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22. Mai.

eigenen Lebens erkaufte auf dem Rückzuge von Landshut ein österreichischer Grenadier durch Anzündung eines Pulverwagens seinen bedrohten Kameraden Rettung und sichern Abzug. Bei Ebelsberg an der Traun kämpften die 3. mai Desterreicher mit wunderbarer Tapferkeit, wenn sie schon am Ende Stadt und Schloß vor dem überlegenen Feinde räumen mußten. Am 10. Mai stand der Kaiser vor den Mauern der Hauptstadt, in die er schon nach drei Tagen als Sieger einzog. Ein Aufruf an die Ungarn, sich einen andern König zu wählen, und die alte Unabhängigkeit wieder zu erringen, konnte als Vorbote der gänzlichen Auflösung der österreichischen Monarchie gelten. Unterhalb Wien, auf dem alten Marchfelde, wo einst der Ahnherr der Habsburger seinem Geschlechte die Herrschaft des Landes erstritten, wurde das nördliche Ufer der Donau, über die mehrere Brücken führten, vom Erzherzog Karl vertheidigt. Als nun die französischen Heere von der Strominsel Lobau aus über den Fluß sezen wollten, fanden sie in der zweitägigen Schlacht von Aspern und 21. und Eßlingen solchen Widerstand, daß sie von ihrem Vorhaben abstehen und die Verfolgung der feindlichen Armee einige Wochen verschieben mußten. Diese mörderische, wenn gleich unentschiedene Schlacht, wo über 15,000 französische Krieger, unter ihnen der tapfere Marschall Lannes und die Generale d'Espagne und St. Hilaire, die Wahlstatt deckten, erschütterte zum erstenmal die Meinung von Napoleons Unüberwindlichkeit und hob das Selbstver= trauen der gedrückten Völker. Furchtbar war die Noth der ermatteten Armee auf der Lobauinsel. „Um den Hunger zu stillen, schlachtete man Pferde; den Durst löschten Viele mit dem dicken lehmigen Wasser der angeschwollenen Donau, auf welcher Tausende von Leichen vorüberschwammen." Erst als dem Kaiser neue Verstärkungen zugekommen und Eugen Beauharnais, der von Italien aus über die karnischen und julischen Alpen, den heldenmüthigen Widerstand der österreichischen Truppen bei Malborghetto und Predil durch Uebermacht bewältigend, nach Niederungarn vorgerückt war und am Schlachttag von Marengo und Friedland den Erzherzog Johann (dem er früher bei 16. April. Sacile erlegen) in dem Treffen bei Raab überwunden hatte, zu der 14. 3uni. Hauptarmee gestoßen war, setzte das französische Heer abermals, und diesmal mit mehr Erfolg, über die Donau und nöthigte den Erzherzog nach der gräßlichen Schlacht bei Wagram zum Rückzug. Der Verlust war wie bei 5. 6. Jult Afpern auf beiden Seiten ziemlich gleich und es kam deutlich zu Tage, daß die französischen Heere, die durch die ununterbrochenen Kriege ihre geübtesten Soldaten und fähigsten Offiziere eingebüßt, während ihre Gegner mittlerweile die neue Kriegskunst erlernt, nicht mehr das frühere Uebergewicht im Felde besaßen. Nur Napoleons überlegenes Feldherrntalent, das auf diesem Feldzuge sich wieder in seinem ganzen Glanze zeigte, seine unermüdliche Thätigkeit und das wunderbare Geschick, jede Schwäche des Feindes zu benutzen und jeden erlittenen Schaden wieder rasch zu heilen, fesselte noch den Sieg an seine Fahhen. Die verspätete Ankunft des Erzherzogs Johann auf dem Schlachtfeld trug Einiges zur Niederlage bei; doch wurde nicht, wie vielfach behauptet

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worden, der Verlust der Schlacht dadurch herbeigeführt. Der einige Tage nachher von dem Erzherzog Karl unter Vermittelung des tapferen Fürsten 12. Juli Johann von Liechtenstein in Uebereilung abgeschlossene Waffenstillstand von Znaim befreite Napoleon aus einer bedenklichen Lage, da die Bewegungen in Norddeutschland und der Aufstand der Tiroler einen Volkskrieg wie in 14. Det. Spanien herbeizuführen drohten. Der Friede von Wien oder Schönbrunn schmälerte das österreichische Reich abermals um mehr als 2000 D.-M. und drei Millionen Einwohner und zwang die Regierung, dem Continentalsystem beizutreten und die neue Gestaltung Italiens anzuerkennen.

In dem Wiener Frieden verzichtete Desterreich auf Salzburg, Berchtesgaden und das Innviertel u. A., welche an Bayern kamen; auf Westgalizien und einen Theil von Ostgalizien mit der Stadt Krakau, die theils mit dem Herzogthum Warschau verbunden wurden, theils an Rußland fielen; auf den Villacher Kreis in Kärnthen, so wie auf Krain, das Triester Gebiet, Friaul, Croatien und andere, die, mit Dalma tien, Istrien und Ragusa verbunden, den neuen vom Königreich Italien getrennten Staat der illyrischen Provinzen unter Napoleons Oberhoheit bildeten. Zugleich wurde die Auflösung des Deutschordens, die schon im Mai ausgesprochen worden, vollzogen und die Besigungen desselben den Landesfürsten zugewiesen, in deren Gebiete sie lagen; so Mergentheim an Würtemberg. Im nächsten Jahre hörte Napoleons Stellvertreter beim Rheinbund, Fürst Primas Dalberg, auf geistlicher Fürft zu sein. Er erhielt die zu einem Großherzogthum Frankfurt erhobenen Städte und Gebiete Frankfurt, Hanau, Fulda, Weylar und Aschaffenburg. Sein Nachfolger sollte Eugen Beauharnais werden. Regensburg fiel, wie schon früher Nürnberg, an Bayern. — Seit der Schlacht von Wagram war Napoleon mit Macdonald, der unter dem Vicekönig Eugen aus Italien herbeigezogen war, innig befreundet, wogegen Bernadotte, der als Anführer der Sachsen in einem Schlachtbericht dieser Armee bedeutenden Antheil am Siege zuschrieb und prahlerisch behauptete, sie hätten gestanden,,wie Erz“, da fie doch aus dem brennenden Wagram hinausgeworfen wurden und einen eiligen Rückzug gegen Aderklaa nahmen, sich des Kaisers Ungnade zuzog und, seines Commando's enthoben, alsbald den Kriegsschauplatz verließ.

§. 761. Der Volkskrieg in Tirol. Das Tiroler Gebirgsland, dessen biedere, einfache Bewohner mit großer Treue und alter Pietät an Desterreich hingen, war im Preßburger Frieden an Bayern gefallen. Ein neuer Name (Südbayern), eine neue Eintheilung in Kreise, die veränderte Organis sation der Verwaltung, der Justiz, des Stiftungswesens, Eingriffe in das Kirchenvermögen und in die Besetzung der geistlichen Stellen, Wegführung der drei widerstrebenden Landesbischöfe von Chur, Trient und Brixen, höhere Besteuerung (Stempel), Abschaffung der alten Verfassung, neue Mauthverhältnisse und vor Allem die verhaßte Conscription erzeugten um so größeren Unwillen, als dem Lande der unveränderte Fortbestand des alten Zustandes zugesichert worden. Grobe Beamte steigerten durch Rücksichtslosigkeit und brutales Benehmen die Unzufriedenheit und feindselige Stimmung dermaßen, daß es den Desterreichern nicht schwer fiel, beim Wiederausbruch des Kriegs die Tiroler durch Versprechungen zum Aufstand gegen die Bayern und Franzosen zu bewegen, zumal da die über Bayerns religiöse Neuerungen und kirch

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liche Gewaltschritte gereizte Priesterschaft ihren großen Einfluß auf das bigote, leichtgläubige Bauern und Jägervolk zu Gunsten des stammverwandten Nachbarvolks anwendete und alle Aenderungen des Herkömmlichen und Ueberlieferten, auch wenn sie vortheilhaft waren, in dem gehässigsten Lichte darstellte. Durch zuverlässige Boten wurde eine geheime Verbindung mit Erzherzog Johann, dem Liebling der Gebirgslande, unterhalten. Im Vertrauen auf österreichische Hülfe griffen Tirols Gebirgssöhne zu den bekannten Büchsen und richteten, gleich den Spaniern, von den Berghöhen und Schluchten ihres Landes das sicher treffende Rohr auf die Franzosen und Bayern, um Gut und Blut für die alten Einrichtungen, für die Sitten und Gewohnheiten der Väter zu wagen. Der österreichische Feldherr Chasteler zog ihnen mit einer Heerabtheilung durch das Pusterthal zu Hülfe, wurde aber dafür als Urheber und Beförderer der Empörung von Napoleon geächtet und mit dem Tode bedroht, falls er ergriffen würde. An der Spitze der Insurgenten stand Andreas Hofer, der Bartige", Sandwirth im Passehrthale, in jener großartigen, düstern Alpenregion, „in deren südlichem Ausgange die Rebe und der Feigenbaum an den Felswänden wild emporwächst, während in dem nördlichsten Gebiete, dicht an der Schnee und Eiswelt, selbst die Tanne verschwindet“, ein Mann von hohem Ansehen bei seinen Landsleuten, sowohl wegen seiner Körperstärke und Tapferkeit als wegen seines religiösen Eifers, seiner vaterländischen Gesinnung, feines ehrenfesten Charakters, und seines geraden, treuherzigen Wesens. Klügere und tiefer blickende Männer, wie Hormayr, der Geschichtschreiber seines Vaterlandes und dieses Krieges, benutzten Hofers Einfluß auf die Tiroler, um die Volksbewegung über das ganze Land und das benachbarte Vorarlberg zu verbreiten. Er und der Erzherzog Johann erließen beredte Aufrufe, worin sie zur Ehre und zum Heil des Vaterlandes verlangten: „Waffen und ein alttirolisches Herz und so viel männlichen Entschluß, um einige Mühseligkeiten und Gefahr der bisherigen Knechtschaft und einer noch ärgeren Zukunft vorzuziehen“. Neben Hofer waren der kühne, starke und schlaue Speckbacher,,,der Mann von Rinn", Martin Teimer von Schlanders und Joseph Straub die Seele des Aufstandes. In einer mächtigen, aber kargen Natur, wo der Mensch mühevoll dem spröden Boden oder der unstäten Laune des Himmels das Nothwendige abringen muß, ist das Volk mehr als sonst geneigt, „die Gefahr des Lebens gering zu achten und für das Wenige, was diesem bescheidenen Dasein Werth und Reiz gibt, bereitwillig Alles einzusetzen". In festlichen Aufzügen mit Jubelruf und Glockengeläute empfingen sie die österreichischen Truppen als Befreier, und wie ein Bliß zuckte der Aufstand durch das ganze Land. Feuerzeichen auf den Bergen kündigten die Stunde der Erhebung an. Die Unternehmungen, mit wunderbarer Verschwiegenheit und Uebereinstimmung zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten begonnen, waren von dem glücklichsten Erfolg gekrönt. Während die bayerischen und französischen Truppen nach einem unglücklichen Gefechte bei 11. Avril Sterzing im Pusterthale unter steten Kämpfen und großen Beschwerden

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über den steilen Schellenberg und Brenner gen Innsbruck zogen, die Niederlage durch Verwüstung und Thaten des Schreckens rächend, wurde die bayerische 1809. Besagung der Hauptstadt, nach dem tapfersten Widerstande, am Berge Isel zur Ergebung gezwungen, der energische Oberst Ditfurth schwer verwundet zum Gefangenen gemacht und Innsbruck selbst eingenommen. Unter diesen Umständen blieb dem französischen General Bisson bei seiner Ankunft am Isel nichts übrig, als durch schimpfliche Capitulation mit den Bauern seine ganze Heerabtheilung, 4000 Mann stark, in Kriegsgefangenschaft zu liefern. Zugleich wurde auch im Vintschgau und im Etschthal das verhaßte Joch abgeworfen und Trient und Roveredo den Franzosen entrissen. Ganz Europa blickte mit Bewunderung auf die Heldenthaten eines Bauernvolks, das innerhalb fünf Tagen das Land von seinen Drängern befreit, gegen 6000 Gefangene, darunter zwei Generale, mit Geschüß und Feldzeichen in seine Gewalt brachte und, ohne den Sieg durch irgend eine Grausamkeit oder Unthat zu bes flecken, die alte Ordnung wieder herstellte und das zerrissene Band mit Oesterreich wieder anknüpfte, das, wie der Kaiser versicherte, nun nicht mehr gelöst werden sollte. Aber die Siegesfreude wurde bald gedämpft durch die Nachricht von den Unfällen des österreichischen Donauheeres und von der Annäherung frischer Truppen unter Wrede und Lefebvre. Chasteler, in seinem militärischen Stolze der Verbindung mit den aufrührerischen Bauern ohnedies abgeneigt, war weder an Truppenzahl noch an Kriegskunst dem Feinde gewachsen. Als 11. Mai. die Bayern den tapfer vertheidigten Stubpaß erstürmt, den österreichischen 13. Mai. General bei Wörzl zurückgedrängt und den blühenden Marktflecken Schwaz in Asche gelegt, zog sich Chasteler, der seit Napoleons Achterklärung alle geistige Spannkraft verloren, nach dem Brenner und überließ die Hauptstadt nebst dem nördlichen Tirol den bayerischen und französischen Feldherren, die am 19. Mat. 19. Mai ihren Einzug in Innsbruck hielten. Furchtbar wütheten die erbitterten Soldaten gegen das bezwungene Volk.,,Mit Mord, Kirchenschändung, Raub und Brand, Mißhandlung von Greisen, Weibern und Kindern war ihr Vorrücken bezeichnet. Es gab sich überall kund, daß dem Soldaten des Rheinbundes außer der Tapferkeit jede ritterliche Tugend abging und nur gemeine Leidenschaften ihn bewegten; und wie hätte er anders sein können in einem Kampfe, dem jeder höhere Impuls fehlte?" Diese Schandthaten, über welche selbst Wrede und Lefebvre ihre Entrüstung aussprachen, riefen die Tiroler von Neuem unter die Waffen. Andreas Hofer besette mit 6000 Mann, meistens Schüßen aus Passeyr, Meran und den Vintschgau, den Iselberg und hin derte das Vorrücken der Feinde. Umsonst unternahm der baherische General 29. Mai. Deroh, der an Wrede's Stelle trat, einen heftigen Angriff; die Bauern und Jäger, vor deren Reihen der unerschrockene Kapuziner Joachim Haspinger mit dem Crucifix voranschritt, leisteten, in Verbindung mit einigen österreichtschen Truppen, so tapfern Widerstand, daß die Bayern nach großen Verlusten den Rückzug antreten mußten und in der folgenden Nacht Innsbruck zum zweitenmal räumten. Um dieselbe Zeit, als die Tiroler nach dem Sieg am

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Ifelberg von Neuem in die Hauptstadt einzogen, drängten auch die Bauern und Schüßen in Vorarlberg die französisch - würtembergischen Truppen zurück und besetzten Bregenz. In dem Advokaten Anton Schneider sand der Vorarlberger Volksstamm einen unerschrockenen und umsichtigen Führer. Glückliche Streifzüge nach Konstanz, Lindau und über die bayerische Grenze erhöhten den Muth und das Selbstvertrauen der Tiroler und weckten allenthalben die österreichischen und deutschen Sympathien. Ueber diesen Erfolgen vergaß man den fluchtähnlichen Abzug des rath- und muthlosen Chasteler aus dem unheimlichen Lande des Aufruhrs und freute sich der erneuerten Zusicherung des Kaisers, „daß er in keinen Frieden willigen werde, der das treue Land Tirol von dem Körper des österreichischen Kaiserstaates losreißen würde." Aber diese Zuversicht sollte schrecklich getäuscht werden. Wie ein Bligstrahl aus heiterer Luft traf die Nachricht von dem Waffenstillstand von Znaim in das Tiroler Gebirgsland und erzeugte, da sie bald geglaubt bald bezweifelt und widersprochen ward, Entmuthigung und Unschlüssigkeit unter den Insurgenten. Die Desterreicher zogen ab und räumten das Land den Franzosen und Bayern, deren rachesprühende Proclamationen bald durch Thaten des Schreckens und wilder Grausamkeit ihre Bestätigung fanden. Verzweiflungsvoll griff das getäuschte Volk zum drittenmal zu den Waffen. Unter der Leitung von Hofer, Speckbacher, Mahr und Haspinger besezten sie eine Anhöhe bei Brixen und vernichteten die von Innsbruck durch die Thalschlucht_anrückenden Feinde mittelst herabgestürzter Baumstämme und Felsblöcke oder durch die sicher treffenden Kugeln der Schützen. Das Jammergeschrei der Verstümmelten und Sterbenden und der Hülferuf der in die brausende Eisack Geschleuderten wirkte so betäubend auf die Ueberlebenden, daß sie sämmtlich, größtentheils sächsische Rheinbundstruppen, die Waffen streckten. Noch jezt heißt die Thalschlucht im Munde des Volks die,,Sachsenklemme". Aehnlich erging es einer bayerischen Heerabtheilung an der Pontlager Brücke in einer Felsenschlucht des Inn, wo die Weiber durch Herabwälzen von Steinmassen 9. Aug. und Holzstämmen die Schüßen unterstüßten, und an andern Orten. In einen Soldatenmantel gehüllt kehrte Lefebvre mit seinen zersprengten Truppen nach Innsbruck zurück, in seinen stolzen Siegeshoffnungen bedeutend herabgestimmt, 14. Aug. und verließ dann das,, verwünschte Land" mit Grauen. Am Napoleonstag 15. aug. zog der Sandwirth von Passehr zum drittenmal in Innsbruck ein und regierte als kaiserlicher „Obercommandant in Tirol“ von der Hofburg aus das Land nach altem Herkommen, ohne die Einfachheit der Sitten und das ehrenfeste Wesen im mindesten zu ändern. Kaiser Franz selbst beschenkte ihn mit einer goldenen Kette und schien ihn dadurch in seiner Würde zu bestätigen. Aber der Traum der Unabhängigkeit war von kurzer Dauer. Als nach dem Abschluß des Wiener Friedens die Feinde in verstärkter Truppenzahl von drei Seiten in das unglückliche Land eindrangen, den Tod der Waffenbrüder und Bundesgenossen durch Sengen und Brennen, durch Mord und wilde Kriegsgräuel rächend, da wurde endlich der Widerstand des tapfern hinge

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