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1794.

diesem Treiben nahm Robespierre, der sich mit dem Ruf der Tugend brüstete, weil er die Ausschweifung und Habsucht Dantons und seiner Genossen nicht theilte, Anstoß. Er beschloß, sie zu verderben und Camille Desmoulins und Danton, vor dessen größerer Seele sein eigener, von Neid, Herrschsucht und Ehrgeiz erfüllter Geist dürr und trocken erschien, in ihren Sturz zu verwickeln. Kaum hatte daher Danton (Februar 1794) seinen Sitz in dem Convent wieder eingenommen, als St. Jüst mit einem merkwürdigen Berichte, worin er die Feinde der Republik in drei Klassen theilte, in Corrupte, Ultrarevolutionäre und Gemäßigte, und auf ihre Bestrafung drang, den gewaltigen Kampf begann. Dieser Bericht hatte zur Folge, daß schon am 24. März 19 Ultrarevolutionäre, darunter Cloots, Hebert, Momoro, Ronsin (der Sanscülottenheld von Lyon) und mehrere Glieder des Gemeinderaths zur Guillotine geführt wurden. Am 31. März wurden die Corrup ten vor das Revolutionstribunal gestellt, und Danton, Camille Desmoulins, Herault de Sechelles u. A. boshaft als ihre Theilnehmer bezeichnet und in ihren Prozeß verwickelt. Aber Danton und Desmoulins, denen bei aller Verworfenheit Gemüth und edle Regungen nicht fremd waren, verlangten mit drohendem Ungestüm und unter dem wilden Toben der Masse, die den angeklagten kühnen Frevlern mehr zugethan war als den kalten, gemeinen Jacobinern, aus denen ihre Richter bestanden, daß die Ankläger ihnen gegenüber gestellt würden. Drei Tage lang machte Dantons Stentorstimme und der Tumult der Volksmenge seine Verurtheilung unmöglich. Zum erstenmal geriethen die Blutmenschen des Revolutionstribunals in Verwirrung. Da er theilte der Convent durch ein eigenes Geseß dem Gerichtshof die Vollmacht, die Angeklagten, deren Absicht sei, durch einen Aufstand die bestehende Ordnung zu stürzen, ohne weiteres Verhör zu verdammen, worauf die blutbefleckten Helden des 10. August und der Septembertage, die bei ihrem Ver5. Avril hör bewiesen, daß auch in einer Verbrecherseele noch ein hoher Sinn wohnen könne, zur Guillotine geführt und mit einer Schaar gemeiner Hebertisten enthauptet wurden. Sie starben mit Muth und Entschlossenheit.

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*) Die republikanischen Monatsnamen waren: 1) für den Frühling: Germinal, Floreal, Prairial; 2) für den Sommer: Messidor, Thermidor, Fructidor; 3) für den Herbst: Vendemiaire, Brümaire, Frimaire; 4) für den Winter: Nivose, Pluviose, Ventose.

§. 731. Robespierre's Sturz. 9. Thermidor (27. Juli) 1794. Dantons Fall war Robespierre's letzter Triumph; der Dictator erstickte am Blute seines großen Widersachers. Zwar regierten die drei Führer des Wohlfahrtsausschusses noch einige Monate ganz allmächtig und brachten das Schreckenssystem durch vermehrte Hinrichtungen und Verhaftungen auf den höchsten Gipfel; aber sie hatten bei der Gemeinde und den Sectionen ihre Macht und im Convent das Zutrauen verloren, und trugen das Bewußtsein in sich, daß sie der Nation ein Gegenstand des Hasses und Abscheu's geworden, daher auch Robespierre nie ohne Waffen war und nie ohne Begleitung

handfester Leute ausging. Dantons Freunde waren von dieser Zeit an gegen sie auf der Lauer, um den günstigen Augenblick eines Angriffs zu erspähen. Die Zahl ihrer Feinde nahm zu, als Robespierre, um dem gotteslästerlichen Treiben der Anhänger des Vernunftcultus ein Ende zu machen, im Mai burch den Convent decretiren ließ: „Das Dasein eines höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele sei eine Wahrheit," und sich bei den neuen Festen des höchsten Wesens im Tuileriengarten 8. Juni als Oberpriester durch seinen Hochmuth zugleich verhaßt und lächerlich machte. Zu seinen Gegnern gehörte Tallien, der früher in Bordeaux gewüthet, den aber die reizende Fontenay-Cabarrus auf andere Grundsätze gebracht hatte. Mit ihm verbanden sich Fréron und Fouché, die Wüthriche von Chon und Toulon, Vadier, Collot d'Herbois, Billaud-Varennes und zuletzt der glatte Redekünstler Barère. Am 9. Thermidor begann im Convent 27. Juli. ein Kampf auf Leben und Tod. Robespierre und seine Anhänger kamen nicht zum Wort; die Gegner überschrieen sie und setzten in einer stürmischen, von Toben und Geschrei vielfach gestörten Sitzung den Beschluß durch, daß die drei Häupter des Wohlfahrtsausschusses und Henriot in Anklagestand ge= sezt und nach dem Palast Luxembourg in Haft geführt werden sollten. Auf dem Wege wurden sie von dem Pöbel befreit, worauf der betrunkene Henriot den Convent mit der Nationalgarde bedrohte, indeß Robespierre, Couthon, St. Jüst u. A. auf dem Rathhause auf Rache fannen. Aber die Nationalversammlung kam ihnen durch raschen Entschluß zuvor. rufene Achtserklärung zerstreute plötzlich Henriots Armee, während die den Jacobinern abgeneigten Bürger sich um den Convent schaarten. Die Angeflagten wurden auf dem Rathhause auf's Neue verhaftet. Henriot verkroch sich in eine Cloake, aus der man ihn mit Haken hervorzog. Robespierre versuchte sich durch einen Pistolenschuß zu tödten, zerschmetterte sich aber nur die Kinnlade und wurde, schrecklich entstellt, unter den Flüchen und Verwünschungen des Volks, zuerst vor das Revolutionstribunal geführt, dann mit 21 28. Juli seiner Anhänger guillotinirt. An den beiden folgenden Tagen theilten noch 72 Jacobiner das Schicksal ihrer Häupter.

Eine laut ausge=

§. 732. Die lehten Zeiten des Convents. War auch der Sturz Robespierre's und seiner Freunde durch die Thermidorianer nur ein Werk persönlicher Rache, so ward er doch der Anfang einer Rückkehr zur Ordnung und Mäßigung. Man brach die Macht des Wohlfahrts- und Sicherheitsausschusses, indem man ihnen einige andere Ausschüsse zur Seite stellte und die Arbeit wie die Gewalt gleichmäßiger vertheilte; man beschränkte bie Volksversammlungen der Sectionen, entzog dem Pöbel die für seine Anwesenheit in den Versammlungen oder bei Tumulten bezahlten Tagegelder (2 Fr.), wodurch die Wohlhabenden bald in der Mehrzahl waren, und bemuzte die spätern Aufstände, um dem Gesindel die Waffen zu entziehen. Die Macht des Pariser Gemeinderaths wurde durch die neue Eintheilung der

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Stadt in 12 Districte mit besondern Maires und Municipalräthen vernichtet. Fréron, aus einem republikanischen Wütherich in einen Aristokraten umgewandelt, versammelte die vornehmen Jünglinge, die von ihrer Kleidung die vergoldete 3Jugend genannt wurden, um sich. Diese griffen bei jeder Gelegenheit mit den schweren Stöcken, die sie gewöhnlich bei sich führten, die Jacobiner auf den Straßen und in ihrem Club an und seßten der Marseillaise das Lied vom Erwachen des Volks (le reveil du peuple) entgegen. Dadurch wurde allmählich die Macht der Jacobiner so gebrochen, daß der von der Partei der Thermidorianer beherrschte Convent im November es wagen konnte, den Club zu schließen und im nächsten Jahr das Jacobinerkloster niederreißen zu lassen. Der Convent verstärkte sich durch Einberufung der ausgestoßenen Mitglieder und der noch vorhandenen Girondisten, und beurkundete seinen Abscheu vor dem Schreckensregiment durch Aufhebung der furchtbarsten Blutgesetze und durch die Hinrichtung der ärgsten Blutmenschen, eines Carrier und Genossen, dann des gräulichen Staatsanklägers Fouquier Tainville nebst elf Richtern des Revolutionstribunals. Als aber vier der thätigsten Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses (Barère, Vadier, Collot d'Herbois und Billaud - Varennes) in Anklagestand versezt wurden, rafften die Jacobiner ihre letzten Kräfte zusammen und trieben das durch die Theuerung der Lebensmittel und die große Masse werthloser Assignaten in Verzweiflung gebrachte Volk zu einem furchtbaren 11. u. 12. Aufstand. Schaaren gräßlichen Gesindels umstellten das Versammlungshaus nal und forderten mit drohendem Geschrei die Freilassung der Patrioten, u. 1. pr.) Brod und die Constitution von 1793. Von dem Reste der Bergpartei unterstüßt, hätten die Terroristen wahrscheinlich obgesiegt, wäre nicht der in Paris gerade anwesende Pichegrü dem bedrängten Convent mit Soldaten und Bürgern zu Hülfe gekommen. So wurde der Aufstand unterdrückt und die vier Angeklagten deportirt.

Germi

(31. März

1795.

20. Mai

1795.

(Collot starb in Guiana, B.-Varennes diente als Journalist dem Negerkönig Chriftoph auf St. Domingo, Barère und Vadier entkamen.)

Der noch gefährlichere Aufstand vom 1. Prairial, wo der Pöbel von 7 Uhr Morgens bis 2 Uhr in der Nacht den Convent von Außen und im Innern umstellt hielt, um die Wiederherstellung des Schreckenssystems zu erzwingen, und ein Conventsmitglied (Feraud) in der Versammlung ermordet wurde, scheiterte ebenfalls theils an der Festigkeit des muthigen Präsidenten Boissy d'Anglas, theils an der rechtzeitigen Hülfe der ordentlichen Bürger und der Truppen. Von dem an war die Macht der Terroristen dahin. Einige Jacobiner starben durch Selbstmord (Romme, Goujon u. A.), andere endeten auf der Guillotine, die meisten büßten in Kerkern oder in den entfernten Colonien. — Ein weit mächtigerer Feind er stand aber jezt den Thermidorianern des Convents in den Royalisten, die immer kühner ihr Haupt emporhoben. Damit jene nun nicht bei der Einführung der im

August (5. Fruct.) beendigten und vom Volke bestätigten neuen (dritten) Berfassung aus ihrer Macht gedrängt würden, suchten sie sich durch eine höchst eigenmächtige Clausel die Wiedererwählung zu sichern. Nach dieser Verfassung sollte nämlich die vollziehende Gewalt einem Directorium von fünf Personen, die gesetzgebende dem aus 250 Mitgliedern gebildeten Rathe der Alten und dem Rathe der 500 zustehen. Der Convent beschränkte aber die freie Wahl dadurch, daß er festsette, zwei Drittheile dieser beiden gesetzgebenden Räthe müßten aus den Conventsgliedern gewählt werden, und wenn zwei oder mehrere Wahlbezirke denselben Abgeordneten wählten, so stehe die Besetzung der vacanten Stelle nicht dem Volke (durch eine neue Wahl), sondern dem Convente zu. Gegen diese,, Nach fugen“ erhob die von Rohalisten bearbeitete und den Conventsgliedern feindselig gesinnte Pariser Bürgerschaft Einsprache, und als diese erfolglos blieb, ergriffen die Sectionen, wo nunmehr die Gemäßigten und Royalisten die Oberhand hatten, die Waffen gegen den Convent. Da nahm dieser seine Zuflucht zur Armee und übertrug, auf Barras' Antrag, dem General Napoleon Bonaparte (§. 724), der nach Robespierre's Sturz durch den Director des Kriegsausschusses Aubry sein Artilleriecommando verloren hatte und sich nun ohne Anstellung in Paris befand, die Bekämpfung der im Aufstand begriffenen Sectionen. Der in den Straßen von Paris erfochtene blutige Sieg vom 13. Vendemiaire verschaffte 5. Det. den Republikanern die Oberhand und dem 26jährigen Napoleon, der sich kurz zuvor mit der Wittwe des enthaupteten Generals Beauharnais, Josephine (geb. Tascher de la Pagerie), vermählt hatte, den Oberbefehl über die italienische Armee.

1795.

V. Frankreich unter der Directorial-Regierung (26. October 1795 bis 9. November [18. Brumaire] 1799).

men.

§. 733. Napoleons italienische Feldzüge bis zum Frieden von Sardi. Campo Formio. Victor Amadeus III., König von Sardinien und Piemont, hatte ein prunkendes Heerwesen eingerichtet und den zahlreichen Adel seines Landes mit Offizierstellen versorgt (§. 638b); als aber die republikanischen Heere der Franzosen in Savoyen und Nizza einrückten, erlagen seine Truppen den Schlägen der begeisterten Schaaren. Der Regierungswechsel in Paris und die Betrügereien der Lieferanten brachten jedoch bald schreckliches Elend über die französische Armee in Italien. Die Soldaten litten an Allem Mangel; sie hungerten und ihre Kleidung war im jämmerlichsten Zustande; seitdem der Schrecken sie nicht mehr vorwärts trieb, schien ihre Kraft gewichen; -da erschien Napoleon Bonaparte als Obergeneral. Ben der Natur mit ausgezeichneten militärischen Gaben ausgerüstet, wußte er die muthlosen Truppen, bei denen sich talentvolle Unterfeldherren und Offiziere befanden, bald so zu begeistern und an sich zu fesseln, daß sie unter seiner Leitung jeder Gefahr trosten und ihm von Sieg zu Sieg folgten. Der erste Aufruf, womit er sein Heer begrüßte, ließ die ganze Virtuosität des Mannes ahnen; in wenig Säßen von an=

1796.

tiker Kraft und Einfachheit war darin zugleich dem Selbstgefühle des Soldaten geschmeichelt, die Zuversicht des Siegs in ihm geweckt und die blühenden Ebenen Italiens ihm als das Siegesfeld gezeigt, wo statt Noth und Entbehrung nur Genuß und Ruhm seiner warte."

Am 11. und 12. April schlug Napoleon bei Millesimo und den 13. und 14. bei Montenotte den fast 80jährigen österreichischen Feldherrn Beaulieu, trennte durch diese Siege die Oesterreicher von den Sardiniern und setzte den König Victor Amadeus durch einen raschen Zug gegen Turin 22. Avril. (nach dem siegreichen Treffen von Mondovi) so in Schrecken, daß dieser in einen schimpflichen und nachtheiligen Frieden willigte, worin er Savoyen und Nizza an die Republik abtrat, dem französischen Heerführer sechs Festungen seines Landes überließ, große Geldsummen bezahlte und die drückende Verpflichtung einging, den französischen Heeren jederzeit den Durchzug durch sein Land und während desselben die nöthigen Lebensmittel zu gewähren und an keinem Bunde gegen Frankreich Theil zu nehmen.

Durch diesen Frieden wurden die Franzosen die eigentlichen Gebieter von Piemont. Fünf Monate nachher starb Victor Amadeus und überließ den Thron seinem frommen aber schwachen Sohne Karl Emanuel IV. (1796-1802), einem Schwager des unglüdlichen Ludwigs XVI. Diesem trotzten die Sieger noch die Citadelle von Turin ab, als 1798. Desterreich und Neapel von Neuem Krieg drohten, und mißhandelten ihn so lange, bis er

1802.

Lombar

dei.

der Regierung über Piemont entsagte und sich mit seiner Familie nach Sardinien begab. Umsonst protestirte er feierlich gegen den ihm aufgelegten Zwang; die französische Regierung nahm Besitz von seinem Lande, das zuletzt von Napoleon mit Frankreich vereinigt und in sechs Departemente getheilt ward, als Karl Emanuel seinem Sohn Victor Emanuel seine Rechte abgetreten und sich nach Rom begeben hatte.

Nach dem Frieden mit Piemont sette Napoleon rasch seinen Siegeslauf 10. Mai fort. Er erzwang den Uebergang über die Brücke von Lodi, zog mit 1796. königlichem Glanz und unter dem Jubel des leichtsinnigen Volkes in das

österreichische Mailand ein und schreckte die kleinen Fürsten von Italien so sehr durch sein Waffenglück und seinen Uebermuth, daß sie um jeden Preis den Frieden von dem kühnen und klugen Sieger zu erhalten strebten.

Napoleon trotte den lombardischen Städten, den Fürsten von Parma, Modena, Toscana u. A. ungeheuere Summen und die werthvollsten Gemälde, Kunstschätze, Manuscripte ab. Er verfuhr wie einst die römischen Feldherren, die er aus Plutarchs Lebensbeschreibungen fannte. Er bereicherte die französische Hauptstadt mit den Werken des Genius, um das schaulustige und eitle Pariser Boll zu ergößen.

An die Stelle des alten Beaulieu trat nun Wurmser. Aber auch 5. Aug. dieser ward bei Castiglione geschlagen, worauf die Franzosen das feste Mantua einschlossen. Umsonst suchte Wurmser die Stadt zu befreien; in zwei Treffen besiegt, wurde er endlich selbst mit dem Reste seiner Armee in Mantua belagert. Das zu seiner Befreiung unter Alvinzi abgesandte Heer 1796. erlitt drei blutige Niederlagen (bei Arcole, Rivoli und La Favorita), 1797. wodurch die ganze österreichische Kriegsmacht theils vernichtet ward, theils in

17, Nov.

14. Jan.

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