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slavischen Ursprungs an und wollten die einst von ihnen bezwungenen Völkerschaften an den südlichen Grenzmarken, die Slavonier, Kroaten (Raizen, Ruthenen) u. A. nicht als gleichberechtigte, sondern als unterworfene behandeln. Stolz auf ihre Abstammung und Nationalität bewachten die Magyaren neidisch ihre Stammeigenthümlichkeiten, ihre Sprache, Sitten und Einrichtungen; ja um vom Auslande unabhängig zu sein und die Landesindustrie zu heben, bildeten sich Vereine, mit der Verbindlichkeit, zu Nahrung, Kleidung und häuslichen Bedürfnissen sich nur einheimischer Erzeugnisse zu bedienen. Standhaft und muthig verfochten sie ihre ange stammten Rechte und Freiheiten, aber weniger gerecht als tapfer und herrschsüchtig versagten sie die Güter, die sie für sich so entschieden in Anspruch nahmen, den unterworfenen Stämmen. Sie verdrängten von ihrem aus einer Adelstafel (Magnaten) und einer Ständetafel bestehenden Reichstag die seit langeher gebräuchliche lateinische Sprache durch die magyarische, ohne Rücksicht auf die andersredenden Völkerschaften; sie bestanden darauf, daß nur Ungarn (Magyaren) die höhern Militär- und Beamtenstellen bekleiden dürften, und während sie das Band, das sie mit dem österreichischen Kaiserstaat zusammenhielt, immer mehr zu schwächen bemüht waren, suchten sie zugleich die Herrschaft des Magyarenthums fester zu be gründen. Um aber nicht das Loos des polnischen Adels zu theilen, lernten die Edelleute noch rechtzeitig Mäßigung und Klugheit. Die Stände bewilligten ein Urba rialgeseß, das dem Bauer Ablösung der Feudallasten und ein freies Eigenthum zugestand, und hoben die lange bestandene Steuerfreiheit des Adels auf. Da• durch wurde das Magyarenthum in sich einiger und stärker.

3. Pauperismus und Social-Reformen*).

§. 808. Das Proletariat. Die große französische Revolution, nach praktischer Verwirklichung des Grundsages der Freiheit und Gleichheit strebend, hatte die Fesseln der Unfreiheit, welche die frühern Geschlechter dem Niedriggebornen, Armen und Geringen angelegt, zersprengt und damit die untern, auf Erwerb durch Handarbeit angewiesenen Klassen als vollberechtigt den höhern Ständen zur Seite gestellt. Die Lastträger der menschlichen Gesellschaft, die zu den schweren körperlichen Arbeiten und zu den untern Geschäften des Lebens nothwendigen Menschen, die in den Republiken des Alterthums rechtlose Sclaven waren, im Mittelalter theils leibeigene Bauern, theils Gesellen und Knechte ohne politische Rechte, ohne Eigenthum, Besiz und persönliche Freiheit, traten nunmehr als gleichberechtigte Staatsbürger ins öffentliche Leben ein, mit den Ansprüchen auf das Recht der Eristenz durch Arbeit und auf Gründung einer Familie durch Verheirathung, ein Recht, das in frühern Zeiten wesentlichen Beschränkungen unterlag. Als die Stürme der Revolution verüber waren, als Ackerbau, Gewerbfleiß, Industrie wieder aufblüh ten und mit den Künsten des Friedens Wohlstand, Lebensgenuß und Luxus einzogen, da zeigten sich bald die Folgen der Auflösung der frühern gesellschaftlichen Bande. Die unbegrenzte Theilbarkeit der Güter und die gleiche Erbberechtigung aller Kinder vermehrte den Stand aller Grundbesitzer ins Unendliche und schuf einen freien Bauern stand von kleinem Grundeigenthum. Die anfangs erfreuliche Erscheinung wurde die Quelle unsäglichen Elends. Durch die mit jeder Generation sich mehrenden Theilungen wurde der Grundbesiß dermaßen gespalten und vermindert, daß nur wenige Fa

*) Da der folgende Abschnitt so wie §. 842 seinem ganzen Umfang nach in einem neuen, in Lieferungen erscheinenden Werke (im J. 1854) Aufnahme gefunden hat, ohne daß der Quelle dabei Erwähnung geschehen wäre, so steht sich der Verfasser zur Wahrung seines Eigenthums und zur Vermeidung möglicher Mißverstände zu der Erklärung genöthigt, daß die erwähnten Paragraphen sich schon in der dritten Auflage vom J. 1849 in der nämlichen Fassung abgedruckt vorfinden.

milien von dem Ertrag leben konnten; aus freien Bauern wurden daher allmählich Taglöhner, die viel nachtheiliger gestellt waren, als früher die Leibeigenen, denen der durch Feudalgeseße und Pietätsverhältnisse gebundene Gutsherr in Zeiten der Noth oder bei Krankheiten und Unglücksfällen Hülfe und Unterstützung gewährte, während jezt der selbständige Taglöhner lediglich auf die eigenen Kräfte angewiesen war und für sein Gütchen und seine Lehmhütte noch Abgaben an den Staat zu leisten und zu den Gemeinbelasten beizutragen hatte, nicht zu gedenken der Zehnten und Feudalabgaben, die in manchen Ländern noch dazu kamen. Die Noth trieb zum Schuldenmachen; fiel der Bauer Wucherern und Juden in die Hände, so war er in wenigen Jahren um sein Eigenthum; im besten Fall schleppte er sein mühe und sorgenvolles Leben bis zu einem mäßigen Alter und hinterließ dann eine darbende Familie. Noch schlimmer gestalteten sich die Zustände in den Städten. Die Aufhebung aller beschränkenden Zunft- und Innungsverhältnisse vermehrte den freien Handwerker- und Gewerbsstand dergestalt, daß eine übermäßige Concurrenz eintrat, die, verbunden mit der größeren Wohlfeilheit der Fabrikerzeugnisse, den Absatz beeinträchtigte oder den Preis der Arbeit allzusehr herabdrückte und somit bewirkte, daß das Handwerk die Familie nicht mehr ernährte. Die geringen Handwerker und die große Menge selbständig und frei gewordener Gesellen traten daher in die Dienste reicher Fabrikherren, deren Zahl mit jedem Tag sich mehrte, da bei der zunehmenden Herrschaft des Geldes und der Verminderung der Standes- und grundherrlichen Rechte die höhern Stände ihr Vermögen vorzugsweise solchen Gewinn bringenden Unternehmungen zuwendeten. Der Fabrikarbeiter, der von seinem täglichen Lohn sich und sehr häufig eine Familie ernähren mußte, war nicht viel mehr als der Sklave des Fabrikherrn, dem er poli= tisch gleichstand; kein Gesetz schüßte ihn vor der willkürlichen Entlassung; nahmen seine physischen Kräfte ab, so minderte sich sein Lohn. Das Kapital erlangte eine Herrschaft und eine despotische Macht, wie sie kein bevorrechteter Stand früher besessen. Dazu kam, daß durch das auf eine schwindelnde Höhe getriebene Creditwesen. der Werth des Geldes sich sehr verminderte, der Lohn des Taglöhners und Arbeiters mit dem Gewinn des Handels- und Fabrikherrn in keinem Verhältniß stand und der Breis der Lebensbedürfnisse und der gesteigerte Lurus die Kluft zwischen Reichen und Armen, zwischen den bevorzugten Ständen, die sich im Besitz von Kapital, Bildung und Talent befanden, und dem Arbeiterstande, der sich nur auf die physische Kraft stüßte, immer auffallender zu Tage kehrte. Diese socialen Mißstände nahmen während der langen Friedensjahre, die das Gebiet der Industrie, die Macht der Bildung und die Zahl der Bevölkerung unermeßlich erweiterten und steigerten, bedeutend zu und mehrten die Klagen über zunehmende Verarmung (Pauperismus). Der Zustand der Freiheit und Gleichheit, für dessen Begründung Ströme von Blut geflossen, schien der Menschheit ferner als je gerückt. Was hat die Welt gewonnen, so fragte man, daß der dritte Stand, die Bourgeoisie, dem Adel und Klerus gleichberechtigt zur Seite trat, wenn nun diese nämliche Bourgeoisie, mit einem Theil des Adels verschmolzen, den vierten Stand der besiglosen Arbeiter (Proleta= rier) in größerer Knechtschaft hält, als er selbst sich je befunden? Ist das Recht der Gleichheit ein begrenztes? Hat die Revolution der Kirche ihre Besitzungen, dem Klerus den Zehnten, dem Adel die grundherrlichen Einkünfte, die sie seit vielen Jahrhunderten als Eigenthum besessen, nur deshalb entrissen, damit das Eigenthum des Mittelstandes vermehrt werde und die arbeitende Klasse in größere Abhängigkeit und Dienstbarkeit gerathe? So lange die kriegerischen Großthaten und die mächtigen ge= schichtlichen Ereignisse der Revolutionszeit und der Napoleonischen Herrschaft die Aufmerksamkeit der Völker fesselten und ihre Blicke nach Außen kehrten, hörte man wenig von solchen Klagen. Das communistische System des republikanischen Schwärmers Babeuf (§. 734), das auf eine neue Ackervertheilung mit Gütergleich=

Saint

1760

1826.

heit und auf eine materielle und geistige Gleichmachung (Nivellirung) aller Menschen hinausging, galt für eine der vielen unreifen Ideen, welche die aufgeregte Revolu tionszeit geboren. Als aber die Friedensjahre und die damit beginnende fieberhafte Thätigkeit auf dem Felde der Industrie die Schäden der bürgerlichen Gesellschaft mehr und mehr zu Tage kehrte und die weite Kluft aufdeckte, die den besiglosen Stand, der nur Arbeit und kräftige Arme in der Gesellschaft geltend machen konnte, von dem besitzenden schied, da wurden allmählich Stimmen laut, die eine Umgestaltung der socialen Zustände als gerecht und nothwendig darstellten, die Gründe dafür bald im Christenthum und der darin gelehrten brüderlichen Gleichheit und Menschenliebe, bald in philosophischer Weltanschauung und geschichtlichen Verhältnissen suchten und die Ausführbarkeit mit volkswirthschaftlichen Berechnungen darzuthun sich bemühten. Frankreich, das den Grundsaß der Freiheit und Gleichheit ins Leben eingeführt, hat auch die Systeme socialer Reformen erzeugt. Je nach den Mitteln der Abhülfe gehen diese Systeme, die alle auf dem Grundsatz der Gleichheit (Egalitätsprinzip) aller Menschen beruhen und die Begründung dieses Zustandes als Ziel anstreben, nach zwei Richtungen auseinander, in eine socialistische, die ohne Verletzung des Eigenthums durch Vereinigung physischer und geistiger Kräfte einen solchen gesteigerten Grad von Wohlstand und Glück zu erzeugen vermeint, daß das durch alles Elend aus der Welt schwinden und auch der Aermste ein gewisses Maaß von Glück und Lebensgenuß erlangen würde; und in eine communistische, die durch Aufhebung alles Privateigenthums und durch gemeinschaftliche Verwaltung und Vertheilung aller Erzeugnisse den Grundsaß der Gleichheit zu verwirklichen trachtet. Diese Systeme, die nicht auf dem edeln Triebe der Selbsterhaltung, die zur Thätigkeit anspernt, damit man zu etwas fomme, sondern auf dem engherzi gen Gefühle des Egoismus und des Neides beruhen, der mitgenießen will an dem Gute des Andern, streben in gänzlicher Mißkennung der Aufgabe des Staats und mit Verletzung der individuellen Freiheit nach einem Ziel, das die unbegrenzteste Knechtschaft und einen Zustand der persönlichen Unfreiheit herbeiführen würde, gegen die ein russischer Despotismus und eine chinesische Polizei wünschenswerthe Zustände wären. Liegt dieses Prinzip der Selbstsucht und des rohen Genusses hauptsächlich dem Communismus zu Grunde, der in der sinnlichen Glückseligkeit das Endziel des menschlichen Lebens erblickt und nicht bedenkt, daß eine Stufenfolge aller Wesen in der Natur begründet und die menschliche Ungleichheit eine göttliche Einrichtung sei, so trifft den Socialismus der Vorwurf, daß er die menschliche Natur von einem idealistischen Standpunkt betrachtet und weder die me ralische Schwachheit oder Verderbheit, noch die Leidenschaften und Begierden in Anschlag bringt und folglich in Zweck und Mittel nur eine fehlgegriffene Philanthropie ist, die alles, auch das selbstverschuldete Uebel aus der Welt entfernen will, ohne dessen Bedeutung für die sittliche Erziehung des Menschen zu begreifen oder zu würdigen.

§. 809. Saint-Simonismus. Die erste Socialreform wurde angebahnt durch Simon den Grafen Saint-Simon, einen Mann, der als geborner Pair von Frankreich und Grande von Spanien den höchsten Kreisen der Gesellschaft angehörte, der, mit Gütern und Talenten in seltener Fülle ausgerüstet, als beneidetes Schooßkind des Glücks in die Welt trat, dann aber, in der Revolution seines Vermögens beraubt, in einem wechselvollen Leben alle Verhältnisse und Zustände der menschlichen Gesellschaft aus eigener Erfahrung kennen lernte, und zuletzt in Folge eines versuchten Selbstmords im Kreise einiger Jünger endete (1825). Er war der Erfte, der den Gegensatz des arbeitenden, besißlosen Staudes, von ihm Bolf (peuple, plebs, Pöbel) genannt, zu dem wohlhabenden, besigenden Mittelstand, Bourgeoisie, hervorhob und in der Versöhnung dieses Gegensazes durch das chriftliche Gebot der Liebe und durch den Versuch, mittelst „Erhebung der Industrie zur

höchsten gesellschaftlichen Berechtigung das Loos des Handarbeiters zu bessern," die Aufgabe

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Roz

des neuen Christenthums" sah. Die in seinen anregenden Schriften zerstreut liegenden Ideen, während der Restauration von seinem Lieblingsjünger Olinde Rodrigues treu drigues. bewahrt, fanden in den Tagen der Aufregung nach der Julirevolution einen fruchtbaren Boden und zahlreiche Anhänger. Bazard, ein beredter, talentvoller, für Freiheit und Bazard. Volksbeglückung begeisterter Mann, früher Haupt des Carbonaribundes in Frankreich, trug vor einer empfänglichen Zuhörerschaft die neue politisch - sociale Lehre vor, daß „die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ aufhören müsse, daß durch eine gerechtere Ausgleichung des Eigenthums dem Zufall, der jetzt das Loos der Menschen lenke, abgeholfen werden solle, und daß zu dem Zweck das Erbrecht der Familie aufgehoben, das hinterlassene Vermögen in die Hand des Staats gelegt und vermittelst eines verzweigten Banksystems nach dem Grundsatz vertheilt werde: „Jedem nach seiner Fähigkeit, jeder Fähigkeit nach ihrer Arbeit," so daß die Stellung des Individuums nicht von dem Zufalle seiner Geburt, sondern von seinem Verdienste abhänge. Zugleich verkündete Enfantin, Enfantin. ein beschränkter, der Sinnlichkeit ergebener Schwärmer, das neue Evangelium der Harmonie des Fleisches und Geistes, und stellte der chriftlichen Lehre von der Unterwerfung des Fleisches unter den Geist die Berechtigung aller menschlichen Triebe auf Befriedigung entgegen. Eine Priesterschaft, an ihrer Spiße ein Oberpriester oder Vater als das lebendige Gesetz, sollte die nach ihrer Beschäftigung in mehrere Ordnungen getheilte menschliche Familie wie eine gesellschaftliche Vorsehung in Liebe regieren. Durch Predigten, Missionen und Flugschriften fand diese theokratisch-industrielle Staatsordnung große Berbreitung und begeisterte Anhänger. Eine Saint-Simonistische Familie mit einer Menge von Werkstätten entstand in Paris als ein Bild der Welt im Kleinen. Als aber Enfantin seine Fürsorge vornehmlich auf die Frauen wandte, nicht blos ihre sociale Gleichstellung begehrte, sondern auch den Grundsatz der Weibergemeinschaft in der St. Simonistischen Familie aufstellte und somit die Lehre des Meisters in ein Muckerthum zu verkehren trachtete, da schied Bazard, eine offene edle Natur, aus der Familie. Der Schmerz über das Scheitern seiner menschenbeglückenden Hoffnungen brach ihm das Herz. Ihm folgten noch andere Jünger, und als nun Enfantin immer weiter auf dem schlüpfrigen Gebiet fortschritt, das freie Weib, das als Offenbarungsfrau mit dem Oberpriester die Leitung der Familie übernehmen sollte, zu finden suchte und dazu thörichte und anstößige Mittel und Wege wählte, da trennten sich alle besonnenen und ernsten Männer von einer Schule, die sich von ihrer industriellen Mission so weit verirrt hatte. Ihr Vermögen schwand durch Luxus und Aufwand der Häupter, und als endlich die Regierung ihren Saal schloß und sie wegen Verbreitung sittengefährlicher Grundsäße vor Gericht zog, trennte sich auch Rodrigues aus Widerwillen gegen die gänzliche Vernichtung der Familienbande. Enfantin zog sich hierauf mit wenigen Getreuen in klösterliche Einsamkeit zurück, wo sie sich durch ihre Lebensweise, ihre sonderbare Tracht und ihre eigenthümliche mystische Sprache die Verachtung und den Spott der Welt zugezogen, bis ihre gerichtliche Verurtheilung sie mit einem unverdienten Märtyrerthum bedeckte.

1772

1837.

§. 810. Socialismus. a) Fourier. Das genaueste, bis ins Einzelne durch- Fourter geführte System einer Umgestaltung der socialen Verhältnisse rührt von Karl Fourier aus Besançon her, einem wunderlichen Mann, der mit dem besten, für die leidende Menschheit warm fühlenden Herzen einen beschränkten mit sonderbaren Grillen und Hirngespinnsten erfüllten Geist verband. Als Kaufmann erzogen und durch Unglück seines ererbten Vermögens verlustig, mußte er als Buchführer eines fremden Handelshauses mit untergeordneten Geschäften sein Leben fristen, wobei er seine freie Zeit zur Ausbildung seines, in dunkler Sprache und selbstgeschaffenen Terminologien verfaßten, Socialsystems verwendete, das troß seiner vielen Thorheiten, Sonderbarkeiten und wunderlichen Träumereien große Aufmerksamkeit erregte. Nach ihm besteht das Heil der Welt in der Vereinigung (Association) der Kräfte und Individuen zu gemeinsamen Zweden, oder in der socialen.

Owen 1772

1858.

Harmonie, deren Herstellung die Aufgabe der Menschheit sei. Diese sociale Harmonie könne nur erzielt werden durch richtige Erkenntniß der menschlichen Triebe und Leidenschaften und durch zweckmäßige Vertheilung der Thätigkeiten und Verrichtungen nach diesen Trieben und Seelenanlagen. Das menschliche Glück, das Endziel alles irdischen Strebens, beruhe wesentlich auf der Befriedigung der Neigungen sowohl in der Arbeit als im Genuß; diese Befriedigung könne aber nur durch Vereinigung vieler Individuen von verschiedener Natur, Alter und Geschlecht zu gemeinschaftlichem Haushalt erreicht werden. An die Stelle der getrennten Familienwirthschaften und des unzusammenhängenden Gemeindelebens sollte deshalb der vereinigte Haushalt der Phalanx in einem großen 1200 — 1800 Familien faffenden Gebäude (Phalanstère) treten mit einem entsprechenden Grundbesiß von etwa einer Quadratmeile. Die Kosten werden durch Actien gedeckt, die ein vererbbares Eigenthumsrecht auf den Grund und Boden sichern. Die Arbeit zerfällt nach ihrer Gattung in verschiedene Klassenserien mit mancherlei Unterabtheilungen, als Haushalt, Bodencultur, Fabrication, Erziehung, Wissenschaft, Kunst u. dgl., woran sich die Glieder der Phalanx je nach ihren Neigungen und Fähigkeiten betheiligen. Eben so solle auch bei der Consumtion der individuellen Neigung Rechnung getragen werden, so weit es der mit Rücksicht auf Einlagscapital, Arbeit und Talent berechnete Antheil eines Jeden am Gesammteinkommen zuläßt. — Durch eine solche Einrichtung würden alle bösen Leidenschaften und Verbrechen aus der Welt verschwinden, nicht mehr die Selbstsucht und Selbsterhaltung, sondern die Naturtriebe und Bruderliebe die Triebfedern der Handlungen bilden und durch die vereinten Kräfte und Neigungen alle Arbeit zu solcher Vollendung gebracht werden, daß aller Noth und allem Elend reichlich abgeholfen würde. Ein gewählter Nath der Alten steht dem Ganzen vor. Fourier war überzeugt, daß es nur eines Beispiels bedürfe, um seinem System eine allgemeine Verwirklichung zu verschaffen. Er ließ daher eine öffentliche Aufforderung an einen Menschenfreund ergehen, ihn mit einer Million zu unterstützen, und ging zwölf Jahre lang täglich zu einer bestimmten Stunde an den bezeichneten Ort, um zu sehen, ob sich der Menschenfreund mit der Million nicht einstellen würde. Spätere Versuche, ein Phalanstère zu errichten, scheiterten an der Unzulänglichkeit der Mittel. Fouriers talentvollster Jünger ist B. Considérant, der seines Meisters System von manchen Auswüchsen befreit und gegen viele Angriffe und Vorwürfe vertheidigt hat.

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b) Owen. Wie Fourier suchte auch der englische Fabrikherr Nob. Owen, nachdem er durch seine Fürsorge und Menschenfreundlichkeit seine eigenen Arbeiter sittlich und glüdlich gemacht, durch Umgestaltung der socialen Zustände das menschliche Elend zu entfernen und den arbeitenden Klaffen Antheil am Genuß der gesellschaftlichen Güter zu verschaffen. So lange er durch Errichtung und Verbesserung von Schulen (Armenschulen, Kleinfinderschulen, Sonntagsschulen) die untern Klassen geistig und sittlich zu heben und zu bilden bemüht war und statt durch Belohnung und Strafe, die er verwarf, durch Erweckung des Gefühls für Ehre, Tugend, Pflicht und Recht zu wirken suchte, bewies ihm das englische Volk seine Theilnahme und Unterstüßung; als er aber auf das Gebiet der Religion überging, die Erde als das Ziel alles menschlichen Strebens, den Himmel für eine Täuschung erklärte, als er an die Stelle des heiligen Instituts der Ehe die freie Wahlverwandtschaft, an die Stelle der Familie die Gemeinde setzen wollte; als er das chriftliche Dogma von der angebornen Sündhaftigkeit der Menschen durch die Lehre von der ursprünglichen Güte und Reinheit der durch die Verführungen der Armuth und Unwissenheit noch nicht verderbten Menschennatur verdrängte und durch Vorlesungen, Tractätchen und Missionare eine Wiedergeburt der menschlichen Gesellschaft mittelst Vereine zu gemeinsamen Zwecken zu begründen trachtete, da wendete sich der gesunde Sinn des britischen Volks von ihm ab und es bedurfte kaum eines gänzlich mißlungenen Versuchs, eine communistische Colonie in Indiana, einem der vereinigten Staaten, zu gründen, um seine Theorie alles Ansehens in England zu berauben.

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