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1844.

des menschlichen Körpers und eine nach sinnlichem Effecte haschende Geschmacksrichtung verhüllt liege, daß er die manierirte Methode des Bernini (§. 439) weniger verdrängt als mit der Nachahmung der alten Kunstwerke und Kunstgesetze verbunden habe. So kam es, daß der vielbewunderte und hochgepriesene Mann, dessen ,,Per= seus" man als einen genügenden Ersatz für die entführte mediceische Venus erklärte, dessen Statuen man allein gewürdigt hat, neben den Meisterwerken des Alterthums im Vatican zu prangen, seine späteren Jahre wenig beachtet verlebte und durch größere Männer sich verdunkelt sah. Unter diesen neuen Kunstgrößen glänzt in erster Linie Albert Thorwaldsen in Kopenhagen, von geringen, aus Island stammen waldien den Eltern geboren. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß die drei Männer, 1770welche die Grundsteine zum Tempel der neuen Kunst gelegt, Winckelmann, Carstens und Thorwaldsen, aus dem fernen Norden stammten, wo ihnen jede äußere Anregung abging. Desto lauter und vernehmlicher sprach der angeborne Genius in ihrer Seele und wies ihnen den Pfad des Ruhmes. Von der dänischen Regierung reichlich unterstüßt, nahm Thorwaldsen im Jahre 1797 seinen Aufenthalt in Rom, das er von der Zeit an nur selten und vorübergehend verließ. Dort fand der junge Künstler in seinem Landsmann, dem Archäologen Zoëga, einen kundigen Führer und in Carstens einen treuen, anregenden Freund. Die antike Kunst war die reiche Fundgrube, aus welcher beide ihre Ideale schöpften. Aber das Lebensglück war dem Dänen holder als dem Schleswiger. Gleich die erste Statue,,Jason" erlangte solchen Beifall, daß bald Bestellungen auf Bestellungen famen und er seinen Plan einer Rückkehr in die Heimath aufgab. Die antike Götter- und Heroenwelt blieb lange die Quelle, aus der er mit Vorliebe seine Stoffe schöpfte, sowohl für seine Statuen, worin er die den Alten abgelernte Schönheit und Klarheit der Formen und Linien mit den Ergebnissen moderner Bildung und Lebensfülle zu einem seelenvollen Ganzen zu verbinden wußte (Venus, Mars, Adonis, Amor und Psyche, Hebe, Ganymed, Anakreon, Homer u. v. A.), als für seine Reliefs, die er wieder mit Vermeidung von Perspective und Verkürzungen nach griechischem Prinzipe auf die einfache gleiche Fläche beschränkte, also von der bisherigen malerischen Behandlung abging.

In dieser Gattung hat Thorwaldsen das Größte geleistet und wieder in die naturgemäße Bahn eingelenkt. „Was bei dieser Beschränkung scheinbar an Freiheit verloren ging, wurde durch Bestimmtheit der Formen, Einfachheit der Composition und Harmonie aller Theile reichlich ersetzt.“ Der „Siegeseinzug Alexanders in Babylon“, ein Fries, womit er im Jahre 1811 ein Zimmer des päpstlichen Palastes auf dem Quirinal schmückte, als Napoleon daselbst seine Wohnung nehmen sollte, war das erste Denkmal der neuen Kunst in dieser Gattung, das noch zweimal in Marmor ausgeführt wurde: in der Villa Sommariva am Comersee und im Schloß zu Kopenhagen.

Aber wenn gleich die alte Götter- und Heroenwelt in ihrer klaren, schönen Gestaltung und Naivetät stets das Reich blieb, in dem Thorwaldsens Herz und Sinn. vorzugsweise weilte, und wo er stets seine Gefeße und Vorbilder suchte; so stand er doch zu sehr im handelnden Leben, als daß er sich der herrschenden Zeitrichtung und den Bedürfnissen des wirklichen Daseins hätte entziehen können. Diese aber gingen auf das Religiöse und Praktische, und je mehr das Interesse an der Kunst wuchs und sich verbreitete, desto mehr verlangte die Welt, daß der Künstler dem Zeitgeiste huldige. Darum war Thorwaldsens spätere Thätigkeit hauptsächlich der kirchlichen. Plastik und der monumentalen Kunst zugewendet. Christus selbst, die Apostel und andere Gestalten aus der heiligen Geschichte (die Predigt des Johannes, zwölf lolossale Statuen und Gruppen im Giebelfelde der Metropolitankirche zu Kopen

1758

ner

1858.

hagen) wurden von ihm in einer Reihe von Kunstwerken dargestellt, die freilich mehr von einer großartig poetischen, als von einer tiefreligiösen und gläubigen Auffassung zeugen.

Christus und seine Jünger und das Leben Jesu bot ihm die Stoffe zu einer ganzen Reihenfolge christlicher Reliefe (Chrifti Einzug in Jerusalem und der Gang nach Golgatha). Die meisten dieser Arbeiten befinden sich in der Frauenkirche und in dem Thorwaldsen-Museum in Kopenhagen. Von seinen Monumentalwerken sind am berühmtesten: das Guttenbergdenkmal in Mainz, das Standbild Shillers in Stuttgart, die Reiterstatue Maximilians in München; Graf Potoci in Krakau, die Grabmäler Pius VII. in der Peterskirche zu Rom und des Herzogs von Leuchtenberg in München; der sterbende Löwe in Luzern u. A. m.

Mit Ehren und Auszeichnungen überschüttet, wie kein Künstler vor ihm, hat Thorwaldsen dennoch stets die Einfachheit und die gemüthliche Unterhaltung im Freundeskreise allem Glanze vorgezogen. Seine Reise in die Heimath im Jahre 1838 und seine Rückkehr nach Nom im Jahre 1841 glich einem Triumphzuge. Er starb schmerzlos im Theater zu Kopenhagen den 24. März 1844. In Thorwaldsen verehrt unsere Zeit ihren größten Künstler," sagt E. Förster; „seit dem beglückten Urbinaten hat keiner so allgemeine Anerkennung, Bewunderung und Liebe gefunden, als er. Und mit Recht! Ausgestattet mit künstlerischen Gaben, die ihn den großen Meistern des griechischen Alterthums an die Seite stellen, hatte er ein Gemüth, das alle Herzen an sich zog und fesselte." In seiner schönen Gestalt und in dem edeln Kopfe spiegelte sich die Hoheit und Würde seines Geistes. Drei Völker zählen ihn mit gleichem Rechte zu den Ihrigen: die Dänen, denen er durch seine Geburt angehörte, die Deutschen, nach denen er sich gebildet, und die Italiener, unter denen er gelebt und gewirkt hat.

Durch Canova und Thorwaldsen ist Rom mit seinen zahlreichen Werkstätten, seiner Marmortechnik und seinen antiken Vorbildern ein Hauptsig plastischer Kunstthätigkeit geworden, wo Bildhauer aller Nationen ihren ständigen Aufenthalt nahmen, wie der Italiener Pietr. Tenerani, der Engländer John Gibson, der Deutsche Karl Steinhäuser aus Bremen, der Holländer Matth. Kessels u. A. m.

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Wenn auch Thorwaldsen alle seine Zeitgenossen an Meisterschaft und Zahl der Kunstwerke weit überragte, so fanden doch noch andere Bildhauer Raum und GeDanneder legenheit zu Ehre und Ruhm. Joh. Heinr. Dannecker aus Stuttgart, der mehr 1841. in die Fußstapfen Canova's trat, erwarb sich die größten Verdienste durch die herrliche Büste Schillers. Unter seinen übrigen Werken sind die Ariadne auf dem Tiger in Frankfurt und seine Christus statue in Petersburg und eine M. Was zweite in Siegensburg am berühmtesten. Martin Wagner aus Würzburg, als 1778- Maler und Bildhauer (,,die Völkerwanderung", ein Relief im Innern der Walhalla) gleich ausgezeichnet, galt für den ,,gelehrtesten Künstler" der Neuzeit, den König Ludwig von Bayern mit der Erwerbung der „äginetischen Bildwerke" und des ,,barberinischen Fauns" betraute, zu welchem Behuf er zweimal Griechenland bereist Schadow hat. Bedeutender noch war Joh. Gottfr. Schadow aus Berlin, dessen „Sieges1850. göttin mit dem Viergespann" auf dem Brandenburger Thor, und eine Anzahl von Standbildern (Friedrich der Große in Stettin, der alte Dessauer, General Ziethen, Blücher in Rostock, Luther in Wittenberg u. A.) den Beweis geben, daß er es verstand,,,die Kunst in das richtige Verhältniß zur Natur und Wirklichkeit zu setzen.Er war der Begründer des,,Realismus“ in der Bildnerei, die in Darstellung und Gewandung sich mehr an das wirkliche Leben hielt und vorwiegend nach lebendiger Auffassung und scharfer Charakteristik der individuellen Erscheinung strebte.“

1764

Schwan

1802-48.

Ein neues Leben entfaltete sich auch für die Bildnerei durch die Kunstliebe König Ludwigs in München; und hier begegnen wir einem Manne, welcher, wenn auch nicht in Formvollendung und correcter Ausführung, so doch an Reichthum der Phantasie, an Gestaltungs- und Schönheitssinn dem nordischen Bildhauer nahe kam -Ludwig Schwanthaler. Wenn auch nicht unempfänglich für die antike Kunst, thaler die ihm die Motive zu seinen ersten Sculpturwerken in Relief gab (an dem silbernen Tafelservice und in der Glyptothek), so weilte er doch mit Vorliebe bei der Herrlichkeit der deutschen Ritterzeit, die er mit den Blicken eines Romantikers in idealer Berklärung auffaßte. In der Ritterburg, die er sich am Ufer der Isar erbaute, durchlebte er noch einmal die Träume seiner Jugend. Angeregt von dem Kunstsinn des Königs entwickelte Schwanthaler eine wunderbare Thätigkeit, wie aus der großen Menge von Statuen, Denkmälern und Basreliefs hervorgeht, die von ihm herrühren.

So schmückte er das Giebelfeld der „Walhalla“ mit der „Arminiusschlacht“ (überlebensgroße Marmorstatuen), den Thronsaal mit den Ahnen des Regentenhauses, in Erz gegossen und im Feuer vergoldet; verschiedene Gebäude mit Basreliefs. Unter seinen Standbildern sind hervorzuheben: Mozart für Salzburg, Jean Paul für Bayreuth, Goethe für Frankfurt a. M., Großherzog Karl Friedrich für Karlsruhe, Ludwig von Hessen in Darmstadt; in München: Kreitmayr; Tilly und Wrede in der Feldherrnhalle; andere Statuen in Erlangen, Stockholm, Speyer. Aber das größte Denkmal setzte er sich selbst in dem Riesenwerk „,Bavaria“ vor der Ruhmeshalle. Die große Erzgießerei von Stiglmayer in München kam dieser großen Kunstthätigkeit, die sich durch Schwanthaler und seine Schüler (unter denen H. Fernkorn aus Erfurt durch sein Denkmal des Erzherzogs Karl in Wien sich einen Namen gemacht hat) in der bayerischen Hauptstadt entwickelte, fördernd entgegen.

1777

Aber die Palme in der neuen Bildnerei gebührt dem Meister Christian Rauch Rauch aus Arolsen. Er hat das Verdienst, eine der Gegenwart angehörige, dem Gehalte 1857. und der Form nach vaterländische Kunst geschaffen zu haben, ohne die Annäherung an die Antike zu hemmen. Dem Denkmal der Königin Louise im Mausoleum zu Charlottenburg, dessen Ausführung ihm auf Thorwaldsens Empfehlung übertragen ward, folgten die Standbilder von Bülow und Scharnhorst in Marmor; von Blücher (in Breslau) in Erzguß und das Denkmal auf dem Kreuzberg bei Berlin; König Max I. von Bayern im Krönungsornat und eine Reihe anderer Statuen. Auch die „Walhalla" enthält mehrere Werke von ihm selbst oder nach seinen Zeichnungen von Schwanthaler ausgeführt. Den Höhepunkt seines Ruhmes erreichte er jedoch durch das herrliche Denkmal Friedrichs II. unter den Linden in Berlin, ein Werk vaterländischer Liebe und Begeisterung. In die lezten Jahre seines Lebens fallen die Standbilder Yorcks und Gneisenau's und die liegende Statue Friedrich Wilhelms III. im Mausoleum zu Charlottenburg. Besaß Rauch auch nicht den schöpferischen Formsinn und die harmonische Schönheit der Bewegung von Thorwaldsen, so folgte er dagegen in Allem der Natur mit Gewissenhaftigkeit und Ausdauer. Unter seinen zahlreichen Schülern haben sich viele des Meisters würdig gezeigt, wie der Schlesier Aug. Kiß (die mit dem Tiger kämpfende Amazone zu Pferd), Friedr. Tied, Bruder des Dichters, K. Fr. Wich= mann, Friedr. Drake aus Pyrmont (Marmorstatue Friedrich Wilhelms III. im Thiergarten) ur. A. m. Den größten Ruhm jedoch erlangte Ernst Rietsch el aus 1804-60. Sachsen, der, nachdem er eine Reihe Sculpturwerke in Dresden, Leipzig und Berlin ausgeführt (Denkmal des Königs Friedrich August; die allegorischen Figuren der vier Facultäten im Leipziger Universitätsgebäude; Giebelfeld am Berliner Opern= haus und eine Pietà), in dem Stantbilde Leffings zu Braunschweig und in der

Rietschel

Gruppe Goethe und Schiller in Weimar, die schwierige Aufgabe löfte, Statuen im Gewande der Zeit darstellen, ohne der Idealität der Auffassung zu nahe zu treten. Ueber den Arbeiten zu dem großartigen Lutherdenkmal in Worms raffte den Künstler ein früher Tod weg. Ein begabter Schüler von Rietschel ist Ernst Hähnel aus Dresden (Beethoven in Bonn, Karl IV. in Prag). Großes natürliches Talent geb. 1828. entwickelte auch der österreichische Bildhauer Hans Gaffer, weniger in der WieLandsstatue in Weimar als in andern Werken.

Gaffer

P. I.

In Frankreich befreite sich die Plastik bald von der Herrschaft der strengen Antike und nahm im Streben nach lebendiger Wirkung mehr und mehr eine Richtung zur Sinnlichkeit, zum leidenschaftlichen Ausdruck, zum einseitigen Naturalismus. Der maßvolle, edlere Stil eines Bosio, Rude und Duret wurde durch den David talentvollen, mit einer genialen Leichtigkeit der Auffassung begabten P. 3. David 1793 bei größern Monumentalwerken zur Uebertreibung gesteigert. Unter den Künstlern, Brabter,,die überwiegend der Darstellung sinnlicher Schönheit huldigen," nimmt der Genfer 1852. James Pradier die erste Stelle ein.

1856.

1792

Klenze

Gärtner 1792

Schinkel

1841.

Baukunft. c. Architektur. Der in München und Berlin erwachte rege Kunstsinn gab sich auch in der Baukunst zu erkennen. Dort wetteiferten zwei Männer von entgegengesetzten Richtungen in dem gleichen Streben, die Hauptstadt Bayerns mit geb. 1784. herrlichen Bauwerken zu schmücken Leo v. Klenze, bei Hildesheim geboren, und Friedr. v. Gärtner aus Koblenz; hier wußte Karl Friedr. Schinkel aus NeuRuppin die durch die Romantik erlangte Anregung mit den Kunstgesehen der Alten 1781 zu neuen harmonischen Formen, zu einem dem praktischen Leben entsprechenden architektonischen Stil zu verbinden. Klenze hing mit voller Liebe an der griechischen Kunst, daher erscheint er auch am größten, wo er sich dieser Neigung ohne Zwang hingeben darf, wie in der,,Glyptothef" mit seiner herrlichen Säulenhalle, in der,,Walhalla", jenem dem deutschen Nationalruhm geweihten Denkmal auf der Höhe von Donaustauf bei Regensburg, nach dorischem Baustil, wie in der Ruhmeshalle und in dem Prachtthor der,,Propyläen"; doch war Klenze zu sehr durchdrungen von dem Gefühle, daß alle Künste ein zusammengehöriges Ganze bilden und alle Stilgattungen ihre eigenthümlichen Vorzüge hätten, als daß er nicht auch zur Wiederbelebung des Renaissance-Stils im,,Neuen Königsbau" und in der,,Binakothek" und des romanischen oder byzantinischen Stils in der ,,Allerheiligen= Hofkapelle" willig die Hand geboten hätte. Gärtner dagegen führte seine meisten Bauwerke, die „Ludwigskirche" und die übrigen öffentlichen Gebäude der „,Lud wigsstraße" (Bibliothek) mit der „Feldherrnhalleund dem,,Siegesthor“ an beiden Enden, im romanischen Stil aus, und bei dem ,,Wittelsbacher Palast" wandte er sich zur Gothik; doch fehlte ihm der große Sinn für das Zusammen= wirken der verschiedenen Künste im Bauwerk und der durch diesen Verein begründete Totaleindruck. Neben diesen beiden Meistern hat sich noch G. Friedr. Ziebland aus Regensburg durch die Bonifaciuskirche im Stil der alten christlichen Basilis ken und Dan. Ohlmüller aus Bamberg durch die gothische Maria-Hilf-Kirche in der Vorstadt Au einen Namen erworben. In Berlin knüpft sich die ganze neuere Architektur an Schinkel an. Nachdem er sich in dem „Denkmal auf dem Kreuzberg" im gothischen Stil versucht und in der Hauptwache" neben dem Zeughaus von der altgriechischen Kunst die dorische Säulenordnung entlehnt hatte, schuf er im,,Schauspielhaus“ und im „Museum“ an der Hand der Antike Bauwerke nach neuer Anlage und neuen Combinationen, wobei auf das Zusammenwirken aller Künste gerechnet war und der von Phantasie belebte Schönheitssinn des Künstlers geb. 1796. ans helle Licht trat. Unter Schinkels Schülern ragen Aug. Stüler (Neues MuEtter seum, Dombau mit der Friedhof - Halle) und Wilh. Stier durch großartige Auffafgeb. 1799. sung hervor. Zu gleicher Zeit gab sich auch an andern Orten ein eifriges Streben

Stüler

Lafauir

geb. 1781.

für Errichtung neuer Bauwerke kund und setzte mancherlei Kräfte in Bewegung: So hatte der Ausbau des Kölner Doms und die Aufführung der neuen Burgen und Kirchen am Rhein die Erneuerung der gothischen Kunst in weitem Umfang durch Zwirner Zwirner, Lasauly u. A. zur Folge; so suchte in Dresden Gottfr. Semper in geb. 1801. dem,,Theater" und im ,,Neuen Museum" den Stil des vorigen Jahrhunderts an der Hand der Antike zu veredeln; so hat in Karlsruhe Heinr. Hübsch aus Wein- Semper heim, ein begabter, der romantischen Richtung huldigender Künstler, in einer Reihe Habich öffentlicher Gebäude (Finanzministerium, polytechnische Schule, Kunsthalle, Theater, geb. 1795. Trinkhalle in Baden-Baden und mehreren Kirchen) seinen Sinn für genaue Constructionen und maßvolle Formen beurkundet; so weckte in der alten Kunststadt Nürnberg der talentvolle Architekt K. Alex. Heideloff aus Stuttgart Sinn für die geb. 1788. mittelalterliche Gothik und für die deutsch-vaterländische Baukunst.

In Frankreich herrschte im Anfang des Jahrhunderts, wie in den andern Künsten so auch in der Baukunst, der klassische Geschmack, besonders die prunkvollen Formen der römischen Architektur, welche dem modernen Cäsarenthum zum entspre chenden Ausdruck dienten. Dieser Richtung huldigten Percier, Chalgrin, der Erbauer des Triumphbogens de l'Etoile, und Vinchon, der die stolze Magdalenen= kirche aufführte. Während der Restauration erlangte die Romantik in der Baukunst wie in der Literatur und in den religiösen Anschauungen durch Lassus und Biolletle-duc die Herrschaft, bis in neuerer Zeit eine Verbindung und Versöhnung beider Stile durch Hittorf (Kirche St. Vincent de Paul) angestrebt ward, woneben auch (im Ausbau des Stadthauses und des Louvre) der decorative Stil der Renaissance zur Anwendung kam. În England blieb in den Kirchen und öffentlichen Gebäuden (wie in dem großartigen Parlamentsgebäude von Parry) der spätgothische Stil mit üppiger Brunkentfaltung vorherrschend.

Einen bedeutenden Einfluß auf die Belebung und Verbreitung des Kunstsinnes übte die große Regsamkeit im Gebiete der vervielfältigenden Kunstthätigkeit, wodurch die Theilnahme an den Erzeugnissen der Kunst immer allgemeiner ward. Nicht blos der Kupferstich und Stahlstich wird durch tüchtige Meister ausgeübt; auch der lange vernachlässigte Holzschnitt (Xylographie) ist wieder zu Ehren gekommen, und die Lithographie und Photographie hat in unseren Tagen eine wunderbare Ausbildung und Bedeutung erlangt und die Kunsterkenntniß nach allen Seiten ge= fördert.,,Alles dieses deutet darauf", so schließen wir mit Wilh. Lübke,,,daß ein reger Sinn, eine frische Betheiligung an künstlerischen Werken immer weitere Kreise ergreift. Je mehr aber ein wahrhaft gesundes Gedeihen der Kunst auf ihrer Volksthümlichkeit beruht, desto mehr hat diese selbst ihre Ideale treu und rein zu hüten. Die Abwege ins Aeußerliche, Naturalistische und Leere liegen unserer heutigen Kunst, vor Allem der Malerei, deshalb so gefährlich nahe, weil der Zug der Zeit ein überwiegend realistischer ist. Darum muß sie ihr ewiges Erbtheil des Idealen wahren, muß treu, wahr und tief sich dem Leben hingeben, aber in den Erscheinungen desselben nicht die blendende Hülle, sondern den unvergänglichen Gehalt zu erfassen suchen. Das ist ihre Aufgabe, ihr Beruf, das die Bedingung für ihre lebendige Fortdauer."

geb. 1803

Heideloff

2. Die Tonkunst.*) Die kirchliche Musik, deren Entwickelung wir oben Mufit. (§. 436 2.) zu schildern versuchten, hatte mit Palestrina und seinen Nachfolgern auf katholischer, mit Bach und Händel auf protestantischer Seite ihren Höhepunkt erreicht; seitdem wurde sie zu ihrem Nachtheile durch die weltliche Musik beeinflußt, deren Herrschaft die Oper begründete.

*) Bearbeitet von Dr. Joseph Schlüter.

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