Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

England.

Revolutionsarmee unter Westermann und den rasenden Jacobinern Ronsin und Rossignol nach der Vendée ab. Diese fielen wie reißende Wölfe über die unglücklichen Bewohner her, steckten Dörfer, Städte, Meierhöfe und Gehölze in Brand und suchten durch Schrecken und Gräuel den Widerstand der „, Royalisten“ zu brechen. Aber der Muth des Vendéer Landvolks blieb ungebeugt. Weder die Schrecknisse des vielgestaltigen Todes, noch die Verwüstungen ihrer Meierhöfe und Aecker waren im Stande, ihre Gesinnung zu ändern oder ihren Arm zu lähmen. Als jedoch die, nach der Uebergabe von Mainz (§. 722) in die Heimath zurückgekehrten, tapfern Truppen unter fähigen, kriegskundigen Anführern, wie Kleber, gegen die Rebellen der Vendée geschickt wurden, erlag das unglückliche Volk allmählich den Streichen feiner Gegner, nachdem das Land zur Wüste geworden und Tausende der Bewohner den heimathlichen Boden mit ihrem Blute getränkt. Aber beruhigt wurde die Vendée erst, als nach Robespierre's Sturz der eben so tapfere als menschenfreundliche Hoche aus dem Kerker an die Spitze des Heeres trat und den Einen, die des Kampfes müde waren, Frieden bot, die Widerstrebenden aber durch die Schärfe seines Schwerts und die Ueberlegenheit seiner Kriegskunst zur Unterwerfung brachte. Stofflet und Charette wurden zu Kriegsgefangenen gemacht und erschossen. Mittlerweile war das Regiment des Schreckens zu Ende gegangen und eine mildere Gesinnung herrschend geworden.

Der im Juli 1795 von einigen Schaaren ausgewanderter Royalisten unternommene Versuch, durch eine mit englischer Hülfe auf der Insel Quibéron veranstaltete Landung die kriegsmatten Bewohner der Vendée und die Chouans zu neuem Kampf gegen die republikanische Regierung anzuspornen, endete zur Schmach und zum Verderben der Angreifer. Nach einem kurzen Gefechte gerieth die gelandete Mannschaft mit einem großen Vorrath von Waffen, Kriegsgeräth und Geld in die Hände der Republikaner, die 800 gefangene Royalisten grausam niedermachten. Pitt tröstete fich, daß dabei wenigstens kein englisches Blut geflossen, erhielt aber von dem Redner Sheridan die verdiente Entgegnung, dafür sei englische Ehre aus allen Poren geströmt.

§. 726. Der erste Coalitions krieg (1793-1796). Die englische Regierung trug lange Bedenken, den Kampf mit der Revolution zu beginnen. Sie duldete die Emigranten im Lande, nahm aber auch einen Gesandten von der bestehenden Regierung in Frankreich an und ließ Freunde und Feinde der neuen Ordnung ihre Ansichten ohne Zwang in Rede und Schrift kund geben.

In dem an öffentliches Staatsleben gewöhnten englischen Volke bildeten sich bald zwei Parteien, wovon die eine, Edmund Burke und die Tories an der Spiße, die neue Gestaltung in Frankreich und ihre Urheber mit Haß und Abscheu betrachtete und mit den ärgsten Schmähungen belegte; die andere, die den genialen, an Geistesgröße wie an regelloser Lebensweise dem Grafen Mirabeau ähnlichen Staatsmann und Redner Fox zum Oberhaupt, und in dem Verfechter der demokratischen Verfassung von Nordamerika, Thom. Payne, einen eifrigen Wortführer hatte, die Grundsäße der Revolution, wenn gleich nicht die blutigen Auswüchse derselben, billigte. Burke, ein gebildeter, kenntnißreicher Staatsmann und ein schwungreicher,

an Bombast und rhetorischen Floskeln etwas zu sehr Gefallen findender Redner, war während der amerikanischen Freiheitskriege ein warmer Vertheidiger der Volksrechte und mit Fox die Seele der Opposition gegen die Regierung. Aber nun wandelte er seinen Sinn, stellte in einem vielgelesenen Buche die französische Revolution als das heilloseste und fluchwürdigste Ereigniß dar, zu dessen Bekämpfung alle Fürsten Europa's ausziehen sollten, und ging in seinem Eifer für die Erhaltung der alten Zustände so weit, daß er in einer Parlamentssitzung öffentlich seinem langjährigen Meinungsgenossen Fox feierlich die Freundschaft kündigte und in Haß sich von ihm wandte. Damals stand der jüngere Pitt, der Sohn des großen Lord Chatham, an der Spiße des Ministeriums. Er wie seine Gesinnungsgenossen, die Tories und der ihnen gewogene König Georg III. und sein gleichnamiger Sohn, der Prinz von Wales (der während des Vaters langer Geisteszerrüttung als Prinz-Regent den Staat leitete und erst nach dessen Tode 1820 als Georg IV. den Königstitel annahm), waren den republikanischen Ideen, die nicht blos den Kronen der Fürsten, sondern auch den Standesrechten der Edelleute Verderben drohten, sehr abhold und belebten und belohnten daher Burke's Eifer; öffentlich trat aber die englische Regierung gegen Frankreich erst dann feindselig auf, als das Haupt des Königs gefallen war, Belgien erobert und das befreundete Holland mit Krieg bedroht ward, als der verwegene Convent allen Völkern, die sich gegen die Tyrannei ihrer Regierungen und die Obmacht der bevorrechteten Stände erheben und den Druck der Feudallasten abschütteln würden, Frankreichs Beistand verhieß, von einer englischen Gesellschaft für republikanische Zwecke eine Gesandtschaft vor sich ließ und die vorberei tenden Schritte zu einer gewaltsamen Schilderhebung in dem Infellande durch geheime Verheißungen und in Aussicht gestellte Unterstützungen förderte und ermunterte. Nun begann England den folgenreichen Krieg zu Wasser und zu Land, von dem es erst abstand, als die Revolution und die daraus hervorgehende Militärherrschaft Napoleons besiegt zu Boden lag. Fortan wurde Frankreich nicht nur von englischen. Schiffen und englischen Heeren bekämpft, sondern englische Hülfsgelder brachten auch die saumseligen Fürsten und die zaudernden Regierungen zum Anschluß an den Krieg gegen den gemeinschaftlichen Feind. England glaubte um so mehr die Revolution bekämpfen zu müssen, als dieselbe in den unzufriedenen und erregbaren Irländern thätige Anhänger hatte, so daß Pitt wegen Verschwörungen und Aufstäyden wiederholt zur Aufhebung der Habeas - Corpus - Acte (§. 622), zur Verkündigung des Kriegszustandes, zu politischen Prozessen (gegen Horne Tooke u. A.) und zu Ausnahmsgefeßen schreiten mußte.

§. 727. Im Sommer 1793 bedrohte fast ganz Europa die französischen Grenzen. Während die englischen Flotten Frankreichs Seemacht zu vernichten. und seine Colonien zu erobern suchten und Pitt durch reiche Hülfsgelder den Krieg im Schwung zu erhalten bedacht war, rückten Holländer, Desterreicher und Engländer von den Niederlanden aus in Flandern ein; zugleich seßten deutsche, preußische und österreichische Truppen über den Rhein; Sardinien und Toskana bedrohten den Südosten, an den Pyrenäen standen spanische und portugiesische Heere; Neapel und Portugal folgten den Weisungen Englands.

Aber die Ungeschicklichkeit und Planlosigkeit der Anführer, die schlechten Verpflegungsanstalten, die Uneinigkeit der Verbündeten, die alle ihre besondern Vortheile und Interessen im Auge hatten, und die Hoffahrt der Offiziere hinderten glänzende Erfolge selbst zu einer Zeit, wo Frankreich sein neues Kriegssystem, wodurch es nachher ganz Europa Troy bieten konnte, noch nicht

geschaffen hatte. Die Oesterreicher, von Thuguts preußenfeindlicher Politik 1793. geleitet, wünschten sich nach der Einnahme von Condé und Valenciennes

Juli

28-30.

(§. 722) in dem französischen Flandern festzuseßen und betrachteten mit Neid und Mißtrauen die gleichzeitigen Gebietserweiterungen der Preußen in Polen (§. 700); die Engländer hatten ihre Blicke auf Dünkirchen gerichtet, das sie einst besessen und das sie wieder zu gewinnen hofften. Unter solchen Umständen konnten die Kriegsunternehmungen der Verbündeten nur geringen Fortgang nehmen, wenn gleich im Anfang die bessere Uebung der österreichischen und preußischen Truppen und die tapfere Haltung ihrer Reiterei über die Feinde manchen Vortheil davon trug; in den Niederlanden wurde das englischholländische Heer von den mißtrauischen Desterreichern nicht gehörig unterstützt, wodurch es dem republikanischen General Houchard möglich ward, bei 8. Sept. Hondschooten über die Holländer und Hannoveraner einen nicht unbedeutenden Sieg zu erfechten. Noch nachtheiliger war die Wirkung dieser zwieträchtigen und mißtrauischen Haltung bei der Rheinarmee. Während nämlich nach der Einnahme von Mainz die preußischen Truppen unter dem Herzog von Braunschweig das Gebiet an der Queich und Lauter bis zur Saar beseßten 14. Sept. und mit alter Tapferkeit die Franzosen bei Pirmasenz und in dem blutigen Nov. Treffen bei Kaiserslautern zurückschlugen, führte der österreichische General Wurmser im Elsaß den Krieg auf eigene Hand und suchte im Einvernehmen mit den Rohalisten und Aristokraten in Straßburg und andern Orten eine Gegenrevolution zu bewirken. Aber dieses Vorhaben, das den Herzog verhinderte, seine Siege rechtzeitig zu benußen, schlug gänzlich fehl und zog die blutige Rache der Republikaner auf die Unzufriedenen und Verdächtigen im Elsaß herab. Denn der Convent, jede Niederlage und jedes Mißgeschick als Folge aristokratischer Verrätherei ansehend, entwickelte eine furchtbare Energie, um durch Schrecken über alle Feinde und Widersacher zu triumphiren. Houchard, der Sieger bei Hondschooten, blutete, wie schon vorher C üstine und Beauharnais (§ 722), auf der Guillotine, weil er später der feindlichen Uebermacht bei Courtrah weichen mußte, und Hoche, ein junger begabter Feldherr, der den Mangel militärischer Erfahrung und gelehrter Kenntnisse durch gesunden Menschenverstand, scharfen Blick und kecken Naturalismus ersette, büßte im Kerker die Niederlage bei Kaiserslautern und würde von seinem Feinde St. Jüst ein ähnliches Schicksal erfahren haben, hätte ihn nicht Robespierre's Sturz befreit. - Waren unter diesen Verhältnissen die deutschen und englischen Truppen unvermögend, das zerrissene und von Innen und Außen bedrohte republikanische Frankreich zu überwältigen, so konnte dies noch weit weniger geschehen, als der thatkräftige Carnot in den Wohlfahrtsausschuß trat und mit furchtbarer Einheit und Energie die Kriegsangelegenheiten nach einem neuen kühnen System organisirte. Alles, Gut und Leben, mußte nun dem Zwecke der Selbstvertheidigung dienen. Dadurch nahm der Gang des Kriegs bald eine andere Wendung. Allenthalben wurden Waffen geschmiedet und Geschütz gegossen; durch das allgemeine Aufgebot (levée en

October

masse) wurde die ganze Nation an dem Kriege betheiligt; fanatische Schaaren wurden nun massenweise, nicht mehr in kleinen Heerabtheilungen, dem Feinde entgegengestellt; aus den Reihen gemeiner Krieger erstanden die größten Feldherren des Jahrhunderts; gegen solche einheitliche Kräfte konnten die alten Generale mit ihrer methodischen Kriegsweise und mit Soldaten, die um Sold, nicht für Vaterland und Freiheit kämpften, nicht Stand halten, zumal da die Kriegsunternehmungen der Verbündeten häufig durch politische Rücksichten und Wechselfälle gelähmt und durch diplomatische Künste durchkreuzt wurden. - Bei Wattignies maßen die neuen Heere in einer Reihe von Gefechten 15, 16. zuerst ihre Kräfte mit den Desterreichern; und wenn auch die Kriegsübung 1793. der alten Truppen noch im Ganzen die Oberhand behauptete, so betrachteten es die Franzosen doch mit Recht als einen Sieg, daß ihre Feinde beim Eintreten des Winters die Belagerung von Maubeuge aufgaben und sich in ihre alten Linien zurückzogen. Noch entscheidender waren die Vortheile der französischen Truppen am Rhein, wo die Uneinigkeit zwischen dem Herzog von Braunschweig und dem Grafen Wurmser mehr und mehr zunahm, seitdem Friedrich Wilhelm II. die dortige Armee verlassen, um die preußischen In- 29. Sept. teressen an der Weichsel durch seine Anwesenheit zu fördern. Wurmser mußte nach den Verlusten von Hagenau die lange vertheidigten Weißenburger Linien aufgeben und über den Rhein ziehen, und die Preußen vermochten Landau nicht zu erobern. Verstimmt und „moralisch krank", begehrte der Herzog seinen Abschied. An seine Stelle trat der Feldmarschall Möllendorff. Diese Vorgänge wurden von Manstein, Kalkreuth, Lucchesini und andern preußischen Staatsmännern benußt, dem König den Gedanken eines Friedens mit Frankreich annehmbar zu machen. Die Vorgänge in Polen, wo unter Kosciuszko ein Nationalkrieg ausgebrochen war (§. 701) und die erschöpfte Lage des Königreichs verliehen ihren Bemühungen Nachdruck. Schon war in Berlin die Abberufung der Truppen bis auf das vertragsmäßige Reichscontingent beschlossen, als es den Seemächten England und Holland gelang, durch den Subsidien-Vertrag im Haag den König noch länger bei der Coa- 197 lition zu halten. Dies hatte zur Folge, daß Möllendorff und der Husarenoberst Blücher an den Vogesen und am Haardtgebirg, wo sich die Franzosen und die Deutschen so oft in Waffen begegnet waren, noch einmal den Feinden tapfer widerstanden und auf den blutgedrängten Höhen von Kaiserslautern 23. Mai. abermals ihre Kräfte maßen; allein die Weigerung des Feldmarschalls, auf den Ruf der Seemächte in die Niederlande zu ziehen, um die Franzosen, die um dieselbe Zeit bei Turcoing über die österreichisch-englische Kriegsmacht einen 18. Mai. glänzenden Sieg erfochten, von weiterem Vordringen abzuhalten, löste die Haager Uebereinkunft, die dem preußischen Ehrgefühl eine tiefe Wunde geschlagen, wieder auf und gab Flandern den Feinden preis. Die Taktik der französischen Feldherren bestand darin, den Gegner durch zahllose einzelne Schläge zu verwirren, zu ermüden und seine Verbindungen zu zerreißen, bis der Moment gekommen war, mit einem letzten gewaltigen Stoß seine Kraft

1794.

zu zertrümmern. -Im Juni eroberte Pichegrü Ypern, während Jourdan, nachdem er viermal über die Sambre zurückgedrängt worden, endlich die Feinde 26. Juni. bei Fleurus schlug und die Räumung Belgiens erzwang. Unter Jourdan dienten die ausgezeichnetsten Feldherren der nächsten Kriegsjahre, wie Marceau, Kleber, Lefebvre, Championnet, Bernadotte, Marescot u. A. Der öfterreichische Minister Thugut schien nicht abgeneigt, die Niederlande zu opfern und im Osten, in Bayern oder Polen, günstiger gelegene Entschädigungen zu suchen. Mißmuthig über diese lähmende Politik reichte auch der Prinz von Coburg sein Entlassungsgesuch ein und verließ das Heer. Sein Nachfolger October. Clerfait führte alsdann die erschöpften Truppen über den Rhein. Beim Eintritt des Herbstes waren nicht nur die österreichischen Niederlande wieder im Besitz der Franzosen, sondern auch Trier und die holländischen Grenzfestungen.

Dadurch war es dem General Pichegrü, in dessen Heer sich Moreau, Souham, Macdonald, Vandamme u. A. befanden, möglich, im December und Januar über die beeisten Gewässer einen kühnen Kriegszug gegen die holländischen Generalstaaten zu unternehmen, mit einem an Kleidung, Nahrung und allen Lebensbedürfnissen Mangel leidenden Heere sich des ganzen Landes zu bemächtigen und die englischen Truppen unter dem Herzog v. York zu einem höchst beschwerlichen und gefahrvollen Rückzug zu zwingen. Der Erbstatthalter Wilhelm V., seit seiner Einsetzung durch die preußischen Armeen (§. 677) und der mit ihrer Hülfe bewirkten Vermehrung seiner Hoheitsrechte im Lande wenig beliebt, entsagte seiner Würde und begab sich nach dem befreundeten England; die flüchtigen, mit den französischen Republikanern übereinstimmenden Patrioten kehrten zurück und unterstüßten, in Verbindung mit ihren zurückgebliebenen Meinungsgenossen, die Bemühungen der siegenden Franzosen, durch Begründung einer batavischen Republik mit demokratischer Grundlage in den holländischen Generalstaaten dieses reiche Land mit seinen Schäßen, Schiffen, Seehäfen und Colonien näher an das republikanische Frankreich zu knüpfen. Freiheitsbäume wurden errichtet, die Menschenrechte verkündigt, republikanische Gesellschaften gegründet und die Regierung der französischen Partei übergeben. Aber nur zu bald empfanden die Holländer die Nachtheile dieses Löwenbundes. Die ausgehungerten und zerlumpten Truppen mußten genährt, gekleidet und besoldet werden; ein am 1795. 16. Mai mit Frankreich abgeschlossener Vertrag sicherte diesem Staate nicht nur freie Schifffahrt auf den Gewässern und Benußung der Seehäfen, sondern erwarb ihm auch 100 Millionen als Entschädigung der Kriegskosten, das hölländische Flandern mit Mastricht und das Besatzungsrecht der wichtigsten Festungen, und während unter dem neuen republikanischen Regiment und seinen französischen, vom Mark des Landes zehrenden Beschüßern die Staatskasse erschöpft ward und die Finanzverwaltung in Verwirrung kam, bemächtigten sich die Engländer nicht nur der Handelsschiffe der Holländer und beschränkten oder vernichteten ihre Fischereien, sondern sie brachten auch die meisten Ansiedelungen derselben in der Ferne an sich.

« ZurückWeiter »