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blieb ohne Erfolg. Während dieser Zeit befand sich Kossuth mit den Ministern und Gliedern des Reichstags in Szegedin, welches, seit der Besetzung von Pesth durch die Desterreicher und Russen, zum vorläufigen Sitz der Regierung bestimmt worden. Hier hielt der ungarische Reichstag gegen Ende Juli seine leßten Sitzungen und die Regierung faßte Pläne und Vorschläge, welche die innere Zerrissenheit, Rath= losigkeit und Parteispaltung sattsam beurkundeten. Görgey sollte vom Obercommando entfernt werden; aber wer wagte es, den Gewaltigen, dem man mißtraute, von einer Armee zu trennen, die ihm mit Begeisterung anhing! Man reizte ihn, ohne ihn zu schwächen.

3. Aug.

2. Aug.

1849.

§. 893. Die katastrophe von Vilagos. Bald nahte sich der gewaltige Kampf, auf den die Blicke Europa's nun noch ausschließlich gerichtet waren, seinem Ende. Ein kühner Ausfall der Komorner Besagung unter dem tapfern Klapka war das lezte glückliche Ereigniß. Reich beladen mit Beute und aufs Neue mit Lebensmitteln und Kriegsvorrath versehen, kehrten die Besagungstruppen, die bis Raab und Wieselburg gestreift, in die unüberwindliche Stadt zurück. Bald zogen sich die vereinten Streitkräfte an der Theiß und Maros zusammen. Von Norden her waren nämlich die Russen unter Paskiewitsch, Osten-Sacken, Grabbe u. A. schon im Juli bis nach Tokay und Miskolcz vorgerückt, während Görgey noch in Komorn verweilte. Auf die Kunde hiervon brach dieser sogleich auf, um wo möglich die Verbindung der Russen mit den von Westen vordringenden Desterreichern zu verhindern; dieser Plan mißlang, aber nach dem glücklichen Gefechte bei Waizen ent- 15. Juli. ging er durch einen meisterhaften Marsch über die Karpathen den russischen Armeecorps und erreichte die obere Theiß. Die Kriegsmacht der Feinde war der seinigen weit überlegen; nach einem unglücklichen Gefechte bei Debreczin mußte er sich daher immer weiter nach Osten und Süden zurückziehen, langsam verfolgt von den nachrückenden Russen, bis er am 8. August in Vilages, einem Flecken unweit Arad, sich in einer Lage befand, welche ihm die Fortsetzung des Kampfes unmöglich zu machen schien. Zu gleicher Zeit hatte General Haynau mit österreichischen und russischen Heeren von Pesth aus einen Zug nach der untern Theiß unternommen, hatte bei Szegedin den Uebergang über diesen Flußz bewerkstelligt und war dann, die Ungarn vor sich hertreibend, den Ufern der Maros entlang südostwärts gezogen, bis er in die Nähe der belagerten Stadt Temesvár kam, wo er ein glückliches Treffen mit den Magyaren bestand, und dadurch die Befreiung dieser von Hungers- 9. Aug. noth und Cholera schwer heimgesuchten Stadt bewirkte. Nach der Schlacht von Temesvár, wo die Truppen Dembinski's und Meszaros' zersprengt und in die Flucht getrieben wurden, concentrirten sich die ungarischen Streitkräfte um Arad, wo sich Kossuth mit der provisorischen Regierung befand und wohin auch Görgeh gezogen war. Letzterer hatte schon während des Marsches von russischen Parlamen= tären Anträge zur Niederlegung der Waffen unter bestimmten Bedingungen empfangen und mit einigen russischen Offizieren Verbindungen unterhalten; jezt scheint die verzweifelte Lage der Dinge und die Mißstimmung gegen Kossuth den Entschluß, den er schon längere Zeit in seiner Brust gehegt haben mochte, rasch zur Reife gebracht zu haben, durch die denkwürdige Katastrophe von Vilagos dem Kriege ein Ende zu machen. In dem lezten zu Arad abgehaltenen Kriegsrath sprachen sich die überwiegenden Stimmen dahin aus, daß Kossuth die Gewalt niederlegen und Görgey 10. Aug. die Dictatur übernehmen sollte. Beides geschah. Zwei Proclamationen vom 11. August, die eine unterzeichnet von Ludwig Kossuth und sämmtlichen Ministern, die andere von Arthur Görgey, gaben der ungarischen Nation Kunde von diesem Ereigniß und schon am 13. August in der Frühe streckte der neue Dictator mit einer Armee von 30,000 Mann und 120 Kanonen vor dem russischen General Rüdiger in Vilagos die Waffen. Knirschend vor Zorn, aber gebeugt von dem Gefühle der

Beber, Geschichte II. 9. Aufl.

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Beschämung und niedergeschlagen über das eigene Schicksal und das Unglück des Vaterlandes fügte sich das Heer in die Nothwendigkeit und vollzog das Gebot des Machthabers. Nicht ohne Verdruß über den Triumph der Russen vernahmen die Desterreicher die Kunde der Uebergabe, gerade als sie im Begriff standen, dem ungarischen Heere die letzte Hauptschlacht zu bieten. Die Unwahrscheinlichkeit eines für die Ungarn günstigen Ausganges des ungleichen Kampfes, die Hoffnung, durch die Waffenstreckung das Leben so vieler tapferen Krieger zu erhalten und dem Baterlande einige Erleichterung zu gewähren, die Abneigung gegen die polnischen Heerführer und endlich die effenkundigen Zerwürfnisse mit Kossuth, mit der Landesregierung und mit dem Reichstag, deren republikanische Tendenzen er mißbilligte und de ren Versuche, ihm den Oberbefehl zu entziehen, seinen militärischen Stolz belei digt hatten, schienen den tapfern Görgey zu dem unerwarteten Schritte, der ihn zum Verräther der eigenen Sache machte, bewogen zu haben. Die Art der Kriegführung während der letzten Wochen gab der Vermuthung Raum, daß Görgey (wie auch in der Folge seine Denkwürdigkeiten,,Mein Leben und Wirken in Ungarn" andeuteten) schon längere Zeit mit Paskiewitsch in Unterhandlung gestanden und daß er im Vertrauen auf mündliche Zusagen sich und sein Heer ohne alle Bedingung den Russen überliefert habe. Allein die Hoffnung, durch russische Vermittelung und Fürsprache Straflosigkeit für alle in die Ergebung inbegriffenen Soldaten und Führer zu erhalten, ging nicht in Erfüllung. Er selbst erlangte zwar wegen seines großen Dienstes Gnade und einen sichern Aufenthaltsort in Klagenfurt; aber die Andern wurden den Gerichten überliefert. Nach der Capitulation von Vilagos ging der ungarische Krieg bald zu Ende. Die Festungen Arad, Peterwardein u. a. ergaben sich; die Honveds zogen in ihre Heimath, Kossuth, Bem, Dembinski, Meszaros und viele Andere flohen über die Grenze und suchten Schuß auf türkischem Gebiet; in Siebenbürgen wurden die Szefler und Magyaren von den Walachen und Slaven überfallen, beraubt, ermordet, bis endlich die Russen und Desterreicher Einhalt thaten. Nur Komorn, wo Klapka den Oberbefehl führte, hielt sich noch über einen Monat. Erst als sich der kühne Feldherr überzeugt hatte, daß der ungarische Aufstand 27. pt. überwunden sei, übergab er die Festung unter ehrenhaften Bedingungen und zog in die Fremde. Damit endete der ungarische Krieg, großartig in seiner Erscheinung, tragisch in seinem Ausgang. Triumphirend berichtete Paskiewitsch seinem Herrn: ,,Ungarn liegt besiegt zu den Füßen Eurer Majestät." Daß Görgeh nicht die Krieger Haynau's, die das Waffenglück bis unter die Mauern von Temesvár getragen, sondern die Russen, die noch keine namhafte Schlacht gewonnen, als Sieger ehrte, zeugte von dem tiefen 3ngrimm, der zwischen Ungarn und Desterreich obwaltete, wie von dem Haß, den der kaiserliche Feldherr durch seine Härte und schreckliche Krieg führung auf sich geladen. Während die österreichische und russische Diplomatie den Flüchtlingen die Zufluchtsstätte auf türkischem Boden zu entziehen bemüht war, ließ Haynau, der Unerbittliche, in Ungarn selbst ein furchtbares Strafgericht über die Theilnehmer und Förderer des Aufstandes ergehen. Die Glieder der edelsten Familien hatten die Erhebung begünstigt und theils als Anführer im Felde, theils als Beamte und Rathgeber bei der Regierung oder dem Reichstag ihrem Vaterlande zu nüßen gesucht. Sie alle wurden hart behandelt; die Schuldigsten fanden ihren Tod am Galgen oder durch Pulver und Blei, in Pesth und Arad; so der Graf Ludwig Batthyanyi, der, zum Galgentod verdammt, wegen einer sich selbst zugefügten Wunde erschossen werden mußte; so der Minister Csányi, und der greise Berenyi, Präsident des Oberhauses; so ferner die Generale Karl Vecsey, NagySandor, Ludwig Aulich, Graf Karl Leiningen, Desföffy, Török, Pöltenberg, und wie sie alle heißen; so der tapfere Damjanics, ber, als er mit feinem hölzernen Beine zulegt unter den Galgen hinkte, faltblütig ausrief: „Wunderbar,

1849.

senst war ich doch immer der Erste!" Andere wurden als Gemeine oder Fuhrleute in die österreichischen Heere eingereiht und in die Fremde geschickt. Am 6. October, dem Todestage Latours, fiel in Ungarn,,eine Hekatembe der Sühne". Seitdem sind Wohlstand und Bürgerglück aus Ungarn verschwunden. „Zahllose Städte, Dörfer und Edelsize liegen in Trümmern und überall blutet das Land und das Volk an fast unheilbaren Wunden. Eine dumpfe Todesstille ruhet auf den weiten Pußten der Theiß und der Donau und verborgenen Grimm im Herzen trägt die Nation ihr hartes Geschick." Der Grundbesitz ist durch die Auflösung der Roboten (Frohnden) und durch die erhöhte Besteuerung in seinem Werthe gesunken, der Boden entbehrt der zur gedeihlichen Bebauung nöthigen Arbeitskraft, der einträgliche Tabaksbau ist ein kaiserliches Regale geworden; und wie sehr auch die Regierung bemüht ist, durch Auftheilung und Verkauf der großen Staats- und Gemeindegüter als Eigenthum und durch neue Ordnung der Urbarial- und Ablösungsverhältnisse das zerrüttete Land wieder auf fester Grundlage herzustellen, die Wunden werden noch lange bluten, die Schäden noch lange nicht geheilt sein.

Die deutschen Bundesverhältnisse.

§. 894. 1. Der Dreikönigsbund. Mit Ungarns Fall war die Revolu= tion von 1848 und 1849 in Europa niedergeworfen. Es waren zwei ereignißvolle Jahre, reich an Hoffnungen und Erfahrungen, an Täuschungen und Wehen. Wie sehr man sich auch von mancher Seite bemühen mag, die „,tollen“ Jahre, die so viele Schäden zu Tage gefördert, zu verunglimpfen und sie aus dem Gedächtnisse „her= auszuringen", sie haben ihre Berechtigung und ihre geschichtliche Größe, und waren auch die Ergebnisse der langen Kämpfe nicht der Art, daß sie durch ihre guten Gaben im Andenken des deutschen Volks blieben, so haben die unzähligen Leiden und Thränen, die sie hervorgerufen, noch lange die Erinnerung daran wach erhalten. Sie waren ein gewaltiger Schlag ins öffentliche Leben, mächtig an Wirkungen und reich an Lehren, und für Deutschland der Wendepunkt der bisherigen Denkweise und politischen Haltung. Das bewegte Volksleben mit seiner Deffentlichkeit, seinen Stra= Benkämpfen, seiner lauten Lust und Begeisterung verlieh ihnen den Charakter der Jugendlichkeit im Gegensatz zu dem rede- und schreibseligen Greisenalter der frühern thatenarmen Zeit; und wenn wir auch den Schlamm, den die Wogen über unsere Erde gespült, gerne aus der Erinnerung vertilgen mögen; der innere Kern, der allen Bewegungen zu Grunde lag - Deutschlands Freiheit, Größe und Einheit, wird stets in Ehren bleiben. Die Macht der Waffen brachte das laute Volksleben bald zum Schweigen; Stille und äußere Ruhe kehrte in Stadt und Land zurück; die gewohnten Beschäftigungen wurden wieder vorgenommen und die Regierungen fanden Zeit, an das verwirrte Staatswesen wieder die ordnende Hand zu legen. Wo man, wie in Italien, die alten Zustände zurückführen konnte, kam man bald zum Ziel; aber in Deutschland, wo das ganze Bundesverhältniß erschüttert und gelöst war, wo viele Regierungen im Drange der Noth Freiheiten gewährt hatten, die alles Maß überschritten, Gefeße und Verfassungen verliehen, mit welchen das frühere Regiment der Schreibstube unvereinbar war, und wo die Auflösung des Bundestages von den Regierungen selbst anerkannt und gebilligt worden, stieß die Herstellung eines neugeordneten Zustandes auf große Schwierigkeiten. Preußen hatte sich durch Bewältigung der Revolution in den deutschen Landen Achtung und Vertrauen erworben, weshalb es auch vorzugsweise berufen schien, die Neugestaltung der Bundesverhält= nisse in die Hand zu nehmen. Als daher der König das aufgeregte deutsche Volk durch die Verheißung beruhigte, daß dem Streben nach einem einheitlichen Bundes

staate mit einem Volkshause Rechnung getragen werden sollte, und in den stürmischen Junitagen des Jahres 1849 der neue Verfassungsentwurf, über den sich die Regierungen von Preußen, Hannover und Sachsen am 26. Mai geeinigt, als Grundlage eines Bundesstaates dargeboten wurde, da begrüßten alle vaterlandsliebenden Männer mit Freuden eine Gabe, welche geordnete Freiheit im Innern, Kraft und Ansehen nach Außen verhieß. Der Kern der erbkaiserlichen Partei aus der Paulekirche, Gagern und Dahlmann an der Spiße, hielten Ende Juni eine Besprechung in Gotha (,,Nachparlament"), wo sie den Beschluß faßten, für die Annahme und Verwirklichung des Entwurfs und das Zustandekommen eines Reichstags nach Kräften zu wirken. Anfangs nahm die Sache einen günstigen Fortgang. Ein Verwaltungsrath, bestehend aus den Bevollmächtigten der drei Königreiche und aller derjenigen Staaten, die allmählich dem,,Dreikönigsbunde" beitraten, befaßte sich unter dem Vorsitz des frühern preußischen Ministers v. Bodelschwingh in Erfurt mit den Angelegenheiten dieses entstehenden Bundesstaates und traf zugleich die vorbereitenden Schritte für den künftigen Reichstag; und wenn auch vorerst Bayern und Würtemberg und einige fleinere Staaten weder den Verwaltungsrath be schickten noch das gleichzeitig errichtete „Bundesschiedsgericht“ anerkannten, so stand doch zu erwarten, daß, sofern nur Preußen und seine Bundesgenossen bei dem Vorhaben unwandelbar beharrten, dennoch ein deutscher Bundesstaat, wie ihn einst Gagern im Auge gehabt, wenn auch in loserer Gestalt, ohne die einheitliche Erecutivgewalt und mit größern Gerechtsamen der einzelnen Bundesglieder, mit der Zeit ins Leben treten würde. Auch gab Preußen durch die Wiedereinberufung der Kammern behufs der Revision des Verfassungsentwurfs für das eigene Königreich den festen Entschluß zu erkennen, in die Reihe der constitutionellen Staaten einzutreten. Da die Wahlen für die zweite Kammer nach dem neuen dreigegliederten Wahlgesetz vorgenommen wurden, so betheiligten sich die Demokraten nicht dabei, daher in dieser zweiten aus Minoritätswahlen hervorgegangenen Kammer die radicale Partei keine Vertreter hatte. Dieser neue preußische Landtag seşte der Regierung weder eine leidenschaftliche noch eine prinzipielle Opposition entgegen, daher in den ersten Wochen des Jahres 1850 ein constitutionelles Staatsgrundgeset für das Königreich Preußen auf dem Wege der Vereinbarung zwischen Volk und Regierung erzielt und am 6. Februar von dem König in feierlicher Sitzung beschworen wurde. Zugleich erlangte Preußen durch die Erwerbung der Hohenzollernschen Stammlande in Schwaben, die von den Fürsten von Sigmaringen und Hechingen vertragsmäßig abgetreten wurden, eine Erweiterung seines Gebiets.

§. 895. 2. Erfurt. Durch Ertheilung der Landesverfassung hatte sich Preußen den übrigen deutschen Staaten genähert und schien daher um so mehr berufen, die Begründung des deutschen Bundesstaates zu verwirklichen. Aber je mehr die Entscheidung heranrückte, desto schwieriger wurden die nunmehr wieder erstärken Regierungen. Der Einfluß von Oesterreich, das sich zwar mit Preußen zu einer kurzdauernden interimistischen Bundesregierung, die in Frankfurt ihren Sitz nehmen und aus den Händen des Erzherzog-Reichsverwesers die Befug= nisse des alten Bundestages erhalten sollte, vereinigte, das aber natürlich der Bildung eines deutschen Bundesstaates, von dem es selbst ausgeschlossen blieb, sehr abhold war, bereitete der Ausführung des ,,Dreifönigsvertrags" unüberwindliche Schwierigkeiten. Durch seine Einwirkung wurden nicht nur Bayern und Würtemberg in einer feindseligen Stellung zu Preußen und dem projectirten Bundesstaat gehalten, sondern auch Sachsen und Hannover zum Abfall von dem Dreifönigsvertrage bewogen. Als nun die Zeit herbeikam, wo nach der Ueberein

1850.

1850.

kunft von den verbündeten Regierungen die Wahlen zu dem Reichstage in Erfurt, auf welchem der Verfassungsentwurf revidirt und endgültig vereinbart werden. follte, anzuordnen waren, so schickten diese beiden Königreiche nicht nur keine Abge= ordneten nach Erfurt, sondern Hannover sagte sich auch förmlich von dem Bündnisse des 26. Mai los. Und um die Verwirrung und Rathlosigkeit vollständig zu machen, rückte zuletzt noch Bayern mit einem neuen Bundesverfassungsentwurf hervor, der, angeblich auch von Hannover, Sachsen und Würtemberg gebilligt, sich als ,,Bierkönigsbündniß" geltend zu machen suchte, aber das Gepräge der Lebensunfähig= keit an der Stirne trug und von Hannover gleichfalls verworfen ward. Im Vertrauen auf den Beistand Oesterreichs, das die süddeutschen Regierungen durch die Aussicht auf Zollverträge und Handelswege zu gewinnen suchte, löste dann der König von Würtemberg die der Mehrheit nach demokratische Ständeversammlung in Stuttgart auf, berief an die Stelle von Römer und Duvernoy vormärzliche Staatsmänner in seinen Ministerrath und setzte bei Wiedereröffnung des neuen Landtags so sehr alle Rücksichten bei Seite, daß er in der Thronrede den deut- 15. März schen Einheitsstaat „das gefährlichste aller Traumbilder“, das Bündniß vom 26. Mai einen,,künstlichen Sonderbundsversuch, auf den politischen Selbstmord der Gesammt= heit berechnet" nannte und gegen Preußen so verletzende Worte sprach, daß die Berliner Regierung sich bewegen fühlte, auf einige Zeit allen diplomatischen Verkehr mit Würtemberg abzubrechen. Auch in Kurhessen wurde die Stimmung des Hofes immer ungünstiger für den Bundesstaat; und als der Kurfürst, der früher feierlich gelobt hatte,,,nur mit Männern des öffentlichen Vertrauens den Thron umgeben zu wollen", plöglich an die Stelle des liberalen Ministeriums Eberhard- 23. Febr. Wippermann den in ganz Hessen verhaßten ehemaligen Minister Hassenpflug aus Preußen in seinen Rath berief und die Kammer, die denselben mit einem Mißtrauensvotum empfing und ihm die verlangte Creditbewilligung zur Aufnahme einer beträchtlichen Geldsumme versagte, auf unbestimmte Zeit vertagte, so sahen Viele in 15. März. diesem Verfahren den ersten Schritt zu einer Lossagung von dem Bunde des 26. Mai. Ungeachtet dieser entmuthigenden Vorgänge schien jedoch Preußen auf dem begonnenen Wege fortschreiten zu wollen, und sein Beispiel war für die übrigen Glieder des Bundes so wirksam, daß am 20. März in Erfurt die Sitzungen des Staaten und Volkshauses eröffnet werden konnten. Auch bei diesen Wahlen enthielten sich die Demokraten jeder Theilnahme, daher auch hier die radicale Partei unvertreten blieb. Eine Versammlung von vorherrschend conservativer und aristokratischer Färbung, aber reich an Einsicht, Bildung und Talent und dem Kerne nach von deutscher Vaterlandsliebe durchdrungen, schien das Erfurter Reichsparlament berufen und befähigt, die gefährliche Spaltung zwischen Volk und Regierungen wieder auszugleichen und auf dem Boden eines Rechts- und Bundesstaates, einer deutschen „Union", wie in der nachträglichen „Additional acte“ der neu zu schaffende Bundesstaat bezeichnet ward, eine allmähliche Versöhnung herbeizuführen. Radowis, in dessen gewandte Hand die preußische Regierung die Leitung der bundesstaatlichen Interessen gelegt hatte, stellte in einer meisterhaften Eröffnungsrede Breußens deutsche Politik und vaterländische Bestrebungen in einem solchen Lichte dar, daß die Hoffnungen auf eine deutsche Einigung sich wieder aufs Neue belebten, wenn gleich das nachherige Benehmen dieses räthselhaften Mannes die Vertrauen= den wieder irre machte. Troß der Bemühungen einiger gegnerisch gesinnten Abgeordneten, das Unionswerk scheitern zu machen, wurde durch die Anstrengungen der ,,Gothaer Partei", der viele vaterländische Männer beitraten, im Erfurter Volksund Staatenhaus die Annahme des Verfassungsentwurfs vom 26. Mai im Ganzen (en bloc) beschlossen und bei den nachfolgenden Discussionen über die einzelnen Punkte die Wünsche der Regierungen sämmtlich berücksichtigt, so daß in wenigen

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