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Joh. Bapt. Lulli (geb. zu Florenz 1633, geft. zu Paris 1687) wurde Gründer der großen französischen Oper. Molière war zuerst Director einer wandernden Schauspielertruppe, bis ihm die Leitung und Anordnung der königlichen Bühne übertragen wurde. Molière verband mit der Kenntniß des antiken Drama's und der spanischen Bühne tiefe Menschenkenntniß und ein vollkommenes Verständniß seiner Zeit mit allen ihren Gebrechen. Sorgfalt bei der Ausarbeitung und Gewandtheit und Leichtigkeit im Versemachen gaben seinen Dichtungen eine hohe Vollendung und Glätte der Form, seinem Dialog die echt französische Grazie.

Uebrigens muß man unter Molière's Dramen die schnell entworfenen Gelegenheitsstücke (wie la princesse d'Elide, l'amour médecin und selbst les fâcheux) von den ausgearbeiteten und klassischen Stücken unterscheiden. In diesen wußte er geschickt die antike Charakterkomödie und ihr moralisches Ziel mit den spanischen Intriguenstücken, in denen die Anlage, die Verwickelung des Knotens und der Begebenheit die Hauptsache ist, zu verbinden. Unter seinen zahlreichen Stücken heben wir hervor: die Affectirten (les précieuses ridicules), worin die damals herrschende Ziererei und Sentimentalität, die Affectation des Geschmacks, Alles geistreich und originell sagen zu wollen, und die gezwungene Complimentensucht dem Spotte preisgegeben wird; die Schule der Männer und die Schule der Frauen, worin die Resultate einer verkehrten Behandlung der Frauen dargestellt werden, gehören nach Anlage, Charakterzeichnung und Sprache zu seinen gelungensten Stüden; in der dramatischen Posse Kritik der Schule der Frauen machte er die albernen Beurtheilun gen dieses Drama's lächerlich. Der Menschenfeind (misanthrope) ist durch den Streit Rousseau's und d'Alemberts über die Errichtung eines Theaters in Genf berühmt geworden, wobei jener das Stück einseitig sophistisch tadelte und dieser es eben so einseitig sophistisch vertheidigte. Das Komische und Lächerliche eines tactlosen Wahrheitsfreundes in einer unwahren Welt und eines ungeschickten Vertheidigers wahrer Empfindung im gewöhnlichen Verkehr des Lebens ist freilich für das größere Publikum zu fein. Um daher das Volk nicht leer ausgeben zu lassen, verfaßte Molière von Zeit zu Zeit Possen und Nationalfarcen zur Belustigung der Menge. Dahin gehören: Der Arzt wider Willen, der Bürgeredelmann, Georg Dandin, Sganarelle, Scapins Schelmen streiche u. a. Nachdem Molière noch im Geizigen und in den gelehrten Frauen Gebrechen seiner Zeit gegeißelt, bearbeitete er das vollendetste seiner Stücke, den Tartuffe, worin er das scheinheilige Treiben der Frömmler und Pietisten, die unter der Maske der Religion eigennützige und weltliche Absichten und sinnliche Begierden verbergen, auf eine so anschauliche Weise darstellte, daß in den höhern Kreisen, wo solche Heuchelei damals häufig vorhanden war, ein heftiger Sturm gegen das Stück erhoben wurde und es nur selten zur Aufführung kam.

Wie groß Molière's Verdienste im komischen Drama waren, ersieht man aus dem ungeheuren Abstand der nächstfolgenden Komiker, unter denen nur der durch Regnard sein ungeregeltes Abenteurerleben wie durch seine Schicksale bekannte Regnard eine 1709. Erwähnung verdient. Aber selbst bei ihm können wißige Einfälle und komische Si

1647

1694

tuationen den Mangel an Tiefe und Menschenkenntniß, die Molière in so hohem Grade besaß, nicht erseßen. Der,,Spieler" und der Universalerbe" sind unter seinen Stücken am merkwürdigsten, jenes, weil er darin sich und sein eigenes zerrissenes Leben darstellt, dieses als Sittenspiegel der Zeit. Ein Menschenalter Voltaire nach Racine und Molière hat der geistreiche, vielseitige Voltaire auch der Bühne 1778. feine Aufmerksamkeit und seine Feder zugewandt. Er erreichte aber weder in der Tragödie noch in der Komödie seine Vorgänger. Seine Lebhaftigkeit und Flüchtigkeit hinderte ihn an einer sorgfältigen Ausarbeitung, was eine mindere Bollendung der Form zur Folge hatte, und der Mangel eines tiefern religiösen Gemüths und ernster sittlicher Grundsäße benahm seinen Tragödien die Gediegenheit und Würde der ältern. Mit Vergnügen wirft seine Muse das tragische Gewand von sich

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ab und erscheint mit frivoler Geberde auf dem Markt, wo ein vornehmer oder niedri= ger Böbel an dem Gemeinen seine Freude hat." Geist, Wiß und Talent, die er in hohem Grade besaß, waren nicht vermögend, diesen Mangel zu decken, so sehr auch seine Eitelkeit ihn glauben machte, daß diese Eigenschaften zur Ueberwindung aller Schwierigkeiten hinreichten.

In Zaïre und Alzire suchte Voltaire durch chriftliche Gesinnung zu rühren, obwohl er sein Leben lang das Christenthum bekämpfte; im Oedipus, Brutus und Cäsars Tod steht er an Kenntniß der Geschichte und Zustände des Alterthums weit hinter Corneille und Racine zurück; in der Merope suchte er die Majestät des griechischen Drama ohne Beiziebung der romantischen Liebe zu erneuern; im Mahomet wollte er die Gefahren des Fanatismus, oder vielmehr des Glaubens an irgend eine Offenbarung schildern, entstellte aber auf schnöde Art einen großen geschichtlichen Charakter.

marchais

† 1782.

Bon Voltaire's jüngern Zeitgenossen spiegelte Beaumarchais in dem leben- Beaus digen, durch kunstreichen Plan und Anlage ausgezeichneten und mit pikanten An- 1732-99. spielungen angefüllten Lustspiel „Figaro's Hochzeit" die elegante Frivolität und fittliche Auflösung der höhern Stände (vgl. §. 800 b. C.) und Diderot in seinen Diderot in Prosa geschriebenen und in Deutschland von Jünger, Iffland und Kotzebue nachgeahmten bürgerlichen Dramen (,,der Hausvater“, „,der natürliche Sohn“ u. a.) die Wirklichkeit treffend ab. Diderots dramaturgische Ansichten, daß die Erscheinun= gen natürlich, die Motive moralisch sein müßten, bewirkten, daß das Rührende, Natürliche und Empfindsame lange als nothwendig für das Drama angesehen ward. Auch die (später von Metastasio ausgebildete) italienische Oper wurde durch Mazarin in Frankreich eingeführt und durch den Dichter Quinault und den Componisten Lulli zu hoher Vollendung gebracht.

1636

§. 629. Die übrigen Dichtungsarten. Einer der angesehensten Dichter in Ludwigs XIV. Zeit war Boileau (Despréaux), der Horaz der Franzosen. Boileau Sein Hauptverdienst bestand in der vollendetsten Ausbildung der französischen 1711. Sprache und des Stils, so daß er als Gesetzgeber der poetischen Formen und des Geschmacks angesehen ward.

Sein bedeutendstes Werk sind seine Satiren, worin er mit Freimüthigkeit die Heuchelei und Anmaßung der Jesuiten, die durch ihr Journal de Trevoux den französischen Geschmack bilden und leiten wollten, die Erbärmlichkeiten der zahlreichen Dichterlinge und die Gebrechen seiner Zeit züchtigt; in seinen Episteln erscheint Boileau als niedriger Schmeichler des Königs, dessen Gunst und Schuß er sich auf diesem Wege erwarb; durch seine Poetik, die er verfaßte, als er auf dem Gipfel seines Ansehens stand, wurde er Gefeßgeber der Dichtkunst nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa, so niedrig auch sein Standpankt und so oberflächlich sein Urtheil ist. Dem komischen Heldengedicht „das Chorpult“ (le lutrin) fehlt es nicht an interessanten Partien und erheiternden Scherzen.

Baptist

In seinen Oden fette Boileau seiner Schmeichelei die Krone auf; aber gerade diese Gattung bewies seinen Landsleuten, daß er eigentlich kein Dichter, wenigstens kein Odendichter sei. Die Oden und geistlichen Lieder des mürrischen, aus Frankreich verwiesenen Joh. Baptist Rousseau, des Schüßlings des Prinzen Jobann Eugen, haben bei aller Frostigkeit doch viele Vorzüge vor denen Boileau's. Der ge- Rouneau lesenste Dichter Frankreichs ist Lafontaine, dessen Erzählungen und Fa- † 1741. beln sich noch jetzt in Aller Händen befinden. In einer Welt voll Zwang, Förmlich taine keit und steifem vornehmem Wesen bewahrte er stets seine angeborne Naivetät, † 1694feine heitere Unbefangenheit und seine kindliche Natur. 3m Leben wie in der Literatur wußte er sich von allen Kunstregeln frei zu halten und den fremden Stoffen durch leichte und anmuthige Behandlung,,,naturnachahmende Mannichfaltigkeit des Ausdruds und Musik der Verse" ein,,gallisches Gepräge" zu geben.

Lafon

† 1747.

In seinen dem Boccaccio und den alten Provençalen nachgebildeten Erzählungen findet sich zwar nicht die offene Unsittlichkeit jener ältern Dichter, aber an schlüpfrigen und Lüfternen Stellen ist auch bei ihm kein Mangel. Die durch Leichtigkeit des Stils und Anmuth der Darstellung ausgezeichneten Fabeln wurden als Schul- und Kinderbuch in allen Familien bekannt und dienten den folgenden Fabeldichtern als Vorbild, so sehr auch ihre breite Geschwätigkeit dem Wesen der echten Fabel entgegen war.

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Was das Epos betrifft, so blieb dasselbe seit den durch Richelieu veranlaßten, aber von der Nation verschmähten Versuchen Chapelains u. A. unbearbeitet, bis Voltaire durch seine Henriade auch diese Gattung nach der Meinung der Franzosen zur Vollendung brachte. Aber die historisch treue Schilderung eines Bürgerfriegs in wohllautenden Alexandrinern mit allegorischen Figuren ist von einem echten Heldengedicht sehr weit entfernt. Dagegen ward die dem Epos verwandte Gattung des Romans von den Franzosen frühe ausgebildet. Von den breiten, der alten Geschichte entnommenen Romanen Calprenède's und der Scudéry ging man zu dem historischen Roman über und schilderte die Zeitgeschichte (Gräfin von Lafayette, † 1693); im komischen Roman war der als Gemahl der berühm= ten Frau von Maintenon bekannte wißige Dichter Scarron ausgezeichnet; aber 9. den größten Ruhm erlangte Lesage durch gelungene Bearbeitung der spanischen Romane, worunter die vielgelesene,,Geschichte des Gil Blas von Santillana“ durch seine klassische Darstellung und der hinkende Teufel" durch seine Anspielungen auf Personen, Zustände und Geschichten von Paris zu jener Zeit am bekanntesten sind. Zur epischen Dichtung gehört auch das merkwürdige, in poetischer Fenelon Prosa geschriebene Buch Fenelons, Erzbischofs von Cambray, die Abenteuer 1715. Telemach 8, ein Werk von edlem Geist und freisinnigen politischen Grundsäßen, das eine solche Verbreitung erlangte, daß es in alle europäischen Sprachen überseßt worden ist und nächst der Bibel und der Nachfolge Christi (§. 357) die meisten Auflagen erlebt hat. Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christ= licher Gesinnung und Tugend, war Erzieher der königlichen Enkel und schrieb dieses an Homers Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem Erben des Thrones die Pflichten eines Regenten anschaulich zu machen und ihn vor den Irrwegen zu bewahren, auf welche Ludwig durch seine Herrschsucht, seine Ruhmbegierde und seine Kriegsliebe geführt worden.,,Dem kriegerischen, verfolgenden, prächtigen, absoluten Königthum Ludwigs XIV. sett er ein friedliches, tolerantes, den Gesegen unterworfenes, auf die Förderung eines unschuldigen, einfachen Volkslebens gerichtetes entgegen, das offenbar das Ideal seines Zöglings (des Herzogs von Burgund) sein sollte."

1651

Da die dort aufgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung Ludwigs XIV. als eine Satire auf die lettere gelten konnten und man hie und da Anspielungen zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon aufgebrachte König nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch - religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tod wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwürdige Abhandlung (,,Anweisungen für das Gewissen eines Königs") beigefügt, in der Fenelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsäße einer von Räthen aus dem Volke umgebenen constitutionellen Monarchie ableitete, die regelmäßige Einberufung der Generalstände empfahl und die Verwaltung des Staates nach festen Geseßen zur Geż wissenssache der Regenten machte. Nicht in der Größe und dem Glanze eines Reiches, sondern in der Wohlfahrt der Angehörigen desselben sieht er das Ziel der Staatsverwaltung. Die zur Vergrößerung des Reichs oder für den Ruhm eines Fürsten geführten Kriege werden in den Schriften Fenelons auf das Entschiedenste verdammt. Alle Staaten gehören nach ihm einer einzigen großen Genossenschaft, dem menschlichen Geschlechte an,

demnach sind alle Kriege nur Bürgerkriege. Bei ihm findet sich zuerst die schöne Idee der Philanthropie klar ausgesprochen. „Fenelon würde es vorziehen, wenn die Macht niemals mit der Religion in Verbindung gerathen wäre; in ihm erscheint die individuelle Keligion, auf ein unmittelbares Verhältniß der geistlichen Spiritualität zu ihrem göttlichen Urquell, die sich nur vor Abwegen zu hüten hat, gegründet, von der Idee des menschlichen Geschlechts durchdrungen; seine Sprache strebt nach der Leichtigkeit und Anmuth, die das Ideal des achtzehnten Jahrhunderts bildet."

§. 630. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig der Prosa-Literatur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden Journale, sowohl politische als literarische. Unter den letztern waren am bedeutendsten das im Sinne der katholischen Kirche und des Pariser Hofes redigirte Journal des Savans (seit 1665), die von Leclerc (Clericus) und Bayle in den Niederlanden geleiteten Nouvelles de la république des lettres im protestantisch-freisinnigen Interesse und das JesuitenJournal de Trevoux. Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der Jansenisten (Pascal u. A.) mit den Jesuiten Veranlassung gegeben, ist schon oben (§. 617) die Rede gewesen.

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1617

Bayle, ein während der Huguenottenverfolgungen aus Frankreich in die Nie- Bayle derlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und hellsten 1706. Köpfe der Zeit. Sein Grundsat, daß die menschliche Vernunft nur vermögend sei, Irrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Uns tersuchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufgedrückt. Er be= fämpfte mit Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klarheit alle Irrthümer und Vorurtheile in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben und unterwarf alles Vorhandene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungen und Religion seinem prüfenden Berstand. Seine Schriften waren um so wirksamer, als er Meister des Stils war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch wißige und unterhaltende Darstel= lung und Anekdoten ein Interesse zu geben wußte.

Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er an eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine gelehrten Forschungen und skeptischen Betrachtungen anreiht, ein Buch, das, bei aller Ruhe und Gewissenhaftigkeit der Forschung, zum Zweifel und Unglauben anregt und daher von jeher heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat. Ergriffen von den Leiden der Verfolgung, schrieb er ferner das berühmte Büchlein: „über die religiöse Toleranz“, deren Werth er aus eigener Erfahrung kennen gelernt hatte, und unterstüßte darin seine Bernunftgründe durch Sprüche und durch den Geist der Bibel.

1627

Auf entgegengeseztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Huguenottenbelehrer und Eiferer für katholische Rechtgläubigkeit bekannte Bossuet, Bischof von effuet Meaux, ein fluger, ehrgeiziger Prälat, der bei seinem kirchlichen und literarischen 1704. Wirken vor Allem nach der Gunst des Hofes strebte und die Wahrheit der kirchlichen Offenbarung durch historische Studien zu beweisen suchte. Er verfocht die religiöse Iree, wie sie sich mit dem Staat gleichsam verschmolzen hat, und die einmal festge= jeste Doctrin, mit der Sicherheit, welche wohlbegründete Ueberzeugung und tieferes Berständniß gewähren, in dem majestätischen Ausdruck der Kirchensprache des siebenzehnten Jahrhunderts."

Außer seinen geistlichen Reden und polemischen Schriften wider die Protestanten (die Geschichte der religiösen Beränderungen [variations] in der protestanti

+163.

Aubigné

schen Kirche) ist sein mit Kraft und Beredsamkeit geschriebenes, zunächst für den Dauphin Ludwig bestimmtes Werk über Weltgeschichte (discours sur l'histoire universelle), die er zuerst als ein Ganzes und mit christlicher theologischer Beziehung auffaßte, um die Wege zu zeigen, auf welchen die göttliche Vorsehung die Menschen geleitet, am bekanntesten. Seine Politik, worin er die Uebereinstimmung der Formen der französischen Monarchie mit den Aussprüchen der Heil. Schrift nachzuweisen sucht, gestattet dem Fürsten unumschränkte Gewalt und Autorität, den Unterthanen als Mittel gegen Willkür und Tyrannei demüthige Vorstellungen und Gebete. Bossuet trug, wie auch seine gefeierten Mitbewerber um die Palme der Kanzelberedsamkeit, Flechier, Bourdaloue u. A., tein Bedenken, die Ausrottung der calvinischen Keßerei als eine der preiswürdigsten Thaten des großen Königs zu rühmen.

Was die Geschichtschreibung angeht, so muß man die gelehrten, eine Zufammenstellung aller Materialien bezweckenden Arbeiten von den zur Unterhaltung und Belehrung geschriebenen Geschichtswerken unterscheiden.

Von jener Art find Tillemonts Schriften über die römische Kaisergeschichte und die ersten Jahrhunderte der chriftlichen Kirche, die Gibbon bei seiner Geschichte des Untergangs des römischen Reichs (§. 670) fleißig benutzt hat; Pagi's kritische Forschungen der kirchlichen Annalen des Baronius, ein gründliches und mit Geist abgefaßtes Werk vom freifinnigen Standpunkte der gallicanisch-katholischen Kirche; Beauforts kritische Schrift,,über die Ungewißheit der 5 ersten Jahrhunderte der römischen Geschichte“, worin mit gelehrter und kritischer Prüfung der Schriftsteller nachgewiesen wird, daß die traditionelle Geschichte des ältesten Roms nirgends eine urkundliche Gewähr für sich habe"; Rollins fleißige, aber kritiklose „römische Geschichte"; und Du Cange's Wörterbücher (Glossarien) über die Latinität und Gräcität des Mittelalters, wodurch das Verständniß des Feudalrechts und der Zustände des Mittelalters sehr gefördert ward. Diese und andere historische Sammelwerke verdankten der Protection des Königs ihren Ursprung und Fortgang. Auch die Werke des Alterthums wurden durch Ausgaben, Commentare und Uebersetzungen (Homer der Frau Dacier) zugänglicher gemacht; doch sind die Ausgaben der Klassiker zum Gebrauch des Dauphin (in usum Delphini) mehr durch ihre typographische Ausstattung als durch ihren innern Werth ausgezeichnet.

Unter den zur Belehrung geschriebenen Geschichtswerken steht die Ge= Mezeray schichte Frankreichs von Mezerah oben an. Dieser zwar keineswegs elegante, aber sehr gründliche Schriftsteller faßte das Nationalleben in seiner Tiefe und Lotalität auf und stellte, im Geiste der Fronde, der er einst durch Flugschriften ge= dient, das Abgabensystem und die damit verbundene Tyrannei in ein so grelles Licht, daß er darüber seine Stelle und den Gehalt eines königlichen Historiographen verlor. Von ähnlichem Geiste und von gleich kräftiger Sprache ist das ältere Geschichtswerk +1630. des Huguenotten d'Aubigné aus der Zeit der Religionskriege, „gedankenreich, markig und gedrungen". Neben dieser ernsten, gehaltvollen Geschichte nimmt die auf Unterhaltung berechnete Mittelgattung zwischen Geschichte und Roman eine Bertot untergeordnete Stelle ein. Dahin gehören besonders die Werke von Vertot (Ge= 1785. schichte des Malteserordens u. A.) und St. Real (Verschwörung von Venedig u. A.) +1652. und die zunehmende Zahl der Denkwürdigkeiten, unter denen die von Sully (§. 541, freilich von angefochtener Echtheit, aber ein herrliches Denkmal der Verdienste und hohen Gesichtspunkte des Ministers) und noch mehr die des Cardinals von Rey (§. 610) eine Auszeichnung verdienen. Die lettern sind als treues Abbild der bewegten Zeit der Fronde eben sowohl durch ihren Inhalt als durch den für die Kenntniß der Conversationssprache der vornehmen Kreise wichtigen Stil merkwürdig.

St. Real

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