Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

der Revolution, die in ganz Europa freudig begrüßt wurden. Die deutschen Dichter und Philanthropen glaubten die Zeit gekommen, wo ihre schönsten Träume verwirklicht werden sollten. - Aber die Begeisterung ging vorüber und die Lage des Königs wurde immer schwieriger. Necker, unfähig die Bewegung nach seinem Sinne zu leiten, verließ Frankreich und begab sich nach der Schweiz. Mirabeau, der, vom Hof gewonnen, sich zuletzt mit seiner ganzen Kraft weitern Beschränkungen der Königsmacht entgegengestellt und eine constitutionell - monarchische Verfassung mit strenger Scheidung der drei Gewalten -- der gesetzgebenden, ausübenden und richterlichen — fest2. Avril zuhalten gesucht hatte, erlag im 42. Lebensjahre einer durch ein regelloses Leben und das Uebermaß seiner Arbeiten hervorgerufenen oder doch verschlimmerten Krankheit.

1791.

In Mirabeau sank die lehte starke Säule des Throns. Die allgemeine Theilnahme bei seinem Tod und Begräbniß war eine öffentliche Huldigung, die man ohne Rücksicht der Partei der Geistesgröße darbrachte. In ihm verlor der schwache, unselbständige König den klügsten und besonnensten Rathgeber, daher von nun an sein Schicksal rajch dem Ende zueilte.

[ocr errors]

Ludwigs Zögerung, die von dem Papste verworfene bürgerliche Ordnung der Priester zu bestätigen, und seine Weigerung, sich beeidigter Geistlichen zu bedienen, und die Emigranten, die von Turin, Koblenz und Worms aus die europäischen Höfe zu einem Kriegszug gegen Frankreich zu bewegen suchten, für Verräther zu erklären, gab den Gegnern der monarchischen Verfassung und den Freunden wilder Empörung neuen Stoff, das Volk der Sectionen aufzuregen. Da faßte der König den verzweifelten Entschluß, heimlich an die Nordgrenze des Reiches zu fliehen. Eine beabsichtigte, aber von dem Pariser Volke verhinderte Reise nach St. Cloud in der Osterwoche hatte ihn überzeugt, daß seine persönliche Freiheit gefährdet sei; die drohende Stimmung der Hauptstadt ließ neue Aufstände befürchten; zu einer friedlichen Lösung schien wenig Aussicht. Es wurden viele Pläne gefaßt und verworfen; Bouillé, ein entschlossener, dem König ergebener General in Lothringen, ward ins Geheimniß gezogen und versprach mit seinen Truppen die Flucht, zu deren Ausführung der schwedische Graf Fersen behülflich war, zu unterstüßen. Mit Hinterlassung einer Schrift, die eine Schilderung der unzähligen Kränkungen und einen Protest gegen alle seit October 1789 ihm abgedrungenen Erlasse enthielt, entkam der 21. Juni König mit seiner Familie in einem großen Wagen glücklich aus Paris. Aber nur zu bald mißlang das ungeschickte Unternehmen. Ludwig wurde vom Postmeister Drouet in St. Menehould erkannt, von der Bürgergarde in Varennes festgehalten und auf Befehl der Nationalversammlung, die auf die erste Kunde von der heimlichen Entweichung die Suspension des Königs ausgesprochen und sich die vollziehende Gewalt und das Reichs fiegel beigelegt hatte, zurückgeführt. Drei Deputirte (Pétion, Barnave, Latour - Maubourg) nahmen die erlauchten Gefangenen in Empfang und be

1791.

gleiteten sie auf der verhängnißvollen, durch das Zuströmen unzählbarer Volksmassen verlängerten Rückreise. Diese unheilvolle Flucht und der Widerruf der bestätigten Verfassungsartikel raubten dem König den letzten Rest von Macht und Ansehen. Eine große Partei verlangte, daß Ludwig in Anklagestand versetzt und gerichtlich verhört werde; die Feinde der Monarchie erregten einen Volksaufstand, um des Königs Absetzung zu erzwingen; dies wurde zwar durch die Anstrengungen der constitutionellen Partei und durch Lafayette's Sieg über die Volksmassen glücklich vereitelt und der Grundsatz der königlichen Unverleßlichkeit aufrecht erhalten aber die Suspension blieb über den Monarchen verhängt, bis er die Ende Septembers vollendete Reich 8verfassung beschworen und bekannt gemacht. Da erst erlangte die Krone wieder einen Schimmer von Hoheit und Gewalt.

[ocr errors]

III. Die gesetzgebende Versammlung (1. October 1791 bis 20. September 1792).

§. 717. Zunahme des Republikanismus. Nach Vollendung der Constitution löste sich die constituirende Versammlung auf, und machte 30. Sept. einer andern Platz, die den Verfassungsbau durch Hinzufügung einer neuen Gesetzgebung vollenden sollte und daher den Namen der gefeßgebenden (legislativen) annahm. Da die Mitglieder der constituirenden Versammlung durch einen Act edler aber unkluger Selbstentsagung sich von dem Eintritte in die neue Kammer ausgeschlossen hatten, fiel die nach Departementen angeordnete und von den Jacobinern geleitete Wahl größtentheils auf die Stimmführer des Volks, auf kühne Demokraten und auf Republikaner verschiedener Färbung.

Die Zahl der neuen Deputirten war 745, meistens junge, rasche Leute, zur Hälfte Advocaten, darunter Männer von hohem Rednertalent. Die rechte, aus Anhängern ber conftitutionellen Monarchie bestehende Seite des Versammlungshauses (Feuillans, Baublanc, Beugnot, Dümas u. A.) wurde täglich schwächer, indeß die linke von den Republikanern gewählte Seite stets zunahm. Diese zerfiel in zwei Heerlager, den Berg, wo bie entschiedensten Demokraten und Radicalen ihre Plätze hatten (Chabot, Bazire, Jean de Bry, Merlin de Thionville, Couthon, Thüriot, Cambon, Dühem u. A.), und bie Ebene, wo die gemäßigten Republikaner von aristokratischer Färbung zu fitzen pflegten. Zu den letztern gehörten Männer von Rang, Bildung und hohen Talenten, besonders mehrere Abgeordnete von Bordeaux und aus dem Departement der Gironde (daher Girondisten). Sie steuerten auf eine Republik im Geiste des Alterthums oder auf eine Bundes- (Föderativ-) Republik wie in Nordamerika los.,,Von feuriger und glänzender Rhetorik, erfüllt mit der ganzen Erregbarkeit und Leidenschaft des Südens, ehrgeizig und nicht ohne eine ausgesprochene Neigung zur Intrigue, mußten sie mit ihrem doctrinären Demokratismus, wie er aus Schulerinnerungen des Alterthums und aus Meinungen des achtzehnten Jahrhunderts zusammengeflossen war, sehr rasch eine überwiegende Stellung in einer Versammlung gewinnen, aus welcher durch einen Act unerhörter Naivetät alle wirklichen Talente und Erfahrungen der ersten Versammlung ausgeschloffen waren.“

Die Pariser Bürgerschaft, die an Bailly's Stelle den Republikaner Pétion zu ihrem Maire machte und die Blutmenschen Robespierre und Danton in den Jacos biner. Gemeinderath wählte, übte eine furchtbare Gewalt. Der Jacobinerclub nahm an Macht und Bedeutung zu und mehrte seinen Anhang in den Provinzen. Robespierre," Marat (der in seinem „Volksfreund" immer schrecklicher Allen, die durch Geburt oder Vermögen über dem Pöbel standen, Untergang und Verderben drohte), der gewesene Schauspieler Collot d'Herbois, der Journalist Tallien, der wegen Unfittlichkeit aus dem Kloster verstoßzene Billaud-Varennes u. A. führten daselbst das große Wort. Auch Danton und Camille Desmoulins, die Häupter der Cordeliers, nah men an den Sitzungen des Jacobinerclubs Antheil und die Girondisten trennten sich erst nach dem Sturze des Königs von dem demokratischen Bunde. In der legislativen Versammlung hatten die durch Vaterlandsliebe und Tugend, wie durch Bildung und Biron: Rednertalent ausgezeichneten Girondisten die Oberhand. Sie sammelten sich anfangs um diften. Roland und dessen geistreiche und tugendhafte Gemahlin; später erlangte Brissot, ein Berehrer der amerikanischen Verfassung, das größte Ansehen (daher Brissotisten). Die bedeutendsten unter ihnen waren ferner: Guadet, Vergniaud, Gensonné, der Philosoph Condorcet, Büzot, Isnard, Lanjuinais, Barbaroux (der Geliebte der Charlotte Corday) u. A. m. Auch der General Dümouriez hielt zu ihnen. „Waren diese Männer zwar unfähig, eine dauernde Schöpfung aufzurichten, so besaßen fie doch die wahrhaft revolutionäre Gabe, durch ihre rednerische Agitation die Leidenschaften zu schüren, mit der Macht der Phrase ein entzündliches Volk, wie die Franzosen, in Fiebergluth zu setzen, und ohne irgend einen Zug der groben, handgreiflichen Demagogie an sich zu tragen, doch den Zielen wildester demagogischer Zerrüttung erfolgreich in die Hände zu arbeiten." Die rothe Jacobinermüze, die um diese Zeit auffam, war ein allgemeines Kennzeichen der Republikaner; die Marseillaise von Rouget de l'Isle bauchte Begeisterung und Kampfluft ein; die Errichtung der Freiheitsbäume gab zu lärmenden Versammlungen und zu aufreizenden Reden Gelegenheit. Kühne Bollsredner und freche Journalisten weckten und spornten die Leidenschaften des Pöbels und reizten die Massen zum Umsturz alles Bestehenden und zur blutigen Verfolgung aller durch Rang, Bildung oder Vermögen von den untern Klassen geschiedenen und darum als Aristokraten dem Hasse des Volkes preisgegebenen Bürger. (Ah, ça ira!)

[ocr errors]

§. 718. Stürme gegen das Königthum. Die neue Versammlung richtete ihre Angriffe hauptsächlich wider die eidweigernden Priester, die das Volk zur Unzufriedenheit und zum Mißtrauen gegen seine Vertreter aufzureizen suchten, und wider die Emigranten, die Koblenz, Worms u. a. D. zu einem Heerd der Gegenrevolution“ machten, indem sie nicht nur gegen die vom König angenommene Verfassung protestirten und durch ihre kriegerische Haltung ihre Absicht beurkundeten, den alten Zustand mit Gewalt zurückzuführen, sondern auch die europäischen Mächte zu einem Kriegszug gegen das empörte Frankreich zu bewegen trachteten. Im November erschien daher ein Decret, „es sollten Listen über die beeidigten und unbeeidigten Priester angefertigt werden, die letztern sollten ihre Pensionen vers lieren und, im Fall sie Empörung gegen das Geset oder böse Gesinnung gegen das Vaterland erzeugten, in zweijährige Haft kommen." Gegen diesen der Religionsfreiheit widerstrebenden Beschluß legte der König sein Beto ein, ebenso gegen den gleichzeitigen Antrag, daß alle Emigranten, die nicht bis zum Januar 1792 nach Frankreich zurückgekehrt sein würden, als Hochver

räther und Verschwörer gegen ihr Vaterland zum Tode verurtheilt und ihre Güter und Einkünfte der Nation überwiesen werden sollten.

Der Gebrauch des königlichen Beto bei den Strafbestimmungen gegen die notorischen Feinde der neuen Ordnung erzeugte eine sehr feindselige Stimmung in der Versammlung. Man schrieb den Widerstand des Königs den geheimen Hoffnungen des Hofs auf die Hülfe der fremden Mächte und die Siege der Emigranten zu. Wußte man doch, daß die Königin mit dem Kaiser von Oesterreich, ihrem Bruder, in Verbindung ftand und in dem ausgewanderten Adel ihre Stüße und ihr Heil sah.

1792.

Gegen die Emigranten war die ganze Wuth der Volksvertreter gerichtet. Als die deutschen Höfe den Beschwerden des aus den Girondisten Roland, Dümouriez, Clavière und Servan bestehenden Ministeriums gegen die Rüstungen der Ausgewanderten keine Folge gaben und Preußen und Desterreich eine drohende Haltung annahmen, wurde beiden der Krieg erklärt und der König mußte mit Thränen seine Einwilligung geben. Und um die 20. Avril Hauptstadt und die Nationalversammlung gegen jeden Angriff zu schüßen, beschloß man, unter dem Vorwande der Wiederbegehung des Bastillenfestes 20,000 Nationalgarden (Föderirte) aus den südlichen Provinzen zu berufen und ihnen die Sicherheit und Beschüßung von Paris zu übertragen. Aber sowohl diesem Beschluß als einem neuen Decret, das den eidweigernden Priestern Berbannung und Deportation auflegte, versagte Ludwig standhaft die Bestätigung. Da legten die Girondistenminister ihre Stellen nieder, nachdem ein von der hochherzigen, für Freiheit und Völkerbeglückung schwärmenden Frau Roland entworfener Brief dem Könige scharfe Verweise wegen 18. Junt. seines Starrsinns und derbe Lectionen über seine Pflichten gegeben. Dieser Brief, der sich bald in Aller Händen befand, brachte eine solche Aufregung hervor, daß es den über die Verwerfung der Decrete und die Entfernung der Girondeminister ergrimmten Republikanern leicht wurde, einen Volksaufstand zu veranstalten. Am 20. Juni, dem Jahrestage des Schwurs im Ballhause, zog der furchtbare, mit Piken bewaffnete Pöbel der Vorstädte unter der Leitung des Brauers Santerre, des Fleischers Legendre und des Kupferschmiedgesellen Rossignol zuerst in die Nationalversammlung, dann in den königlichen Palast, um den Monarchen zu zwingen, die Decrete gegen die unbeeidigten Priester und für die Berufung der Föderirten zu bestätigen. Auch hier blieb Ludwig standhaft. Er troßte mehrere Stunden lang allen Gefahren und Drohungen und ertrug den Hohn des Pöbels, der ihm sogar die rothe Jacobinermüge auffezte und aus einer Flasche zu trinken gab, mit dem Muthe eines Märtyrers. Die etwas verspätete Ankunft Pétions mit der Bürgergarde befreite ihn endlich aus der entsetzlichen Lage. Dieser Auftritt erfüllte Alle, die noch einige Achtung für Gesetzlichkeit und Ordnung hatten, mit Entrüstung und bewog Lafayette, der sich seit der Auflösung der constituirenden Versammlung bei der Nordarmee befand, eigenmächtig nach Paris zu reisen, um die verachtete Constitution zu beschützen, die Ur- 3. Juli. heber des Frevels zur Strafe zu ziehen und den König zu retten. Aber

theils die Abneigung der Königin gegen den „Bürgergeneral", theils seine eigene Unschlüssigkeit machte seinen Plan scheitern. Er kehrte zur Nordarmee zurück, verfolgt von dem Haß und dem Mißtrauen der Jacobiner.

§. 719. Der Sturz des Königthums am 10. Auguft. Hatte der König durch die Pöbelercesse in den Tuilerien bei den Bessern an Ansehen gewonnen, so beförderten die verkehrten Schritte der Emigranten und die Hoffahrt der feindlichen Anführer die Absichten der Republikaner. Der Krieg war endlich ausgebrochen *) zum großen Jubel der preußischen Offiziere, die von dem „militärischen Spaziergang", wie sie den französischen Feldzug ansahen, sich leichte Mühe und schönen Gewinn versprachen. Unter der Anführung des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, eines mit reichen Gaben des Geistes und Gemüthes ausgestatteten Fürsten, der in der Schule Friedrichs des Großen gebildet und von dem Glanze der Siege des siebenjährigen Krieges mit verherrlicht bei den Zeitgenossen im höchsten Ansehen stand, rückte eine preußische, durch eine Abtheilung Hessen verstärkte Armee in Lothringen ein. Das österreichische von Clairfait (Clerfait) commandirte Heer war ihm untergeordnet, und 12,000 Emigranten, die sich anschlossen, brannten vor Begierde, das,,Advocatenregiment" zu stürzen und Rache an ihren Widersachern zu nehmen. Bei seinem Aufbruch erließ der Herzog ein von einem 25. Juli. Emigranten entworfenes, höchst ungeschicktes Kriegsmanifest voll beleidigender

Drohungen gegen die Nationalversammlung, die Stadt Paris, die Nationalgarde und alle der Neuerung ergebenen Franzosen, im Falle dem König noch ferner Zwang oder Gewalt angethan würde; sollten sich aber die Bewohner von Paris unterwürfig zeigen und ihr Unrecht bereuen, so würden Ihre kaiserliche und königliche Majestäten nach dem Einzug des Heers in die Hauptstadt sich bei König Ludwig verwenden, daß er ihnen ihre Verirrungen verzeihe. Diese hochmüthige Sprache machte auf das für die neue Ordnung begeisterte und für Freiheit und Unabhängigkeit glühende Volk einen unbeschreiblichen Eindruck. Es erkannte darin die dünkelhafte Gesinnung des ausgewanderten Herrenstandes, der wieder in den Besiß seiner Vorrechte, seines Eigenthums und seiner Macht treten wollte, und wurde mit dem größten Ingrimm erfüllt gegen die Emigranten, die durch ihre Sittenlosigkeit den französischen Namen im Ausland schändeten, gegen ihre Schüßer, die so eben Polen getheilt, und gegen den Hof, der ihren Bestrebungen fördernd entgegen kam. Diese Stimmung benutzten die Jacobiner zum Sturz des Königs. Die Bewegungspartei hatte bereits durchgesezt, daß die Anklage gegen die Häupter des Stadtraths, Pétion und Manuel, wegen der Pöbelexcesse in den Tuilerien niedergeschlagen ward; sie hatte den Beschluß der Nationalversammlung,,,das Vaterland sei in Gefahr", benutzt, um zur Zeit des zwei13. Juli ten Bastillenfestes aus Marseille, Brest u. a. Seestädten Schaaren des verworfensten Pöbels, selbst Galeerensclaven nach Paris zu berufen und in allen Städten und Dörfern eine neue Militärmacht zu gründen; jetzt errichteten die Jacobiner ein Aufstandscomité und bearbeiteten die rohen und handfesten

1792.

« ZurückWeiter »