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Bildung ganz den Eingebungen der Geistlichen folgten, hielten an den alten hierarchischen und monarchischen Einrichtungen fest und dienten der Aristokratie und dem Clerus zur Erhaltung und Beschüßung der verfaulten und morschen Zustände der altspanischen und apostolischen Königsmacht gegen die Reformbestrebungen der „Liberalen"; während der aufgeklärte Mittelstand in den Städten, die studirte und gebildete Klasse und viele Offiziere der Armee den aus Frankreich überkommenen Ansichten huldigten, wornach das Königthum durch Betheiligung der Volksvertreter am Staatsleben und durch Verantwortlichkeit der Minister beschränkt erscheint. So lange Ferdinand VII. regierte, blieb die Partei der constitutionell Gesinnten gefährdet und gedrückt, da der König den alten Groll gegen die Cortes und die Liberalen nie ablegte. Selbst die Julirevolution, die die Hoffnung der Verfolgten mächtig heb, brachte in ihre Lage keine Aenderung. Zwar schaarten sich einige hundert Flüchtlinge um den aus England herbeigeeilten Mina und wagten einen bewaffneten Einfall in Spanien, aber von Frankreich verlassen und von den königlichen Truppen in die Enge getrieben, scheiterte ihr Unternehmen und vermehrte Druck und Verfolgung. Einen noch kläglichern Ausgang nahm das Beginnen des Generals Torrijos, de März mit einer kleinen Schaar Getreuer im südlichen Spanien einen Landungsversus machte und die Fahne der Cortes - Verfassung aufpflanzte, und die gleichzeitige Verschwörung einiger alten Seefoldaten in Cadix zu demselben Zweck. Von einer überlegenen Truppenmacht überwältigt, büßte Torrijos und 54 seiner Gefährten das kühne Wagniß mit einem schmachvollen Tod. Erst als der heuchlerische König ins Grab sank, brach für die Constitutionellen eine bessere Zeit an.

1831.

§. 827. Kampf der Christinos gegen die Karlisten. Einige Monate 29. März vor den Julitagen hatte sich Ferdinand von seiner vierten Gemahlin, Marie Christine von Neapel, bewegen lassen, durch ein aus föniglicher Machtvollkommenheit erlassenes Hausgesetz (,,pragmatische Sanction") das in allen bourbonischen Staaten eingeführte salische Gesez, welches die Frauen von der Thronfolge ausschließt, aufzuheben und dadurch seiner in demselben Jahre geborenen Tochter 10. Det. Isabella die (nach altkastilischem Rechte zulässige) Thronfolge zu sichern. Diese Aenderung mißfiel der apostolischen Partei, die ihr ganzes Vertrauen auf Ferdinands jüngern Bruder Don Carlos geworfen hatte und von seiner muthmaßlichen Thronbesteigung goldene Tage für die Anhänger des monarchisch-hierar chischen Absolutismus erwartete. Sie bewog Don Carlos zu einer Protestation gegen jeden Act, der ihn seines eventuellen Thronrechts berauben würde, und benußte den Augenblick, als der König in einen Zustand körperlicher und geistiger Schwäche ver fiel und fein baldiger Tod zu erwarten stand, um durch eine bestochene Hofdame einen Widerruf der pragmatischen Sanction zu erschleichen. Allein Ferdinand erholte sich wieder und empört über das treulose Spiel, das seine Vertrauten mit ihm getrieben, verbannte er seinen Bruder, berief dann die alten Cortes zusammen und ließ durch sie das neue Hausgesetz bestätigen. Kaum hatte jedoch der König die 29. Gert. Augen geschlossen, so pflanzte die weitverzweigte apostelische Partei die Fahne des Bürgerkriegs auf und rief Don Carlos als Karl V. zum König von Spanien aus (daher Karlisten). Sie fanden Unterstützung in den nördlichen Landschaften, namentlich bei den rauhen, kräftigen Bergbewohnern der bastisch en Provinzen, die ihre alten, verbrieften Rechte und Freiheiten (Fueros) durch die Cortes-Verfassung gefährdet sahen. Angefeuert von Priestern und Mönchen und geleitet von kühnen und unternehmenden Anführern (Zumalacarreguy und Cabrera) er hoben die streitbaren Basten das Schwert für den absoluten König, der aus seiner 3. Det. Verbannung in ihre Mitte flüchtete. Um ihnen mit Erfolg zu widerstehen, suchte die bis zur Volljährigkeit Isabella's zur Regentschaft berufene Königin Marie Christine die Partei der Constitutionellen und Liberalen für ihre Sache zu ges

1833.

1833.

winnen, indem sie ihren Thron auf die Cortes-Verfassung stüßte, den Flüchtigen und Berbannten durch Ertheilung einer Amnestie die Rückkehr in die Heimath gestattete und freifinnige Männer in das Ministerium berief (wie den vielverfolgten, als Dichter und Schriftsteller bekannten Martinez de la Rosa und den als Geschichtschreiber des Befreiungskrieges berühmten Toreno, † 1843) und an die Spige der Heere stellte (Mina). Auf diese Weise gestaltete sich der Thronstreit zu einem Bürgerkrieg und Meinungskampf. Die Karlisten kämpften für die altspanischen Einrichtungen, für Thron und Altar im alten freiheitgefährdenden Bunde, für Legitimität und Priesterherrschaft. Auf ihrer Seite standen die absoluten Mächte, die italienischen Höfe, Don Miguel und sein Anhang in Portugal, die hohe Aristokratie aller Länder und die kleine Zahl romantischer Verehrer mittelalterlicher Zustände und eines unbeschränkten Königthums,,von Gottes Gnaden". Die,,Christinos" ftritten für landständische Verfassung und bürgerliche Freiheit und Rechtsgleichheit, für die Errungenschaften der Revolution und für die Vernichtung der Priestermacht, und des Camarilla-Regiments. Sie fanden Beschüßer an Frankreich und England, an Maria da Gloria von Portugal, an dem aufgeklärten Bürgerstand und an den Constitutionellen und Liberalen aller Länder Europa's. So entbrannte ein siebenjähriger, blutiger Bürgerkrieg, in dem Mord, Raub, Verwüstung und alle Gräuel, wozu politischer und religiöser Fanatismus, südliche Leidenschaftlichkeit und die Gluth spanischen Rachegefühls antreiben können, zum Vorschein kamen. Waren die Truppen der Königin an Zahl den Gegnern überlegen, so wurden diese mit fremdem Gelde desto reichlicher versehen und die aus verschiedenen Ländern ihnen zueilenden Freiwilligen brachten Ordnung und Kriegszucht in die Karlistenbanden. Auch stach die Thatkraft des heroischen Zumalacarreguh vortheilhaft ab gegen die Unfähigkeit und Rathlosigkeit der meisten Christinosführer, worunter selbst der von Alter gebeugte Mina, der noch kurz vor seinem Tod durch unmenschliche Härte seinen frühern 24. Dec. Kriegsruhm befleckte, keine Ausnahme bildet. Und als Zumala vor Bilbao die Todes= wunde empfing, stellte sich ein von der Universität entflohener mit hohen Gaben aus- 17. Junt gerüsteter Jüngling, Cabrera, an die Spitze der Insurgentenschaaren und behauptete sich gegen die Truppen der Königin und deren laue Bundesgenossen. Erst gegen das Ende der dreißiger Jahre trat eine Wendung der Dinge ein. Die Christinos erhielten einen tüchtigen Oberfeldherrn in Espartero, indeß im Heerlager der Gegner eine Spaltung eintrat. Die baskischen Insurgenten, unzufrieden über die Unfähigkeit, Charakterschwäche und fanatische Grausamkeit des Prätendenten Don Carlos, trennten ihre Sache von der seinigen und strebten nur nach Sicherstellung ihrer Fueros. Sie erhielten einen unternehmenden und verschlagenen Führer an Maroto, der, während er sich das Vertrauen des finstern, mißtrauischen Infanten zu erhalten wußte, mit Espartero geheime Unterhandlungen anknüpfte, die endlich zu dem Vertrag von Bergara führten, worin von Seiten der Insurgenten 31. 8. Niederlegung der Waffen, von Seiten Espartero's Amnestie gelobt und Bestätigung der bastischen und navarresischen Fueros in Aussicht gestellt wurde. Umsonst erließ Don Carlos einen Aufruf, worin er Maroto für einen Verräther erklärte; sein Ansehen war dahin und das Vertrauen seiner Umgebung auf einen erfolgreichen Ausgang dermaßen geschwächt, daß die meisten seiner Offiziere und gegen 300 Priester nach Frankreich flüchteten, worauf er selbst mit seiner Familie den Schuß der franzöfifchen Regierung ansprach. Nach einem sechsjährigen Aufenthalt in Bourges unter polizeilicher Aufsicht erhielt er, nach Abtretung seiner Ansprüche 1845. an seinen ältesten Sohn (Graf v. Montemolin) die Erlaubniß, sich nach Italien zu begeben, wo er den Rest seines Lebens zubrachte. Am 10. März 1855 starb er in Triest. In Catalonien setten die Karlisten den Kampf noch ein Jahr lang fort, bis auch sie, von Espartero überwältigt, auf französischem Gebiete

1836.

1835.

1839.

1835.

Zuflucht suchen mußten. An 30,000 Karlisten überschritten mit ihrem Führer
Cabrera die Pyrenäen, und sprachen, an Allem Mangel leidend, die Hülfe des
Nachbarvolks an.

§. 828. Parteikämpfe und Hofintriguen. Bald darauf wurde Espartero, nunmehr zum Herzog von Vittoria erhoben, der Retter der spanischen Volksrechte gegen die Ränke des Hofs und die diplomatischen Künste der Rückschrittspartei. Christine nämlich, eine sinnliche, leidenschaftliche und selbstsüchtige Frau, war weit entfernt, dem Freiheitsbedürfniß des Volks durch zeitgemäße Reformen Rechnung zu tragen. Sie bediente sich der Cortes nur, um die Ausschließung des Infanten Don Carlos und seiner ganzen Linie von der Erbfolge und die Einziehung seiner Güter decretiren zu lassen; im Uebrigen regierte sie, getreu den Lehren und dem Beispiele ihres Freundes Louis Philipp, nach dem alten System und beleidigte das Ehrgefühl des Volks durch ihre rücksichtslose Hingebung an den schönen Kammerherrn Munnoz (Herzog von Rianzares), mit dem sie sich zuletzt zur linken Hand trauen ließ. In vielen Städten kam es zu unruhigen Auftritten; Klöster wurden zerstört, Mönche verfolgt und ermordet, Gräuel aller Art begangen; der Ruf nach der Constitution vom Jahr Zwölf (§. 757) ertönte durchs ganze Land. Die Regentin suchte durch einen Ministerwechsel und durch verschiedene Zugeständnisse den Sturm zu beschwören, aber die Opposition der Cortes war so mäch tig, daß sich die Regierung zu wiederholten Kammerauflösungen gezwungen sah; die ganze Nation war jest nicht mehr in Liberale und Servile, sondern in Exaltados (Progressisten) und Moderados getheilt. Die ersten forderten mit Ungestüm die Constitution von 1812 (mit Einer Kammer) und als Christine deshalb Madrid in Kriegsstand erklärte und die Nationalgarde auflöste, da zog eine Abtheilung Bürgermilizen nach La Granja (St. Ildefonso), dem Aufenthaltsort der Königin, und zwang sie zur Aufhebung des Belagerungszustandes, zur Her stellung der Nationalgarden und zur Einführung der verlangten Constitution, bis die neu einzuberufende constituirende Versammlung eine neue Verfassung entworfen haben würde. Diese kam im nächsten Jahr mit der Abänderung in ein Zweikammersystem und mit andern passenden Modificationen zu Stande; allein es erwies sich bald, daß die Königin, troß aller Zusagen, wenig Lust hatte, in echt constitutionellem 1839. Sinn zu regieren. Durch wiederholte Kammerauflösungen und Wahlumtriebe brachte fie die Moderados in die Cortes und in die Regierung und erließ ein unvolksthümliches Gemeindegeset. Da bildeten sich in Madrid und in verschiedenen Städten Aufstände und Junten, was die Regentin nöthigte, das Haupt der Exaltados, Espartero, zum Ministerpräsidenten zu ernennen und ihm die Bildung eines Cabi nets zu übertragen. Am 16. September 1840 hielt der Herzog von Vittoria seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt, und stellte alsbald an die Königin die Forderung, das Gemeinde- (Ayuntamiento-) Gesetz zurückzunehmen, die Camarilla zu entfernen und die Cortes aufzulösen. Dadurch in ihrem Herrscherstolz gekränkt und doch außer Stande, die Anmuthung zurückzuweisen, dankte die König-Regentin ab Detober. und begab sich nach Frankreich, worauf Espartero von der neugewählten Cortes8. Mai Versammlung zum Regenten ernannt ward. Die Regierung des Herzogs-Regenten, 1841. vortheilhaft für Handel, Industrie und innern Verkehr, war von kurzer Dauer. Die

August

1836.

Intriguen der von Frankreich unterstützten, mit unermeßlichen Schäßen versehenen Königin Christine, der Neid seiner mit jedem Tag sich mehrenden Gegner, und der Haß, den sich der englisch gesinnte Herzog und seine als Anglo-Ayacuchos bezeichneten Anhänger durch die blutige Unterdrückung aller Aufstandsversuche in Barcelona, Madrid (Diego Leon) und andern Orten zuzog, erschwerten ihm die Regierung und erzeugten, als er zuletzt auch noch mit dem Papst und der Geistlichkeit zerfiel, eine solche Gährung im ganzen Lande, daß er sich nicht länger halten

1843.

fonnte. Als der von Christine gewonnene und mit Geld reichlich versehene General Narvaez in Balencia landete und mit einem zahlreichen Heer auf die Hauptstadt losrückte, zog sich Espartero mit seinen Truppen nach der Sierra Morena und dann, als die Kunde von der Uebergabe Madrids zu ihm gelangte, nach Cadix, von wo er sich nach England überschiffte. Der Fall des Regenten und die Verfolgung der 30. Sult Ayacuchos war ein Sieg der französischen Republik über die englische. Bald nachher wurde die junge Königin Isabella für volljährig erklärt, Narvaez, nachdem er mehrere Aufstandsversuche strenge unterdrückt, zum Herzog von Valencia und zum Novbr. Ministerpräsidenten erhoben und Marie Christine nach Spanien zurückgerufen. Von dem an herrschte die französische Politik in Madrid, und Louis Philipps Klugheit umstrickte Spanien wie Frankreich mit den Neßen einer volksfeindlichen, freiheitgefährdenden Staatskunst. Nach französischer Eingebung wurde durch Marie Chriftine und die wieder zur Herrschaft gelangten Moderados die Verfassung zu Gunsten der Königsmacht abgeändert, die Volkssouveränetät gestrichen, die Preßfreiheit be= schränkt und wegen eines Concordats mit dem päpstlichen Stuhle Einleitungen getreffen. Die Krone sette aber Louis Philipp seiner Politik durch die spanische Doppelheirath auf. Nachdem nämlich die europäische Diplomatie Jahre lang geschäftig gewesen, der jungen Königin von Spanien einen passenden, die Interessen feiner der Großmächte gefährdenden Gemahl auszusuchen, und deshalb bald einen neapolitanischen Prinzen (Prinz von Trapani), bald den Grafen von Montemolin, bald andere eingeborne und fremde Bewerber vorschlug, brachte es Louis Philipp in Berbindung mit Marie Christine dahin, daß die verzogene, von ihrer Mutter sittlich und geistig verwahrloste Isabella mit ihrem Vetter Franz von Assis vermählt ward, und zu gleicher Zeit ihre jüngere Schwester ihre Hand und damit die Anwartschaft auf den spanischen Thron dem Herzog von Montpensier, dem jüngsten Sohne Louis Philipps, reichte. Dieses durch die Ränke des französischen Königs und der herzlosen Mutter Isabella's zu selbstsüchtigen Zwecken geschmiedete Ehebündniß, das eine merkliche Spannung zwischen der englischen und französischen Regierung erzeugte, erwies sich nur zu bald als ein unheilvolles. Die junge Königin, von ihrer ausschweifenden, habsüchtigen Mutter nur auf Sinnengenüsse hingewiesen, aller höhern und edlern Ideen, Gefühle und Neigungen unfähig, wurde ihres körperlich und geistig schwachen Gemahls bald überdrüffig. Sie entfernte sich von ihm und wandte ihre Gunst dem General Serrano, einem Exaltade, zu. Palastintriguen und Ohrenbläsereien vergrößerten den Zwiespalt und die Abneigung; und wenn gleich Marie Christine es für gerathen fand, sich dem Haß des spanischen Volks zu entziehen und mit ihrem Gemahl sich nach Frankreich zu begeben, so dauerte doch das eheliche Mißverhältniß noch lange fort.

§. 829. Portugal. In Portugal nahmen, seitdem Don Miguel das Land verlassen und Maria da Gloria mit Beiziehung der Cortes als constitutionelle Königin regierte, die Dinge einen ähnlichen Gang, wie in Spanien, nur daß hier nicht französischer, sondern englischer Einfluß vorherrschte. Auch das portugiesische Bolf war in mehrere Parteien von den verschiedensten politischen Ansichten gespalten; Republikaner und Absolutisten bildeten die Minderheit, aber selbst die Constitutio= nellen huldigten bald mehr bald minder liberalen Ansichten; dabei herrschte, wie in Spanien, große Finanznoth und die Königin zeigte, wie Christine, Vorliebe für das unbeschränkte Königthum und eine unverkennbare Abneigung gegen ständische Rechte und Volksrepräsentation, besonders seitdem nach dem schnellen Tod des volksbeliebten ersten Gemahls der Königin, Augusts von Leuchtenberg, der zweite Gatte Ferdinand von Sachsen-Koburg aristokratische Grundsätze begünstigte. Eine aus Frauen und Höflingen bestehende Camarilla versäumte auch nicht, ihren schlimmen Einfluß geltend zu machen. Schon hatten wiederholte Kammerauflösungen

1836.

1836.

(namentlich wegen der Weigerung, dem königlichen Gemahl den Oberbefehl über das Heer zu übertragen) das Volk in Aufregung gesezt, als die Kunde von den Borgängen in La Granja ähnliche Auftritte in Portugal hervorrief. Am 9. September ertönte von Tausenden der verhängnißvolle Ruf:,,Es lebe die Constitution von 1820!" Bald sah sich Maria da Gloria genöthigt, dem Sturme nachzugeben, als die Truppen größtentheils zum Volke übergingen. Sie erkannte die demokratische Verfassung an und ernannte ein neues aus,,Septembristen" zusammengesettes Ministerium. Als sie aber bald nachher, von diplomatischen und aristokratischen Einflüssen verleitet, durch die Proclamation von Belem die Zugeständnisse wieder zurücknahm und sich an die (minder liberale) Charte Don Pedro's halten zu wollen erklärte, griffen die Nationalgarden zu den Waffen und erzwangen die Einberufung einer constituirenden Cortes-Versammlung, welche dann die durch Einführung des Zweikammersystems und durch Verleihung eines absoluten Veto an die Krone ermäßigte Verfassung vom Jahre 1820 zum Staatsgrundgeset erhoben. Umsonst versuchte der Hof und die Aristokratie mit englischer Hülfe das neue Ver1837. fassungswerk umzustürzen; die zu Gunsten der Charte Don Pedro's erregten Boltsbewegungen wurden unterdrückt und die Constitution, deren gemäßigte Form jedoch den Exaltados gleichfalls mißfiel, endlich angenommen und beschworen. Aber noch immer gelangte die Nation zu keiner dauernden Ruhe. Moderados und Exaltados kämpften mit steigernder Wuth um die Herrschaft und um Geltendmachung ihrer Prinzipien. Im Jahre 1842 siegte die erstere Partei und seßte ein Ministerium ein, das, den Herzog von Terceira an der Spite, nach dem Staatsgrundgesez Don Pedro's regierte; der Druck der Regierung und die zunehmende Geldnoth erzeugte jedoch bald neue Aufstände und wiederholte Ministerwechsel aber das Wohl des Volkes wurde dabei wenig geachtet und wenig gefördert. Endlich erregte das freiheitgefährdende Verwaltungssystem Terceira's und Costa Cabrals eine solche Gährung im ganzen Lande, daß der Thron der Königin in Gefahr kam und Donna Maria sich endlich entschloß, die Leitung der Regierung dem volksthümlichen, geachteten Herzog von Palmella zu übertragen. Allein so verhaßt war dem Hof die demokratisch-constitutionelle Staatsform und Verwaltung, daß im folgenden Jahr vermittelst einer Palastrevolution Palmella gestürzt und verhaftet und das Regie: rungssystem umgestaltet wurde. So trieb die Königin, beherrscht von Leidenschaft und Vorurtheilen und geleitet von den Einflüsterungen einer aristokratischen Umgebung, ein vermessenes Spiel mit der Ruhe des Landes, mit dem Glück ihres Volks und mit der Sicherheit des Thrones. Als sie im Jahre 1854 starb, folgte ihr Schn Pedro V. (geb. 1837).

August

1846.

3. Großbritannien.

§. 830. Englands Staatsleben. Die Julirevolution, die fast gleiche 1836 zeitig mit der Thronbesteigung des freisinnigen Königs Wilhelm IV. eintrat, blieb nicht ohne große Einwirkung auf England. In Folge des bestehenden alten Wahlgesetzes befanden sich die Parlamentssitze fast ausschließlich in den Händen der Aristokratie. Auf dem Lande (in den Grafschaften) beherrschten die Edelleute, als die alleinigen Grundbesißer und Inhaber wichtiger Ehrenämter, durch ihre Macht und ihren Einfluß die Wahlen ganz unbedingt, so daß sie stets die jüngern Söhne hoher Familien oder Anhänger und Verfechter ihrer Grundsätze ins Parlament brachten. Bei der Vertretung der Städte herrschten Uebelstände anderer Art. Orte, die mit der Zeit zu geringen (,,verrotteten") Burgflecken herabgefunken waren und sich in der Gewalt des Adels befanden, besaßzen das alte Recht, einen oder mehrere Abgeordnete ins Parlament zu schicken, indeß andere Orte und darunter die

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