renner nennt,,,weil es rennen soll durch die Lande“, und das er selbst einem Pferde vergleicht, das mit seinem Reiter durchgegangen und nun nach eigener Wahl dahinrenne. Sein Sinn ist aufs Religiöse gerichtet. Wie die Mystiker weist er auf die Bibel als die Quelle und den Mittelpunkt aller Weisheit hin, eifert nicht nur gegen die Ritterromane als Lügenwerk, sondern findet auch in den Büchern der alten Heiden mancherlei Gift.

Neben dem Renner war das gelesenste Buch der Edelstein des Ulrich Boner (Bonerius), eine Sammlung von Fabeln, Sprüchen und Erzählungen, die in einfacher, flarer Sprache einen Schatz von gesunden Lebensregeln, von Welt- und Menschenkenntniß enthalten. Der „Edelstein“ war das erste deutsche Buch, das im Druck erschien (1461).

Der ehrliche Fabeldichter, der seinen Stoff größtentheils dem Alterthum entlehnt, ist, wie Hugo, ein Feind der eiteln Gelehrsamkeit und züchtigt, wie er, den Uebermuth und die Gewaltthat der Großen, die Erwerbsucht und den nur aufs Zrdische gerichteten Sinn des Volks; doch sind die Lehren seiner Fabelu mehr allgemein gehalten.

Diese didaktische Poesie, besonders unter der Form der Beispiele, dauert durchs 14. und 15. Jahrhundert fort. Man benutzte allerlei im Volke vorhandene Stoffe, um moralische Lehren und Nußanwendungen daran zu knüpfen (so Konrad von Ammenhusen [1337] das Schachspiel in seinem Schachzabelbuch, und die unter dem Namen „Winsbeke“ bekannte Unterweisung eines Vaters an seinen Sohn und das belehrende Gespräch einer Mutter mit der Tochter, „Winsbekin" genannt). Auch das erwähnte mittellateinische Spruchgedicht „Cato“, das schon sehr frühe durch Uebersetzungen und Bearbeitungen unter dem deutschen Volke verbreitet war, wurde erweitert und zu Nußlehren über innere Sitte und äußern Anstand gebraucht. Besonders aber liebte man es, die Erzählungen, Anekdoten und Novellen der alten Welt und des Orients für die Sittenlehre zu benutzen, und bearbeitete daher die in dem ältesten Märchen- und Legendenbuch Gesta Romanorum enthaltenen Geschichten mehrfach in Prosa und Versen. Diese Dichtungsart wurde anfangs von Geistlichen gepflegt, bis sie allmählich in die Hände der Meistersänger überging, unter denen vor Allen Hans Sachs, ein Nürnberger Schuster, sie mit Glück und Erfolg ausbildete. Dadurch führte dieser die alte Welt dem Volke näher, zu einer Zeit, wo durch die Bemühungen der Gelehrten die humanistischen Etudien einen Aufschwung nahmen und die Cultur des Alterthums auf einem andern Wege zugänglich machten.

IV. Uebergang in die Volksliteratur.

1. Das historische Lied.

§. 26. Beit Weber. Die Versuche des österreichischen Wappendichters Peter Suchenwirt (Ende des 14. Jahrhunderts), der als Herold bei Turnieren und als Wap

penkenner mit dem Adel verkehrte, durch sein mittelmäßiges Talent die gesunkene Ritterpoesie wieder zu Ehren zu bringen, waren eben so fruchtlos wie die Bemühungen des erwähnten Fürstendieners Mich. Beheim, der trotz seiner Verehrung für den Abel von diesem vor die Thüre gestoßen wurde. Darum gibt Suchenwirt's Zeitgenosse und Landsmann Heinrich der Teichner endlich alle Hoffnung auf Wiederbelebung des entarteten Hof und Ritterlebens auf und spottet sogar des Minnegesangs und des Frauendienstes, ber äußern Eleganz bei geschwundener Kraft, innerer Rohheit und niedriger Erwerbsucht, und der Turniere, die den untergegangenen Heldenmuth erseßen sollten. Und als nun gar die Kriege der Schweizer und Ditmarsen wider Fürsten und Adel, die Huffitenschlachten (§. 366) und die Kämpfe der deutschen Städte gegen den Ritterstand (§. 359) die siegreiche Kraft der Bürger und Bauern bewährten, da stimmten endlich alle Dichter und Sänger in den muntern Ton des Volks ein und suchten ihre Gedichte in Form und Inhalt den Bedürfnissen und Wünschen desselben anzupassen. Alles wurde nunmehr kürzer, denn „das Volk hatte ja die Hände nicht müßig; es konnte der Literatur nicht in so schöner Muße obliegen wie der Adel; was es lesen sollte, mußte Reiz haben, kurz zusammengefaßt, lehrvoll für den Berstand, erbauend für Herz und Gemüth, faßlich für den praktischen Sinn, lebensvoll für die Einbildungskraft sein, und was es singen sollte, konnte kein Epos mehr von tausend Strophen sein, sondern ein kurzes Lied aus der Gegenwart voll lebendiger Erinnerung." Darum bildete sich jetzt wieder, wie in den ältesten Zeiten, das historische Volkslied aus; zunächst an den Grenzen, in der Schweiz und bei den Ditmarsen in Holstein, wo großartige Kämpfe um Freiheit und heilige Volksrechte gefochten wurden und wo wahre Begeisterung zur Schlacht wie zum Lied beseelte. So verherrlichte eine Reihe von Liedern (von Suter aus Zürich u. A.) die Kämpfe bei Näfels und Sempech (§. 360) in schlichter volksthümlicher Sprache und voll Gefühl für Freiheit und Baterland. Diese Kriegs- und Siegeslieder fanden am Ende des 15. Jahrhunderts noch einen kunstreichen und gewandten Dichter in Veit Weber aus Freiburg im Breisgau; aber wie die Burgunderkriege (§. 398), die er besingt, nicht mehr aus so reinen Beweggründen geführt wurden, wie die Freiheitskämpfe gegen Oesterreich, so stehen auch seine Lieder an innerer Begeisterung hinter den frühern zurück. In Deutschland waren die geschichtlichen Ereignisse weniger großartig und daher auch das historische Lied weniger nachhaltig. Dec ersieht man aus dem Wappendichter Hans Rosenblüt, genannt der Schnepperer (Schwäzer), daß auch hier bei den Kämpfen der Reichsstädter gegen die Ritter die Dichter mehr Sympathie für jene als für diese fühlen; denn die Verrherlichung Nürnbergs, seiner Vaterstadt, sticht gegen den scharfen Tadel, den er über Adel und Priesterstand ergießt, mächtig ab und auch die derbe Manier seiner Poefien, besonders seiner Schwänke und Fastnachtsscherze, seine Weingrüße“ und „Weinsegen" bezeichnen ihn als Volle dichter.

2. Prosa-Romane und Volksbücher.

§. 27. Als die begabteren Dichter sich der neuen Richtung zuwendeten und die Nitterpoesie verließen, suchte man an einigen süddeutschen Höfen, wo der Geschmad für das Ritterthum am längsten aushielt, durch prosaische Bearbeitungen britischer, französischer und selbst antiker Nomane und Erzählungen auch den Sinn für mittelalterliche Romantil zu erhalten.

So wurden die meisten Stoffe der ritterlichen Epopöen, wie die karolingischen Vafallensagen (Raynald oder die Haimonskinder; der rohe, von Brutalität und Grausamkeit strosende Roman Hus Schapler, welcher die fabelhafte Geschichte der Thronbesteigung Hugo Gapet's, eines angeblichen Fleischer. sobns, behandelt u. a.), die britischen Romane von Lanzelot und Tristan, die provençalische Er zählung Flore und Blancheflur u. a. m., die Sagen von Alexander, dem Trojanerkrieg, der Inhalt der Kaiserchronik u. dergl., in Prosa überseßt und mit allerlei Zuthaten erweitert, wodurch sie zu großer Breite

anwuchsen.

Diese gedehnten Prosaromane wurden später in Volksbücher verkürzt, in welcher Gestalt sie noch heut zu Tage viel gelesen werden. Die bekanntesten darunter find, außer den vier Haimonskindern, die Erzählung von Fortunatus mit seinem Glücksäckel und Wünschhütlein, und von den sieben weisen Meistern. Ferner Kaiser Octavianus, die heil. Genofeva, die schöne Magelone, Melusine u. a. — Aus den deutschen Sagenkreisen gingen nur die Sagen vom hörnenen Siegfried und Herzog Ernst in Volksbücher über. Das Buch der Liebe (herausgegeben 1587) enthält eine Sammlung solcher Volkserzählungen.

Fortunatus und die sieben weisen Meister befinden sich in dem erwähnten Märchenbuche Gesta Romanorum, einer Sammlung von Erzählungen und Geschichten, wie die „Kaiserchronik“, angeblich aus der römischen Kaiserzeit. Der Inhalt des leßteren ist folgender: Ein Kaiser läßt seinen Sohn von sieben Meistern in aller Weisheit unterrichten. Als er an den Hof zurück soll, verkünden die Gestirne Unheil, wenn er ein Wort redet. Dort verliebt sich seine Stiefmutter in ihn, wird aber verschmäht und sucht ihn nun zu verderben. Siebenmal beredet sie den Kaiser durch Erzählung bezugvoller Geschichten, Befehl zur Hinrichtung des Sohnes zu geben; aber siebenmal retten ihn die sieben Meister durch Gegenerzählungen, bis nach sieben Lagen die gedrohte Gefahr verschwunden ist, und der Prinz seine Unschuld und die Untreue seiner Stiefmutter darthun darf. — Kaiser Dctavianus (der durch Verstoßung seiner treuen Gattin mit ihren Kindern bewirkt, daß seine Söhne verloren geben und von wilden Thieren erzogen werden, wodurch sie übermenschliche Stärke erlangen), Genofeva und andere Volkssagen sind bei dem Wiederaufleben der romantischen Dichtung vor einigen Decennien von Tieck dramatisch behandelt worden. Auch die britische Novelle von der Griseldis, jener aus dem Bauernstande emporgehobenen, von ihrem Gemahle schwer geprüften, aber treu und gehorsam erfundenen Gattin, wurde in unsern Tagen für die Bühne bearbeitet.

§. 28. Aeneas Sylvius. Die prosaischen Ritterromane erhielten sich kaum bis ins 16. Jahrhundert, wenn schon die,,Amadis", ein Kreis solcher ursprünglich in Spanien und Gallien heimischer Geschichten, noch im 17. Jahrhundert gedruckt und sogar von Opit (A. §. 46) bewundert wurden. Die auf Ebenbürtigkeit und Standeshoheit haltende ritterliche Minne mußte im Leben und in der Dichtung einer über Stand und Verhältnisse sich wegsehenden Liebe des Herzens weichen. Die Mischung und der größere Verkehr der Stände unter einander führten Liebschaften zwischen Unebenbürtigen herbei, die bald auch in den Roman übergingen und die Nitterabenteuer und die verschrobene Minne verdrängten. Die Erzählungen der italienischen Dichter, eines Boccaccio (§. 351), Poggio u. A., in denen die natürlichen Regungen des Herzens und die Empfindsamkeit der Liebe wahr und anziehend geschildert sind, wirkten auf die deutsche Poesie ein. Als Vermittler diente der gebildete Aeneas Sylvius (§. 367), der in einer den italienischen Novellisten nachgebildeten lateinischen Erzählung Euryalus und Lucretia. die Liebesabenteuer des deutschen Kanzlers Schlick mit einer edlen Bürgerin aus Siena anziehend und lebendig darstellte und zugleich durch Witz, Spott und Satire die höheren Stände in Deutschland aus ihrem Stumpffinn und ihrer Trägheit aufrüttelte und zur Theilnahme an der Literatur und dem geistigen Leben aufmunterte. Die gelungene Schilderung des Herzens- und Gemüthslebens der Liebenden in dieser und andern ähnlichen Erzählungen (Guiscard und Sigismunde u. a.) interessirte weit mehr als die geschraubten Ritterromane ohne Begeisterung und Wahrheit und bewirkte, daß die italienische Art bald vorherrschend wurde, und daß Niclas v. Wyle, Stadtschreiber in Eßlingen, die Erzählungen des Aeneas Sylvius, des Poggio u. A. ins Deutsche übersetzte. Neben ihm wirkten Albrecht von Eyb (aus Würzburg, † 1475) und Heinr. Steinhöwel von Ulm für Verpflanzung dieses Geschmacks und für die Ausbildung der deutschen Profa. Die italienische Literatur führte dann zu den Werken des klassischen Alterthums, die somit zu einer und derselben Zeit von verschiedenen Seiten der Nation zugeführt wurden.

Zweiter Abschnitt.

Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert.

1. Der Meistergesang.

§. 29. Als die Dichtkunst von den höheren Ständen vernachlässigt und von den Fürstenhöfen verstoßen wurde, flüchtete sie sich in die Städte zu Bürgern und Handwerkern. Doch geschah dies nicht ohne einiges Sträuben, daher die Uebergangsperiode, die man am besten aus dem von der Augsburger Nonne Clara Häßlerin (c. 1470) aus den bekanntesten Dichtern ihrer Zeit gesammelten Liederbuche beurtheilen kann, theils solche Poeten aufweist, die wie Hugo von Montfort († 1423) den Ton der Ritterdichtung noch festhalten, theils solche, die wie Muscatblüt (c. 1437) schon ganz die bürgerliche Weise der Meistersänger annehmen. Als Kunst ist der Meistergesang von untergeordnetem Werthe. Die bürgerlichen Sänger, die gleich den Handwerkerzünften in Genossenschaften und Schulen getheilt waren, besaßen nicht die geistige Befähigung, eine neue Poesie zu begründen. Sie mußten aus den vorhandenen Stoffen wählen, und da ihnen die ritterliche Dichtung fern lag, das Gassenlied des Pöbels aber den ehrsamen Bürgern zu gemein und frivol war, so blieben ihnen nur die religiösen Stoffe und die Epruchgedichte. Diese bilden daher vorzugsweise den Inhalt ihrer Lieder, bei denen, da sie zum Absingen bestimmt waren, die Erfindung eines neuen Tons als die Hauptsache galt. Jede Meistersängerschule hatte eigene Vorsteher (Märker), die nach gewissen Gesetzen und Regeln (Tabulaturen) die Gesänge prüften, ihren Werth bestimmten und die Preise zuerkannten. Da es hierbei besonders aufs Formelle, auf Reim, Versart und Melodie ankam, so konnte es nicht fehlen, daß diese Dichtung zulezt in bloße Reimerei, Reimhäufung und Versspielerei ausartete. Zum Inhalt wählte man anfangs aus den zahllosen Legenden, Marien- und Heiligengeschichten, Wundersagen, Sprüchen u. dergl. das Beliebige aus; als aber die Bibel mehr unter dem Volke verbreitet ward, bildete die evangelische Lehre den Mittelpunkt ihrer Gedichte *). Wie gering man auch immer von der Meistersängerkunft, die besonders in den Reichsstädten Nürnberg, Frankfurt, Straßburg, Ulm, Mainz u. a. D. blühte, und von ihren lächerlichen Regeln und Benennungen (z. B. der blaue und der rothe Ton, die Schneckenweis, die Gelbveielenweis, die verschlossene Helmweis, die fröhliche Studentenweis u. s. w.) denken mag, so muß man doch das Streben dieser ehrsamen Bürger, denen derartige Beschäftigungen gewöhnlich fern liegen, in hohem Grade achten. Es verräth eine kräftige Natur und einen tüchtigen Sinn, daß Handwerker, die sonst so sehr vom Zunftneide und von kleinlichem Haß beherrscht werden, sich in die Genossenschaft der Sänger aufnehmen ließen und diese dadurch zu einem gemeinsamen Bande der Bürgerschaft machten. Ist es nicht höchst ehrenwerth, daß Gewerbsleute ihre Feierstunden und Feiertage, die gewöhnlich in der Schenke zum Verderben der Häuslichkeit vergeudet werden, einem höhern Streben zuwendeten, und nach des Tages Last und Hiße neue Lieder dichteten, neuen Tönen nachfannen, oder die alten einübten und Alles in große Bücher einschrieben? Wahrlich, diese Sängergesellschaften, deren Zweck jeden Eigennut, jede Niedrigkeit der Gesinnung aus schloß, die nur durch Freundschaft und gemeinsames Bestreben zusammengehalten wur den, sind ein schöner Beweis von der Tüchtigkeit, dem Gemeingeiste und der kräftigen Anlage des Bürgerstandes der Reichsstädte. Mit edler Hingebung widmeten die Meister der Sängerschulen ihre, wenn gleich geringen Kräfte der Ausbildung einer Kunft, die bei aller Steifheit doch für Veredlung der Sprache und für Erhaltung der Sitte und Bildung unter dem Gewerbstande von den segensreichsten Folgen war; mit rührender Aufopferung

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