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flagt bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts Reinmar von Zweter (gebürtig vom Rhein, in Desterreich erwachsen und in Böhmen wohnhaft) über die Entartung des Frauendienstes und Nitterthums und sucht durch ernste Rüge dem Verfall der Minnepoesie zu steuern die Theilnahme war erloschen und das geringe Interesse konnte durch die mittelmäßigen Talente der nächstfolgenden Zeit nicht erhöht werden; umsonst will Ulrich von Lichtenstein (c. 1275) durch Uebertreibung die absterbende Kunst und Sitte erhaldie Unnatur und Selbstquälerei seines Frauendienstes" erzeugen nur Widerwillen und Spott, so daß bereits sein Zeitgenosse, der Zürcher Hadlaub, den feierlichen Minnegesang parodirt; umsonst hoffen die bürgerlichen Dichter ihre Kunft zu halten, indem fie den Stoff erweitern und bald die scholastische Wissenschaft und die freien Künste in ihr Bereich ziehen, bald volksthümliche Sittensprüche (Priameln) einflechten, bald in dunkle Räthsel und geheimnißzvolle Denksprüche (Gnomen) tiefsinnige Lehren einhüllen die Produkte ihrer Dichtkunst sind eintönig und langweilig, und so heftig sie selbst in ihren Tenzonen unbedeutende Streitfragen wider einander verfechten, so gleichgültig bleiben die Leser dabei. Einen solchen Streit führten im Anfang des 14. Jahrhunderts der Gelehrte Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, und der Schmied Barthol. Regenbogen. Jener, den im Jahre 1317 die Frauen in Mainz begraben haben sollen, ist eben so dunkel, schwülstig und überschwenglich, wie dieser einfach, schlicht und natürlich ist, und während jener die Poesie noch als Vorrecht der höhern Stände ansieht, leitet und der ehrliche und gemüthliche Handwerker auf die Meistersänger, in deren Hände die lyrische Poesie im 15. Jahrhundert überging.

Im Anfang des 14. Jahrh. ließ der Zürcher Rathsherr Rüdger von Maneffe die Gedichte von 136 Minnesängern sammeln; sie finden sich in einem schön geschriebenen, mit Zeichnungen versehenen Bergament. Goder; doch wurde die Sammlung in unsern Tagen durch van der Hagen sehr vermehrt.

3. Das deutsche Volks - Epos.

§. 14. Nibelungen (c. 1210). Zu einer Zeit, wo die Minne die ganze Dichtung beherrschte, erhielt unser altes National - Epos, die Nibelungen, seine lehte Ausbildung und seine heutige Gestalt, obschon es zu dem Minnegesang den reinsten Gegensatz bildet. Denn wie dieser durch Tiefe der Empfindung hervorragt, aber durch die Leerheit des Inhalts ermüdet, so ist das Nibelungenlied durch die Großartigkeit seines Stoffes und die inwohnende Kraft ausgezeichnet, leidet aber an Armuth der Sprache, an Unbeholfenheit in Versbau und Reim und an Rohheit und Ungefügigkeit der Form. Eben so verschieden ist es von dem zu gleicher Zeit ausgebildeten höfischen Ritterepos, das seinen Stoff aus der Frembe zog. Denn während hier unnatürliche Verhältnisse durch die Kunst interessant ge macht werden, erregen dort die großartige Natur des Gegenstandes und die mächtigen Charaktere ohne alle Kunst unsere innigste Theilnahme. „Im Nibelungenlied stehen wir in einer Welt voll Menschen, die nicht die Minne bewegt, sondern der Zwang der Verbältnisse, die nicht mit Chimären im Kampfe liegen, sondern mit dem Fatum, die nicht blind in Abenteuer stürzen, sondern in ein großartiges Verhängniß von einer außer ihnen liegenden Gewalt gestürzt werden." Das Nibelungenlied ist wie das Epos der Alten objectiv gehalten und keine Einmischung der Persönlichkeit des Dichters darin zu erkennen. Der Be arbeiter ist unbekannt; mit Unrecht hat man Heinrich von Ofterdingen dafür genommen.

Inhalt: Siegfried von Xanten ,, nieden by dem Rine" kommt mit einem glänzenden Gefolge nach Worms, um die Kriemhilde, Schwester des Burgunderkönigs Gunther, zu freien. Bei seinem Eintritt erzählt Hagen, Gunther's Dienstmann, die frühern Thaten Siegfrieds, daß er das Zwerggeschlecht der Nibelungen überwunden, einen reichen Schaß (Hort) nebst einem unsichtbar machenden Gewande (Tarnfarre), welches ihm die Stärke von zwölf Mann verleihe, erworben und einen Lindwurm erschlagen habe, durch dessen Fett und Blut, in dem er sich gewälzt, sein Körper hörnen und unverwundbar geworden.

Nach einiger

Zeit will Gunther um Brunhilde auf Isenland werben, die, mit außerordentlicher Stärke begabt, jeden Freier, der ihr im Wettkampf unterliegt, tödten läßt. Bei diesem Unternehmen unterstüßt ihn Siegfried, der ihn als Dienstmann begleitet und vermittelst seiner Tarnkappe und seiner überlegenen Stärke ihm den Sieg und die Hand Brunhildens verschafft. In Worms erwacht noch einmal Brunhildens Troß; in der Brautnacht ringt sie mit Gunther, bindet dem Ueberwundenen mit ihrem Gürtel Hände und Füße zusammen und hängt ihn an einen Haken in der Wand. Gunther klagt Siegfrieden sein Leid und dieser kommt ihm abermals zu Hülfe. In seine Tarnkappe gehüllt, folgt er Beiden in das Brautgemach und ringt dann so lange mit Brunhilden, bis sie unterliegt und sich bereit erklärt, dem Willen des Mannes sich zu fügen. Da entschlüpft Siegfried, nimmt aber der Königin, die mit ihrer Jungfrauschaft auch ihre übernatürliche Stärke verlor, Ring und Gürtel weg. Für diese Dienste erhält Siegfried Kriemhilde zur Gattin und zieht mit ihr heim. In einer vertrauten Stunde entdeckt er wider sein dem Gunther gegebenes Wort der geliebten Frau das Geheimniß und gibt ihr Brunhildens Gürtel und Ring. Nach einigen Jahren besuchen Siegfried und Kriemhild ihre Verwandten in Worms. Da gerathen die beiden Königinnen in Streit über den Rang und Vorzug ihrer Männer und über den Vortritt beim Kirchengang. Kriemhilde, erzürnt, daß Brunhilde den Siegfried für einen Dienstmann Gunther's hält, wirft ihrer Gegnerin vor, daß sie ja nur durch den Beistand ibres Mannes Gunther's Gattin geworden sei. Wüthend über diesen Spott und noch mehr über den Betrug, von dem sie eine Ahnung hatte, und der ihr um so schmerzvoller war, als sie, wie man aus der Sigurdsage ersieht, früher den Siegfried geliebt, sinnt Brunhilde auf Rache und reizt ihren Dienstmann Hagen zur Ermordung des edlen Siegfried. Unter dem Vorgeben, Siegfrieden in einem bevorstehenden Kriege zu schüßen, entlockt Hagen der arglosen Kriemhilde das Geheimniß, an welcher Stelle ihr Gemahl verwundbar sei, und erspäht den Augenblick, als derselbe nach einer Jagd, fern von dem Gefolge, an einer Quelle (am Lindenbrunnen im Odenwald) seinen Durst stillt, um ihn zu durchstechen. Mit Hohn läßt dann der Mörder den Leichnam vor die Kammerthür der unglücklichen Kriemhilde legen, die den Thäter alsbald erråth. Sie bewacht den geliebten Leichnam an der Bahre und als er endlich der Erde übergeben wird, läßt sie den köstlichen, aus Gold und Silber geschmiedeten Sarg noch einmal öffnen, hebt das Heldenhaupt empor und drückt den leyten Kuß auf die bleichen Lippen. Von dieser Zeit an åndert sich die tiefgekränkte Königin gänzlich. Die schüch: terne Weiblichkeit, die sie bisher geziert, muß herbem Groll und dem Gedanken der Rache weichen. Dieses Gefühl und die Trauer um ihren geliebten Gatten füllen Jahre lang einzig und allein ihre Seele. Da fügt ihr der übermüthige Hagen noch eine neue schwere Kränkung zu. Von ihren Brüdern beredet, läßt Kriem: hilde den Nibelungenhort von rothem Gold und edlem Gestein nach Worms kommen, muß aber geschehen laffen, daß ihr Hagen mit Vorwissen des Königs denselben entreißt und in den Rhein versenkt, damit sie ihn nicht zum Verderben der Mörder ihres Gatten anwende. Dreizehn Jahre hat Kriemhilde um Siegfried getrauert; da läßt König Eßel (Attila) von Ungerland durch den Markgraf Rüdiger von Bechlaren in Desterreich um ihre Hand werben. Kriemhilde nimmt nach einigem Zögern den Antrag an, weil sie darin das Mittel sieht, sich an Hagen zu rächen. Sie zieht nach Ungarn und ladet nach einigen Jahren ihre Vers wandten in Worms zum Besuche zu sich ein. Umsonst warnt Hagen, dessen große Verbrecherseele sich immer gewaltiger äußert. Er sieht seinen und ihren Untergang voraus, schließt sich aber mit kühnem Troße ihrem Zuge an und häuft Frevel auf Frevel. Dennoch bleibt er ein Held, dem selbst die zarteren Gefühle der Freundschaft nicht fremd sind (wie die schöne Scene beweift, wo er mit Volker dem Fiedler" Wache hält), und der einem Rüdiger und Dietrich gegenüber ritterlichen Sinn und Edelmuth kund gibt. Nur gegen Kriemhilde zeigt er den Troß eines kühnen Verbrechers. Er reizt sie absichtlich; er erinnert sie an Siegfried, dessen Schwert er trägt, er gesteht seine Frevelthat, und beginnt, als die Losung zum Kampf gegeben war, mit der Ermordung ihres Sohnes. Ist es zu verwundern, daß Kriemhilde nun zur Furie wird? 3hr Racheplan galt zunächst nur dem Mörder Siegfried's; da aber der Kampf sich so großartig und gewaltig geftaltet, und durch Hagen's und der Burgunder Tapferkeit eine Schaar um die andere erschlagen wird, als Attila's Bruder Blödel dem Schwerte Dankwart's erlegen, als Fring, der tapfere Dänenfürst, von Hagen's Hand gefallen, als der edle Rüdiger und Gernot sich im Zweikampf getödtet, da bebt sie vor dem Entseßlichsten nicht mehr zurück. Schon hat die von Kriemhilde angeordnete Verbrennung des Saales eine große Menge der Burgunder dem Tod entgegengeführt; nur 600 überleben den Brand, indem sie sich dicht an die Mauer stellen und den Durst mit dem Blute der Erschlagenen stillen. Da wird Dietrich, der mit seinen Amelungen bei den Hunnen weilt, von der Königin aufgefordert, den Saal zu stürmen. Wie sehr er sich auch sträubt, seine Lehnerflicht nöthigt ihn. Volker fällt durch Hildebrand und Dietrich nimmt endlich Hagen und Gunther gefangen und führt sie gefesselt vor Kriemhilde. Diese läßt ihren Bruder tödten, trägt sein blutiges Haupt an den Haaren vor Hagen hin und schlägt dann eigenhändig mit Siegfried's Schwert demselben den Kopf ab. Empört über die entsegliche That ermordet der alte Hildebrand zulegt auch noch die Königin. Kur drei, Ezel, Dietrich und Hildebrand, überleben die furchtbare Katastrophe und betrauern den Untergang ihrer Helden. Dies wird in der Klage, einem Anhang zum Nibelungenliede (Not), geschildert.

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§. 15. Kudrun. Dieses aus dem 13. Jahrhundert stammende Gedicht, die „Nebensonne der Nibelungen“, das man oft die deutsche Odyssee, wie die Nibelungen die deutsche Ilias genannt hat, weist uns an die Küstenländer der Nord- und Ostsee. Wie in den Nibelungen die eheliche Treue und Liebe Kriemhildens den Mittelpunkt und die tiefere

Grundlage bildet, so in der „Kudrun“ die Treue der Braut zum Bräutigam; aber während dort das Gefühl der Rache die weibliche Milde und Ruhe gänzlich aus der Seele der Heldin drängt, bewahrt Kudrun stets die Seelenruhe und die weibliche Hingebung in ihr Schicksal; sie leidet und duldet in Herzensreinheit, während Kriemhilde handelt. Das Epos zerfällt in drei Theile: Hagen, Hilde, Kubrun, und hat folgenden Inhalt:

I. Hagen, der Sohn Siegebant's, Königs von Eyrland (Irland) wird bei einem Feste von einem Greifen geraubt und auf eine ferne Insel getragen, wo er durch einen Zufall entkommt und von drei Königs: töchtern, die durch gleiches Schicksal dahingekommen, kümmerlich ernährt, aber im Umgang mit wilden Thieren stark und gewandt wird. Nach Jahren werden alle von einem vorbeisegelnden Schiffe nach Gyt: land gerettet, wo Hagen die Regierung erhält, und sich mit einer der drei nie alternden Jungfrauen, Hilde aus Indien, vermählt. II. Ihre Tochter, gleichfalls Hilde genannt, wird von dem Vater so geliebt, daß er ihr keinen Freier gönnt. Er tödtet die Boten und will nur den als Eidam anerkennen, der ihn im Kampfe besteht. Auch Hetel, König von Hegelingen (Friesland), wünscht sie zum Beibe. Die Werbung übernehmen drei seiner Edelleute, die in kaufmännischer Verkleidung als Geächtete nach Gyrland gehen, wo Wate durch seine Stärke, Frute durch seine Freigebigkeit und Horand durch die Lieblichkeit seines Gesanges, dem selbst die Vögel lauschen, Gunst erlangen. Horand findet endlich Gelegenheit, bei Hilden die Werbung seines Gebieters anzubringen und sie zur Flucht auf ihrem Schiffe zu bewegen. Hagen iezt ihnen nach und erreicht sie, willigt aber doch in die Vermählung und läßt seiner Tochter eine der drei Jungfrauen, die Hildburg, als Gespielin zurück. III. Hetel gewann zwei Kinder, Driwein und die schöne Kudrun. Um die Hand der leztern werben viele Freier, darunter Hartmut von der Rormandie, allein feinem gewährt sie der Vater, obgleich Hartmut der Tochter nicht mißfällt. Als aber Herwig, ein benachbarter Fürst, mit bewaffneter Macht in Hegelingen einfällt, scheidet Kudrun den Streit und wird mit ihm verlobt. Aber die Vermählung wird noch verschoben, weil Mutter Hilde zuerst die Ausstattung de forgen muß. Bald darauf benußt Hartmut einen Kriegszug Hetel's, um während seiner Abwesenheit die Kudrun zu rauben und nach der Normandie zu entführen. Umsonst eilt der Vater mit seinen Kåmvsern den Flüchtigen nach. Auf dem Wulpesand wird er von Hartmut's Vater, Ludwig, erschlagen und die Blüthe feiner Ritterschaft erliegt im Streit. Eine neue Generation muß heranwachsen ehe der Nachtzug gegen die Normänner unternommen werden kann. unterdessen wird Kudrun nach der Normandie abger führt. Schon auf dem Meere erklärt sie aber, daß sie dem Herwig ihre Treue bewahren würde, worauf fie Ludwig in die See wirft, Hartmut sie aber an den Haaren wieder herauszieht. Da sie sich indessen standhaft weigert, dem Normannen ihre Hand zu reichen, wird sie während der Abwesenheit ihres Entführers auf einer langen See- und Raubfahrt von Hartmut's Mutter Gerlinde, der Teufelin“, aufs schredlichste gequält und zu den niedrigsten Diensten einer Magd und Wäscherin gezwungen, wobei ihr Hildburg treulich Hülfe leistet. Endlich kommt die Rettung. Ortwein und Herwig kommen an den Ort, wo die Jungfrauen waschen. Es folgt die schöne Erkennungsscene, worauf Kudrun stolz die Gewänder ins Keet wirft und dann wieder in die Burg zurückkehrt, weil ihre Retter sie nur durch siegreichen Kampf gewinnen wollen. Um der Strafe zu entgehen, verspricht sie hier Gerlinden, in die Vermählung mit Hartmut ju willigen. Aber während der Nacht umringen die Hegelinger die Burg und erheben einen mächtigen Kampf, in dem Ludwig durch Herwig's Hand fällt. Schon hat Gerlinde den Tod der Kudrun befohlen und behen Lohn dem Thäter verheißen, als Wate, dessen Bart indessen ellenbreit geworden, die Burg erstürmt und die Königin erschlägt. Den Schluß bildet die Heimfahrt und eine dreifache Vermählung. Ortrun, Hart mut's Schwester, die allein gegen Kudrun theilnehmend und freundlich gewesen war, wird mit Ortwein var» bunden, Kudrun mit Herwig und Hildburg mit Hartmut.

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§. 16. Das Heldenbuch. Zu Ende des 13. und 14. Jahrhunderts verliert sich wieder das Interesse für die einheimischen Sagen und das deutsche National-Epos_theilt den Verfall, der die ganze Nitterpoesie trifft. Während aber die fremden Sagenstoffe an zu großer Fülle und Erweiterung leiden und mittelmäßige Dichter sich abmühen, die wachsende Masse zu bewältigen und in Eins zu verbinden, sehen wir umgekehrt die Sagen von Dietrich und Siegfried immer mehr abnehmen, bis sie zuletzt wieder zu einzelnen Liedern zusammenschwinden, die durch Bänkelsänger noch im Gedächtniß des Volks erhalten werden. Das deutsche National - Epos, das ursprünglich aus einzelnen rhapsodischen Gesängen bestand, macht also einen vollkommenen Kreislauf durch und kommt zulegt wieder auf das fragmentarische Hildebrandlied zurück, von dem es ausgegangen. Die ein zelnen diesen Sagenkreisen angehörenden Erzählungen, die immer mehr in den Bollston übergehen und kürzer, und roher werden, je näher sie der Zeit rücken, wo die Poefte wieder in die Hände des Volks gelangt, find im 15. Jahrhundert in etlichen Sammelwerken, die den Titel Heldenbuch führen und wovon das des Kaspar von der Roen (1472) das vollständigste ist, zusammengestellt worden. Die bekanntesten sind Otnit, Hug- und

Wolfdietrich, die an König Nother erinnern; sodann der Rosengarten, dessen Schauplatz eine Rheininsel bei Worms ist; Dietrich's Flucht und die Rabenschlacht, die Sage vom Zwergkönig Luarin, der Ecken Ausfahrt, der hörnene Siegfried u. A. Der poetische Werth dieser an Riesen- und Drachensagen reichen Dichtungen ist theilweise sehr gering, die ewigen Wiederholungen ermüden, zumal da die unlünstlerische Form und der eintönige Versbau (die Nibelungenstrophe) keinen Ersatz für die Dürftigkeit des Inhalts bieten. Eine Anzahl deutscher Heldensagen wurden in Prosa übertragen und in der nordischen Wilkinasage gesammelt. Einige wurden später auch in Boltsbücher umgewandelt.

Dinit und Wolfdietrich. Rosengarten. Inhalt: Otnit, König der Lombarden am Gardasee, entführt mit Hülfe des Zwergkönigs Alberich (Riesen und Zwerge spielen in allen nordischen Erzählungen eine wichtige Rolle) die Tochter des Königs von Syrien, wird aber dafür von Drachen, die dieser ins Land schickt und die Alles verwüsten, getödtet. Wolfdietrich, Sohn des Königs von Kon: ftantinopel, aber von seinen neidischen Brüdern vertrieben, rächt den Tod seines Waffenfreundes Otnit durch die Erlegung der Drachen, vermählt sich mit dessen Wittwe, befreit seine gefangenen Dienstmannen, benen er mit großer Treue zugethan ist, wird Kaiser, geht nach vielen Kämpfen und Abenteuern ins Kloster und besteht vor dem Tode einen Kampf mit Geistern, bis zuleßt Engel seine Seele heimführen. Im Rosengarten, worin ein von Kriemhilde im Uebermuth herbeigeführter Wettkampf zwischen Dietrich und seinen Amelungen und den burgundischen Helden, bei denen sich auch Siegfried befindet, geschildert ist, und wobei Siegfried von Dietrich überwunden wird, begegnen wir wieder den derben Späßen, den grob fomischen Zügen und dem rohen Ritterthum, wie im Walther von Aquitanien beim Wasgenstein. In „Eden Ausfahrt“ bildet der Kampf und die endliche Besiegung des Riesen Ecke durch Dietrich von Bern den Inhalt.

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4. Britische Sagenstoffe.

§. 17. Tafelrunde und Gralfage. Der Frauendienst und die Minne, die seit Heinrich von Velded nothwendiger Bestandtheil der Dichtung geworden, traten am stärksten hervor in den neuen, durch die Kreuzzüge in Deutschland eingeführten Sagenstoffen von König Artus (Arthur) und seiner Tafelrunde, deren Boden Wales und die von geflüchteten Briten bevölkerte französische Provinz Bretagne war.

Durch den Zusammenstoß so vieler Völker in den Kreuzzügen wurden, wie in der Völkerwanderung, die Sagen und Erzählungen vertragen und verpflanzt, und da der Verkehr das Erlernen fremder Sprachen erleichterte, so läßt sich die Verpflanzung dieser bretonischen Dichtungen, die in französischen Bearbeitungen vorhanden waren und dem Geiste der Zeit mehr zusagten, als die der Minne entbehrenden antiken Sagen oder das National-Epos, auf deutschen Boden leicht erklären. Der Reiz der Neuheit gab ihnen Werth und Ansehen.

Anfangs war die Sage von König Artus, dem Verfechter der britischen (keltischen) Nationalität und des Christenthums gegen die Angelsachsen (§. 248), eben so einfach wie die deutschen Sagen. Erst durch ihre Verbreitung in Frankreich und durch die Kreuzzülge schlossen sich die Erzählungen vom Ritterbunde der Tafelrunde, den Arthur's Vater auf den Rath des Zauberers Merlin zu Carduel gegründet, und wozu nur Tapferkeit, hohe Geburt, Lehnstreue und andere Rittertugenden Zutritt gewährten, so wie die Sagen vom heiligen Gral an die Artussage an.

Unter dem heil. Gral (sang réal) dachte man sich eine kostbare Schale, deren sich Christus beim leßten Abendmahl bedient und in die Joseph von Arimathia bei der Grablegung das Blut des Herrn aufgefangen haben sollte. Der Gral, der allerlei wunderbare Eigenschaften hat, wählt seine Hüter, die Templeisen, selbst und zwar blos aus den edelsten und frömmsten Rittern, und das Königthum desselben wird nur erlangt durch die reinste Gesinnung und die vollkommensten Rittertugenden. Das Gefäß, eine Reliquie aus dem Baradiese, ist mit Kräften des ewigen Lebens ausgestattet; es gewährt denen, die es anschauen, die reichste Fülle irdischer Güter und schüßt sie vor den Leiden des Alters und den Schmerzen des Todes. Der runde Tempel, in dem der heil. Gral nach der Dichtersage aufbewahrt war, stand in der Mitte der prachtvollen, von Thürmen umgebenen, auf ehernen Säulen gewölbten und von Schwibbogen getragenen Gralburg, die

der fagenhafte König Titurel auf dem unnahbaren Onyrberge Montsalvage in Spanien gegründet batte und die von den Dichtern als Wunder aller Herrlichkeit geschildert wird, prangend von Gold, Edelgeftein und Kostbarkeiten in üppiger Fülle.

Der ganz fabelhafte Boden der Sage und das Gefallen der Zeit am Wunderbaren und Märchenhaften gestatteten die schrankenloseste Erweiterung und die willkürlichsten Erfindungen einer ausschweifenden Phantasie. Kämpfe und Irrfahrten herumziehender und nach Abenteuern strebender Ritter, die meistens in der Fremde oder in der Einsamkeit erzogen und von der Heimath entfernt find, Rettungen und Beschützungen bedrängter Frauen, Gefechte mit hohnsprechenden Rittern, ungethümen Riesen und boshaften Zauberern u. dergl. bilden den Hauptinhalt dieser sonderbaren Sagen, an denen die ausgezeichnetsten Dichter des Mittelalters ihr Talent verschwendet haben. Nicht heftige Leidenschaften oder mächtige Verhältnisse sind die Triebfedern der Handlungen, sondern die Launen der Damen und die Grillen der Ritter. Keye, das böse Prinzip, ist kein großartiger Verbrecher wie Hagen, kein von gewaltigen Leidenschaften getriebener Verräther, wie Ganelon; er ist ein Tadler, Neider, Prahler, ein Störer der guten Gesellschaft. Dagegen ist die Welt der Gefühle und Empfindungen in den meisten Dichtungen dieses Sagenkreises mit übers raschender Tiefe erforscht und geschildert. Häufig flechten auch die Dichter ihre eigenen Betrachtungen und Ansichten ein, so daß das Ritter - Epos nicht die objective Haltung der älteren Heldengedichte hat.

Das älteste Gedicht dieser Gattung ist der Lanzelot vom See des Ulrich von Zazikoven (e. 1192), worin die Irrfahrten, Abenteuer und Schicksale eines jungen Ritters, der nie die Heiterkeit und den jugendlichen Frohsinn verliert, ohne hohe Kunst und ohne tiefere sittliche Würde geschildert sind; von gleich geringem Werthe ist der Wigalois oder Ritter mit dem Rade des Wirnt von Gravenberg (1212), in welchem der Dichter nach einer mündlicher. Erzählung die Thaten, Abenteuer und Liebesgeschicke eines Ritters darsteßt, der von Syrien aus, wo seine Mutter wohnt, nach Arthur's Tafelrunde zieht, um seinen Vater Gamein zu suchen. Wirnt ist so wenig objectiv, daß er nicht nur seine eigenen Ansichten und Lebenserfahrungen häufig zu erkennen gibt, sondern sogar den Grafen Høyer den Rothen von Mannsfeld in die Erzählung einflicht. — Wichtiger sind die drei folgenden Dichter.

§. 18. Hartmann von der Aue (im Schwäbischen) vereinigt mit edler, frommer Gesinnung, Zartheit und Tiefe der Empfindung, Gemüthlichkeit und feines Gefühl. Dies tritt weniger hervor in der dem britischen Sagenkreise angehörenden, mit abenteuerlichen Zügen und Kämpfen angefüllten Epopöe Jwein oder der Ritter mit dem Löwen und in Erek, einer epischen Erzählung, als in der seiner Natur mehr entsprechenden schwäbischen Legende vom armen Heinrich. In dieser an sich wenig poetischen Sage hat Hartmann die Treue und Hingebung eines reinen Gemüths und die idyllische Häuslichkeit so anziehend und gemüthvoll geschildert, daß die Legende sich seitdem als Volkserzählung er halten hat. Hartmann eigen ist die Mâze, die schöne Tugend der Mäßigung: sie hilft ihm der klassischen Art so nahe kommen, als das in dem Zeitalter der Romantik möglich war. Mit Maß tritt die gelehrte wie die höfische Bildung hervor, mit Maß sein Ic: er erzählt lieber als er reflectirt; er erzählt, wie der Gegenstand selbst es fordert, bald eilend, bald zögernd; und wenn er, von inniger. Sittlichkeit geleitet, den überlieferten Stoff mit einem ernsten höheren Gedanken sättigend durchdringt, so ist auch dieses stets ein Gedanke der Mâze; denn stets ist es die ergänzende und versöhnende Ausgleichung der Gegensätze, die er veranschaulicht."

Inhalt: 1. Iwein, ein Ritter von Arthur's Tafelrunde, tödtet den Besizer eines Zauberbrunnens im Walde, nach harten Kämpfen mit dessen Dienern, und vermählt sich mit dessen Wittwe Laudine. Bon Gawein zu weiteren Zügen aufgefordert, verläßt er jedoch dieselbe auf ein Jahr und geht neuen Kämpfen und Abenteuern nach. Als er aber nicht zu der bestimmten Zeit zurückkehrt, verliert er die Gunft seiner Gattin, fällt darüber in Wahnsinn und irrt im Walde umber. Endlich von drei Zauberfrauen geheilt, defreit er einen mit einem Drachen kämpfenden Löwen, der ihn nun aus Dankbarkeit als trener Gefährte und Mitkämpfer überall begleitet. An dem bekannten Zauberbrunnen findet er Luneten, die ihn früher bei dem Kampf um den Besitz desselben mittelst eines Zauberrings gerettet hatte, eingeschlossen und befreit sie, indem er für ihre Unschuld kämpft, vom Feuertode. Mit Hülfe des Löwen besiegt er noch mehrere Riesen, rettet dreihundert gefangene Jungfrauen und kehrt endlich ruhmgekrönt an Arthur's Hof zurück, worauf ihm Lunete auch wieder die verlorene Gunst Laudinens erwirbt.

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