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nur die Wenigen, die von der Juliregierung Vortheil zogen; die Uebrigen lasen die Oppositionsblätter und bemerkten mit Schadenfreude, wie fast alle um Louis Philipps Thron geschaarten Leute allmählich in der Achtung des Volks sanken und als ‚verbraucht“ beseitigt werden mußten; sie freuten sich über die fulminanten Flugblätter, die Lamennais, Cormenin u. A. gegen das System der Regierung in die Welt schleuderten, oder sie sogen arglos das Gift ein, das die George Sand (Frau Düdevant), Eugen Sue u. A. in schlüpfrigen und aufregenden Romanen dem Bolle als geistige Nahrung boten.

§. 822. Frankreichs Stellung nach Außen. 1) Politische Haltung. Die Julirevolution war für die meisten Staaten des europäischen Festlandes ein elektrischer Schlag, der, verbunden mit der gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung Europa durchziehenden Cholera, Schrecken und Bekümmerniß über die Lenker der Staaten brachte und die höhern Klassen aus dem behaglichen Genuß des Lebens aufscheuchte. In den Niederlanden, in Polen, in Deutschland, in Italien regte sich die mit den bestehenden Zuständen unzufriedene Partei der Liberalen und suchte im Vertrauen auf Frankreichs Unterstützung ein freieres Staatswesen und zeitgemäße Reformen zu erringen. Die Scheu der europäischen Mächte vor einem Krieg, der bei der herrschenden Aufregung und Parteiung und bei der politischen Reife der Völker leicht in einen Meinungskampf und Bürgerkrieg übergehen konnte, beweg die Regierungen zu manchen Zugeständnissen, und würde sie zu noch größerer Nachgiebigkeit bewogen haben, hätten nicht auf der einen Seite die ungestümen, mit Drohungen, Verschwörungen und planlosen Aufständen verbundenen Forderungen und Bestrebungen der Liberalen die Regierungen zu gemeinsamem Widerstande er= muthigt und genöthigt, und hätte nicht sehr bald die friedfertige Gesinnung des Bürgerfönigs, der die Anerkennung seiner Thronberechtigung und Ebenbürtigkeit nicht wie einst Kaiser Napoleon mit dem Schwert, sondern, als ein,, Napoleon des Friedens", mit den Waffen der Politik und Diplomatie zu erwerben suchte, die Befürch tungen der Fürsten zerstreut. Die Unabhängigkeit des Königreichs Belgien (§. 799) war das einzige gelungene Ereigniß, das nach jahrelangen Unterhandlungen auf der Minister Conferenz zu London aus der Julirevolution hervorging. Polen wurde geopfert, und alle Verschwörungen und Aufstandsversuche, die in der Folge von den über alle Länder zerstreuten und durch eine geheime Propaganda für Wiederbelebung ihrer Nationalität wirkenden Emigranten veranstaltet wurden, endeten zu ihrem Schaden und füllten die Kerker und Verbannungsorte mit neuen ,,Märtyrern." Die deutschen Fürsten, dem Gelüsten der Franzosen nach der Rheingrenze mißtrauend, buhlten um die Gunst des in seiner Selbstherrlichkeit (Autokratie) starken Rußland und beförderten das Streben des Zaars, vermittelst Ehebündnissen und Verwandtschaftsbanden über die meisten deutschen Höfe ein Netz zu werfen. In Italien gab die Juliregierung wenigstens in so weit den Forderungen der liberalen Partei der Bewegung nach, daß sie, durch Beseßung Ancona's, Italien gegen eine österreichische Schußherrschaft sicher zu stellen und die neuerungsfüchtige Bartei des Fortschritts vor einer gänzlichen Niederlage zu bewahren suchte (§. 803). Sechs Jahre blieb Ancena unter der Obhut der französischen Besatzung, bis diese endlich bei dem ungestörten Friedensstand für überflüssig erachtet und abberufen wurde. Hatte demnach bei der Friedfertigkeit des französischen Königs die Julirevolution für das europäische Staatswesen und die öffentlichen Zustände nicht die erschütternden Folgen, die anfangs einige sorgliche und schwarzsichtige Männer, wie der Historiker Niebuhr, befürchteten, so mußte dagegen Louis Philipp dem kriege= rischen Geiste der Nation in der Ferne einen Triumphplatz verschaffen. Dazu eignete fich vertrefflich das kurz vor der Julirevolution eroberte Gebiet von Algier in

1832.

Nordafrika, zu dessen weiterer Unterwerfung und Colonisirung daher sogleich Anstalten getroffen wurden.

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§. 823. 2) Algier. Wie theuer der Befiß von Algerien, das nur durch eine große Kriegsmacht im Gehorsam gehalten werden konnte, die französische Nation auch zu stehen kam, und von welchen Gräueln und blutigen Kämpfen das unglüdliche Land auch heimgesucht wurde für Frankreich und für Louis Philipp gewährte der Eroberungskrieg in der Ferne unendliche Vortheile. Der hartnädige Kampf mit den streitbaren, von religiösem Fanatismus angefeuerten Beduinenund Kabylen-Stämmen hielt in der Nation Kriegsmuth und Kampflust wach und gab den Truppen Gelegenheit, sich im Gebrauch der Waffen zu üben und die durch langen Frieden erzeugte Erschlaffung und Scheu vor Kriegsnoth und Kriegsgefahr von sich fern zu halten. Das afrikanische Land bot der französischen Regierung einen geeigneten Schauplag, um eine große Zahl Unzufriedener und Widerspenstiger von Frankreichs Boden zu entfernen und in der Fremde zu beschäftigen, oft zu ihrer eignen Besserung und Bekehrung, immer zum Vortheil des Vaterlandes. Auch viele Revolutionsmänner anderer Länder, die nach dem Scheitern ihrer Umsturzversuche in der Heimath bei den Franzosen Schuß und Sicherheit gegen Verfolgung gesucht, zogen halb freiwillig, halb gezwungen über das Mittelmeer, um in der FremdenLegion ihr Blut für fremde Eroberung auf fremder Erde zu versprisen. Die Unterwerfung des Landes war keine leichte, und für Begründung eines mit Civilisirung verbundenen Colonialwesens haben die Franzosen kein Geschick. Zwar wurden große Waffenthaten vollbracht und kühne Kriegszüge ausgeführt, aber das von einem Generalgouverneur beherrschte Land, wohin man unter lockenden Verheißungen Colonisten aus allen Nationen und Gegenden, namentlich aus Deutschland, berief, gelangte zu keiner Blüthe. Wie sollte da Cultur und Wohlstand erstehen, wenn die französische Militärmacht nicht einmal im Stande war, die durch den Fleiß der Ansiedler bebauten Mais- und Kornfelder gegen die Anfälle und Zerstörungswuth räuberischer Beduinenschwärme zu schüßen ? wenn die mühsam erbaute Hütte und der junge, emporstrebende Obstbaum bei dem nächsten Streifzug niedergebrannt wurde? Die Provinz Afrika, in der römischen Kaiserzeit eines der reichsten, blühendsten und cultivirtesten Länder mit herrlichen Städten, mit berühmten Lehranstalten, mit einer durch Handel und Betriebsamkeit wohlhabenden Bevölkerung, vermochte sich unter den Händen der Franzosen nicht aus dem Zustande der Barbarei, in den es durch die mohammedanischen Raubvölker gerathen, emporzuarbeiten. Freilich konnten die neuen Eroberer das Schwert keinen Augenblick in die Scheide stecken, indem sie an dem Emir Abd-el-Kadér einen Gegner fanden, wie einst die Römer an Jugurtha (§. 184). Schlau und unternehmend, reich an Plänen und Hülfsmitteln, als Priester (Marabut) und Heerführer mächtig durch sein unbegrenztes Ansehen bei den Eingebornen, und den Fremdlingen überlegen durch Kenntniß der Gegend und der Natur der Bewohner, widerstand Abd-el-Kadér lange Jahre mit Glück und Erfolg den französischen Heeren und wenn in einem Jahr seine Macht gänzlich gebrochen schien, rüdte er im nächsten mit vermehrten Streitkräften ins Feld. Nach vielen wechselvollen Kämpfen in den Jahren 1834-1837 unter Clauzels Statthalterschaft, wobei die Franzosen zwei Niederlagen (an der Makta und Tafna) erlitten, dagegen aber Maskara, des Emirs Hauptstadt, niederbrannten, gelang es endlich dem General Bugeaud, dem seine Kriegsthaten in Afrika den 30. Mat Marschallstab und den Herzogstitel (von 381y) erwarben, durch den Frieden an der Tafna den unternehmenden Häuptling zur Anerkennung der Oberherrlich keit Frankreichs über die Regentschaft Algerien zu bringen. Aber während die Franzosen nunmehr ihre Streitkräfte nach der östlich gelegenen Provinz Konstantine 13. Det. richteten und nach Erstürmung der Hauptstadt, wobei der tapfere General Damrés

1837.

1837.

1841.

mont den Heldentod starb, das Land allmählich unter der Leitung des Marschalls Valée bewältigten, unterwarf sich Abd-el-Kadér alle arabischen Stämme füdlich von seinem Gebiet bis zur Wüste und steigerte seine Macht zu einer furchtbaren Höhe. Einen von Valée nach dem Engpaß des eisernen Thores unternommenen Streifzug betrachtete der Emir als eine Verlegung seines Gebiets und begann von Neuem den ,,heiligen Krieg" gegen die christlichen Eindringlinge. Die Niederlassungen der Europäer auf dem offenen Lande wurden überfallen und verwüstet, auf der Metidscha= Ebene lagerten sich 40,000 Araber und streiften bis vor die Thore Algiers; die Frucht aller Kämpfe und Anstrengungen schien verloren da erhielt Bugeaud das Ober-Commando über das afrikanische Gebiet und die vermehrten Streitkräfte. Unterstützt von dem tapfern General Lamoricière und andern umsichtigen Führern gelang es ihm, die Macht Abd-el-Kaders zu brechen, indem er durch unaufhör- 1842. liche Streif- und Beutezüge (Razzia's) und die bei den Arabern sehr wirksamen Künste der Bestechung die einzelnen Stämme zu ermüden und zum Abfall zu bringen suchte, und zugleich durch größere Unternehmungen die Streitkräfte des Emirs aufzureiben und durch Zerstörung seiner Festungen und Stützpunkte im Innern (Saida) sein Ansehen zu untergraben und seine Hülfsquellen zu vernichten trachtete. Nach der zweiten Einnahme Maskara's fielen die meisten Kabylenstämme von Abd - el - Kadér ab und unterwarfen sich den Franzosen, und der Emir selbst sah sich endlich zur Flucht auf das marokkanische Gebiet genöthigt. Aber unerschöpflich an Hülfsmitteln und von rastloser Thätigkeit baute er auf den Religionshaß der Mohammedaner und auf den Wankelmuth und die Treulosigkeit der Kabylenstämme frische Kriegspläne. Er erschien von Neuem am Saum der Wüste und brachte die Araber zum Abfall 1844. und zur Erneuerung des Kampfes und als er endlich nach wiederholten Niederlagen auf Marrokkanischem Boden Schutz suchen mußte, wandte er, wie einst Jugurtha bei Bocchus von Mauritanien, alle Künste an, um den Beherrscher von Marokko zu einem Krieg gegen Frankreich zu bewegen, und suchte durch Aufstachelung des Religions- und Nationalhasses alle Mohammedaner zu einem allgemeinen heiligen Krieg wider die Franzosen zu bewaffnen, die, gereizt durch die Treulosigkeit der Eingebornen, nunmehr den Krieg mit großer Grausamkeit führten und den Boden für ihre Ansiedelungen mit Feuer und Schwert erkämpften. Gab doch der Oberst Pelissier (der in der Folge, zum Marschall erhoben, den Titel eines Herzogs von Malakoff erhielt) einen Araberstamm, der mit Weib und Kind in einer weiten Höhle Schutz gesucht, durch Anzünden von Faschinen dem schrecklichsten Erstickungstode preis. Eine allge= 1845. meine Stimme des Unwillens und Entsetzens erhob sich in ganz Europa gegen dieses schreckliche Colonisationssystem, das nur in dem Kriegsminister, dem alten Marschall Soult, der in seinem ganzen Leben nie Schonung und Menschlichkeit gekannt und geübt hat, einen Schutzredner fand. Aber die Wirkung hatte das System des Schreckens allerdings, daß zuleht Abd-el-Kadér, von Allen verlassen und an Freiheit und Leben bedroht, den Franzosen sich unterwarf mit der Bedingung eines freien Abzugs nach Deebr. Aegypten. Aber die Regierung der ,, civilisirtesten Nation" bestätigte den von dem eigenen Sohn des Königs eingegangenen Vertrag nicht, sondern ließ Abd = el = Kadér mit seiner Familie und seinem Gefolge nach Frankreich bringen, wo er mehrere Jahre lang in strenger Aufsicht gehalten ward, bis ihn Louis Napoleon Bonaparte, nach Erwerbung der Kaisermacht, unter prunkenden Aufzügen nach Bursa im türkischen Klein-Asien entließ.

§. 824. 3) Der Orient. Was den Franzosen den Besitz von Algier so wichtig macht, ist der dadurch bedingte Antheil an der Herrschaft über das Mittelmeer und der Einfluß auf die Angelegenheiten des Orients. Es ist eine altüberlieferte Bolitik aller französischen Regierungen, mit den mohammedanischen Staaten des Morgenlandes in gutem Vernehmen zu stehen und sich einen Einfluß auf die Gestal

1847.

tung der dortigen Dinge zu bewahren; namentlich verlieren sie nie das seit Napoleons denkwürdiger Unternehmung (§. 737) ihnen näher gerückte Aegypten aus den Augen. Sollte einst das morsche Reich der Pforte zusammenstürzen, so wünscht Frankreich auch seinen Antheil an der Beute zu haben, und was könnte ihm dann gelegener sein als das fruchtbare Nilland, das, mit Algerien verbunden und durch weitere Eroberungen vergrößert, ein Reich bilden würde, welches an Bedeutung mit dem englischen Ostindien wetteifern könnte? Dieser dunkle Plan mag der Beweggrund gewesen sein, daß Louis Philipp und seine Minister den hartherzigen, tyrannischen Pascha Mehemed Ali und dessen kriegerischen Sohn Ibrahim so warm in ihre Freundschaft einschlossen. Mehemed Ali, ein Makedonier von geringer Abkunft, hatte sich nach einer wechselvollen Jugend zum Pascha von Aegypten empor geschwungen. Hier vernichtete er zuerst durch Hinterlist, Mord und Gewaltthat die Macht der Mammeluten und tödtete ihre Führer; dann begründete er mit Hülfe europäischer, namentlich französischer Rathgeber ein Regierungssystem, wobei abentländische Civilisation mit morgenländischem Despotismus in einer gräuelvollen Mischung gepaart war. Durch einen furchtbaren Steuerdruck und durch die Verfügung, daß alle Bodenerzeugnisse zu einem festgesetzten Preis an ihn abgeliefert werden müßten und alle fremde Lebensbedürfnisse nur durch ihn bezogen werden dürften, brachte er die grundbesitzenden Bauern (Fellah 8) zur Verzweiflung, so daß diese es vorzogen, ihr steuerbares Eigenthum dem Tyrannen zu übertragen und als dessen Tagelöhner und Sklaven es zu bebauen, wodurch fast ganz Aegypten in ein großes Herrengut (Domäne) des Pascha's umgeschaffen wurde. Nun führte er europäische Industrie ein, die ihn selbst immer reicher, das Volk dagegen immer ärmer machte, ließ das ganze Land mit Baumwolle anpflanzen, deren Handelsbetrieb ihm allein zustand, und führte von europäischen Einrichtungen gerade diejenigen ein, die, wie die Polizei und das Conscriptionssystem, das Volk in immer drückendere Fesseln schlugen, oder die, wie die Anfertigung eines neuen Gesetzbuches nach französischem Muster, die Gründung einer höhern Lehranstalt, einer Druckerei, einer Zeitung u. dgl. dem Staat den Anstrich eines civilisirten verleihen und das Ausland blenden sollten. Im Vertrauen auf seine bedeutende, nach französischem Muster eingerichtete und geübte Militär- und Seemacht versagte er dem türkischen Sultan den schuldigen Tribut und dehnte sein Reich nach allen Seiten aus. Er unterwarf Nubien und Kordofan, wo er den Negerhandel auf die empörendste Weise betreiben ließ, und unterstützte seinen Sohn Ibrahim bei der Eroberung Syriens und Palästina's. Unbekümmert um die von der Pforte ausgesprochene Achtserklä rung gegen Mehemed Ali unterwarf sich Ibrahim nach einem siegreichen Feldzug Syrien und willigte dann in einen von den europäischen Mächten vermittelten Frieden, wodurch ihm die Statthalterschaft über das eroberte Land unter der Oberhoheit des Sultans übertragen wurde. Damit nicht zufrieden, strebte Mehemed Ali nach einer von der Pforte unabhängigen Erbmonarchie, die Aegypten, Syrien, Kreta und andere eroberte Landschaften umfassen sollte, und verweigerte dem Sultan jeden Tribut. Darüber brach der Krieg von Neuem aus. Schon war das türkische Heer 1839-41. bei Nisibis von Ibrahim Pascha aufs Haupt geschlagen und der verrätherische Kapudan Pascha mit der ganzen türkischen Flotte zu dem Feinde übergegangen; schen stellte Mehemed Ali, von Frankreich unterstützt, die verwegensten Forderungen an die Pforte, als die vier durch die sogenannte Quadrupelallianz verbundenen europäischen Großmächte, ohne Beiziehung Frankreichs, sich des bedrängten Sultans annahmen. Wie sehr auch die französische Regierung, den friegsluftigen Thiers an der Spize, gegen jede Einmischung protestirte und einen europäischen Krieg in Ausficht stellte als die Engländer Beirut bombardirten und Alexandria mit einer Einschließung bedrohten, da willigte Mehemed Ali in die von den europäischen

Mächten vorgelegten Friedensbedingungen, worin ihm und seinen Nachkommen Aegypten mit Nubien als erbliche Statthalterschaft gegen Entrichtung eines Tributs an die Pforte zugesichert, dagegen die Abtretung von Syrien und Kreta und die Zurückgabe der Flotte auferlegt ward. Louis Philipps Friedfertigkeit gestattete nicht, daß die Drohungen seines Ministers, die in Deutschland eine vorübergehende kriege= rische Begeisterung und Beckers Rheinlied erzeugten, zur Wahrheit würden.

1835.

§. 825. Otaheiti. Eine kleinliche, von dem Neide gegen England eingegebene Politik befolgte Frankreich gegen Otaheiti (Tahiti), eine der Gesellschaftsinseln. Diese von einem harmlosen, im unschuldigen Naturzustande lebenden Völkchen bewohnte Insel war durch den Verkehr mit Europäern sittlich und körperlich gesunken und ausgeartet; Krankheiten, Laster und ein gräuelvoller Gottesdienst schändeten die Bewohner, bis englische Missionare durch Einführung des Christenthums den Keim einer moralischen Erhebung legten, und die Begründung eines geordneten Staatswesens nach europäischen Begriffen den entschwundenen Naturzustand durch die Güter der Civilisation zu ersetzen anfing. In den zwanziger Jahren war Otaheiti ein christlich-civilisirtes Land; und war auch der geistige Zustand, den ein von methodistischer Scheinheiligkeit und puritanischer Strenge erfülltes Christenthum hervorbrachte, für den vorurtheilsfreien Beobachter kein erfreulicher Anblick, so war er doch um Vieles besser als ein Zustand, in dem alle Laster der Civilisation mit der Rohheit und derben Sinnlichkeit wilder Völker gepaart erscheinen. Da zogen unter dem Schuße eines französischen Consuls katholische Missionare ins Land, fuchten das protestantische Christenthum durch den Papismus zu verdrängen und streuten den Samen des Unfriedens und religiöser Zwietracht. Umsonst vertrieb die den Engländern und ihrem Glauben ergebene Königin Pomare die katholischen Sendboten von der Insel; zwei Jahre später führten einige französische Schiffe die Missionare zurück und erzwangen die Erlaubniß zur Erbauung katholischer Kirchen, und damit ihr Werk festern Bestand habe, suchten sie in Verbindung mit dem französischen Consul die Insel unter Frankreichs Protectorat zu bringen. Louis Philipp dachte kleinlich genug, auf das erschlichene 1842. Ansuchen einiger Häuptlinge um Frankreichs Schußherrlichkeit einzugehen und trotz des Widerspruchs der Königin (die die französische Flagge abnehmen ließ, dafür aber von dem Admiral Düpetit - Thouars der Regierung verlustig erklärt ward) und trotz der Protestation Englands das französische Protectorat ins Werk zu setzen. Von dem an herrschte Zwietracht und Aufruhr in dem Lande. Die Königin, die sich auf eine andere Insel begeben, und die von englischen Missionaren angestifteten Einwohner beharrten im Widerstand gegen Frankreichs Schußherrschaft.

2. Die pyrenäische Halbinsel.

§. 826. Meinungskämpfe in Spanien. Spanien und Portugal blieben auch nach der Julirevolution der Heerd leidenschaftlicher Parteikämpfe. Obwohl das Volk der großen Mehrheit nach für ständische Staatseinrichtungen, für Commu= nal- und Municipalwesen, für bürgerliche Ordnung wenig Sinn hat; obwohl es sich vermöge seiner finnlichen Natur und seiner romantisch = ritterlichen Neigungen und Gewohnheiten eher für eine tapfere, militärische Persönlichkeit, für einen kühnen Heerführer und Bandenhauptmann begeistert als für constitutionelle Staatsformen und parlamentarische Verhandlungen, und obwohl der mächtige Einfluß der Geistlichkeit und der Mönche auf das unwissende und abergläubische Volk einer freien politischen Entwickelung nicht förderlich ist, so fanden doch alle Formen des modernen Staatslebens, von der demokratischen Republik bis zum apostolischen Absolutismus in der pyrenäischen Halbinsel ihre Anhänger und Verfechter. Die untern Volksklassen, na= mentlich die Land- und Bergbewohner, die ohne alle Einsicht, Urtheil und politische

1836.

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