Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

1831.

7. Junt

1832.

Junt

1835.

bedeutendsten Städte des Landes entweder das Recht der Absendung von Deputirten gar nicht besaßen, weil sie zu der Zeit, als die Privilegien ertheilt wurden, noch nicht existirten, oder in solcher Beschränkung besaßen, daß die Zahl ihrer Parlamentsglieder mit der gegenwärtigen Bevölkerung im größten Mißverhältniß stand. Das Whigministerium, den Grafen Grey an der Spize, begünstigte daher die im Unterhause beantragte Parlaments - Reform, wodurch den ,,verrotteten Flecken" ihr 1. März bisheriges Privilegium entrissen, die Parlamentswahlen den veränderten Verhältnissen entsprechend neu geordnet und das Einkommen (der Census) für die Wahlberech= tigung ermäßigt werden sollte. Diese Reform - Bill stieß auf den hartnäckigsten Widerstand bei der Aristokratie, die dadurch ihren Einflußz bedeutend geschwächt sah; der Antrag wurde wiederholt verworfen; das Parlament wurde darüber aufgelöst, das Ministerium gewechselt; allein die drohende Haltung des Volks, die heftige Sprache der dem Reformplan günstigen Presse, das entschiedene Auftreten der sich täglich mehrenden politischen Vereine, Volksversammlungen (Meetings) und Adressen erzwangen nach einem zweijährigen Kampfe die Parlamentsreform. Das neue Gesetz so wie die drei Jahre später eingeführte Städteordnung (Municipalreform) mit freier Wahl der Gemeindevertreter, war ein Sieg der Whigs über die Tories, des wohlhabenden Mittelstandes über die Aristokratie. Aber den Siegern erstand bald eine neue Opposition in den niedern von schwerer Noth und Armuth gedrückten Volksklassen, die auf eine radicale Umgestaltung und völlige Demokratisirung des Unterhauses drangen, indem sie allgemeines Wahlrecht (ohne Census), jährliche Parlamente, geheime Abstimmung u. dgl. mehr verlangten. Im Lauf der Zeit verbanden die Radicalen, die bis zum Jahr 1835 in dem geistreichen Journalisten William Cobbet einen talentvollen Führer hatten, mit den politischen Reformen auch sociale, und legten ihre Grundsäge in einer Volks charte nieder, welche die arbeitenden Klassen in Stand sehen sollte, durch Einwirkung auf die Gesezgebung ihre ökonomische Lage zu verbessern. Davon erhielten sie den Namen Chartisten; ihr einflußreichster Führer war der später in Geisteskrankheit verfallene Advocat Feargus O'Connor. Mag es auch noch lange dauern, bis die Grundsäge der Chartisten in dem aristokratischen, plutokratischen und am Alten fest= haltenden England den Sieg erringen und die Verfassung, auf welcher der Ruhm und die Größe Altenglands beruht, umgestalten, so ist ihre Einwirkung auf den Gang der parlamentarischen Thätigkeit doch jetzt schon nicht ohne Einfluß. Namentlich ist die wichtige Reform der Getreidegesete als ihr Werk anzusehen. Das alte strenge Korngesetz, welches die Einfuhr fremden Getreides sehr erschwerte, indem es den Zoll je nach den Bedürfnissen nach einer wechselnden Preisscala (sliding scale) bald erhöhte, bald erniedrigte, wurde in Folge heftiger Anti-Korngefeß-Agitationen gemildert, bis es endlich abgeschafft und der Kornhandel frei gegeben wurde. Die Aristokratie hatte sich lange aus allen Kräften der Neuerung widerseßt, damit das inländische Getreide seinen hohen Preis behaupte; da nun zugleich die unermeßliche Nationalschuld die drückendsten Zölle auf die eingeführten Nahrungsmittel noth= wendig machte, so waren dadurch die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu einer für den Armen unerschwinglichen Höhe gestiegen. Um den aus der Minderung des Getreidezolls hervorgehenden Ausfall in dem Staatshaushalte zu decken, wurde als= dann unter dem Ministerium Sir Robert Peels eine, hauptsächlich die Wohl= babenden treffende Einkommensteuer von drei Procent eingeführt. Zugleich 1842. suchte man dem Handel, dem Nerv des Volks, durch Abänderung des bisherigen Zollsystems und Beseitigung der alten Schifffahrtsacte einen neuen Schwung zu geben und machte die hohe Idee des freien Handels zur Losung des Tages. Ein praktisches, besonnenes Volk, widerstreben die Engländer jedem gewaltsamen Umsturz; aber zeitgemäße Reformen werden durch die Beharrlichkeit der Nation stets durch

1846.

1847. gesetzt. Ein Gesezesantrag auf Zulassung der Juden in das Parlament ohne die christliche Eidesleistung wurde lange von dem hochkirchlichen Oberhause hartnäckig bekämpft und verworfen, bis er nach mehrmaliger Wiederholung endlich in einer beschränkenden Form durchging und somit die Pforten des Unterhauses jezt auch den Juden geöffnet sind. Ein großer Verlust war der durch einen Pferdesturz 1850. herbeigeführte plötzliche Tod des großen Staatsmannes Sir Robert Peel-Das englische Volk bessert von Jahr zu Jahr, aber mit Umsicht, an seinem staatlichen Verfassungsbau, damit er stets den Anforderungen der Zeit entspreche, und gelangt so auf dem besonnenen Weg der Reform zu einer Freiheit, wie sie allein in einem geordneten, durch geschichtliche Verhältnisse bedingten Staatswesen möglich ist. Durch die Gesetze in seiner persönlichen Freiheit, in seinem Eigenthum und in seinem Rechte geschützt und im sichern Bewußtsein, daß seine Vertreter des Landes Wohl nach Kräften wahren und fördern, wendet das Volk seine ganze Thatkraft dem Ackerbau, der Gewerbthätigkeit, dem Handel, der Schifffahrt zu; die Nation erwirbt sich Reichthum im Innern, Macht und Ansehen nach Außen; ferne Colonien, mit dem Mutterlande in Verbindung, bieten der überfluthenden Bevölkerung Gelegenheit zur Auswanderung und zum Erwerb. Der wohlhabende und gebildete Mittelstand bildet den Schwerpunkt der Nation.

1833.

§. 831. 3rische Zustände. Seitdem die Emancipation der Katholiken dem irischen Volke gestattete, Stimmführer seines eigenen Bluts und Glaubens ins englische Parlament zu schicken, verhallten seine Klagen nicht mehr so erfolglos wie früher, besonders als der große Volksmann, Redner und Demagog, Daniel O'Connel, der mit einem,,Schweif" von 40 und mehr gleichgesinnten und gleich stimmenden Irländern ins Parlament einzog, den Klagen durch die Drohung eines Widerrufs der Union (Repeal), einer Trennung Irlands von der Gesetzge= bung und Gerichtsbarkeit der „Sachsen“, Nachdruck verschaffte. Die zunehmende Verarmung des Volks, die bei mangelhafter Kartoffelernte Hungerfeuchen erzeugte, verlangte dringende Abhülfe der kirchlichen und politischen Mißstände. Bei der Reizbarkeit und beweglichen Natur der Irländer fiel es einem so hochbegabten und mit allen demagogischen Künsten vertrauten Manne wie O'Connel nicht schwer, das Land in steter Gährung zu halten und durch das Losungswort Repeal die ganze Kraft des Volks nach einem Ziel zu lenken. Aller Orten und Enden bildeten sich Repeal-Vereine mit Unionskassen zur Förderung der Zwecke O'Connels; die katho lische Geistlichkeit, die über das unwissende Volk eine unbedingte Herrschaft übt, stand in O'Connels Dienst; sein Wort gebot über Irland, aber vorsichtig und gewandt mißbrauchte er nie seine Gewalt zu ungesetzlichen Schritten, die ihm hätten verderb lich werden können; gehaßt und gefürchtet von den Engländern als der große i Agitator" Irlands hielt er das aufgeregte und in Bewegung gebrachte Volk doch stets in den Schranken des Gesetzes, wenn gleich die von ihm veranstalteten RiesenVersammlungen (Monster-meetings) bisweilen von 100,000 Menschen besucht maren. Aufhebung des an die anglicanische Geistlichkeit in Irland zu entrichtenden Zehnten war die erste Forderung des irischen Volks nach der Reformbill. Als man im englischen Parlament den Bitten und Beschwerden der Ir länder nicht Rechnung trug, weigerten die Pächter die Zehnten und hinderten die Pfändung; und als die Engländer Gewalt anwendeten, setzten sie ihnen Gewalt ent= gegen. Schaaren bewaffneter Banden, von einem Abzeichen, das sie trugen, Weißfüße genannt, durchzogen das Land, ihren Weg mit Blut und Brand bezeichnend. Mordthaten, Brandstiftungen, Tumulte waren an der Tagesordnung und mahnten dringend,,,dem revolutionären, ausgehungerten Irland, dem Lande der Leidenschaf ten und des Elends", die größte Sorgfalt zuzuwenden. Zwei Gesetzesvorschläge, die irische Kirchenbill und die irische Zwangsbill, schienen dem englischen

Ministerium die geeigneten Maßregeln zur Herstellung der Ruhe und Ordnung in dem tiefbewegten Lande; die erstere hob die Kirchenabgaben auf, verminderte die Zahl der Bisthümer und Pfründen, übertrug den Zehnten vom Pächter mit einer Ermäßigung auf den Grundbesißer und wollte (durch die sogenannte Appropria= tionsclausel) die dadurch gewonnenen Ueberschüsse als Staatsgut zur Unterhal= tung der Kirchen, dann aber auch zu andern nicht kirchlichen Zwecken, namentlich zur Hebung des Unterrichts und Errichtung von Schulen für Katholiken wie für Protestanten, verwendet wissen; die zweite ermächtigte den Lordstatthalter, alle Ver= sammlungen und Vereine, die er der öffentlichen Ruhe für nachtheilig erachte, zu unterdrücken und jeden aufrührerischen District unter das Kriegsgericht zu stellen. Beide Verschläge fanden heftigen Widerstand; jener an der hochkirchlichen Partei, die die Verwendung des Kirchenguts zu nichtkirchlichen Zwecken als einen Raub am Altare bezeichnete und sich der Appropriationsclausel mit solcher Macht widerseßte, daß man diesen Zusaß von der Kirchenbill zu trennen beschloß; der andere an O'Connel und seinem Anhange, der sie eine,,Saat von Drachenzähnen“ nannte, aus welcher be= waffnete Männer hervorgehen würden. Dennoch wurde die Bill angenommen und das Zwangsgesetz zunächst auf zwei Jahre eingeführt und dann von Zeit zu Zeit wiederholt. Se lange die Whigs das Ruder des Staats führten, bildeten die irischen Zustände den Hauptgegenstand der parlamentarischen Thätigkeit. Zuerst wurde eine Armenbill durchgeführt, welche nur dem Arbeitsunfähigen die Unterstützung der Kirchspiele zuwies, dem Fähigen dagegen Gelegenheit zur Arbeit in öffentlichen Werkhäusern verschaffte, ein Gesetz, das, trotz seiner wohlthätigen Absichten, durch die harte Bestimmung, daß die zu unterstüßenden Familien getrennt und abgesondert werden sollten, die Whigs um die Liebe des Volks brachte; dann wurde der Vorschlag gemacht, den verhaßten Zehnten, dessen Entrichtung die Irländer hartnäckig weigerten, so daß die Regierung die anglicanischen Geistlichen mit Waffengewalt unter= ftüßen mußte, und die Eintreibungskosten oft den Ertrag überstiegen, in eine an die Krone zu bezahlende und von dieser an die Berechtigten zu vertheilende, binnen fünf Jahren ablösbare Grundsteuer zu verwandeln. Aber auch dieser Antrag schei= terte an der conservativen Hartnäckigkeit des Oberhauses; und da um dieselbe Zeit die Regierung durch Begünstigung des Gesezesvorschlags, wornach die englischen Dissenters zu den akademischen Würden der Universitäten Oxford und Cambridge zugelassen werden sollten, den Religionseifer der hochkirchlichen Partei weckte und zu der Anklage, daß sie die Kirche gefährdete, Veranlassung gab, so erhob sich ein mächtiger Sturm gegen die Whigs. Die anglicanische Geistlichkeit und die große Nov. Partei der blinden Verehrer,,Altenglands", mit dem Wahlspruch: „König und Kirche!" forderten laut einen Wechsel der Regierung und wirkten durch den alt= nationalen No-popery-Ruf im Interesse der Tories; auch der Hof und namentlich die von deutsch-aristokratischen Ideen erfüllte Königin arbeiteten für sie. König Wilhelm gab den Vorstellungen und Einflüsterungen Gehör und berief, auf den Rath des alten Herzogs von Wellington, den talentvollen Sir Robert Peel,,,den Sohn 10. Dec. des Wollspinners von Tamworth", an die Spize der Regierung. Aber wie sehr auch der kluge Staatsmann durch den Grundsay,,Erhaltung mit progressiver Berbesserung" beide Parteien zu versöhnen strebte seine neue irische Zehntenbill ohne Verwendung des Kircheneigenthums zu andern als kirchlichen Zwecken erlag einem von Lord John Russel gestellten Gegenantrag,,,die Ueberschüsse des irischen Kircheneinkommens zur allgemeinen Verbesserung des Erziehungswesens in Irland zu verwenden", d. h. die Zehntenbill nur mit der Appropriationsclausel anzunehmen, was zur Folge hatte, daß die Tories abdankten und das Whigcabinet, unter 18. April Melbourne's Vorsitz, wiederhergestellt wurde. Aber je eifriger das Unterhaus und die Whigregierung auf Reformirung der kirchlichen Mißstände, auf Milderung

1834.

1834.

1835.

1836.

der drückenden Lage und auf Hebung des Volks in Irland drangen, um so hef tiger und entschiedener war der Widerstand des Oberhauses und der Tories. Während die Whigregierung darauf bedacht war, die zwischen den Irländern und Briten bestehende nationale und kirchliche Feindschaft zu mildern, stifteten die Tories und die Eiferer für anglicanisches Kirchenthum die sogenannten Orangelogen, die das Fortbestehen und die Stärkung dieser kirchlichen Feindschaft und die Erhaltung und Hebung des protestantischen Üebergewichts in Irland zum Zweck hatten. Diese mit jedem Jahre zunehmenden und unter die Oberleitung des Herzogs von Cumberland gestellten Orangistenverbindungen, die unter allen Ständen und namentlich in der Armee ihre Mitglieder zählten, erreichten zuletzt eine solche die Ordnung, Ruhe und alles Vertrauen gefährdende Macht, daß endlich das Parlament gegen dieselben einschreiten mußte. Alle Versuche der englischen Liberalen, und namentlich des humanen, als Verfechter volksthümlicher Freiheit bekannten Lord- Statthalters Mulgrave (Marquis von Normanby), Irland von dem Joch, das die religiöse Unduldsamkeit einer harten, verfolgungssüchtigen Zeit dem Volke aufgeladen, zu be freien, durch Errichtung besserer Erziehungsanstalten Bildung, Gesittung und Sinn für Ordnung und Fleiß zu erzeugen, durch zeitgemäße Reformen im Gemeinde- und Municipalwesen und durch Ausdehnung der Wahlberechtigung das katholische Volk zur Theilnahme am öffentlichen und politischen Leben heranzuziehen und zu heben, scheiterten einestheils an der Indolenz, der Trägheit und dem Stumpffinn der IrLänder selbst, anderntheils an der kirchlichen und aristokratischen Engherzigkeit der Tories und an den Vorurtheilen und Aengsten der conservativen Lords. Die Zehnten1838. bill konnte nur nach Aufhebung der Appropriations clausel durchgesezt werden und die von den Whigs beantragte liberale Gemeindeordnung (Municipalreform bill), die, nach den Grundsäßen der im 3. 1835 in England eingeführten Städteordnung entworfen, mit den entsprechenden Modificationen auch in Irland in Anwendung kommen sollte, wurde von dem Oberhause so verstümmelt zurückgeschidt, daß die Regierung für gut fand, das ganze Gesetz, das den ärmern katholischen Bür gern Zutritt zu den städtischen Wahlen und Aemtern gestattet hätte, fallen zu lassen. Als die Whigs, die das volle Vertrauen der in liberalen Grundsäßen erzogenen KöVictoria nigin Victoria besaßen, im Anfange der vierziger Jahre den Tories weichen muß 20. Junt ten, sank die Hoffnung des katholischen Irlands, auf dem Wege der Reform aus seiner schweren Lage befreit zu werden. O'Connel erneuerte daher seine Repealbewegungen; in riesenmäßigen Volksversammlungen reizte er den Nationalhaß der celtischen Gren gegen die,,sächsischen" Engländer, der gedrückten Katholiken gegen die hartherzigen Anglicaner, der bedrängten Pächter gegen die übermüthigen, unbarm herzigen Gutsherren und stellte Auflösung der Union als das einzige Rettungsmittel des unglücklichen Landes dar. Eine gewaltige Bewegung ergriff das ganze Bolf; die Pächter verweigerten Zins und Abgaben und stellten ihren hartherzigen Grundherren nach dem Leben; bewaffnete Schaaren durchzogen abermals die grüne Insel und trugen Mord und Brand in die Landgüter und Schlösser der Reichen, die ihre Einkünfte größtentheils im Auslande verzehrten. Alle Mittel, welche die Tories in Anwendung brachten Erneuerung der Zwangsbill, Verbot der Volksversammlungen, 1844. Anflage und kurze Verhaftung des ,,Agitators", waren nicht im Stande, mehr als eine vorübergehende Stille zu bereiten; selbst die Armen- und Werkhäuser waren bei der allgemeinen Armuth und Arbeitsscheu des Velfs mehr verderblich als nüglich, und die Bessern des Landes wollten nicht Mitleid und Almosen, sondern Gerechtigkeit und freie Institutionen; es half nichts, daß England bei der großen Hungersnoth, die in Folge der Mißernte vom 3. 1846 eintrat, öffentlich und durch Privatmildthätigkeit die größten Opfer brachte, die Irländer, die in den Engländern die Urhe ber ihrer Armuth und ihres Elends erblicken, sprachen diese Mildthätigkeit als Pflicht

feit

1837.

-

und kleine Abschlagszahlung an und seßten ihre Repealbewegungen fort. Der Tod des großen Agitators raubte zwar diesen Bewegungen Nerv und Halt und führte Spaltungen im Heerlager der Repealmänner herbei; allein die französische Februarrevolution warf einen neuen Feuerbrand in die entzündliche Masse und erzeugte einen Zustand von Gesezlosigkeit, Anarchie und Faustrecht, der endlich in einen revolutio= nären Aufstand überging. Zwar ist es dem englischen Militär nicht schwer gefallen, die ungeordneten, schlechtbewehrten und kraftlosen Schaaren irländischer Arbeiter, Bauern und Pächter, die von unfähigen Volksführern, wie O'Brien u. A., geleitet wurden, zu bewältigen und die Bewegung niederzuhalten, aber dauernde Ruhe und ein geordneter Zustand wird nur durch gründliche Verbesserung der kirchlichen, politischen und socialen Mißstände bewirkt werden.

§. 832. Das Aeußere. Nach Außen befolgte England eine glückliche und großartige Politik. Im Besiß einer überlegenen Seemacht und eines streng discipli= nirten, nach dem alten Werbesystem, nicht durch Conscription gebildeten Landheeres war die englische Nation im Stande, der von seinen umsichtigen, klugen und die Zeitverhältnisse richtig bemessenden Staatsmännern verfolgten Politik Kraft und Nachdruck zu verleihen. Wo in den europäischen Staatenverhältnissen eine Störung oder Berwickelung eintrat, wurde Englands Vermittelung und Schiedsrichteramt angerufen oder angenommen, und nichts Bedeutendes konnte ohne seine Mitwissenschaft und Mitwirkung unternommen und ausgeführt werden. Hauptsächlich auf Hebung des Handels, der Industrie, des friedlichen Völkerverkehrs bedacht, da= mit der Absatz der englischen Waaren keine Stockung erleide, suchte die britische Regierung in Europa den Friedenszustand auf jede Weise aufrecht zu erhalten und sich das Vertrauen der Regierungen und die Sympathien der Völker zu erwerben; in den außereuropäischen Gebieten richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Stärkung und Vergrößerung der englischen Besißungen und Territorien, auf Erweiterung und Hebung des Colonialwesens und auf Befestigung der britischen Herrschaft.

1847.

1) In Canada, besonders in dem einst zu Frankreich gehörenden und größtentheils Canada von Franzosen bewohnten Unter-Canada, waren im Laufe der Zeit viele Beschwerden über Druck der Regierung, über Beeinträchtigung der nationalen Einrichtungen, Sitten, Sprache und Religion, über Bevorzugung der englischen Ansiedler und ihrer Interessen vor den altfranzösischen laut geworden und hatten, besonders seitdem der talentvolle und rührige Papineau das Haupt der Oppositionspartei geworden, eine große Aufregung erzeugt. Aufgestiftet von den Nordamerikanern, die diese nördlichen Staaten ihrer Union beizufügen wünschten, verlangten die Canadier drei Punkte, die ihre nationale Selbständig, 1837. keit sicher stellen und den Weg zu einer demokratischen Selbstregierung bahnen sollten — Wählbarkeit des bisher von dem englischen Statthalter aus Beamten und Richtern ernannten Gesetzgebungs-Raths (Oberhauses); Ausdehnung des dem Hause der Gemeinen (Assembly) zustehenden Steuerbewilligungsrechts; Verantwortlichkeit des den Gouverneur umgebenden Verwaltungs- Naths gegenüber der geseygebenden Gewalt. Als diese Forderungen abgelehnt wurden, erfolgte von Seiten der unter-canadischen Stände eine Steuerverweigerung. Das Beispiel und die Nähe der vereinigten Freiflaaten, die, auf die Macht des meerbeherrschenden Englands stets eifersüchtig, leicht Hülfe leisten konnten, machte die Sache bedenklich. Schon waren an verschiedenen Orten Aufstände ausgebrochen; amerikanische Freiwillige erhöhten den Muth der „Kinder der Freiheit“ (Independenten); Englands Herrschaft über Canada schien zu wanken. Aber durch Klugheit und Energie schlug die britische Regierung die drohende Bewegung nieder. Sie nährte die Nationaleifersucht der britischen Bevölkerung gegen die französische und erzeugte dadurch Spaltung und Parteiung unter den Canadiern; sie nahm eine drohende kriegerische Haltung gegen die Amerikaner und schickte den kraftvollen, energischen Lord DurBeber, Geschichte, IL. 9. Aufl.

41

« ZurückWeiter »