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legenheiten, um derentwillen der Papst gekommen war, wurde nichts verhandelt, und Bius VI. mußte sich mit der Ehre begnügen, die man ihm in Süddeutschland, namentlich in Bayern, zu Theil werden ließ.

2) Reformen der bürgerlichen Verhältnisse. Zu den segensreichsten Einrichtungen Josephs II. gehören die Begründung der persönlichen Freiheit durch Aufhebung der Leibeigenschaft, die gleichmäßige Besteuerung aller Staatsbürger ohne Unterschied des Ranges nach Maßgabe des einer neuen Vermessung (Katastrirung) unterworfenen Grundbesitzes und die Gleichstellung vor dem Gesetze ohne Ansehen der Person oder des Standes. Freilich gab seine Raschheit und Schonungslosigkeit bei der Ausführung manchen Anstoß und verletzte bestehende Rechte und verjährte Gewohnheiten. Auch suchte er den Wohlstand seiner Staaten durch Beförderung der Landescultur, der Viehzucht und der Gewerbthätigkeit zu heben; er verbot die Einführung fremder Weine und Kunstwaaren, bes, ftrafte den Schleichhandel mit unerbittlicher Strenge und öffnete dem österreichischen Verkehr einen Weg nach dem schwarzën Meer durch Verträge mit den Türken. Der Versuch, die freie Ausfuhr auf der Schelde zu ertrotzen und dadurch den Handel von Antwerpen zu heben, verwickelte ihn in einen Krieg mit den Holländern, worin er zwar einige Vortheile erlangte, aber von seinem Vorhaben abstehen mußte (§. 677).

§. 688. Josephs Streit mit den Niederländern und Ungarn. 3) Einführung einer gleichförmigen Staats- und Gerichtsorgani= sation. Josephs Plan, die verschiedenen dem österreichischen Scepter unterworfenen Bölfer, die ihre eigenthümlichen Rechte und Verfassungen hatten, nach Einer Form zu regieren und zu Einer großen Nation und in Ein Reich umzuwandeln, scheiterte zunächst in Belgien und Ungarn. Jenes bestand aus einer Anzahl von Landschaften mit herkömmlichen Rechten, Freiheiten und Einrichtungen, worunter die durch die sogenannte Joyeuse entrée verbriefte Verfassung Brabants am berühmtesten war. Ein Statthalter und ein Minister repräsentirten den Kaiser und leiteten die. Berwaltung; aber die Stände der einzelnen Provinzen mußten bei allen wichtigen. Fragen, besonders in Betreff der Abgaben, zu Rathe gezogen werden, und die Regierung des Landes befand sich gänzlich in den Händen eingeborner Beamten. Die meisten Landschaften hatten eigene, unabhängige Obergerichte, unter denen besonders der große Rath von Brabant in hohem Ansehen stand. Von größter Bedeutung war die reiche und mächtige Geistlichkeit, in teren Händen sich aller Unterricht befand und die auf das Volk einen unbegrenzten Einfluß übte. Diese seit Jahrhunderten bestehenden Zustände wagte Joseph gleichfalls umzugestalten. Er theilte das Land in neun Kreise mit eben so vielen Intendanten, errichtete einen ́ obersten Regierungsrath, und vereinigte alle Gerichte zu einem einzigen höchsten Justizhofe in Brüssel. Dann tastete er die kirchlichen Einrichtungen an, indem er,' wie in Desterreich, Toleranz gewährte, mehrere Klöster einzog, die Werkheiligkeit beschränkte und eine durchgreifende Schulreform, besonders der Universität Löwen, vornahm. Dies erregte zuerst einen Aufstand bei den ganz unter geistlichem Einfluß; stehenden Studenten der Hochschule. Kaum war dieser gedämpft, so gab sich der Unwille gegen die neue Verwaltungsart und Rechtspflege durch eine allgemeine, vom Klerus und Adel geleitete und von rohen Pöbelercessen begleitete Empörung kund. 1787. Die Stände von Brabant verweigerten die Steuern, bis die Neuerungen abgestellt wären; die Städte errichteten eine bewaffnete Bürgermacht, um die Herstellung des alten Zustandes zu erzwingen. Da der Kaiser als Bundesgenosse von Rußland gerade in einen Krieg mit den Türken verwickelt war, so versprach die bestürzte Landesregierung in ihrer Rathlosigkeit die Wiederherstellung der alten Ordnung, um die Empörung niederzuschlagen. Allein Joseph versagte seine Einwilligung. Zwar versprach er hinsichtlich der Verwaltung und des Gerichtswesens ihrem Verlangen zu willfahren, aber die kirchlichen Neuerungen und die Reform der Universität und des

Beber, Geschichte. II. 9. Aufl.

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Unterrichtswesens sollten fortbestehen. Jest brach der Sturm von Neuem los. Um= sonst versuchte das österreichische Militär den Aufstand mit Gewalt zu unterdrücken; das empörte Volk trieb die schwache Kriegsmacht zurück, worauf sich die nieders 1790. ländischen Provinzen für unabhängig erklärten und in Brüssel einen Congreß einsetzten. Bei diesen Vorgängen war die Einwirkung von Frankreich nicht zu verkennen, so verschieden auch das Ziel war, nach dem man in beiden Ländern strebte; denn in Belgien kämpfte man für den Fortbestand dessen, was man in Frankreich abstellen wollte. Diese Vorgänge und die ähnlichen Erfahrungen in Ungarn brachen dem reizbaren Kaiser das Herz.

Joseph hatte sich nämlich die auf ihre herkömmlichen Rechte und Institute eifersüchtigen Ungarn gleich nach seiner Thronbesteigung dadurch entfremdet, daß er sich nicht dem früheru Gebrauche gemäß in Preßburg krönen, sondern die heilige Krone der Ungarn nach Wien bringen ließ (wodurch er den Eid auf die ungarische Verfassung, die ihm große Fesseln angelegt hätte, umging), dann daß er, um bei seinen beabsichtigten Reformen freie Hand zu haben, keinen Reichstag einberief, und endlich, daß er deutsche Colonisten auf ungarischem Grund und Boden ansiedelte und statt der bisher üblichen lateinischen Sprache die deutsche zur Geschäftssprache erklärte, und alle Ungarn zur Erlernung derselben anhielt. Die Verstimmung wurde durch die nachfolgenden Maßregeln des Kaisers noch vermehrt, so wohlthätig dieselben auch für dieses aristokratisch regierte Land gewesen wären. Die Aufhebung der Leibeigenschaft und des Zunftzwangs, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Bereinfachung der Verwaltung und Rechtspflege u. dgl. m. erbitterten den mächtigen Adel; die Verminderung der Klöster und die Duldungsverordnung den katholischen Klerus; beide benutzten ihre Macht und ihren Einfluß auf den unwissenden Bürger und Bauer, um diesen durch Vorspiegelung von Gefahren und Rechtsverletzungen in Aufregung zu bringen, so daß auch hier drohende Bewegungen entstanden, die den im Türkenkrieg beschäftigten Kaiser nöthigten, die meisten Verordnungen wieder zurückzunehmen.

Das Mißlingen seiner menschenbeglückenden Pläne, die Verkennung und Miß20. Febr. Deutung seiner edelsten Absichten nagten an dem Leben des Kaisers und beschleunig= ten seinen Tod, dessen Keim er in den ungefunden Donauländern während des Türkenkriegs eingesogen. Seine leßten Worte,,,er habe das Unglück gehabt, alle seine Entwürfe scheitern zu sehen," bewiesen, wie sehr seine Seele von dem schmerzlichen Bewußtsein einer fruchtlosen Lebensthätigkeit geknickt war. -,,Das 18. Jahrhundert mit seiner Philanthropie und Humanität, und doch wieder seiner Härte und Gewaltthätigkeit, wo es galt, die theuern Theorien durchzuführen, die Zeit voll wunderlicher Widersprüche, bald für die Freiheit schwärmend, bald brutal despotisch, hier von einem höheren Bewußtsein des Rechts erfüllt, dort wieder jedes Recht mißachtend, tolerant und doch auch wieder unfähig, eine fremde Meinung zu toleriren, diese seltsame Zeit war kaum in einer bedeutenden Persönlichkeit so scharf ausgeprägt, wie in Joseph IL" Sein Bruder und Nachfolger Leopold II., milder und nachgiebiger als Joseph 1790–52. und von weniger erregbarer Natur, führte in Belgien und Ungarn die alte Verfassung und die gewohnten Einrichtungen wieder zurück, beschwichtigte Adel und Klerus durch günstige Verheißungen und stellte durch kluge und geschmeidige Staatskunst mit Preußen das gestörte gute Vernehmen her. Dadurch kehrte allmählich die Ruhe im Reiche zurück. Doch erst nachdem er mit Waffengewalt die uneinig gewordenen Republikaner in den Niederlanden zur Unterwerfung gebracht, gelang ihm die Auflösung des Congresses.

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Leopold II. und Franz II. Leopold, als Großherzog von Toscana ein eben so eifriger, nur mit mehr Besonnenheit handelnder Reformator wie sein Bruder, huldigte als Kaiser den entgegengesetzten Grundsäßen, indem er nicht nur die meisten Neuerungen seines Bruders in Kirche und Staat wieder abstellte, sondern auch aus Furcht vor den

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1835.

französischen Revolutionsideen die Rede- und Drucfreiheit beschränkte und mit Preußen ein Schuß- und Trußbündniß gegen Frankreich schloß. Sein baldiger Tod bewahrte ihn vor dem verhängnißvollen Krieg, zu dem ihn Friedrich Wilhelm II. zu drängen suchte und den dann sein Sohn Franz erbte, ein Fürst, in dessen Charakter die widersprechend- Franz. ften Züge vereinigt waren. Eifersüchtig auf seine unbeschränkte Fürstenmacht und von dem eigenliebigen Wahn“ erfüllt, daß die Erhaltung seiner Person das wichtigste Augenmerk des ganzen Staats sein müßte, verfolgte er Alles, was dieser absoluten Herrschermacht entgegentrat und die Heiligkeit seiner Person zu gefährden schien; und die Herzenshärte und Gefühllosigkeit, die er bei einzelnen Gelegenheiten an den Tag legte, wo seine Eigenliebe verletzt oder sein Mißtrauen gereizt ward, stellten nicht selten die Züge von Gutmüthigkeit und Popularität, den „Rest von dem großen Schaße von Volksglück, Liebe und Treue, den er mit dem Reiche von seinem Vater überkommen hatte," in Schatten. Ein natürlicher Feind der Josephinischen Neuerungen ließ er in innern Dingen den verderblichen Einfluß des finstern Thugut walten, ,,des Mannes byzantinischer Schule, der von Josephs II. mäßigern Einlenkungen schroff zu dem alten Systeme der Ferdinande zurücksprang, und an die Stelle jener schwunghaften Josephinischen Thätigkeit den todten Mechanismus der Centralisation, der Amtsformen und der polizeilichen Ueberwachung zurücbrachte.“ „Kaiser Franz II. schätzte die Wissenschaft nicht als reine, freie und gesunde Blüthe des menschlichen Geistes, sondern nur als Dienerin äußerer Zwecke; er verlangte keine gelehrten, sondern gute Bürger; daher gewährte sie auch nur spärliche Früchte und lonnte das Leben nicht durchdringen und veredeln. In Erziehung, Unterricht, Verwaltung herrschten die überkommenen Formen vor; mechanisches Getreibe ersetzte und verdrängte die lebendige Bewegung der Geister, welche selbständige Glieder des Staatsverbandes in wohlgeordneten Grenzen zu einem gemeinschaftlichen Ziele treibt; das Unterrichten ward ein Abrichten, das Regieren ein Erfüllen bestimmter Vorschriften. Mit besonderer Vorliebe bildete der Kaiser die Hinterlassenschaft seines Vaters, die italienische geheime Polizei aus; sie ward vorsichtshalber in verschiedene Zweige getrennt, um jeden durch die andern zu überwachen, mit gesonderten Personen und Geschäften, welche in des Kaisers Person zusammenliefen und den Fluch des Aushorchens und Angebens unglaublich vervielfältigten. Kein Papier in den Wohnungen war sicher.” — „Die natürliche Folge dieser kurzsichtigen Politik, welche jede geistige und sittliche Höhe fürchtet und dem Streben der Nation seine edelsten Ziele nimmt, war die allgemeine Richtung auf finnlichen Genuß, das Einreißen einer sittlichen Verderbniß, welche nachhaltiger als politische Bewegung die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung unrettbar zerstört. Der sittenreine Kaiser duldete in seiner nächsten Umgebung übelberüchtigte Leute, und zog fie, als abhängig, edleren Naturen vor. Die Entsittlichung der höchsten Stände durfte ungehindert wuchern, und warf in Wien selbst die äußere Scham ab.“

rich II.

1740

1786.)

§. 689. c) Preußen. 46 Jahre lang regierte Friedrich II. den preußischen (FriedStaat mit unumschränkter Gewalt und fügte demselben Schlesien, einen Theil von Bolen und das Fürstenthum Ostfriesland bei, so daß bei seinem Tode das von seinem Vater ererbte Reich um 1325 Quadratmeilen und mehr als drei Millionen Einwohner gewachsen und eine europäische Großmacht mit schiedsrichterlichem Ansehen über Deutschland geworden war. Als Selbst herrscher, ohne leitende Minister, Günstlinge oder einflußreiche Mätressen, verwaltete er den Staat ganz eigenmächtig und führte viele einen neuen Zustand begründende oder vorbereitende Reformen ein. Doch ging er dabei mit großzer Umsicht zu Werke, übereilte nichts und fing nicht mit Dingen an, mit denen man besser endet. Von dem Grundsaß ausgehend, daß der König der erste Diener des Staats sei und daß die Wohlfahrt der Gesammtheit sein erstes und höchstes Ziel sein müsse, hatte Friedrich überall das Glück des Volkes im Auge; nach seiner Ansicht wäre der Fürst für die Gesellschaft,

was der Kopf für den Körper; dieser Stellung könne er aber nur genügen durch die größte Pflichttreue und die angestrengteste Thätigkeit. Seine Hauptforge war der materiellen Verbesserung seiner Staaten und der Vermehrung seiner Einkünfte zugewendet. Zu dem Ende löste er die Fesseln des Handels und der Gewerbe, ließ Kanäle graben, Flüsse schiffbar machen und die Seehäfen reinigen, legte Fabriken an (die Berliner Porzellan-Fabrik u. a.) und berief Handwerker und Künstler aus dem Auslande. Ferner beförderte er den Ackerbau, die Forstcultur und den Bergbau und suchte die unbebauten Gegenden seines Reiches durch Anlegung von Colonien zu cultiviren. Doch führte ihn mitunter sein Verbesserungseifer auch auf Maßregeln, die seinem Lande nicht angemessen waren, wie die Seidenzucht in Pommern und Brandenburg und der Weinbau bei Potsdam. Die Wunden, die der fiebenjährige Krieg geschlagen, suchte er nach Kräften zu heilen, indem er die herabgekommenen Gutsbesißer und Fabrikanten in Schlesien und der Mark mit beträchtlichen Geldsummen unterstüßte, ihnen auf mehrere Jahre die Steuern erließ und das Loos der Bauern erleichterte. - Mit dem Wohlstand der Unterthanen stiegen auch die Einkünfte des Monarchen, auf deren Vermehrung er ungemein bedacht war. Durch Dekonomie in dem Staatshaushalt, durch Verminderung der Besoldungen der höhern Staatsdiener, durch Einfachheit der Hofhaltung wurden große Summen erspart und durch Hebung der Gewerbthätigkeit, des Handels und Ackerbaues ward es ihm möglich, die Abgaben zu erhöhen, ohne die Unterthanen zu drücken. „Indem er selber das nachahmungswertheste Beispiel sparsamer Entbehrung aufstellte, mit äußerster Thätigkeit über Noth und Mißbrauch wachte, einem Jeden gleiches Recht und gleichen Schuß angedeihen ließ und alle Hülfsquellen eben nur wieder der Wohlfahrt und Größe des Staates selber zuwandte, erschienen wohl die Lasten leich ter, die der hohe Preis dieser Macht und Größe waren." Erst später schritt er zu lästigen und harten Maßregeln. Dahin gehörte vor allen die Zoll- und Accise= Administration (Regie), die Friedrich wahrscheinlich auf den Rath des französi schen Generalpächters Helvetius, zur Erhebung der indirecten, auf Kaffee, Tabal, Salz und andere Artikel gelegten Steuern einrichtete und die aus vier reichbesoldeten französischen Ober-Zollbeamten und etwa 1000 Unterbeamten derselben Nation be stand. Diese Zöllner suchten jeden Schleichhandel mit den besteuerten Waaren (Contreband) zu verhindern und machten durch ihren Uebermuth und ihre Brutalität die ehnehin für den Bürger und Bauer so drückende Einrichtung im höchsten Grade verhaßt. Allein durch diese Zolladministration und durch die dem Volkswohlstand gleichfalls gefährlichen Lotterien brachte es der König dahin, daß seine Staatskasse troß des großen Aufwandes für Heer- und Kriegswesen und für großartige und kostspielige Bauwerke (Berliner Opernhaus, Domkirche, Universitätsgebäude, neuer Palast und Luftschloß Sanssouci in Potsdam u. v. a.) stets gefüllt war und er seinem Neffen Friedrich Wilhelm II. einen baaren Schaß von 72 Millionen und ein trefflich gerüstetes Heer ron 200,000 Mann zurücklassen konnte. Dem Kriegswesen, auf dem Preußens Macht vorzugsweise beruhte, blieb Friedrichs Hauptsorge zugewendet, daher es bei Errichtung der Berliner Ritterakademie und mehrerer Cadettenhäuser zunächst auf Bildung des jungen Adels zu Offizieren abge= sehen war. Diese Begünstigung des einheimischen und fremden Adels im Militär auf Kosten der Bürgerlichen trug indessen viel zu dem Verfall des Heerwesens bei, der sich bald nach Friedrichs Tod fund gab. Am wenigsten erfreute sich das Kirchen- und Schulwesen der Aufmerksamkeit des Königs. Die Schulstellen kleiner Orte mußten ihm oft zur Versorgung verabschiedeter Unteroffiziere dienen, indeß die höhern Anstalten häufig der Leitung von Franzosen überlassen wurden. Was aber Religion und Kirche betrifft, die in der Regel unter zu wenig Pflege von Oben besser gedeihen als unter zu viel, so war es ein großer Vortheil, daß Friedrich zuerst den

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Grundsat christlicher Toleranz aufstellte und praktisch übte. Er stand vermöge seiner Bildung und seiner freidenkenden Geistesrichtung über dem Gezänke der Theolegen und den kleinlichen confessionellen Streitigkeiten, und wenn gleich die französische Philosophie, der er huldigte, keineswegs als eine erfreuliche Erscheinung begrüßt werden kann, so wirkte sie doch in sofern vortheilhaft, daß sie der Vernunft ihre Rechte zurückgab, den Religionshaß minderte und eine freiere humane Bildung begründen half. Größere Sorgfalt widmete Friedrich dem Gerichtswesen, wo er eine Menge Uebelstände abstellte. Die Tortur und die grausamen und entehrenden Stra= fen des Mittelalters wurden aufgehoben; der Gerichtsgang ward vereinfacht und beschleunigt; die Gesetze unterlagen zeitgemäßen Reformen; das unter seinem Nachfelger Friedrich Wilhelm II. als preußisches Landrecht eingeführte neue Gefeßbuch wurde unter Friedrich vorbereitet. In diesem ,,allgemeinen Landrecht" sprach sich der Gedanke aus, daß Preußen ein Rechtsstaat, daß selbst die Gewalt des Königs den bestehenden Gesetzen unterworfen sei, daß landesherrliche Verordnun= gen niemals als Gesetze angesehen, daß die,,natürliche Freiheit" des Bürgers niemals weiter beschränkt werden könne, als es der Zweck des gemeinschaftlichen Wohles erfordere." Er wollte dadurch ein Recht etabliren, welches sich blos auf Vernunft und Landesverfassung gründe." Wichtiger aber als alle Verordnungen und Einrichtungen war es, daß Friedrich II. selbst von Allem Kenntniß nahm, auf seinen Reisen fich nach Rechtspflege und Verwaltung genau erfundigte, die Säumigen antrieb, die Gewissenlosen bestrafte. Durch seine unermüdliche Thätigkeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend erlangte er eine umfassende Einsicht in alle Zustände seines Reichs; und sein dictatorisches Wesen, das selbst den Stock nicht verschmähte, schreckte die Trägen und Ungerechten. Friedrich II. war eine Persönlichkeit, an deren Größe sich die gesammte Nation ohne Unterschied der Stämme, der Meinungen, der religiösen Belenntnisse wieder erhob. Der unermüdliche, thätige und wachsame König in seiner schlichten, anspruchslosen Erscheinung, seinem scharfen Auge, seinem unverwüstlich gefunden Sinne, seiner Verachtung des Scheins, der Lüge, der Schmeichelei, seiner Gerechtigkeitsliebe ist in zahllosen Geschichten, Erzählungen und Anekdoten in alle Kreise des Volkslebens eingedrungen und wie keine andere Persönlichkeit unserer Geschichte das Lebendige Eigenthum der Nation geworden. Er ist der einzige Mann, tem es mitten in der Zerrissenheit gelang, im ganzen Kreise der Nation populäre Wurzeln zu schlagen." Nur eine Eigenschaft ist oft mit Recht an dem großen König getadelt worden seine Vorliebe für das Fremde und seine Verkennung, ja Berachtung des Vaterländischen. In der Sprache und Literatur lag die Ursache nahe. Als er den Thron bestieg, beherrschte Gottsched und seine Schule die deutsche Poesie und den Geschmack, und ihre geistlosen Nachahmungen und Ueberfezungen französischer Dichtungen konnten dem hochstrebenden Fürsten nicht genügen. Er wendete sich der klaren und glatten, aber hohlen und phantasielosen Kunstpoesie der Franzosen zu, bewunderte Voltaire als Dichter und Philosophen auch dann noch, als sie sich in Feindschaft getrennt und einander die bittersten Dinge gesagt hatten, und unterhielt mit den literarischen Notabilitäten Frankreichs einen ununterbrochenen Briefwechsel in französischer Sprache. In seinen spätern Jahren hatte Friedrich weder Luft noch Zeit, die Ansichten seiner Jugend zu ändern; er verschloß seine Augen vor der gänzlichen Umgestaltung der deutschen Literatur durch Klopstock und Lef= fing (Anb. §. 68). - Aber nicht blos in der Literatur war Friedrich ein Verehrer des französischen Geschmacks: das ganze Thun und Treiben dieser Nation wurde bewundert und nach Möglichkeit nachgeahmt. Französische Abenteurer fanden zu Hunderten in Preußen Ehre und Unterhalt, und da diese Bewunderung des Fremden. auch an andern Höfen zum guten Ton gehörte, so wimmelte es in allen Gegenden Deatschlands von luftigen Franzesen. Pariser Friseurs, Sprachlehrer und Tanz=

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