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Lully

Die ersten Anfänge der Oper zeigen die in Dichtung und Musik der Tragödie der Alten nachgebildeten, seit 1600 zu Florenz und an den übrigen italienischen Fürstenhöfen aufgeführten Festspiele. In Italien selbst wurde das neue „Musikdrama", in dem die Musik auf den redeähnlichen Gesang (das Recitativ) und dessen Begleitung beschränkt war, wenig beliebt und schlug bald in die eigentlich nationale Gesangoper um. Einen günstigeren, bereits durch die sogenannte klassische Tragödie vorbereiteten, Boden fand die ursprüngliche Declamationsoper in Frankreich, 1633-87. wo der Florentiner Lully und sein Nachfolger Rameau, unterstützt durch die reiRameau chen Mittel des Hofes, die Bühne fast ein Jahrhundert beherrschten. — In Deutsch1764. land wurde die durch die trefflichen Singschulen zu Neapel und Bologna ausgebildete italienische Oper in einer die selbständigen heimischen Versuche, wie sie in der Hamburger Oper unter Keyser (1673-1739) und Mattheson erschienen, erdrückenden Bewunderung gepflegt. Die größten deutschen Meister, wie Händel, Hasse (1699-1783), Graun, schrieben für Italien und die italienischen Theater in London, Dresden und Berlin. Der Erste, welcher auch in der dramatischen Musit - mit größerem Erfolge freilich erst auf französischem Boden - den deutschen Kunstgeist zu Ehren brachte, ist

1683

Gluck 1714-87.

1782

1803.

Christoph von Gluck (geb. 1714 zu Weidenwang in der Oberpfalz, geft. 1787 zu Wien). Gluck gab mit reformatorischem Genie der durch eiteles Virtuosenthum verfälschten, durch Bühnenprunk entstellten Oper eine höhere dramatische Bedeutung. Die Musik ganz aus dem Geiste der Dichtung in rein umschriebene, ideale Formen bildend, erreichte er durch seine in doppeltem Sinne klassischen Opern: Orpheus, Alceste, Iphigenie in Aulis, Iphigenie in Tauris, was die Florentiner Hellenisten vergeblich angestrebt,,,eine Wiedergeburt der klassischen Tras gödie, aber innerhalb einer modernen Kunst, der Musik.“

Gluck hatte die große französische Oper zu einer Höhe geführt, auf der sie ohne ihn nicht zu halten war; er hatte zugleich die durch Piccini vertretene italienische Richtung in ihrem Einflusse geschwächt; um so leichter mußte die der Natur des Volkes entsprechende heitere Operette Gretry's (geb. 1741), Isouards (geb. 1777) u. A. zu allgemeiner Geltung kommen. Aehnliche Versuche einer volksthümlichen Entwickelung zeigten in Deutschland die Liederspiele J. A. Hillers (1728-1804) und besonders die Wiener Volksoper, deren Hauptrepräsentant Dittersdorf (173999) ist. Neben seinem,,Doctor und Apotheker" haben sich Schents Dorfbarbier" und Wenzel Müllers Schwestern von Prag" bis in unsere Zeit auf den Bühnen erhalten. Größeren Beifall, auch außer den Grenzen des Vaterlandes, fanden die ausdrucksvollen Melodramen (besonders,,Ariadne auf Naxos“) von G. Benda (1721-95).

Den großartigsten Aufschwung nahm die deutsche Kunst durch den alles bisher Geleistete zusammenfassenden Mozart, dem, wie in der Oper Glud, in der Instru Haydn mentalmusik Haydn vorarbeitete. Joseph Haydn (geb. 1732 zu Rohrau in Niederösterreich, gest. zu Wien 1809) brachte die von Emanuel Bach (1714-88), (dem Begründer der,,wahren Art das Clavier zu spielen"), vorgebildete Sonatenform in seinen noch immer mustergültigen Sonaten, Quartetten und Sympho nien zu hoher Vollendung. Die kindlich heitere Empfindung, welche ihn charakteri firt, zeigt in unvergänglichem Reize das weltliche Oratorium des 69jährigen Greises „die Jahreszeiten" (1801), woneben auch das Ernste und Erhabene in der großartigen,,Schöpfung" (1797) den ergreifendsten Ausdruck fand. Das von Haydn für die Instrumentalmusik Geleistete erweiternd und erfüllend, ergriff vorzüglich die höheren dramatischen Aufgaben.

Mozart

Wolfgang Amadeus Mozart (geb. 1756 zu Salzburg, gest. 1791 zu 1756-91. Wien). Der wunderbaren Begabung des Kindes und Knaben entsprachen die großen

Beet

boven

Werke des Mannes, die durch Leben, Geist und Formenfülle unsterblichen Opern: Idomeneo, die Entführung aus dem Serail, Figaro's Hochzeit, Don Juan, Così fan tutte, die Zauberflöte, Titus. Unter seinen durch innige und wahre Frömmigkeit ausgezeichneten kirchlichen Compositionen steht am höchsten sein legtes Werk - das Requiem. In allem Andern unerreicht, übertraf ihn in der Instrumentalmusik durch tieferen Inhalt, wie reichere und sorgfältigere Ausführung Ludwig van Beethoven (geb. 1770 zu Bonn, gest. 1827 zu Wien). Von dem äußeren Leben wenig berührt, entfaltet er in seinen Sonaten 1770und besonders seinen gewaltigen Symphonien ein reich und vorherrschend lei= denschaftlich bewegtes Seelenleben. Höchster Adel der Gesinnung und des Ausdruds waltet, wie in allen seinen Werken, so besonders auch in den beiden hocherha= benen Messen, der weihevollen Oper Fidelio, der die Goethe'sche Dichtung verklärenden Musik zu Egmont. Das von dem männlichen Beethoven wenig ge= pflegte Lied behandelte in seinem Geiste Franz Schubert (geb. 1797 zu Wien, Schubert gest. daselbst 1828).

1827.

1797

1828.

Für die Weiterbildung der Oper in Italien, Deutschland und Frankreich waren die Mozartschen Muster von folgenreichem Einflusse. Besonders gewann die ita= lienische Oper an harmonischer Fülle und reicherer Instrumentation in den Werfen Salieri's (,,Arur"), Righini's, Paër's (,,Sargino"); in der auch durch dramatische Anlage und Charakteristik vervollkommneten komischen Oper glänzten Baesiello (,,die schöne Müllerin"), Fioravanti (,,die Dorffängerinnen") und besonders Cimarosa (1755-1801), dessen Meisterwerk,,die heimliche Ehe" dem Gimarosa Mozartschen Vorbilde nahe kommt. Die deutsche, vielfach dem gleichzeitigen 1801. Singspiele (Himmel,,,Fanchon") verwandte Oper ging auf dem durch Mozarts Entführung" gebahnten Wege fort. Werke von größerer Bedeutung sind die mei sterhaft fentimentale,,Schweizerfamilie" von Jof. Weigl (1764-1846) und ,,das unterbrochene Opferfest" von Winter (1754-1825).

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1755

1778

1851.

Cherubint

1760

1842.

Selbständig und schaffend erscheint in der Weiterführung der Gluck - Mozart= schen Aufgaben die französische Oper. Nach Méhul (,,Joseph in Aegypten") ift Spontini (1778-1851) der wahrste Nachfolger Gluds, dessen große For- rontint men er zur Verherrlichung des französischen Kaiserthums und Kriegsruhmes in seinen Opern die Bestalin", Cortez", Olympia" genial benutzt hat. Die Mozartsche Richtung vertritt der in jeder Hinsicht klassische, unsern großen Meistern ebenbürtige Cherubini (geb. 1760 zu Florenz, gest. 1842 zu Paris). Größer noch wie in feinen Opern (deren Preis,,der Wasserträger") erscheint sein edler und reiner Stil in seinen Werken für Kirche und Kammer, besonders dem Requiem, wie den phantasiereichen und musterhaft gearbeiteten Ouverturen. Mit seinem Schüler Boieldieu (1775-1834) trat bas leichtere französische Element Boieldieu in den Vordergrund. Seine melodienreichen Opern,,Johann von Paris" und 1834. die weiße Dame" sind die besten französischen, gediegen und volksthümlich. 3hm folgte Auber (geb. 1784) mit der glatt modernen Conversationsoper Auber (Maurer und Schlosser“, „Fra Diavolo“ zc.). Ganz außer der Reihe steht die fühn geniale Revolutionsoper,,die Stumme von Portici" (1827). Aubers Etil wiederholten der in,,Zampa" seine Mittel und Manier steigernde Herold (1791 1833), der leichtfertige Adam („Postillon von Longjumeau“, „Brauer von Preston" 2c.) und unser Flotow (geb. 1811), der mit seinen geschickt angeleg= ten Opern,,Stradella",,,Martha" 2c. dem Geschmacke der Zeit zu genügen verstand. Etwas selbständiger steht der sonst unbedeutende Halévy (geb. 1799) in seiner der Marschner-Wagnerschen Richtung verwandten Oper,,die Jüdin."

1775

geb. 1784.

Der Einfluß Mozarts war an der Auberschen Schule wirkungslos vorübergegangen, an seine Stelle trat der auf's Neue Epoche machende Rossini (geb. 1792 geb. 1792.

Weber, Geschichte. II. 9. Aufl.

38

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M. Weber 1786

1826.

Svohr

1859.

zu Pesaro in der Romagna). Die italienische Gesangsvirtuosität feierte durch seine
lebendigen Reizes vollen genialen Opern (,,Tankred“, „Barbier von Sevilla“, -
,,Semiramis“,,,Tell" 2c.) in einer musikalisch armen und politisch ermatteten Zeit
(1813-30) neue Siege. Rossini ist der Mozart Italiens, im Tragischen wie im
Komischen Meister. Bei Bellini (1802—35) überwiegt eine leidende Sentimen-
talität (,,Romeo und Julie“,,,Nachtwandlerin“), die sich in der „,Norma" zur wirk-
lichen Leidenschaft steigert. Leichtfertig in der ernsten Oper (,,Lucia von Lammer-
moor", Lucrezia Borgia") zeigt Donizetti (1797-1848) in der komischen
(,,Regimentstochter",,,Liebestrank“, „Don Pasquale") Charakter und Talent.

In Deutschland gab die romantische Oper Carl Maria v. Webers (geb.
1786 zu Eutin, gest. 1826 zu London) den durch die romantische Poesie angeregten
Ideen den edelsten und echt volksthümlichen Ausdruck. Weber ist vor Allen der
wahrhaft deutsche Componist, wie in seinen erhebenden Kriegsliedern so in der tief
gemüthlichen Musik zu dem Schauspiel „Preciosa“, den gesangreichen, glänzend
instrumentirten Opern Freischüß, Eurhanthe, Oberon. In der Richtung
auf das Volks- und Liedmäßige folgten ihm Konradin Kreuzer („das Nacht-
lager in Granada") und der derb gemüthliche, um die komische Oper (Czaar und
Zimmermann“, „Wildschüß“ 2c.) wohl verdiente Alb. Lorsing (1803-51).
Der directeste Nachfolger Webers, ganz Romantiker in der Wahl und Behandlung
seiner Stoffe, ist Heinr. Marschner (geb. 1795); doch haben seine düster gefärb-
ten und die Darsteller anstrengenden Opern (,,Vampyr",,,Hans Heiling“, „Templer
und Jüdin“) im Volke wenig Boden gefunden. Den Mangel an kräftiger und ein-
heitlicher Erfindung suchte Meyerbeer (geb. 1794) durch Raffinement und über-
triebene, musikalische wie außermusikalische, Effecte zu verdecken, was ihm mit seinen
die Sinnlichkeit der Menge aufregenden Monstre-Opern (,,Robert der Teufel“, „die
Hugenotten“,,,der Prophet“) nur zu wohl gelungen ist. In an sich schöner und be-
rechtigter Opposition gegen Meyerbeer und die Italiener (die jest auch in Verdi
ihren Meyerbeer gefunden) versuchte es Richard Wagner (geb. 1813 zu Leipzig),
die Rolle des reformirenden Gluck zu spielen. Troß aller Theorien und Vorreden ist
er bis jest mit seinen Declamationsopern,,Tannhäuser" und,,Lohengrin",
die Musik größtentheils zur bloßen Decoration herabgesetzt wird, nicht durchgedrungen.

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Unsere Zeit ist, wie die leßten Versuche in Deutschland wie in Italien und Frankreich zeigen, für die Oper unproductiv geworden; Concert- und Kammermusik ist es, welche, besonders seit Beethovens Tode (1827), bei uns herrschend geworden. Der formell bildende Einflußz Mozarts, den Clementi (1752-1832), Hummel (1788-1837), F. E. Fesca, A. Romberg, Moscheles, Onslow u. A. repräsentirten, fand in Mendelssohn seinen künstlerischen Abschluß. Neben Weber und den Oratoriencomponisten Fr. Schneider (,,das Weltgericht") und B. 1783- Klein (Sephtha“) steht in selbständiger Größe Ludwig Spohr (geb. zu Braunschweig 1783, gest. 1859 zu Cassel), der wie in der Oper (,,Faust", sonda") so im Oratorium (,,die letten Dinge"), in der Symphonie (Weihe der Töne") und allen Arten der Kammermusik Bedeutendes geleistet. Um ein edles, tonvolles Violinspiel erwarb er sich gegenüber den Künsteleien Paganini's und seiner Nachtreter ein hohes Verdienst. Noch mehr wie Spohr dem Weichen zugeneigt Menders ist der feinsinnige, geschmackvolle Repräsentant moderner Bildung Felix Men delssohn-Bartholdy (geb. 1809 zu Hamburg, gest. 1847 zu Leipzig). Ob1847. gleich er, mit Vorliebe der geistlichen Musik zugewendet, die Muster Händels und Bachs in seinen Oratorien „Paulus“ und „Elias“, seinen Psalmen und Motetten glücklich, weil zeitgemäßz, nachbildete, ist er eigentlich frisch und eigenthümlich in Compositionen romantischer Färbung: der spukhaften Walpurgisnacht, der so zarten wie lebendigen Musik zu Shakespeare's,,Sommernachtstraum", den charakteristischen Concertouverturen Ruy Blas“ und „die Hebriden." Ueber

John

1809

mann

seinen eigentlichen Nachahmern stehen der originelle Däne Niels Gade (geb. 1817) und der phantasiereiche, anfangs nicht immer fest und sicher gestaltende Robert EchuSchumann (geb. zu Zwickau 1810, gest. 1856 in Endenich bei Bonn). Sind 1810-56. auch seine ersten größeren Werke (die erste Symphonie, das Concertoratorium,,das Paradies und die Peri" u. A.) unter dem bildenden Einflusse Mendelssohns entstanden, so ist er doch tiefer und vielseitiger im Liede, wie er auch in das durch einseitige Technik ausgeartete Clavierspiel durch Kritik und eigene Composition Geist und Leben zurückgeführt und den phantasiereichen Tongebilden eines Chopin, Henselt u. A. Eingang verschafft hat. Beides ist bei dem oft eben so sehr verkannten wie überschäßten Meister um so mehr hervorzuheben, als fast alle neueren Componisten von jenen kleineren Compositionsformen ausgegangen sind. Von denen, die sich auch in den größeren Formen der Oper, des Oratoriums, der Symphonie bewährt haben, seien hier genannt: Fr. Lachner, Lindpaitner, Gläser, Reissiger, Nicolai, F. Hiller, C. Löwe, Kalliwoda. Ueber die neuesten, an das Urtheil der Zukunft appellirenden Werke, wie Berlioz' phantastische Symphonien und Liszts, des genialen Claviervirtuofen,,,symphonische Dichtungen", mag diese entscheiden; die kirchlichen Compositionen Liszts werden schon allgemeiner verurtheilt.

P. Die öffentliche Lebensthätigkeit der europäischen Völker seit der Julirevolution.

I. Uebersicht und Allgemeines.

1. Politische Zustände.

§. 801. Der constitutionelle Westen. Die Julirevolution trennte die europäischen Staaten in zwei Gruppen, in den constitutionellen Westen, unter dem Einfluß Frankreichs und Englands, und in den absoluten Osten, wo Desterreich, Rußland und Preußen Gesetze vorschrieben. In den kleineren Staaten der Mitte, Scandinavien, Deutschland, Italien, huldigte die Mehrzahl des Volks dem constitutionellen Fortschritt und sympathisirte mit England und Frankreich, aber die Regierungen und die Geburts- und BeamtenAristokratien waren im Allgemeinen für einherrliches (monarchisches) Selbst= regiment und lehnten sich an Desterreich und Rußland an; höchstens suchten sie durch Einführung beschränkter Landstände mit Hervorhebung der Standes= interessen die Forderungen der Völker zu beschwichtigen. Gemeinsames Streben, Eifersucht auf politischen Vorrang und Talleyrands diplomatische Gewandtheit fnüpften das Bündniß zwischen der Juliregierung und dem Whigregiment in England; und wenn gleich allerlei politische Reibungen, die bei der Oeffentlichkeit der Kammerverhandlungen und der Presse kein Geheimniß blieben, das gute Vernehmen vorübergehend störten, das beiderseitige Interesse und die Vorliebe Guizots u. A. für England, Broughams u. A. für Frankreich ließen es nie zu einem dauernden Bruch kommen. Als die Engländer in ihrem Eifer für die Unterdrückung des Skla= venhandels das Recht ansprachen, alle verdächtigen Schiffe untersuchen zu dürfen, und dann mit den absoluten Mächten zur Beilegung der orientalischen Verwidelungen und Kämpfe die Quadrupelallianz schlossen, da regte sich in dem französischen Volke Eifersucht, Neid und Mißtrauen; als die französische Regierung

auf der Insel Otaheiti den englischen Protestantismus durch katholische Missionäre zu verdrängen und ein französisches Protectorat daselbst zu begründen suchte, als Spanien durch die Doppelheirath an das orleanssche Frankreich geknüpft ward, da fühlte sich der hochkirchliche Eifer und der britische Stolz verlegt. - Aber troß dieser Reibungen litt der Bund der beiden constitutionellen Staaten, welcher in dem herzlichen Einverständniß" der durch gegenseitige Besuche sich befreun deten Monarchen seinen Halt und Ausdruck fand, keine dauernde Störung.

§. 802. Der absolute Osten. Gleiches Interesse verband auch die drei absoluten Mächte zur Erhaltung der von Gott stammenden Herrschermacht gegen den revolutionären Grundsaß der Volkssouveränetät, zur Unterdrückung des aufstrebenden Demokratismus und zur Bewältigung der von den emigrirten Polen geleiteten Verschwörungen und Umwälzungsversuche. Das gemüthliche österreichische Volk, mehr auf Genuß als auf Freiheit bedacht, ertrug mit großer Ergebung das patriarchalische Regiment, welches Fürst Metternich unter einem humanen Regentenhaus aufgerichtet hatte. Ausgeschlossen von deutschem Leben und deutscher Cultur und durch ein strenges Absperrungssystem getrennt von der Nation, mit der es ein Jahrtausend in trüben und fröhlichen Tagen zusammengehalten, wurde Desterreich den deutschen Zuständen und Interessen immer mehr entfremdet; und mit fremden Nationalitäten zu einem unnatürlichen Ganzen ver bunden, merkte es nicht, daß sein Staatswesen einem,,Schutt" entgegenging, wie ihn sein Dichter ergreifend geschildert. Preußen schien zu vergessen, daß seine wahre Macht in seiner Volksthümlichkeit bestehe, daß Friedrich II. seine Siege nicht minder der Sympathie der Völker als der Tapferkeit seiner Heere verdankte. Im Besize der größten Intelligenz, des vortrefflichsten Kriegswesens, einer blühen den Industrie und beherrscht von einem glorreichen Fürstenhause würde Preußen eine gebieterische Stellung unter den europäischen Staaten gewonnen haben, hätte es sich dem übrigen Deutschland fest und innig angeschlossen, wäre die Regierung dem Freiheitsbedürfniß des Volks durch constitutionelle Staatsformen entgegengekommen, hätte der König seinen Stüßpunkt lieber im liberalen und aufgeklärten Mittelstand als in einer kleinen Zahl von Aristokraten, Strenggläubigen, Beamten und Gelehr ten gesucht. Mit Deutschland zu einem Ganzen verbunden und die kleinern Staaten von Mitteleuropa unter seinen Schuß nehmend, würde ein constitutionelles Preußen mit Glaubens- und Lehrfreiheit die vermittelnde und gebietende Macht zwischen dem Often und Westen gewesen sein, während es im Anschluß an den absoluten Osten und im Streben nach dem Range einer selbständigen Großmacht eine untergeordnete Stelle in der europäischen Völkerpolitik einnahm. - Rußland, der Schrecken der Demokraten, die Stüße aller nach Absolutismus strebenden Regierungen, ist durch seine autokratische Herrschermacht stark nach Innen, durch diplomatische Klugheit mächtig nach Außen. Kaiser Nicolaus, von dem Gedanken befeelt,,,die russische Nationalität aus sich selbst heraus zu civilisiren und in dieselbe alle unterworfenen Volksstämme hineinzuziehen, in der Sprache wie im Glauben", verleşte nicht selten in seinem Streben nach Uniformität Menschenrechte, Freiheit und Nationalität. Unbeschränkter Gebieter über Staat und Kirche, beherrschte er sein unermeßliches Reich durch die Macht seines starken, strengen Willens; der reiche Grundadel, die unwissende Geistlichkeit und das halbwilde, zum großen Theil aus Leibeigenen bestehende Landvolk wurden durch den Schrecken des Despotismus und durch die Gewalt des Säbels in gleicher Unterwürfigkeit gehalten. - Polen, einst durch einen ungerechten Gewaltstreich der drei absoluten Mächte aus der Reihe der Völker ge strichen, ist noch in seinen zerstückelten Gliedmaßen ein drohendes Gespenst für die Staaten, die durch seinen Raub sich vergrößert. Seitdem das Königreich Polen den russischen Waffen erlegen, war die Hoffnung der Emigranten auf Krakau gerichtet,

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