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20. Nov.

7. Juni

dieser Uebereinkunft zu verfahren. Kaum war er aber im Besiß seiner Würde, als er seiner Geistlichkeit gebot, sich genau an das Breve zu halten und die Trauung nur nach vorausgegangener Zusage katholischer Kindererziehung zu verrichten. Einflüsterungen im Beichtstuhl prägten den Frauen die Nothwendigkeit der kirchlichen Einsegnung zur Gültigkeit der Ehe und zum Seelenheil ein und verwirrten die Gewissen. Zu gleicher Zeit ließ sich der Erzbischof von seiner ultramontanen Umgebung zu einem strengen Verfahren wider die Hermesianer bewegen. Umsonst erinnerte die preußische Regierung an das Versprechen und drohte mit Amtsentseßung; der Erz1837. bischof beharrte auf seinem Sinne. Da wurde er plötzlich verhaftet und nach der Festung Minden abgeführt,,,weil er sein Wort gebrochen, die Geseze untergraben und unter dem Einflusse revolutionärer Parteien die Gemüther aufgeregt habe.“ Dies gab das Signal zu einem heftigen Streite sowohl zwischen der preußischen Regierung und dem römischen Stuhle, der vor jeder Unterhandlung die Wiedereinsetzung des gefangenen „Märtyrers“ verlangte, als zwischen den streitlustigen Gelehrten beider Confessionen. Die öffentliche Meinung war getheilt. Die Katholiken sahen in dem Verfahren eine Unterdrückung der Kirche durch den Beamtenstaat und erhoben den Ruf nach Unabhängigkeit der Kirche vom Staate; die Protestanten faßten den Streit auf als,,Kampf deutscher Freiheit und römischer Herrschaft.“ Diekirchlichen Wirren" nahmen noch zu, als der Erzbischof Dunin von Önesen und Posen ein ähnliches Verbot der kirchlichen Trauung von Mischehen ohne Zusicherung katholischer Erziehung ergehen ließ und, nach Berlin geladen, sich der ihm auferlegten Haft durch die Flucht entzog, dann aber nach der Festung Colberg ab= 1840. geführt ward. Unter diesen Umständen bestieg Friedrich Wilhelm IV. den preus ßischen Thron und richtete seine ganze Sorgfalt auf die Beruhigung der Kirche. Er sette den Erzbischof Dunin auf eine sehr zweideutige Zusage hin in Freiheit, er ge stattete den unmittelbaren Verkehr der Bischöfe mit Rom; er entließ den Erzbischof Droste seiner Haft und sprach ihn in einem ehrenvollen Brief von aller Schuld an revolutionären Umtrieben frei, nachdem er mit ihm und dem römischen Stuhl übereingekommen, daß er selbst wegen Kränklichkeit von einer Rückkehr nach Köln abstand und den Bischof von Speyer, Johannes Geißel, zum Coadjutor mit dem Rechte der Nachfolge annahm. Seine Ansichten über den Frieden unter der Kirche und den Staaten" hat der alte Erzbischof noch kurz vor seinem Tod,,unbehülflich und ehrlich" der Welt dargelegt. Dieser siegreiche Ausgang und die bei jeder Gelegenheit sichtbare Nachgiebigkeit der protestantischen Regierungen gegen die Forderungen und Drohungen des Clerus erfüllte die katholische Kirche mit großem Selbstgefühl und kehrte die Schwäche des zerrissenen Protestantismus mehr und mehr zu Tag. Auch in Würtemberg zündeten die Ultramontanen die erlöschende Fackel confessio= neller Zwietracht von Neuem an. Der laute Ruf nach Trennung der Schule vom Staat und Unterordnung derselben unter die Kirche beweist, daß der katholische Clerus von Deutschland sich dem nämlichen Selbstvertrauen hingibt, wie der französische und belgische Priesterstand. Die mittelalterlichen Ideen, an denen mehrere getrönte Häupter, namentlich die Könige von Preußen und Bayern, und viele Olieder des Adels und der Aristokratie Wohlgefallen fanden, waren der Macht der katho= lischen Kirche sehr förderlich. Troß vielfacher Beweise vom Gegentheil galt die römische Kirche als Träger des Conservatismus, und in den höhern Kreisen waren Ultramontane und Convertiten stets gut aufgenommen. In Bayern beurkundeten die Klöster und Kirchen, die sich aller Orten und Enden erhoben, die zunehmende Zahl der Mönche, und die Beeinträchtigung und Beschränkung der Protestanten und des evangelischen Kirchenwesens die Herrschaft einer ultramontanen Priestermacht und eines von ihr geleiteten Ministeriums; am Rhein, wo mehrere im gothischen Stil restaurirte Burgen Zeugniß ablegen von dieser romantisch - ritterlichen Liebha

1843.

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berei, fuchte man den Ausbau des Kölner Doms statt zu einem Symbol deut- Dombau. scher Einheit und Kraft zum Sieg und zur Verherrlichung der katholischen Kirche zu benußen. Aber die offene Begünstigung der Proceffionen, der Wallfahrten und des ganzen, auf Erhaltung und Förderung des Aberglaubens berechneten äußerlichen Kirchenwesens stand zu sehr mit dem Zeitgeiste in Widerspruch, als daß das künstliche Gewebe der Priesterschaft ganz gelungen wäre.

6.

Deutsch

§. 816. Der Deutschkatholicismus. Als der rheinische Clerus zur Nachfeier des preußischen Kirchenstreits durch die Anordnung einer Wallfahrt nach bem ungenähten heiligen Rock in Trier die Gläubigkeit des Volks auf eine 18. vet. bedenkliche Probe stellte, geriethen viele aufgeklärte Katholiken in einen Zwiespalt mit 1844. dem Kirchenglauben. Der Jubel über diese Gottesfahrt (an der sich über eine Million Pilger betheiligt hatten) wurde gestört durch ein Schreiben aus Laurahütte gegen das Götzenfest zu Trier an den dasigen Bischof, als den Tezel des 19. Jahrhunderts." Das offene Schreiben kam von Johannes Ronge, einem jungen, wegen Fatholi Ungehorsams von der kirchlichen Behörde suspendirten Priester aus Schlesien, also ciemus. aus einer Gegend, wo schon früher eine freisinnige Partei, den gelehrten Theiner an der Spitze, gegen den römischen Kirchendruck angekämpft hatte. Dem Briefe folgten Flugschriften, die zur Gründung einer katholischen Nationalkirche aufforderten und bei der Aufregung der Gemüther ihres Eindrucks nicht verfehlten. Bald sammelte sich um Ronge in Breslau eine Anzahl freidenkender Katholiken, die eine von Rom und der bischöflichen Gerichtsbarkeit unabhängige Kirchengemeinde bildeten, nach dem ähnlichen Vorgange in dem preußisch-polnischen Städtchen Schneidemühl, wo der junge Vicar Joh. Czerski, weil er ein polnisches Mädchen heirathen wollte, sich von der römischen Kirche und mehreren ihrer Lehrsatzungen losgesagt und, ohne sein Priesteramt aufzugeben, mit einigen gleichgesinnten Gemeindegliedern eine christlich-apostolisch-katholische Gemeinde gegründet hatte. Nach dem Vorbilde von Breslau bildeten sich mit Kurzem in vielen Städten des nördlichen, später auch des südlichen Deutschlands deutsch-katholische Gemein= den, die, mit Ronge durch Zustimmungsadressen verbunden, in der Aufstellung eines höchst einfachen und nüchternen Glaubensbekenntnisses und in der Forderung des freien Schriftgebrauchs und der Kirchengewalt für die Gemeinde einig waren. Die von Breslau ausgehende rationalistische Richtung entsprach dem demokratischen Zeitgeiste und fand unter den mit ihrer Kirche zerfallenen Katholiken mehr Anklang als das Glaubensbekenntniß der von Czerski ausgegangenen christ-katholischen Gemeinde, die,,nicht nur an den Grundzügen altkirchlicher Orthedorie, sondern auch an einigen römischen Sagungen“ festhielt. So trat mit dem Entstehen auch die Spaltung ein, die durch das um Ostern 1845 in Leipzig veranstaltete, von 15 Gemeinden beschickte Concil nicht gehoben ward. Das hier entworfene Glaubensbekenntniß enthielt außer der unbedingten Lossagung von der päpstlichen Hierarchie und der freien, vernunftgemäßen Auslegung der heiligen Schrift nur das verstümmelte aposto= lische Bekenntniß und hob die Bethätigung des Glaubens durch Werke der Liebe" hervor. Czerski hielt an dem unverkürzten apostolischen Symbol mit dem ausge= sprochenen Glauben an die Gottheit Christi fest; dagegen wurde Ronge's Deutschfatholicismus an einigen Orten verstärkt durch den Beitritt einzelner mit der Staatsfirche zerfallener protestantischer Lichtfreunde." - Die Regierungen zeigten sich den Deutschlatholiken abhold. In Bayern und Desterreich wurden die katholischen Diffidenten" durch Verbote und Ausweisungen von den Grenzen ausgeschlossen; in andern Staaten untersagte man ihnen den Gebrauch der Kirchen und hinderte ihre Verbreitung durch Entziehung der staatsbürgerlichen Rechtsgleichheit; in Kurheffen verweigerte man ihnen ein ehrliches Begräbniß. Ueberall erhoben sich die zweiten Ständekammern für ihr Recht, aber in Baden führte der Antrag auf Re

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Theologi sche Rich

1851.

1780

ligionsfreiheit die Auflösung des Landtags herbei. Die protestantische Bevölkerung hat fast einmüthig der neuen Kirche den Mitgebrauch ihrer Kirchen, Geldhülfe und die Macht der Tagespresse gewährt, ohne Lust zum Herüberziehen, aber anfangs mit großen nationalen Hoffnungen.“ Nach einer vorübergehenden Anerkennung oder Duldung durch die bedrängten Regierungen in den Jahren 1848 und 1849 wurden später die mittlerweile zusammengeschwundenen deutsch-katholischen und lichtfreundlichen Gemeinden in einigen Ländern ihres religiösen und kirchlichen Charakters verlustig erklärt und den Gesetzen über politische und gesellschaftliche Vereine unterworfen. - Besaßen auch die Urheber und Leiter dieser kirchlichen Bewegung nicht die erforderlichen Kräfte und Eigenschaften, um dem Werke Leben und Bestand zu verleihen und die ihnen gestellte,,Mission" zu erfüllen, ihr Auftreten war immerhin eine bedeutungsvolle Erscheinung und zerriß die Hülle der kirchlichen Einheit, womit der Katholicismus bisher seine Schäden bedeckt hatte. Man bemerkte nun, daß in der katholischen Kirche nicht minder große Spaltungen und Zerrissenheit obwalten als in der protestantischen; daß Tausende, ja Millionen zu ihr gerechnet werden, die ihren Ansichten nach sehr ferne stehen, und daß auch hier alle Richtun= gen, vom Glauben an himmlische Erscheinungen und an die Wunderheilungen des Fürsten von Hohenlohe und des Schäfers aus dem Kölner Gebiet bis zum völligen Unglauben und Atheismus, ihre Anhänger zählen.

2. Die protestantische Kirche.

§. 817. Religiöse Richtungen. Die protestantische Kirche, die in der geistigen Freiheit ihre Wurzeln und ihr Fundament hat, bietet eine noch größere Mannichfaltigkeit der Erscheinungen und Scheidungen dar. Deutschland, die Geburtsstätte des Protestantismus und die Begründerin und Pflegerin der protestantischen Wissenschaft der Theologie und Philosophie, blieb auch in neuester Zeit der schöpferische Boden für Religionssysteme und kirchliche Organismen, die der individualisirenden und isolirenden Natur des Volkes gemäß die verschiedensten Richtungen und Gestaltungen annahmen.

Der alte Zwiespalt zwischen Nationalismus, der das höchste Gesetz über alle tungen. Religion in der Vernunft als einer natürlichen Offenbarung“ und zwischen Supernaturalismus, der dasselbe „in einer heiligen Ueberlieferung als übernatürlicher Offenbarung" erkennt, dauerte noch fort, aber mit abnehmender Kampflußt Paulus von beiden Seiten, wenn gleich noch lange der Vorkämpfer der „Denkgläubigkeit“, Pau1761- lus, wie eine einsame Säule vergangener Zeiten unter den jüngern Geschlechtern aufrecht stand. Glückliche Versuche, beide Richtungen zu vermitteln und eine neue tiefere Theologie De Wette anzubahnen, wurden unternommen von De Wette, den einst ein Trostschreiben an 1849. Sands Mutter zur Flucht nach Basel nöthigte, wo er die heilige Schrift mit freiem Forschungsgeist behandelte", dem Verstande im Kirchenglauben und der Moral im chrift. lichen Leben ihre Rechte und Bedeutung wahrte, aber auch in den „Dogmen der Kirche eine nothwendige heilige Poesie als das Gemeingefühl der Kirche vermittelnd“ nachwies; Schleters und mit dem größten Erfolge von Schleiermacher, einem als Kanzelredner, Denker und 1768 akademischer Lehrer gleich ausgezeichneten Theologen, der, durch Geburt und Jugenderziehung in Herrnhuter Frömmigkeit wurzelnd, durch Studien mit Allem vertraut, was die Literatur der Aufklärung und die Philosophie der Skeptiker wider das Christenthum vorgebracht, und durch Erforschung der Werke Platons und Spinoza's zu einer höhern Weltanschauung gelangt, den christlichen Glauben mit den Forderungen der freien Ber nunft in Uebereinstimmung zu bringen suchte und ein Leben ohne christliche Kirchengemeinschaft, ohne den Glauben an Gott und Unsterblichkeit als nichtig und inhaltleer

macher

1834.

nachwies. Seine Wirksamkeit in Berlin, wo er zuerst durch seine „Reden über Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ zur Erweckung eines neuen religiösen Lebens mächtig beitrug, war eine erfolgreiche und nachhaltige. In diesen Reden,,entrollte Schleiermacher zuerst ein allgemeines und ideelles Bild der Religion, wo er ihr abstreift, was Staat, Wissenschaft, Priesterthum, Unduldsamkeit, Streitsucht und die sinnliche Vorstellungsweise des Bolls ihr Falsches, Beschränktes und Unwesentliches angehängt haben; er schildert mehr das Wesen der Frömmigkeit, der Ergebung an Gott, das Gefühl der Gemeinschaft mit dem Unendlichen, und zeigt, wie natürlich und unvermeidlich diese Gefühle in ihrer Reinheit dem menschlichen Gemüthe find. Er gewinnt dann jene Angeredeten durch die höchst unpriesterliche Unbefangenheit, mit der er die unmündigen sinnlichen Begriffe von Gott und Unsterblichkeit, von Wundern und Offenbarung u. A. preis gibt, den blinden Autoritätsglauben als einen sklavischen Dienst verwirft, die Religion in jeder Gestalt und Erscheinung ehrt." Schleiermachers mächtiger, frischer, stets fröhlicher Geist „war einem kühnen Heere gleich in der trübften Zeit“. — In ähnlichem Geiste wirkten Daub, Marheineke und Neander; die beiden erstern, indem sie die Resultate der philosophischen Entwickelung ihrer Zeit, namentlich das Schellingsche und Hegelsche System in der Theologie, auf eine selbständige und geistvolle Weise verarbeiteten, und Neander durch seine bedeutenden, von dem Geiste milder und wohlthuender christlicher Frömmigkeit erfüllten kirchengeschichtlichen Arbeiten. Der erste Sit dieser neuen tiefern Theologie war die durch den Großherzog Karl Friedrich neubelebte Universität Heidelberg, wo Daub, de Wette, Marheineke, und mit ihnen der christliche Pädagoge Schwarz zu gleicher Zeit lehrten und wirkten, bis die drei jüngern (de Wette, Schwarz Marheineke, Neander) im Jahre 1811 nach Berlin berufen wurden, wo sie im Verein 1837. mit Schleiermacher die berühmteste theologische Facultät neuester Zeit gründeten.

Daub

1765Marbei neke 1780 Neander

1836.

-1846.

1789

1850.

1766

Deutsch

Wie Voltaire und die Encyclopädisten (§. 671) als Vorboten der großen Das junge französischen Revolution Christenthum und Kirchenthum mit feindlichen Waffen angefallen land. haben, so richteten auch in den dreißiger und vierziger Jahren verwegene Denker und lede Schriftsteller ihre zerstörenden Angriffe gegen die christliche Religion, gegen den Glauben an Gott und Unsterblichkeit, als die Vorläufer der Welterschütterung des Jahres 1848. Eine Anzahl Dichter und Literaten, als das ,,junge Deutschland“ bezeichnet (s. Anh. §. 105), haben, noch ehe ihr jugendlicher Geist zur vollen Reife und Klarheit gekommen, die alte Religion des Geistes, welche „die Menschheit 18 Jahrhunderte in ihren Schmerzen getröstet“, durch „das neue Evangelium der Wiedereinsetzung des Fleisches“ zu verdrängen gesucht, die einstige Seligkeit des Himmels, die Hoffuungen der Armen und Bedrängten als Priestertrug und Aberglauben dargestellt und den Menschen mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Leidenschaften auf die irdische Welt und auf sinnliche Genüsse angewiesen. Und ist auch diese frivole Jugendpoesie dem sittlichen Ernst des Volks in Kurzem erlegen, so hat sie doch die Stützen der Religion, den Glauben an Gott und ein ewiges Leben, in manchem Herzen erschüttert.

1831.

Nicht minder feindselig gegen Religion und Christenthum stellte sich die Jung- Junghehegelsche Philosophenschule. Hegel, zuletzt Professor in Berlin, Begründer einer gelianer. wegen ihrer vorherrschenden Richtung zum Absolutismus lange begünstigten, einfluß- 1770reichen Staatsphilosophie, lehrte, daß die Gottheit, der Geist, in die Welt, die Natur, übergehe, daß beide Potenzen des Weltalls nur durch das Denken, durch die Gesetze der Logik und Dialektik, in ihrem wahren Sein, ihrer Idee, erfaßt werden können. Seine Philosophie, obschon sie das Christenthum als die vollkommenste Entwickelungsform des göttlichen Selbstbewußtseins gelten ließ, trug, wie sich in der Folge auswies, was aber ihre Anhänger den Gegnern lange bestritten, die Keime des Pantheismus in sich. Nach des Meisters Tod schieden sich seine Jünger in eine „orthodoxe und heterodoxe Zunge“. Die Vorkämpfer der letztern, junge, zerstörende Geister, hoben den ewigen Gegensatz von Gottheit und Weltall auf, erklärten den in der Natur und in der Menschheit lebenden

Strauß

Bauer

Geist für den einzig wahren Gott und deuteten die Unsterblichkeit als Uebergehen der Menschenseele in das Universum, um dort zu verschwinden und fortzuleben, mit Vernichtung aller Individualität. Sie verkündeten „als ein ewiges Leben in der Idee das Evangelium eines ewigen Todes, als die zur Vernunft gekommene Religion einen sich selbst anbetenden Gott und einen Gottmenschen, der nie als Individuum auf Erden gegeb. 1808. wandelt." David Strauß bekämpfte im „Leben Jesu“ mit historischer Kritik und Berstandesschärfe die Wahrheit der evangelischen Erzählungen von Christi Leben, Lehren und Tod und fand aus den biblischen „Mythen“ nur einen „religiösen Genius“ heraus. Obwohl mit dem christlichen Volksglauben in Zwiespalt, wurde er von der liberalen Re 1839. gierung Zürichs auf den theologischen Lehrstuhl ihrer Universität berufen; aber der Sturz der Kantons-Regierung durch das für seinen Glauben aufgestandene Volk verhinderte die Ausführung. Der Ausgang des Anführers (B. Hirzel) bewies indeß in der Folge, daß Bruno die Bewegung einen unreinen Ursprung hatte. Bruno Bauer behandelte die Evangeb. 1809. gelien als literarische Producte, die auf dem Grunde des spätern Gemeindebewußtseins der Form wie dem Inhalte nach mit verschiedenem Glück und Geschic rein schriftstellerisch entstanden seien“, Ansichten, die für unvereinbar mit der Stellung eines Lehrers der Theologie erklärt, seine Entfernung von der Universität Bonn und seine Enthüllung der „theologischen Schaamlosigkeiten“ zur Folge hatten. Ein negirender Geist ohne die nothwendige Grenzlinie und gesunde Mäßigung ist er später der Lobredner rusfischer Absolutie und griechisch-katholischer Uniformität geworden. Ludwig Feuerbach, mit Arnold Ruge der Vorderste in den Reihen der negirenden Geister, gedachte seine Nation vom Wahu der Religion überhaupt zu erlösen“; er erklärte das Christenthum für eine fixe Idee, alle Religion für einen Traum des Geistes, aus dem erwachend der Mensch nur sich selbst finde; und seine Kaltwassertaufe gefiel einer „mit Gott brouillirten“ Jugend. Vergebens kamen die Regierungen, besorgt über die irreligiöse und kirchenfeindliche Richtung des Zeitgeistes, die in ihren Extremen die tiefsten geistigen Grundlagen aller bestehenden Dinge aufzulösen drohte, der bedrängten Rechtgläubigkeit zu Hülfe, indem sie durch Entsetzung und Beschränkung ihrer Jünger der himmelstürmenden Wissenschaft Meister zu werden suchten das deutsche Volk, „überall in Opposition mit dem Polizeistaat" und seinen Absichten mißtrauend, horchte darum nur um so willfähriger auf ihre Lehren; vergebens suchte Schelling (Anh. §. 63), „zur Heilung der von der Philosophie geschlagenen Wunden" von München nach Berlin berufen, durch eine mystische Religionsphilosophie, worin er,,die vollkommene Einigung der Wissenschaft mit einer Johanniskirche der Zukunft“ verhieß, die Wirksamkeit der zerstörenden Geister zu brechen ein großer Theil des deutschen Volks, der von der Regierung begünstigten Weisheit abgeneigt, erblickte in den zurückgesetzten Schriftstellern die Verkündiger und Märtyrer der Wahrheit, und gegen den Propheten in Berlin trat selbst der alte Nationalismus (Paulus) in die Schranken.

Pietis

mus.

-

Im Gegensatz zu dem religionsfeindlichen Zeitgeiste bildete sich unter der schüßenden Aegide des in den Händen der Fürsten ruhenden Kirchenregiments eine strenggläubige Partei mit pietistischer Färbung, die mit der ultramontanen Richtung im Katholicismus die Gunst der durch den wachsenden Geist der Verneinung sich bedroht sehenden höhern Stände und den Ruf der Loyalität, als Vertheidiger des göttlichen Rechts der Dynastien, gemein hatte. Beide verachteten tiefer forschende Wissenschaft und ernstere weltliche Bildung als Quelle echter Aufklärung und gesunder Lebensansichten, hierin mit ihren Gegenfüßlern, den Propheten der Zerstörung und Revolution, übereinstimmend.

Während die Evangelische Kirchenzeitung von Hengstenberg alle Personen und Erscheinungen nach dem Maßstab engherziger Kirchlichkeit und Rechtgläubigkeit richtete, dabei aber die Kirche selbst als altehrwürdige Anstalt der Sitte und des chriftlichen Lebens zu stärken suchte, nahm in einigen Gegenden die neuerwachte christliche Gläubigkeit eine

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