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einer jenseitigen Geisterwelt" harrten in München aus, bis sie unlängft (1860) beide in die Gruft sanken. So sehr auch manche Wissenschaften durch geistreiche und gelehrte Forscher, wie die Physik durch Steinheil, die alt- und mittelhochdeutsche Sprache durch Schmeller, bereichert und gepflegt wurden, und so gründliche Arbeiten in einzelnen Zweigen die bayerische Akademie in ihrer vieljährigen Wirksamkeit zu Tage gefördert haben mag, so war doch bis vor Kurzem die Universität München mit all ihren reichen Hülfsquellen im Gebiete der freien Wissenschaft nur ein trüber Stern, wo Mysticismus (Franz Xav. Baader † 1841, der Schöpfer der „Physiosophie“, welche „für Natur und Gottesweisheit einen geheimnißvollen Mittelpunkt suchte“) und Ultramontanismus ihr düsteres Reich aufgeschlagen hatten. Die,,historisch-politischen Blätter", wo die ultramontanen Vorkämpfer Döllinger, Lasauly, Ringseis, Philipps (jezt in Desterreich) u. A., die Freunde und Gesinnungsgenossen des nunmehr verstorbenen Joseph Görres (Lehrb. §. 814) und seines Sohnes Guido († 1852), ihre kirchliche Polemik niederlegen, sind für alle Freunde humaner Bildung eine unerfreuliche Erscheinung. Erst seit dem Regierungsantritt des gegenwärtigen Königs Max II., eines Gönners gründlicher Wissenschaften, nahm auch die Universität München eine freiere Richtung und einen vielversprechenden Aufschwung, der auch durch mehrere begabte Dichter, die daselbst ihren Wohnsitz haben, gefördert wird, wie Em. Geibel, Paul Heyse (§. 106), Hermann Lingg, Friedr. Bodenstedt (,,Gedichte“, „Ada“, „Demitrius"), Franz Löher (,,General Spork“) u. a. m. In Franz Trautmann, dem begeisterten Verehrer mittelalterlichen Lebens mit seiner Gläubigkeit, Einfalt und ritterlichen Kraft, hat das bayerische Volk einen nationalen Dichter von echter Prägung gefunden (,,Eppelein von Geilingen“, „Herzog Christoph genannt der Kämpfer",,, Petrus Nöckerlein.“) Regensburg, die altehrwürdige Römerstadt, in `deren Nähe König Ludwig den deutschen Ehrentempel Walhalla errichten ließ, besaß eine Anzahl ausgezeichneter Bischöfe und Domherren, von denen einige, wie Sailer (Lehrb. §. 814) und Diepenbrock (später Bischof in Breslau, wo er 1853 starb), als Zierden ihrer Kirche dastehen. Augsburg,

einft neben Nürnberg der Hauptsitz reichsstädtischer Blüthe und Bildung und eines großartigen Weltverkehrs, ist seit einigen Jahrzehnten durch die Bedeutung und Verbreitung der,,Allgemeinen Zeitung" ein Mittelpunkt ausgedehnter journalistischer Thätigkeit geworden. Auch lebte und wirkte bis zum 3. Sept. 1854 daselbst der greise als Kinderschriftsteller weitberühmte Domherr Christoph Schmid (geb. 15. Aug. 1768), der Berfasser der,,Ostereier“ und vieler ähnlichen Erzählungen.

e) Desterreich. Reicher an dichterischen Kräften aller Gattung ist Desterreich, wo selbst die Ungunst der Zeiten weder die angeborene Dichternatur noch die literarische Regsamkeit des Volks zu ersticken vermochte. Abgesehen von den bedeutenderen Dichtern, von denen oben die Rede war, und auch abgesehen von den Sumpfpflanzen, die unter einem genußsüchtigen, lebensfrohen Volke leicht aufschießen und nach dem Beifall der großen Menge streben, von Blumauer's Travestien, von den Wiener Theaterpossen eines Nestroy, Bäuerle u. A. ist das österreichische Land nicht arm an Künstlern und Schriftstellern, wenn schon manche, wie Ed. Duller (Lyriker, Romanschreiber und populärer Volksschriftsteller), Dräxler-Manfred (Herausgeber des „Kursaals in Wiesbaden“), Kuranda, mehrjähriger Redacteur der „Grenzboten“, Schuselka, ein fruchtbarer Literat, der Romanschriftsteller und Dichter Karl Herloßsohn aus Prag, Herausgeber des „Kometen“ u. A. m., die Heimath und die Metternich'sche Polizei mieden und sich in der Fremde niederließen. Auch der jüdische Humorist, Satiriker und Witzmacher Mor. G. Saphir aus Pesth (1794-1858) mußte eine Zeit lang die öfterreichische Hauptstadt verlassen und der biedere, als Arzt, Universitätslehrer und vielseitiger Schriftsteller allgemein geachtete Freih. v. Feuchtersleben zog sich durch seine kurze Theilnahme an dem öffentlichen Leben als Unterstaatssekretär in dem Ministerium Doblhoff 1848 das Mißfallen der Regierung und höheren Stände in solchem Grade zu, daß ihn

Dester=

reich.

Thürin gen.

Sachsen.

Dresden.

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der Kummer über seine Zurücksetzung im 45. Jahre ins Grab stürzte (3. Sept. 1849). Als Epiker in Anast. Grün's Manier hat sich Karl Bed aus Pesth („Nächte“, „der fahrende Poet“, „Janko der ungarische Roßhirt“), als Lyriker J. Gabr. Seidl, 3. N. Vogl, der Ritter von Tschabuschnigg aus Klagenfurt und die böhmischen Freiheitssänger Moritz Hartmann (geb. 1821, „, Kelch und Schwert"; aus Böhmens Vergangenheit; „Reimchronik des Pfaffen Mauritius“; „Adam und Eva“, ein anmuthiges Idyll;,,Bretonische Lieder“ u. A.) und Alfred Meißner („Ziska“, „das Weib des Urias" u. A.), als Dramatiker und Novellist Uffo Dan. Horn (1817-1860), als Lustspieldichter Ed. Bauernfeld und der unglückliche in Melancholie verkommene Ferd. Raimund († 1836, „Verschwender“, „der Alpenkönig und der Menschenfeind" u. A.) auch in weitern Kreisen bekannt gemacht, und als Ueberseßer orientalischer Poesien suchte der Verfasser der osmanischen Geschichte und der große Kenner des Morgenlandes, Hammer - Purgstall (Anh. §. 98) mit Rückert zu wetteifern. Vor Allem aber blühte die Tonkunft in Oesterreich, wo der geniale Mozart (1756– 1791) und Joseph Haydn (1732-1809) geboren waren und der phatnasiereiche Beetho ven den größten Theil seines Lebens zubrachte. Das Wiener Burgtheater, jezt unter Laube's Leitung, war von jeher ein Brennpunkt künstlerischer Thätigkeit, das auch in neuester Zeit dichterische Kräfte anzog, wie Hebbel aus Ditmarschen, Mosenthal aus Cassel (,,Deborah"; „Bürger und Molly“ u. A.). Und doch muß man mit Wehmuth be kennen, daß Oesterreich sich an den literarischen Interessen des deutschen,,Reichs,“ wenig betheiligte, daß es auch in dieser Hinsicht als ein fremdes Land anzusehen ist. Auch Adalbert Stifter, der Verfasser der durch lebendige Naturschilderungen ausgezeichneten „Studien“, gehört Oesterreich an und der schlesische Lyriker von aristokratischer Färbung v. Strachwig starb 1848 in Wien.

§. 110. f) Thüringen und Sachsen. Thüringen mit der Wartburg, dem einstigen Sammelplatz der Minnesänger (Anh. §. 12) und mit Weimar, dem glänzendsten Musensitz der Neuzeit, hat noch jest an seiner großen Bergangenheit einen starken Anhalt und einen reichen Schaß von Erinnerungen. Die Romane Ernst Wagner's aus Meiningen (Anh. §. 96) und Augusts v. Tromlig (Witzleben) so wie die Dichtungen und Uebersetzungen (,,Tegner's Frithiof-Sage") der Amalie v. Helvig geb. Imhof von Weimar († 1834 in Berlin) gehören einer früheren Periode an; aber auch die Gegenwart oder jüngste Vergangenheit besitzt in Ludw. Bechstein zu Meiningen († 1860) und in Adolf Bube zu Gotha geschickte Bearbeiter der thüringischen Sagen und Volksballaden und in leyterm einen sinnigen und gemüthvollen Beobachter der Natur in ihrem stillen Walten (,,Naturbilder“). Dabei hält Jena, die lebenskräftige Universitätsstadt, und der wissenschaftliche Geist einiger Gymnasien, wie Gotha und Weimar, den Sinn für Literatur und geistiges Leben aufrecht und in Weimar und Coburg - Gotha finden unter dem Schutze kunstliebender und freisinniger Fürsten Wissenschaften und Künste eine friedliche Stätte. Fr. Gottl. Becker in Gotha trat in die Fußtapfen seines als Volksschriftsteller und Journalist berühmten Vaters Rub. Zach. Beder, der unter Napeleons Machtherrschaft für seinen deutschen Freimuth durch 17monatliche Haft in Magdeburg büßen mußte. Aug. Thieme, dramatischer und lyrischer Dichter aus Thüringen (geb. 1780) wirkte lange im Kirchen- und Schulfache in Rußland und Finnland. Sachsen, der alte Siz protestantischer Cultur, bewahrte auch in der neuern Zeit seinen literarischen Ruhm, wenn gleich seit dem Uebertritt des Herrscherhauses zur katholischen Kirche in Dresden die Kunst mehr Geltung fand als Literatur und Wissenschaft. Tiedge verbrachte hier den Abend seines Lebens und Ludw. Tieck der Romantiker ftand noch vor Kurzem unter dem jungen Geschlechte da, wie eine gebeugte und wankende Säule aus vergangenen Tagen, ehe er dem Rufe des gleichgesinnten Königs nach Berlin folgte, um in seiner Geburtsstadt sein Grab zu finden († 1853). Der Dramatiker Maltig, der Verfasser von „Schwur und Rache“, „Hans Kohlhaas“, „Oliver Crom

well" u. a. starb in Dresden im vier und vierzigsten Lebensjahre (1837); Karl Förfter, der Romantiker, wirkte hier bis zu seinem Tode (1841) neben Tieck, und auch Guzkow hat die kunftliebende Stadt schon seit einer Reihe von Jahren zum Aufenthalt gewählt. Otto Ludwig aus dem Meiningenschen, der Verfasser des „Erbförster“ und der „Makkabäer“, zweier dramatischer Dichtungen voll kräftiger Zeichnung und klarer Gestaltung der Charaktere, aber ohne ideale Größe und Reinheit, hat sich gleichfalls in Dresden niedergelassen, in dessen Nähe Otto Heubner (§. 879) während seiner zehnjährigen Haft in Königstein und Waldheim in der Dichtkunst (Klänge aus der Zelle in die Heimath") und in metrischen Uebersetzungen englischer Lyriker Troft und Ergebung suchte für die Trübsal in langer Nacht. Die herrliche Gemäldegallerie unter Hübner's und Bendemann's Leitung und die Antikensammlung (Becker's Augusteum) so wie das treffliche Theater, für dessen Oper einst K. Maria von Weber († 1826) und bis in die neueste Zeit, vorzüglich auch als Liedercomponist populär, Karl Gottlieb Reissiger († 1859) thätig waren, sind mächtige Magnete für künstlerische und kunstsinnige Naturen. Die königliche Familie (vgl. Anh. §. 103) ist durch Bildung und wissenschaftlichen Sinn ausgezeichnet. Eigenschaften, die von jeher dem ganzen sächsischen Volke innewohnten, und sich noch jetzt durch die trefflichen Schulanstalten bewähren. Eine glänzende Stelle in der neuesten Literatur nimmt Leipzig ein, der große Markt der Bücherwelt Leipzig. und der Hauptsitz des,, jungen Deutschland." Die ausgedehnten Buchhandlungen, die Menge von Zeitschriften verschiedenen Inhalts, die berühmte Universität, das rege Leben während der Messen, der Einfluß eines ununterbrochenen literarischen Rufes, dies Alles hat der Stadt ein solches Gepräge von Bildung, Wissenschaftlichkeit, Kunstsinn und literarischer Regsamkeit verliehen, daß sie von jeher vorzugsweise als Musensiz galt und die bedeutendsten Schriftsteller, Dichter und Gelehrten anzog. Selbst für die ernste Tonkunft wußte der früh verstorbene, als Künstler wie als Mensch ausgezeichnete Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig, dem einstigen Wirkungsort des großen Sebast. Bach, ein reges Interesse zu wecken und zu erhalten, und für Verbreitung der Alterthumswissenschaft hat außer den großen Philologen, wie Gottfr. Hermann u. A., besonders W. Ad. Becker durch deutsche Werke (,,Gallus, oder römische Scenen aus der Zeit Augusts") vortheilhaft gewirkt. Unter den neuesten Dichtern sind, seitdem der Dramatiker Julius Mosen (der sich auch in der epischen Gattung [,,Ahasver"] und in andern Dichtungsarten versucht hat) als Theaterdirektor nach Oldenburg berufen wurde, am bedeutendsten: J. Minkwitz aus Leipzig (Platen's Freund und Uebersezer des Aeschylus und Homer), Gustav Freytag, der Dramendichter (,,Valentine“, „Waldemar", ,,die Journalisten“, „die Fabier“ u. A., der verbreitete Roman „Soll und Haben“ und das anziehende, größtentheils aus alten Urkunden geschöpfte Buch „Bilder aus der deutschen Vergangenheit"), und Wilh. Müller aus Dessau (1794-1827), der talentvolle Bearbeiter der,,Griechenlieder“ und der „Lieder eines reisenden Waldhorniften“ und mehrere Schriftsteller des jungen Deutschland“ (Anh. §. 105). Wilh. Gerhard (1780 -1858) und Adolf Böttger (geb. 1815) find mehr durch ihre Uebersetzungen als durch ihre eigenen poetischen Erzeugnisse bekannt geworden. Der dramatische Dichter und Humorist K. Fr. G. Wezel von Baußen (1780–1819) gehört einer frühern Zeit an. Auch der größte Meister der ernsten Musik, G. Fr. Händel (1685-1759), war in Sachsen (Halle) geboren, doch war England das Land seiner musikalischen Wirksamkeit Muskau. (Anh. §. 66). — Muskau in der Lausitz ist der durch herrliche Parkanlagen ausgezeichnete Stammsitz des geistreichen Fürsten Pückler, der als angeblicher,,Verstorbener" eine große Anzahl interessanter und pikanter, wenn gleich flüchtiger und mitunter leichtfertiger Schriften, besonders Reiseberichte (Briefe eines Verstorbenen", Jugendwanderungen", „Semilafso's vorleßter Weltgang" u. a.) und vermischte Aufsäße („Tutti frutti“) verfaßt und zuletzt seine Feder dem Preise des ägyptischen Beherrschers Mehemed Ali gewidmet hat, und der Wohnort des empfindsamen Dichters des pantheistisch gefärbten „Laien

Preußen.

breviers" und Verfaffers mehrerer Novellen in Jean-Paulscher Manier, Leopold Schefer (geb. 1784).

g) Preußen. Das östliche Preußen, namentlich das bewegliche Königsberg, bat auch in neuester Zeit bewiesen, daß mit Herder, Kant, Winckelmann u. A. seine Literatur nicht ausgestorben, aber auch die von jeher herrschenden geistigen Gegensätze nicht versöhnt seien. Wie man auch die excentrischen Richtungen auf dem Gebiete der Religion (die Mucker, und als Gegensatz Rupp und die freie Kirche) und der Politik (Jacoby) beurtheilen mag, einen strebsamen, rührigen Geift kann man der dortigen Bevölkerung nicht absprechen. Aber das Land hat mehr Erzeugungs- als Erhaltungskraft; wie in früheren Jahren Hamann, Herder und Winckelmann die Blüthen ihres Geistes in andern Gegenden entfalteten, so auch in neuerer Zeit die bedeutendsten Schriftsteller, Franz von Gaudy aus Frankfurt an der Ober (1806-1840) und Johannes Falk, der Schn eines armen Perrückenmachers in Danzig (1770-1826). Der erstere, ein beliebter Dichter und Novellenschriftsteller (,,Erato“, „Korallen“, „Venetianische Novellen“, „aus dem Tagebuch eines wandernden Schneidergesellen“ u. a.), brachte einen großen Theil seines Lebens auf Reisen zu, bis er in der Blüthe männlicher Jahre in Berlin starb; der zweite, nicht minder ausgezeichnet durch seine satirischen und humoristischen Schriften (,,der Mensch und die Helden“,,,die Gräber von Nom und die Gebete“, „Taschenbuch für Freunde des Scherzes und der Satire“) wie durch seine menschenfreundliche Wirksamkeit, als Gründer einer Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder, war einer der Genossen des Weimarer Musenkreises. Auch Freiherr von Eichendorff von der romantischen Schule (§. 100), bekannt als lyrischer Dichter, als Roman- und Novellenschriftsteller (,,Aus dem Leben eines Laugenichts", das Marmorbild", Ahnung und Gegenwart") und als Dramatiker (,,Meierbeths Glück und Ende“, „Ezzelino von Romano“, „die lezten Helden von Marienburg" u. a. m.) und Neberseyer Calderon's, gehört seiner Geburt nach Schlesien, seinem amtlichen Wirkungskreis nach dem öftlichen Preußen an, lebte aber längere Zeit in Berlin. Die katholische Richtung der Romantiker auf die Spiße treibend, gerieth er in seiner „Geschichte des Drama's" zu einem so verschrobenen, durch Fanatismus getrübten Kunsturtheil, daß er den,,Selbstzweck aller Kunst für den Dienst im Vorhofe der katholischen Kirche hingibt." Ebenso verbrachte Otto Gruppe aus Danzig, Verfasser des „, Alboin“, der „Königin Bertha“ und anderer Romanzen aus den Heldensagen Karl's des Großen nach Paul Diaconus (§. 2. c.), sein Leben fern von dem Geburtslande; sein Landsmann Rob. Reinic (geb. 1805), der Maler und Dichter heiterer Natur- und Frühlingslieder, hatte Dresden zu seinem Aufenthaltsort gewählt, wo ihn ein früher Tod im Jahre 1852 der Kunst und Poesie und dem Freundeskreise entriß. Alexander Jung theilt die Richtung des „jungen Deutschland“, dessen Genosse er war. In der Nähe von Königsberg mit seiner geistesfrischen Universität, wo neben andern berühmten Gelehrten der Philosoph und Literarhistoriker Rosenkranz thätig ist, verlebte bis zum J. 1856 der Freiherr v. Schön, ein Genosse Stein's und der Männer der Freiheitskriege, seine späteren Tage in stiller Opposition gegen die politische Richtung der preußischen Regierung. Ein Zögling der Königsberger Hochschule, Julian Schmit, hat als dermaliger Mitredacteur der Zeitschrift,,Grenzboten“ und besonders durch seine neueste Schrift Geschichte der deutschen Nationalliteratur im neunzehnten Jahrhundert“ einen kritischen Geist und mannichfache Studien, wenn auch mitunter einseitiges Urtheil beurkundet. Ein patriotischer Dichter aus Preußen, C. F. Scheerenberg, unternahm es, große geschichtliche Ereignisse poetisch aufzufassen und darzustellen (,,Waterloo"), und hat mit seinem vielgepriesenen und vielgetadelten Gedicht „Leuthen“ versucht, die hohe Gestalt Friedrich's II. und den siebenjährigen Krieg für eine neue Gattung epischer Poesie zu benutzen und mit Humor zu behandeln. Aber der derbe Naturalismus der Schlesien. Form und Sprache verletzt nicht selten ästhetischen Kunstsinn. Schlesien, im 17. Jahrhundert die Heimath einer weitberühmten Sängerschule (Anh. §. 46. 48) und das

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Berlin

Geburtsland vieler hervorragenden Talente, ist auch in neuerer Zeit hinter andern Ländern nicht zurückgeblieben; doch hat hier vor einiger Zeit die liberale Opposition gegen das preußische Staats- und Kirchenregiment eine Richtung ins Unhaltbare und Extreme genommen (Ronge und der Deutschkatholicismus; Hoffmann von Fallersleben u. A.). Die Keime dieser Richtung finden sich schon bei Friedrich von Sallet (1812 -1843), dem talentvollen Verfasser des freigeistigen, auf Hegelischen Säßen aufgebauten ,,Laienevangeliums", wißiger Epigramme und anziehender Märchen, der wegen satirischer Berhöhnung des Soldatenstandes, dem er selbst angehörte, eine durch kriegsrechtlichen Spruch erkannte, aber von dem König ermäßigte Gefängnißstrafe zu bestehen hatte. Naupach, der fruchtbare, oberflächliche Dramatiker in Kotzebue's Art (,,die Hohenstaufen“, Cyklus von Tragödien u. v. a.; † 1852 in Potsdam), ein schroffer, dem Absolutismus ergebener Mann, der Aesthetiker und Romanzendichter Kahlert (geb. 1807) u. A. lebten und wirkten in Schlesien. Auch Max Waldau (Hauenschild; 1822–1855), der Verfasser des Romans „Nach der Natur", einer epischen Erzählung aus Graubündtens Alpenwelt, „Cordula“, einer Art „Dorfgeschichte in Versen mit kriegerischem Hintergrund“ und einiger,,Canzonen“ gehört dem schlesischen Lande an. Die lebenskräftige Universität Breslau, wo der Historiker Stenzel († 1855) und viele bedeutende Männer wirkten, ist eine Pflanzschule deutscher Bildung für die slavischen Oftländer. Aus der preußischen Provinz Posen stammt Otto Roquette, der beliebte Sänger der erzählenden Posen. Gedichte „Waldmeisters Brautfahrt“ und „der Tag von St. Jacob“, in welchem leßtern das hochtragische, geschichtliche Ereigniß mit tiefgreifenden Familieninteressen verbunden und der Gegensaß des einfachen, freiheitliebenden, tapfern Volkes gegen die kampfgehärteten übermüthigen Raubschaaren auf ergreifende Weise in einzelnen Zügen dargestellt ist. Die fähigsten Männer auf dem Gebiete der Kunst und Literatur zog das reiche Leben Berlins an, das in dem preußischen Königreiche eine ähnliche centripetale Anziehungskraft übt, wie die größern Hauptstädte Englands und Frankreichs. So aus Schlesien, unter vielen andern bereits Erwähnten, den Romanschriftsteller Häring ( (Wilibald Alexis) von Breslau (Anh. §. 96) und den Dichter und Maler Aug. Kopisch (geb. 1799 † 1853), den Entdecker der blauen Grotte" auf Capri bei Neapel und Platen's Freund, den Lyriker, Dramatiker und Romanschriftsteller K. v. Holtei (geb. zu Breslau 1797) u. A.; aus Pommern den Dichter (Jakobäa“, Tragödie) und Kunstkenner Franz Theodor Kugler (geb. 1808 in Stettin † 1858) u. A. m. Auch Pruz (Anh. §. 106) nahm zeitweise seinen Aufenthalt daselbst, so wenig auch seine Muse in die Nähe des Thrones und Hofes paßt. Heinrich Steffens (1775-1845. Anh. §. 96), Romantiker und Naturphilosoph in Schellings Geist, vertauschte sein norweg'sches Vaterland mit Deutschland, zu dem er eine innere Verwandtschaft fühlte, kämpfte während der Freiheitskriege in den deutschen Heeren und verlebte seine spätern Jahre in der preußischen Hauptstadt, ein fruchtbarer und thätiger Schriftsteller auf dem Gebiete der Philosophie, der Novellendichtung, der Politik und der Religion. Bei der Abgeschloffenheit Desterreichs, wodurch Wien für die literarische Lebensthätigkeit Deutschlands von wenig Bedeutung war, erlangte Berlin den ersten Rang unter den deutschen Städten und wurde von seinen Berehrern als die Metropole der deutschen Bildung hingestellt. Die zwei ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, wo so viele Sterne erster Größe daselbst glänzten, ist Berlins goldenes Zeitalter gewesen. Aus jenen Tagen des Ruhms stand noch bis zum Jahr 1859 Alexander von Humboldt (geb. 1769), der unermüdliche Durchforscher der Erde und des Weltalls (,,Kosmos"), wie ein starker Pfeiler da. Von ihm angeregt hat Karl Ritter (1779–1859) durch seine Geographie von Asien die Wissenschaft der Erdkunde gänzlich umgestaltet und ist ihm nach einem „geheiligten Stillleben der Wissenschaft" in demselben Jahre in die Gruft gefolgt. Wie Ritter die Geschichte des Menschengeschlechts aus den natürlichen Bedingungen des Erdlebens entwickelt, wie er buerst das Leben auf der Erdoberfläche so recht eigentlich aus den Grundvesten des ErdWeber, Geschichte. II. 9. Aufl. (Literatur.)

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