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Abneigung mit den Jahren zu, so daß Friedrich endlich, als der Vater aus Laune deffen beabsichtigte Vermählung mit einer englischen Prinzessin, oder, wie es in andern Nachrichten heißt, mit Maria Theresia von Desterreich, nicht gestattete, mit 1730. einigen jungen Freunden den Plan faßte, sich durch die Flucht der väterlichen Gewalt zu entziehen. Eine Reise des Königs in die Rheingegenden schien eine günstige Gelegenheit zu bieten. Aber ein aufgefangener Brief Friedrichs an seinen Vertrauten, den Lieutenant von Katte, brachte das Geheimniß an den Tag. Der König schäumte vor Wuth. Er ließ den durch ein Kriegsgericht als Ausreißer zum Tode verurtheilten Kronprinzen auf die Festung Küstrin bringen und Katte vor dessen Fenstern hinrichten; Alle, von denen der König nur den leisesten Verdacht eines Einverständnisses mit seinem Sohne hatte, wurden von dem über die Verlegung seiner hausväterlichen Autorität aufgebrachten Monarchen schwer gezüchtigt. Friedrichs Schwester (die durch ihre Denkwürdigkeiten bekannte nachmalige Markgräfin von Bayreuth) erhielt als Mitwisserin Faustschläge ins Gesicht. Erst als Friedrich reumüthig des Vaters Vergebung anflehte und der Kaiser sich für ihn verwendete, wurde er aus der Festung entlassen, mußte aber noch einige Zeit auf der Domänenkammer in Küstrin arbeiten, ehe ihm Uniform und Degen zurückgegeben wurden. Bald darauf erfolgte Friedrichs Vermählung mit einer Fürstentochter von Braunschweig-Bevern, allein sein Geist fand wenig Gefallen an den engen Schranken der Häuslichkeit; er sah seine Gemahlin selten, besonders seitdem ihm der Vater das Städtchen Rheinsberg überlassen, wo er fortan im Kreise geistreicher, gebildeter und freidenkender Freunde (wie Kaiserling, Jordan, Chazot, Fouquet u. A.) ein von Witz, Scherz und munterer Unterhaltung erheitertes und von ernsten und vielseitigen Studien gehobenes Leben führte. Er las die Werke der Alten in französischen Uebersetzungen und schöpfte daraus die edle Ruhmbegierde, an Großthaten und Geistesbildung den griechischen und römischen Helden nachzustreben; er bewunderte die französische Literatur und faßte für Voltaire eine solche Verehrung, daß er ihm die schmeichelhaftesten Briefe schrieb und den persönlichen Umgang eines so großen Geistes als das höchste Glück pries; mit den bedeutendsten Gelehrten und Schriftstellern des In- und Auslandes trat er 1740. in brieflichen Verkehr. Kein Wunder, daß seine Thronbesteigung in ganz Europa als ein wichtiges Ereigniß angesehen ward, zumal da gleich seine ersten Handlungen den großen und freisinnigen Regenten beurkundeten.

Des Vaters kostspielige Riesengarde wurde abgeschafft und das Geld beffer angewendet. Der Philosoph Wolf ward von Marburg nach Halle zurückberufen, weil in Friedrichs Staaten „Jeder nach seiner Façon selig werden könne“. Voltaire besuchte den König und nahm später sogar auf längere Zeit seinen Aufenthalt in Berlin; aber der persönliche Umgang, der die eigennüßige, selbstsüchtige und eitle Natur des Franzosen, so wie sein von Neid und Bosheit erfülltes Herz an's Licht brachte, benahm dem König viel von seiner frühern Bewunderung. Ein so spottsüchtiger Mann wie Voltaire, der nie einen Witz oder einen pikanten Einfall, wie verleßend sie auch sein mochten, unterdrücken konnte, war nicht zum Umgang mit einem Fürsten von ähnlicher Natur geschaffen. Besser eigneten sich dazu minder bedeutende Geister, wie der wegen seiner freigeistigen Denkungsart aus Frankreich verwiesene wißige Spötter La Mettrie und der materialistische Philosoph d'Argens. Der französische Mathematiker Maupertuis wurde zum Präsidenten der von Friedrich wieder begünstig. ten Berliner Akademie der Wissenschaften ernannt.

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§. 655. Kirchliches. a) Verfolgungen. Religionswechsel. Vereinigungsversuche. Die Bestimmungen des westfälischen Friedens hinderten die Jesuiten und Römlinge nicht, nach wie vor die Befehrung der Protestanten mit allen Mitteln zu betreiben und das friedfertige Nebeneinanderleben der verschiedenen Confeffionen zu stören. Einige katholische Regierungen (wie die österreichische) fuhren

31. Dct.

1732.

fort, ihren andersgläubigen Unterthanen die Ausübung ihres Gottesdienstes und den Genuß der Sacramente zu versagen und dadurch allmählich die kirchliche Einheit in ihren Erbstaaten zu begründen. In Oesterreich war der Uebertritt von der protestan tischen zur katholischen Kirche der sicherste Weg zu Aemtern und Würden, wie die faiferlichen Räthe Bartenstein, Wiesenhüter und der Feldmarschall Traun bewiesen. Wo die Glaubenstreue dem Bekehrungseifer und den Verlockungen widerstand, schritt man (wie in Schlesien u. a. D.) zu Landesverweisungen. Siebenbürgen ward den österreichischen Evangelischen Freistätte und Exil. In Salzburg waren seit dem 16. Jahrhundert stille Gemeinden Evangelischgesinnter als fleißige Unterthanen geduldet worden, bis der Erzbischof Firmian sie mit Gewalt befehren wollte. Hundert Aelteste schwuren auf die Hostie und geweihtes Salz in einer einsamen Kluft der Schwarzach unter der Sonntagsmorgendämmerung dem dreimaleinigen Gott Treue am evangelischen Glauben und einander ein brüderlich Herz im Unglück." Das erzbischöfliche Emigrationspatent vertrieb sie unter den här= testen Bedingungen von Haus und Hof; an 20,000, welche in ihrer Heimath an 1731. Hab und Gut noch über 24 Millionen Gulden zu fordern hatten, fanden Gastfreundschaft in Preußen, wo ihre Abkömmlinge noch heut zu Tage mitten unter litthauischer Bevölkerung ungemischt fortbestehen. Die Vermögenderen unter ihnen kauften sich Freigüter, die Unbemittelten erhielten Kossäthenhöfe, die sie auf ihre Kinder vererben konnten. Dreihundert wurden im nächsten Jahr mit englischer Hülfe nach der damals neuen Colonie Georgia gebracht und mit Grundbesit versehen. Ihre Nachkommen haben sich durch Fleiß, Sparsamkeit und häusliche Tugend Wohlstand erworben. Am härtesten war der Druck der Reformirten in der Pfalz unter den katholischen Kurfürsten, besonders als die Clausel des Ryswicker Friedens (§. 626), daß der Gottesdienst in dem Zustande verbleiben solle, wie er während der französi= schen Occupation gewesen, den Bedrückungen einen Schein von Recht verlieh. Die Alagen der Pfälzer Reformirten über Druck und Beeinträchtigung waren ein stehender Artikel auf dem seit 1663 permanenten Reichstage von Regensburg, wo die Gesandten der protestantischen Stände (Corpus Evangelicorum) eine machtlose Echusbehörde bildeten. Als einmal mehrere protestantische Höfe, wie England, Holland, Preußen, sich der bedrängten Bürger Heidelbergs annahmen und es dahin brachten, daß der Kurfürst Karl Philipp die den Calvinisten entrisseue Kirche zum heiligen Geist wieder herausgeben und den Gebrauch des Heidelberger Katechismus gestatten mußte, rächte sich derselbe durch Verlegung seiner Residenz nach Mannheim. Das Kirchengut kam zum großen Theil in die Hände der begünstigten Religionsge= nossenschaft, und Verführung, Gewalt und weltliche Vortheile brachten Viele zum Abfall. - Nächst der Bedrückung der Evangelischen war besonders das Hinüberzieben einzelner Fürsten zur katholischen Kirche ein Mittel zur Beförderung des Kathoficismus und zur Erhaltung der Uneinigkeit in Deutschland. Sachsen erhielt dauernd, Braunschweig (in Anton Ulrich, 1710), Würtemberg (in dem genußfüchtigen und verschwenderischen Karl Alexander) vorübergehend katholische Regenten; das pfalzzweibrüdische Regentenhaus, das jetzt den bayerischen Thron besist, trat in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur katholischen Kirche über. Da seit Ludwig XIV. diese Art Religionswechsel als Beweis feiner Vildung und vornehmen Wesens galt, so wurde in den höhern Kreisen der Uebertritt zum römischen Glauben immer häufiger.

Die Versuche, auf friedlichem Wege durch Ausgleichung der UnterscheidungsLehren eine kirchliche Einigung herbeizuführen, waren im 17. und 18. Jahrhundert von feinem beffern Erfolg begleitet als im Reformationszeitalter. Als Ca= lirtus, zur Zeit des 30jährigen Krieges Professor in Helmstädt, ein edler, durch Bücher und Reisen vielseitig gebildeter Mann, der Theologie eine freiere Haltung zu

1720.

geben suchte, einen sittlichen Wandel (gute Werke) höher stellte als den Glauben an den Buchstaben der Concordienformel, und eine Vereinigung der verschiedenen Confessionen für möglich hielt, wenn alle auf die Concilienbeschlüsse der fünf ersten Jahrhunderte zurückgingen und sich damit begnügten, so entstand ein heftiger Sturm der Orthodoren gegen ihn. Man nannte sein Streben Religionsmengerei (Synkretismus), schalt ihn einen geheimen Papisten und eiferte gegen das Religions1645. gespräch in Thorn, wodurch eine Versöhnung bewirkt werden sollte. Calixtus fand Schuß bei seinem Fürsten und Achtung bei den höhern Ständen des In- und Auslandes; aber der Uebertritt einiger seiner Schüler zur katholischen Kirche rechtfertigte die Furcht und den Zorn seiner Wittenberger Gegner. Ein Menschenalter später griff einer der größten Gelehrten und scharfsinnigsten Denker aller Zeiten - Leibnizden Plan einer Vereinigung der Confessionen wieder auf und trat deshalb mit Boffuet in Verbindung; er überzeugte sich jedoch bald, daß jedes derartige Streben erfolglos fei, so lange man in Rom die Protestanten als verirrte Abtrünnige ansehe, die nur durch reumüthige Rückkehr in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche Versöhnung erlangen könnten. Auch er stand in dem (ungegründeten) Rufe eines heimlichen Katholiken. Vereinigungsversuche der evangelischen und reformirten Confession wurden besonders von Brandenburg aus, aber mit gleicher Erfolglosigkeit, betrieben. Die Bemühungen der calvinischen Kurfürsten (seit 1613, §. 563), durch mildere Faffung der Unterscheidungslehren die Vereinigung allmählich herbeizuführen, scheiterten an dem Eifer der lutherischen Geistlichkeit und Landstände. Doch trat endlich die durch viele Einwanderungen von Calvinisten vermehrte reformirte Kirche gleichberechtigt neben die lutherische.

§. 656. b) Pietisten, Herrnhuter. Methodisten. Bei der Richtung, welche die protestantische Theologie seit dem westfälischen Frieden genommen, war Gefahr vorhanden, daß über der dürren Orthodoxie und dem Glauben an den Buchstaben der symbolischen Bücher, die das Evangelium aus der Kirche allmählich verdrängt hatten, das christliche Leben und die Wärme des religiösen Gefühls ganz zu Grunde gehe. Beides durch Wiederbelebung des Bibelstudiums zu erwecken, war das Streben des in Straßburg gebornen, in Frankfurt und DresSvener den wirksamen und in Berlin als Probst verstorbenen Philipp Jacob Spener und 1705. seiner Freunde und Anhänger, die von der übertriebenen Kundgebung ihrer Fröm migkeit im äußern Leben Pietisten genannt wurden.

1635

1687.

Hermann
Franke

Speners Hausversammlungen (collegia pietatis, seit 1670) weckten eine fromme Innigkeit durch erbauliche Auslegung der H. Schrift und durch christliches Gespräch. Seine „frommen Wünsche“ ermunterten zu einer Reformation der verdorbenen Kirche: durch die Schrift sollte die Kirche wieder erbaut und der geistliche Stand zur Gottseligkeit erzogen werden, damit das Christenthum, in apoftolischer Einfalt gepredigt, wieder die Religion des Herzens und der That werde. Spener suchte, unter großer Anfeindung der Orthodoxen, durch Wort und That, durch Predigt, Katechisation und Erbauungsschriften und besonders durch die unter seinem Einfluß von jüngern Gelehrten in Leipzig gegründete Gesellschaft zur Auslegung und frommen Nuganwendung der H. Schrift, religiöses Gefühl, chriftliche Gesinnung und Glaubensinnigkeit zu erwecken und den theologischen Wortkram zu verdrängen.

Unter Speners Jüngern zeichnete sich besonders ans Herm. Franke, dessen 1727. von Studenten und Bürgern fleißig besuchte Vorlesungen über das Neue Testament so sehr den rechtgläubigen Eiferern mißfielen, daß sie seine Vertreibung aus Leipzig bewirkten. Die Uebersiedelung Franke's und des gleichfalls aus Leipzig verdrängten freisinnigen Christian Thomasius nach Halle gab Veranlassung zur Gründung der Universität Halle (§. 653), wo Franke eifrig bemüht war, durch Predigten,

1690.

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Arnold

Bibelauslegungen und Erbauungsschriften einen frommen Sinn, ein gottseliges Leben zu schaffen, die heilige Schrift in die Hände des Volks zu bringen und in Schule und Haus christliche Gesinnung einzuführen. Das von ihm gegründete Waisenhaus ist ein Siegesdenkmal des Gottvertrauens und der Menschenliebe". Von ähnlichem Geiste beseelt war der an Gottesfurcht und christlicher Tugend reiche Gottfried Arnold, der in seinen geistlichen Liedern religiöses Gefühl der leeren 1666Glätte der Franzosen entgegenseßte und in seiner unparteiischen Kirchen- und Keşerhistorie das bestehende Kirchensystem und die orthodoxe Schuldogmatik befämpfte, indem er zu beweisen suchte, daß die herrschende Kirche oft weniger vom wahren Geist des Christenthums beseelt gewesen sei, als die verfolgten und untertrüdten Eecten. Dieses in herzlicher Sprache und frommer Gesinnung verfaßte Buch erregte einen Sturm des Beifalls und des Widerspruchs. In seinem Leben der Gläubigen" und in seiner,,Historie und Beschreibung der mystischen Theologie oder geheimen Gottesgelahrtheit" zeigt Arnold, wie reich das innere gottbegeisterte Leben derer ist, die nach einem höhern religiösen Ziele streben. Arnolds Mosheim Kirchengeschichtliche Erzählungen regten den gelehrten Mosheim zu ähnlichen For Roshe schungen an, woraus die erste wissenschaftliche Kirchengeschichte hervorging.

Anfangs war das Streben und die Wirksamkeit der Pietisten, welche den Protestanten die von Luther erstrittenen Vortheile zurückgaben, höchst wohlthätig. Sie redeten in der Sprache der Bibel zum Gemüthe des Volks und kämpften für Glaubensfreiheit von dem Drude der Schultheologen und Consistorien und für Erweckung wahrer Religiosität im Herzen des Bolks; als aber ihre Gegner endlich, überwunden vom Geiste der Zeit, verftummten, da „verlor der Pietismus mit dem freien reformatorischen Geiste seine Energie und erschien als mattherzige Gefühlsreligion, welche, nächst der Scheu vor jeder weltlichen Freude und Herrlichkeit, das Christenthum unter dem alleinigen Gesichtspunkt des natürlichen Sündenelends und der Rechtfertigung durch den Versöhnungstod auffaßte“. Ein hochmüthiger Sec tengeist, gegründet auf den Glauben an eine geistige Wiedergeburt, trat an die Stelle der frühern Herzenseinfalt und Christenliebe und bewirkte, daß der Pietismus in einem sittlich entnervenden Sündenbewußtsein ohne freudige Glaubenskraft in einer einseitigen Methode eines ängstlichen und weltflüchtigen Lebens verkam.

Unter der Form einer Gemeindeverfassung erscheint der Pietismus in der vom Grafen von Zinzendorf gegründeten Herrnhuter Brüdergemeinde. Böh= mische und Mährische Brüder, die, vor Defterreichs Religionsverfolgungen flüchtend, fidh auf des Grafen Gütern in der Laufis niedergelassen und das Dorf Herrnhut ge= gründet, bildeten die Grundlage der von Zinzendorf selbst eingerichteten Religions= gemeinschaft, die sich dem Lehrbegriff nach der Augsburger Confession anschloß, aber eine eigenthümliche kirchlich - politische Verfassung annahm und eine auf genauer Kenntniß aller Mitglieder beruhende strenge Kirchenzucht einführte. Die sanfte, tändelnde und mit sinnlichen Bildern und Gleichnissen (von den Wunden des Lammes, das der Welt Sünden trägt) überfüllte Sprache der Herrnhuter gab ihren Reden und Liedern, die der unmittelbare Erguß des Herzens sein sollten, ein mattes, süßliches Gepräge. Um den verschiedenen protestantischen Confessionen den Zutritt zu erleichtern, gestattete Zinzendorf drei Arten (Tropen) des Lehrbegriffs, den mährischen, lutherischen und reformirten; denn das Wesen der Brüderunität follte nicht in einem besondern Lehrbegriff, sondern in der christlichen Färbung und religiösen Gemüthlichkeit und in der traulichsten Liebe zum Heilande bestehen. Das deutsche Element in der Brüdergemeinde bildete mehr das heimathliche Stillleben aus, das mährische aber, dem Leiden und Wirken für den Herrn zur andern Natur geworden war, ergriff die Pilgerschaft, um dem Heiland Seelen zu gewinnen. Glaubensboten (Missionare) trugen die Ansichten der Herrnhuter ins Ausland und

1755.

Binzen

dorf

1700-60.

1722.

Metho

disten.

Swedens borg

unter die Heiden Westindiens, Afrika's und Amerika's; die Heidenmission wurde ein wesentlicher Bestandtheil ihres Gemeindelebens. Die Herrnhuter verpflanzten ihr stilles Haus-, Familien-, Handwerker- und Industrieleben unter die heidnischen Naturvölker, um ihnen erst Beispiel und Grundlage für ein höher gestiftetes Christenleben, Familie und Arbeit, darzubieten.

Die Verfassung der Herrnhuter Kirchengemeinde ist den ersten Christengemeinden nachgebildet. Aelteste, Bischöfe und Diakonen bilden die Vorsteher der Gemeinde, die aus mehreren (nach Alter, Geschlecht und ehelichem Stande getrennten) Chören besteht. Jeder Chor hat einen eigenen Chorherrn zur Leitung der Seelsorge und Andachtsübungen. Die ganze Brüder-Unität wird durch die von der Generalfynode ernannten und alle 4—10 Jahre ergänzten Aeltesten-Conferenz verwaltet. Die Kirchenzucht wird strenge gehandhabt. Unfittliche werden zuerst durch ernste Vermahnungen zur Besserung aufgefor dert; bleiben diese wirkungslos, so erfolgt Ausschließung vom Abendmahl und endlich Ausstoßzung aus dem Gemeindeverband. Strenge, auf häufiger Andachtsübung und Communion beruhende Kirchlichkeit, verbunden mit Arbeitsamkeit, Reinlichkeit und Fernhaltung weltlicher Mode- und Spielsucht und Lustbarkeit sind die Mittel zur Bewahrung kirchlichen Sinnes und eines sittlichen Wandels. Die Geschlechter werden getrennt gehalten und die Ehen nur mit Bewilligung der Aeltesten geschlossen. Handel, Gewerbfleiß und Sparsamkeit erzeugen Wohlftand. Eine unter der Leitung der Aeltestenconferenz stehende Gemeindecasse dient zur Unterftügung der Missionen und zur Beförderung der Unitätsinteressen. Für Erziehung der Jugend zu frommen, sittlichen und thätigen Menschen ist die Brüdergemeinde mehr bedacht als für wissenschaftliche Ausbildung.

Eine ähnliche Erregung wie der deutsche Protestantismus durch die Pietisten und Herrnhuter, erfuhr die englische Kirche durch die Methodisten. Ursprünglich ein Verein frommer Studenten, die sich zu Oxford um John Wesley († 1791) sammelten, und wegen ihres ,,pedantisch heiligen Lebens" Methodisten genannt wur den, erlangten sie durch ihre religiöse Tiefe, durch ihren sittlichen Wandel und durch ihre Sorge für die Geringen im Volke in England und Amerika bald eine große Wirksamkeit. Neben Wesley war der eifrige Prediger Whitefield († 1770) Gründer und Träger des methodistischen Christenthums. Die Methodisten schieden nicht aus der englischen Episcopal-Kirche aus, sondern suchten vielmehr derselben ein Sauerteig gegen Erstarrung" zu sein; nur wo ihnen die Landeskirchen verschlossen wurden, predigten fie im Freien, oder erbauten sich eigene Bethäuser, Tabernakel ge nannt. Von den anglicanischen Geistlichen vielfach verfolgt, gründeten sie zuleßt einen eigenen Gemeindeverband mit strenger Kirchenzucht unter Synoden und Superinten denten. Die Verderbniß des natürlichen Menschen, die Erlösung durch Christi Tod und die Buße und Wiedergeburt bilden die Grundlehren der Methodisten. Als An= fang eines neuen gottseligen Lebens fordern sie eine ,,im Bewußtsein bemerkte, gern auch leiblich stürmisch verkündete Zeit des Durchbruchs zur Gnade." Mit den Herrn hutern haben sie die Gliederung der Gemeinde in Klassen und Unterabtheilungen ge= mein. In der Ansicht von der Gnadenwahl trennten sie sich in calvinistische Whitefieldianer und in arminianische Wesleyaner (§. 531). Die Methodisten nahmen sich des armen verwahrloften Volkes an und brachten den Sklaven in Westindien und Amerika den Trost des Evangeliums und die Hoffnung der Erlösung. Wilberforce's heiliger Kampf für die Freiheit ist vom Methodismus ausgegangen (§. 794. 3).

Um dieselbe Zeit stiftete Emanuel von Swedenborg, ein vielseitiger, durch 1688 gründliche Schriften über Mechanik und Bergbaukunde ausgezeichneter Gelehrter von Stockholm, die Kirche des neuen Jerusalem. Tiefes Forschen nach den Geheimnissen der Natur, innere religiöse Kämpfe und das Studium der mystischen

1772.

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