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1822.

1823.

Königthum zur Unterdrückung jeder freien Regung durch Geistesdruck und Furcht. Schreckliche Rache wurde an den Theilnehmern der Verschwörung und an allen Verfassungsfreunden geübt. Dieser Ausgang entschied das Schicksal der piemon= tesischen Constitution. Zwar widerstanden die von Santa Rosa begeisterten Liberalen nicht ohne Ruhm bei Novara den Gegnern; aber ihre Stärke war bald gebrochen. Turin und Alessandria wurden von den Desterreichern besetzt und der April. Absolutismus in seiner strengsten Form und mit allen Gräueln der Reaction wieder hergestellt. Nicht viel glänzender war der Ausgang der spanischen Cortes. Ermuthigt durch die schnelle Unterdrückung der constitutionellen Bewegungen in Italien ließen die Monarchen auf dem Congreß von Verona an die Cortes in Madrid October die Aufforderung ergehen, ihre Verfassung abzuändern und dem König größere Ge walt einzuräumen. Trotig wiesen die demokratischen Stände diese Anmuthung ab. Da rückte ein französisches Heer unter dem Herzog von Angouleme über die Frühjahr Byrenäen. Umsonst riefen die Cortes das Volk unter die Waffen; die constitutionelle Freiheit war für die von Priestern und Mönchen geleitete Masse ein unverstandenes Wort und die neue Ordnung ihren Gewohnheiten und Gefühlen zuwider; der Volkskrieg, die alte ruhmreiche Guerilla, auf welche die Cortes ihr Vertrauen gesest, kam nicht zu Stande; der Pöbel und die Camarilla begrüßten die Franzosen als Retter von dem verhaßten Regimente der Freimaurer; umsonst widerstanden einzelne Führer, wie Mina in Barcelona, Quiroga in Leon u. a. D. mit Muth und Tapferkeit dem fremden Kriegsheer; die Soldaten zeigten wenig Kampfluft und suchten sich durch Capitulationen zur rechten Zeit sicher zu stellen. Die Franzosen zogen als Sieger in Madrid ein und ernannten, da die Cortes mit dem König sich nach bem Süden geflüchtet hatten, eine Regentschaft. Das feste Cadix war der lezte Zufluchtsort der Verfassungsfreunde; vor diese Stadt rückten nunmehr die Franzosen. Da entsank den Cortesmitgliedern der Muth; statt, wie sie früher groß- 15. Aug. sprecherisch geäußert, sich unter den Trümmern dieses Geburtsortes ihrer Verfassung zu begraben, schlossen sie mit den Belagerern einen Vertrag, worin sie in ihre Auflösung und in die Befreiung des Königs willigten. Durch fremde Bayonette wurde Ferdinand nunmehr wieder in seine Machtfülle eingesetzt; die Verfassung mit allen ihren Einrichtungen trat außer Wirksamkeit und die apostolische Partei, die das absolute Königthum als Losung gewählt, ließ nun alle Wuth- und Rachegeister auf ihre Gegner los. Riego starb durch die Hand des Henkers; seine Meinungs- 7. Nov. genossen fanden theils daffelbe Schicksal, theils entzogen sie sich der Volkswuth durch die Flucht und irrten als brod- und heimathlose Verbannte zu Tausenden in der Fremde umber; die Zurückgebliebenen mußten in moderigen Kerkern das Streben büßen, dem Volke die Institutionen und Zustände zu rauben, an die es durch einen dreihundertjährigen Despotismus gewöhnt worden. In Spanien wurde mit derselben Wuth für die Erhaltung des Alten gekämpft, wie in Frankreich früher für deffen Vernichtung. In beiden Ländern diente der Pöbel als Werkzeug, hier gelockt durch die Worte,,Freiheit und Gleichheit", dort fanatisirt für Religion, Königthum und die Einrichtungen der Väter.

§. 790. Der Verfassungskampf in Portugal. Der klägliche Ausgang der spanischen Cortesverfassung feuerte in Portugal die Königin (Ferdinande VII. Schwester) und ihren zweiten Sohn Dom Miguel an, durch einen Gewaltstreich sich der dem Adel, der Priesterschaft und dem Hof verhaßten Constitu= tion gleichfalls zu entledigen. Ermuthigt durch einen von Dom Miguel geleiteten Aufstand des Militärs und Pöbels zu Gunsten des absoluten Königthums hob der schwache und zaghafte König Johann VI. die Cortesverfassung auf und gestattete Mai u. die Verfolgung der Constitutionellen und Freimaurer. Als er aber mit dem Plane umging, das Volk durch Ertheilung eines auf Anerkennung gegenseitiger Rechte ge=

Juni.

1821.

1826.

gründeten Staatsgrundgefeßes zu verföhnen, erregte Dom Miguel einen Aufstand 30. Avril gegen den eigenen Vater; das frevelhafte Unternehmen brachte ihm jedoch statt der gewünschten Regentschaft eine Verbannung aus Portugal. Zwei Jahre nachher starb 10. mars Johann VI. Sein ältester Sohn Dom Pedro, der im Jahre 1822 von dem brasilianischen Volke zum Kaiser ausgerufen, nach der von ihm beschworenen Constitution nicht zugleich König von Portugal sein konnte, übertrug die Regierung über das Mutterland seiner unmündigen Tochter Donna Maria da Gloria und verlich den Portugiesen eine auf freisinnigen Grundsäßen aufgebaute Verfassung (Charte). Unglücklicherweise vertraute er aber seinem aus der Verbannung zurückgerufenen Bruder Dom Miguel bis zur Volljährigkeit der Königin die Regentschaft an. Nicht sobald sah sich Miguel im Besitze der Macht, als er mit Hülse seinér Mutter und der apostolischen Partei die von ihm beschworene Verfassung umstürzte, sich zum 23. Juni unumschränkten König erklären ließ und mit Verbannung, Kerkerstrafe und Hinrichtung gegen die Freunde und Anhänger der constitutionellen Ordnung wüthete. Allein die Herrschaft des eitbrüchigen Despoten war von kurzer Dauer. Dom Pedro, in Brasilien zur Uebergabe der machtlosen Kaiserkrone an seinen un1831. mündigen Sohn Dom Pedro II. gezwungen, landete, von England und Frankreich unterstützt, mit einem größtentheils im Auslande geworbenen Heer in Portugal und trieb seinen tyrannischen Bruder in einem zweijährigen Kriege (1832-1834) jo 7. Juni sehr in die Enge, daß dieser sich zuletzt genöthigt sah, dem Thron zu entsagen und sich ins Ausland zu begeben. Hierauf stellte Pedro die Cortesverfassung wieder her. +24.pt. Sein früher Tod, der die Regierung in die schwachen Hände seiner Tochter brachte, war für das durch Factionen zerrissene, von Geldmangel gedrückte Land unheilvoll.

1828.

1834.

1834.

§. 791. Geschichte der südamerikanischen Freistaaten. Drei Jahrhunderte trugen die unermeßlichen Ländermaffen Südamerika's und Mexico's das schwere Joch des spanischen Mutterlandes, so drückend auch das Abhängigkeitsverhältniß, so schreiend auch die Mißbräuche waren. Denn nur in Europa geborne Spanier, nicht Kreolen, bekleideten die Staatsämter und Kirchenwürden, und benutten sie zu ihrer Bereicherung, ohne auf die Hebung und Heranbildung der Bevölkerung im mindesten bedacht zu sein. Der Handel war in enge Fesseln geschlagen, indem die Erzeugnisse der Colonien nur an Spanier abgegeben und nur spanische Waaren (zuerst von Sevilla, dann von Cadix aus) in die Colonien eingeführt werden durften, jeder fremde Zwischenhandel aber verboten war. Der Anbau des Tabaks galt als königliches Monopol und befand sich hauptsächlich in den Händen der Spanier; Produkte des Mutterlandes, wie Wein, Del u. a., durften in den Colonien nicht gebaut werden, der Anbau des Zuckerrohrs, die Zucht des Seidenwurms, die Bearbeitung der Eisenminen waren verboten; die auf spanischen Schiffen eingeführten Waaren wurden mit hohen Zöllen und Abgaben belegt. Dem Gouverneur der Provinz, einem gebornen Spanier, stand das Recht der Repartimientos" oder Waarenvertheilung zu, d. h. er sendete jedem Dorfe eine Partie Waaren zur Uebernahme ohne Weiteres zu, und segte dafür einen beliebigen Preis fest, der mit Strenge und Gewalt von der Gesammtheit der Ortseinwohner eingetrieben wurde. Diese Waaren wurden ohne Rücksicht auf das Bedürfniß ver theilt. Bei der dünnen Bevölkerung der großen Länderstrecken, bei der gänzlichen Unwissenheit der Eingebornen, denen aller Schulunterricht versagt war, und bei der strengen Wachsamkeit der Inquisition fiel es den Spaniern nicht schwer, durch wenige Truppen jede unruhige Bewegung fern zu halten, so daß sowohl der spanische Erbfolgekrieg als die nordamerikanischen Befreiungskämpfe feine Aenderung in den Zu ständen Südamerika's hervorbrachten, wie sehr auch die mehr und mehr anwachsende kreolische Bevölkerung die Uebelstände fühlte und größere Ansprüche geltend zu machen begann und der Verkehr mit Frankreich während jenes Krieges den Ameri

lanern die Augen öffnete über die ungeheuern Vortheile, welche die Spanier bisher aus den Colonien durch das Monopolsystem gezogen. Die Versuche des gewandten, in europäische Bildung und Anschauungsweise eingeweihten Kreolen Miranda aus Carracas (geb. 1754) in den neunziger Jahren, mit Hülfe von Engländern und Franzosen die südamerikanischen Landschaften zur Empörung zu bringen, scheiterten an der Unreise des Volkes, an der Zwietracht und Eifersucht der Stämme und Stände und an der Verschiedenheit der Interessen der einzelnen Provinzen. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts bestanden die spanischen Besitzungen in Amerika, wenn auch durch Schleichhandel und fremde Einwirkungen wie durch die gesteigerten Mißbräuche in der alten Ergebenheit für das Mutterland geschwächt, aus vier Bice königreichen (Neugranada, Neuspanien [Mexico], Rio de la Plata [Buenos Aires] und Peru) und aus fünf Generalhauptmannschaften (Chile, Venezuela, Guatemala, Havanna und Portorico); aber mit der Verdrängung der Bourbonen vom spanischen Thron löste sich auch das Band, das die Colonien mit dem Mutterlande verknüpft hatte, und brachte die Unabhängigkeitsbestrebungen der Patrioten zur Ausführung.

Die Parteikämpfe des Mutterlandes fanden bald ihren Weg nach den Colonien. In der beweglichen Weltstadt Buenos Aires suchte Mariano Moreno, ein unternehmender und für Bildung und Aufklärung eingenommener Mann, den herrschenden Zwiespalt unter den regierenden Behörden zur Bildung einer patriotischen Partei zu benutzen und das Volk für Freiheit und Unabhängigkeit zu gewinnen. Aber den Bewohnern der Hauptftadt („Porteños") erstand bald ein furchtbarer Gegner in den,,Gauchos", den wilden Söhnen der Steppe. „Auf den menschenleeren Grasstepven der Pampas nämlich, die sich von der heißen Palmenzone bis hinab zu den patagonischen Eisfeldern erstreckten, trieb sich auf halbgezähmten Pferden ein verwahrloftes Hirtengeschlecht umher, deren rohes Naturleben kein sittlicher Zügel milderte, welche unter der Freiheit nichts Anderes verstanden als Haß und Feindschaft gegen jede gesellschaftliche Ordnung und die nur mit Berachtung auf die verweichlichten Städtebewohner herabsahen." Aehnliche Abfallsversuche fanden in Mexico durch einige unzufriedene Kreolen statt; der Vicefönig Iturrigarai, ein Günstling Godoy's, wurde, als er sich mit den Neuspaniern entzweite, gefangen nach Europa geschickt und der Grundsatz aufgestellt,,,daß nach der Auflösung der spanischen Regierung das Bolk der Quell der Souveränetät geworden sei und eine eigene Regierung zu bilden habe." In Chile wirkte Martinez de Rosas, ein einflußreicher Mann aus Mendoza und Haupt der Patriotenpartei, im Interesse der Revolution gegen den Statthalter Carrasco; ähnliche Erscheinungen zeigten sich in Venezuela, wo eine lebhafte mit euro, päischer Bildung vertraute Partei unter Simon Bolivars Einfluß nach Unabhängigkeit von Spanien strebte.

Napoleons Aufforderungen an die Südamerikaner, den neuen König Joseph und die durch ihn begründete Ordnung der Dinge anzuerkennen, fanden in den Colonien dieselbe Aufnahme wie im Mutterlande; die Josephinischen Statthalter wurden verjagt und in den meisten Städten Junten gebildet, die im Namen Ferdinands VII. handelten, aber der Mehrheit nach für die Unabhängigkeit waren und in diesem Sinne wirkten. In den meisten Orten wurde der Abfall ohne Blutvergießen und Gewaltsamkeiten durchgeführt; nur in Quito wurden 28 Patrioten von der spanischen Besatzung niedergehauen und ihre Häuser geplündert und in Neuspanien (Mexico) erhob sich die eingeborne Bevölkerung unter dem Priester Hidalgo gegen Spanier und Kreolen, Mord und Brand in die Nähe der Hauptstadt tragend, bis auf einem unerwarteten Rückzug der Führer getödtet und die Empörung grausam niedergeschlagen ward. Mit diesem leztern Vorfall war die Losung zum blutigen, vernichtenden Bürgerkrieg gegeben, so sehr sich auch die folgenden Führer Rahon und Morelos bemühten, die Revolution aus dieser Verwilderung zur Menschlich

1810.

keit zurückzurufen. Als die Cortes in Cadix für Spanien die neue auf liberalen Grundsätzen beruhende Verfassung entwarfen, verlangten die amerikanischen Abgeordneten, welche sich auf die Einladung der Versammlung zur Berathung eingefunden hatten, Gleichstellung der Rechte der Colonien mit dem Mutterlande, gleiche Vertretung in den Cortes und volle Handelsfreiheit. Diese Forde rungen, deren Gewährung das politische Uebergewicht in die Hände der Amerikaner gebracht und dem gewinnreichen Handel von Cadir einen tödtlichen Stoß versezt hätte, fanden keine Erhörung. Nicht zufrieden mit den Zugeständnissen, daß alle Racen gleiche Rechte haben und die alten Beschränkungen des Landbaues und der Industrie aufhören sollten, sagten sich daher die meisten Staaten von der Herr schaft der Cortes los und richteten eigene selbständige Regierungen ein, die, wenn auch nicht überall siegreich, doch lange mit Ehren gegen die spanischen Statthalter und Truppen das Feld behaupteten, und noch größere Erfolge erfechten hätten, wenn nicht die Eifersucht der Städte und die Ortszwietracht hemmend im Wege gestanden wäre. Die Spanier konnten sicher darauf rechnen, daß aus Geschwisterneid immer eine rivalisirende Stadt für die Krone sich erklären würde, wenn eine andere Freiheitsbäume pflanzte." — Nach Ferdinands Wiedereinsetzung wären auch die spanischen Colonien zum Gehorsam zurückgekehrt, hätte nicht der übelberathene König ihnen die Gewährung ihrer billigen und zeitgemäßen Forderungen versagt und unbedingte Unterwerfung unter seine königliche Gnade verlangt, er, der eben durch die gräuelhafte Verfolgung der Cortesfreunde seinen Haß gegen jede Neuerung bear= fundet. Statt der königlichen Aufforderung nachzukommen, wiederholten sie ihr Verlangen um Rechtsgleichheit mit dem Mutterlande, und als sie abgewiesen wurden, ergriffen sie das Schwert, um sich Unabhängigkeit von Spanien zu erkämpfen. Ein Krieg auf Tod und Leben begann, worin die Südamerikaner Tugenden und Kräfte entwickelten, die Niemand bei ihnen erwartete. Von der Ausdauer im Unglück, von der Selbstverleugnung, der Entbehrungsfähigkeit, der Ertragung unsäglicher Beschwerden, von der Aufopferung von Ruhe und Besit, von Gesundheit und Leben für die väterlichen Penaten, deren sich selbst die in Mord und Raub verhärteten Herzen jener Gauchos und Guaffos, Llaneros und Rancheros fähig erwiesen, hat die Geschichte nur wenig gleiche Beispiele zu erzählen.“ Wie die Köpfe der Hydra erstanden die Heere der Aufständischen nach jeder Niederlage von Neuem.,,Jegt in Masse versammelt, versuchten sie einen Schlag, nach dessen Mißlingen sie truppweise wieder zerstoben; zusammengesezt aus kleinen Landbesißern und den Arbeitern der Güter, Zuckermühlen und Minen, die, in offener Luft zu Pferde zu leben gewohnt, auf den Uebergang von Ueberfluß zu Entbehrung eingeübt waren, hatten sie den Vortheil, keines festen Aufenthalts, keines Kriegsplans und keiner Berechnungen, keiner Verwaltung und geregelten Verpflegung zu bedürfen; heute in tiefem Mangel, entschädigten sie sich morgen durch eine glückliche Plünderung; und dieses Räuberleben war ihre Lust, das ihnen die Gelegenheit bot, bald eine Privatrache, bald ein anderes Bedürfniß augenblicklicher Laune zu befriedigen." Ferdi nand schickte den harten General Morillo, der in Herzog Alba's Geist handelte, nach Südamerika ab und mit ihm den Inquisitor Torres mit ausgedehnten Vollmachten; aber schon im Jahr 1819 hatte das Vicekönigreich Rio de la Plata seine Unabhängigkeit und republikanische Verfassung fest begründet und ermuthigte durch sein Glück die übrigen Staaten, wo der Kampf härter war, zur Ausdauer. Drei Freistaaten: La Plata, Bolivia und Uruguay (Banda oriental mit Montevideo) und der lange Zeit von dem schlauen Advocaten Dr. Francia mit dictato= rischer Gewalt beherrschte und in strenger Abgeschlossenheit gegen alle Fremden gehaltene Jesuitenstaat Paraguay entwickelten sich nach und nach aus dem ehemaligen spanischen Vicekönigthum.

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1812.

2. Jan.

1814.

1814

1820.

Der Freiheitskampf in Neugranada und Peru ist an den Kreolen Bolivar von Carracas geknüpft. Dieser, als Feldherr und Staatsmann ausgezeichnete, mit europäischer Bildung vertraute Mann, der sich Washington zum Vorbild gewählt, widmete seine Thatkraft und sein Vermögen der Befreiung seiner Landsleute und ließ sich nicht durch deren theilweisen Undank von seinem großen Ziel ableiten. Venezuela hatte schon im Jahre 1811 seine Unabhängigkeit ausgesprochen; ein furchtbares Erdbeben, das die Hauptstadt Carracas faft gänzlich zerstörte und in Valencia 20,000 Menschen tödtete, wurde 26. März von der Geistlichkeit als Strafe des Himmels für den Abfall gedeutet und zur Rückführung des Landes unter spanische Herrschaft benußt. Die schonungslose Härte und Blutgier, womit die rachedürftenden Spanier die Republikaner verfolgten, brachte das erstickte Feuer von Neuem zum Ausbruch. Bolivar führte 600 Mann über die Andes; Tausende von Unzufriedenen strömten seiner Fahne zu, um den Tod der hingerichteten Patrioten zu rächen; von der neugranadinischen Bundesversammlung als „,Retter" zum Dictator ernannt, organisirte er einen Krieg,bis zum Messer“, indem er das Schauderdecret von Trujillo unterzeichnete, welches jeden des Royalismus überführten Spanier zum Tode verurtheilte. Ein furchtbarer, wechselvoller, an Beschwerden, mühseligen Kämpfen und Entbehrungen reicher Krieg entstand nun zwischen Bolivar, dem der waffenkundige Paez, 25. Nov. ein Farbiger, zur Seite stand, und Morillo; wo der Leßtere siegte, floß das Blut der Republikaner in Strömen; um sich zu rächen, ließz Bolivar 800 gefangene Spanier hinrichten, „als hätte man im Rausch des Verbrechens sich Muth zur Vertheidigung der Freiheit suchen wollen.“ Die Spanier erlangten eine furchtbare Hülfsmacht an den Llaneros, die wie die Gauchos der Pampas auf den Grassteppen der Tierra Firma als Hirten und Fleischer ein Beduinenleben führten und auf den sonnigen Weiden an Abhärtung und Genügsamkeit gewöhnt, als Reiterschaaren mit der Pike, dem Fangseil und dem Steppenbrand den Republikanern großen Schaden, blutige Niederlagen bereiteten. Bolivar sah sich genöthigt, den Oberbefehl niederzulegen und sein Heil in der Flucht nach St. Domingo zu fuchen; über Leichen, Gütereinziehung und Erpressung schritt die Reaction des absoluten Königthums einher. Allein Bolivar kehrte zurück; seine Erscheinung hob den gesunkenen Muth der Republikaner wieder; glückliche Waffenthaten erhöhten sein Ansehen. Venezuela und Neugranada schlossen einen Bund, wählten Bolivar zum Generalcapitän und erklärten auf einem Congreß zu Angostura, daß sich die beiden Republiken zu einem 17. Debr. aus drei Theilen bestehenden Freistaate Columbia vereinigt hätten. Ein neues Heer sollte sich in Cadix nach Amerika einschiffen. Dies war dasselbe, welches durch Aufpflanzung der Fahne des Aufruhrs die Herrschaft der Cortes in Spanien herbeiführte. Auch die Cortesregierung wollte jedoch die Selbständigkeit der Colonien nicht anerkennen und der Krieg begann aufs Neue, aber zum Nachtheile der zwieträchtigen Spanier. Die Republik Columbia erkämpfte ihre Freiheit und wählte Bolivar zum Präsidenten. Ein Handelsvertrag verband bald den jungen Freistaat mit Nordamerika. Von Columbia aus erschien Bolivar als Retter und Befreier in Peru. Auch dieses Land hatte sich unter dem Beistande St. Martins, des verschlagenen und unternehmenden Befreiers von Chile, und des Engländers Cochrane eine republikanische Verfassung gegeben und St. Martin zum Protector ernannt. Zwietracht schwächte jedoch die Macht der RepubliPaner. St. Martin legte sein Amt nieder und kehrte nach Chile zurück; die Spanier gewannen wieder die Oberhand, die Republik schien verloren. Da kam Bolivar dem gefährdeten Freistaat zu Hülfe. Die uneinigen Spanier wurden geschlagen und zum Abzug genöthigt, der Befreier vom Congreß in Lima zum lebenslänglichen Protector ernannt. Die Häufung der Macht auf Bolivars Haupt erregte den Neid und die Besorgniß der Republikaner. Verschworene trachteten ihm mehrfach nach dem Leben; man warf ihm vor, er wolle Bonaparte's Rolle spielen. Gekränkt durch den Undank und die Verkennung und bekümmert über den innern Hader der Freistaaten, die sich zuletzt in sechs unabhängige Republiken spalteten, legte er sein Amt nieder. Der Tod befreite ihn

1819.

1824.

1825.

27. Avril

1829.

† 10. Dec.

1830.

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