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Dieser dritte Krieg begann mit einer barbarischen Maßregel. Um den Feinden das Eindringen in Frankreich unmöglich zu machen, beschloß Louvois mit Genehmigung seines despotischen Königs, durch Verheerung der Rheingegenden eine Wüstenei zwischen beiden Reichen zu schaffen. Sofort besezten französische Truppen unter harten Feldherren die Rheinpfalz, die sich von den frühern Kriegsleiden noch kaum erholt hatte, und verübten unmenschliche Grausamkeiten. Wie Mordbrenner fielen die wilden Schaaren über die blühenden Dörfer an der Bergstraße, über die reichen Städte am Rhein, über die Ortschaften der südlichen Pfalz her und verwandelten sie in Aschenhaufen. Der gesprengte Thurm des Heidelberger Schlosses ist noch jetzt 1689. ein stiller Zeuge von der Barbarei, mit der Melac und andere Anführer die Befehle einer grausamen Regierung vollzogen. Elisabetha Charlotte, die sich als die Ursache zu dem Ruin ihres Vaterlandes betrachtete, brachte in lautem Weinen die Nächte zu.

Heidelberg ging zum Theil in Flammen auf, nachdem die Neckarbrücke in die Luft gesprengt worden; Rohrbach, Wiesloch, Kirchheim, Baden, Bretten, Rastatt, Pforzheim u. a. D. wurden zerstört, Handschuchsheim, Ladenburg, Dossenheim, Schriesheim erholten sich nie wieder ganz von den Verheerungen, womit sie der,allerchrist= lichste" König heimsuchte; vom Haardtgebirg bis zur Nahe - Frankenthal, Alzey, Kreuznachrauchten Städte und Dörfer, Weinberge und Fruchtfelder; in Mannheim mußten die Einwohner selbst zerstörende Hand an die Festungswerke und Gebäude legen. Worms wurde mit Ausnahme der Domkirche in eine öde Brandstätte verwandelt und in Speyer verjagten die Franzosen die Bürgerschaft, zündeten die ausgeplünderte Stadt und den alten ehrwürdigen Dom an und trieben Hohn mit den Gebeinen der alten Kaiser. Die Festung Mainz und die meisten Städte des Kölner Erzstifts erhielten französische Besatzungen; tief in Schwaben und in Franken trieb der Reichsfeind Brandschaßungen ein. Man kann noch heute die Holzschnitte der Zeit, in denen über den Thürmen und Dächern so vieler altberühmten und kunstgeschmückten Städte die herausschlagenden Flammen und die darüber liegenden Rauchwolken abgebildet sind, nicht ohne Herzeleid ansehen.“

März

Juni 1689.

Troß der überlegenen Anzahl der Feinde behielten die von den ausgezeichnetsten Feldherren geführten Franzosen im Ganzen die Oberhand. In den Niederlanden siegte der talentvolle Marschall von Luxemburg, eben so 1690. tapfer und unternehmend als sittenlos und ränkesüchtig, bei Fleurus und Stenkerken über die Deutschen und Holländer; in Italien, wo Victor Amadeus II., der kluge Herzog von Savoyen und Piemont, sich Frankreichs 1691. Feinden angeschlossen, erfocht der tapfere, geistreiche und charaktervolle Catinat den Sieg von Staffarda, und am Oberrhein fühlten die Bewohner des 18. Aug. Breisgau's und Badens die Geißel französischer Einquartierung und Plünderung. Auch zur See machte sich der treffliche Zustand der französischen Marine geltend. Bei Dieppe siegte Admiral Tourville; und selbst die große Nie- 1690. derlage, die derselbe einige Zeit nachher durch die überlegene englisch-holländische Seemacht bei La Hogue erlitt, wo Frankreichs Flotte fast gänzlich zu Grunde ging, war so ruhmvoll für die französische Tapferkeit und Kriegsehre, daß man den Verlust verschmerzte, zumal da im nächsten Jahr Luxemburg

1690.

1692.

1693.

furz vor dem Ende seiner Heldenlaufbahn den glänzenden Sieg von Neerwinden über Wilhelm von Oranien davon trug, und in Italien und Spanien das Kriegsglück Frankreichs Fahne folgte. Auch in Deutschland, wo Ludwig von Baden, der talentvolle Zögling des mittlerweile gestorbenen Karls von Lothringen, an die Spiße der Kriegsmacht getreten war, blieb das französische Heer noch lange im Vortheil; Heidelberg und das Schloß fielen durch die Feigheit des Befehlshabers zum zweitenmal in die Hände der Feinde, die nun nachträglich zerstörten, was sie beim erstenmal verschont hatten, und zugleich dem Eigennutz und der Bekehrungssucht der Jesuiten und Kapuziner 1697. Vorschub leisteten. Spanien verlor Barcelona an Vendome und einige belgische Städte an andere Feldherren, und an der niederländischen Grenze wurde die feste Stadt Limburg bis auf wenige Mauern und Thürme von Grund aus zerstört. Um so mehr erstaunte man, daß Ludwig zu der allgemein 9. Mai- ersehnten Beendigung des Kriegs die Hand bot, und im Frieden von Rys1697. wick (einem großen mit Gärten und Laubgängen umgebenen Schloß zwischen Haag und Delft) sich viel genügsamer zeigte als in Nymwegen. Der Stand der Staatskasse, die selbst unter der Verwaltung des begabten Pontchartrain die Kriegskosten nicht länger zu bestreiten vermochte, und die durch die Huguenottenverfolgungen herbeigeführte, durch den Krieg vermehrte Stockung der früher so blühenden Gewerbṭhätigkeit und des Handelsverkehrs machten den Frieden für das erschöpfte Land nothwendig. Auch die höhern Stände litten unter der weitgreifenden Einkommensteuer (Capitation), zu welcher die Regierung, im Vertrauen auf den royalistisch-patriotischen Enthusiasmus der Nation, geschritten war.

30. Oct.

In diesem unter Vermittelung Schwedens in den strengsten Formen der Etikette abgeschlossenen Frieden behielt Ludwig von den spanischen Eroberungen nur eine Anzahl Orte, auf die er ein Recht zu haben vorgab, weil sie zu früheren Abtretungen gehörten, nebst der Insel St. Domingo; dem Herzog von Savoyen, den Ludwig XIV. schon im J. 1696 durch die Ueberlassung von Casale und Pignerolo auf seine Seite gebracht und dessen junge Tochter mit seinem Enkel, dem Herzog von Burgund, vermählt worden war, wurden alle Besizungen zurückgegeben, Holland erlangte Handelsvortheile und der Erbstatthalter die Anerkennung als König von England sowie die Versicherung, daß Ludwig die Feinde Wilhelms III. weder direct noch indirect unterstützen werde. Deutschland, von seinen Verbündeten verlassen, kam auch hier wieder am schlimmsten weg; es mußte nicht nur Straßburg und die elsässischen Reunionen gegen die Rückerstattung von Freiburg, Breisach und Philippsburg in den Händen der Franzosen lassen, sondern auch die aufgezwungene Klausel genehmigen, daß in allen protestantischen, von den Franzosen vorübergehend oder dauernd besessenen Ortschaften der katholische Cultus geduldet und das gegen Fürstenberg eingeleitete Gerichtsverfahren niedergeschlagen werden solle. Dagegen wurden Lothringen, dessen Herzog sich mit einer Nichte des französischen Königs vermählte, und Zweibrücken ihren frühern Besitzern zurückgegeben. Louvois, der Haupturheber des Kriegs, hatte die Beendigung nicht erlebt. Am 16. Juli 1691 war er plößlich an einem Schlaganfall oder, wie behauptet ward, an einer Vergiftung gestorben.

7. Frankreichs klassische Literatur.

§. 627. Die Akademie. Die romantische Poesie des Mittelalters, die in Frankreich frühe zu hoher Blüthe gediehen, wurde im 16. Jahrhundert durch die

+ 1553.

klassische Literatur des Alterthums und ihrer Nachahmer gänzlich verdrängt. Der wisige, von König Franz I. begünstigte Rabelais verspottete in seinem satirischen Rabelais Roman Gargantua und Pantagruel die romantische Poesie und ihre Helden. Seine auf einer alten Volkssage beruhende Geschichte von dem Riesen Gargantua und seinem Sohne Pantagruel ist eine von natürlichen Derbheiten, Unschicklichkei= ten, chnischen Ausdrücken und Obscönitäten angefüllte poetische Caricatur, die aber durch echten Volkswiß, durch komische und satirische Anspielungen, durch lebendige, anschauliche Schilderungen und durch volksthümlichen Spott, Scherz und Humer höchst anziehend und unterhaltend ist.,,In dem Abbild von Zuchtlosigkeit, voll abstoßender Nacktheiten, das er aufrollt, verbirgt sich ein tiefer Ernst." Er zieht das ganze öffentliche Leben in Kirche und Staat in den Bereich seiner Satire; er rügt die Irrungen aller Stände, die Mißbräuche der Justiz, die Erpressungen der Beamten, die Sittenlosigkeit des Klerus, alle offenen und geheimen Beschwerden des Volks. Rabelais' Zeitgenosse, der leichtfertige Clement Marot, der Ueberseßer der davis Glement dischen Psalmen, und der geschmacklose, von pedantischer Gelehrsamkeit stroßende Pet. † 1554. Ronsard ahmten die römischen Dichter, besonders Horaz und Ovid, so sklavisch + 1585. nach, daß sie sogar viele lateinische Worte und Wendungen in ihre franzöfifchen Ge- Jodelle

Marot

Ronsard

† 1628.

dichte einmengten, und Jodelle machte den ersten Versuch, das antike Drama (mit 4 1552. dem Chor) in Frankreich einzuführen. Selbst Malherbe, mit dem die Franzosen Malberbe ihre klassische Literatur beginnen, ist in seinen glatten und rhythmisch vollendeten, aber gedankenarmen und phantasielosen Gedichten zur Verherrlichung Heinrichs IV. und der emporkommenden bourbonischen Monarchie nur Nachahmer der Alten, von denen er die Correctheit des Ausdruckes lernte, und auch der Huguenottendichter Dü Bartas, dessen „Woche der Schöpfung“ von Milton benußt wurde, lehnte sich an das Alterthum an. Dieses enge Anschließen an die antiken Formen und Dichtungsarten verblieb der französischen Literatur auch dann noch, als durch Richelieu's Akademie (§. 609) für Sprache und Geschmack ein höchster Gerichtshof gegründet worden. Dieses unter königlichem Schuß stehende Institut benahm übrigens der französischen Literatur die freie Entwicklung und drückte ihr den Charakter der höfischen auf. Nur was die Grammatik und das Wörterbuch der Akademie als sprachrichtig bezeichnete, fand allgemeine Geltung und ihre Poetik und Rhetorik bestimmten die Formen und Regeln, wie man dichten und schreiben müsse. Hatte das Erstere wenigstens den Vorzug, daß die französischen Schriftsteller Sprache und Stil beachten und ausbilden mußten (ein Vorzug, der ihnen bis auf den heutigen Tag vor den deutschen geblieben ist), so schlug dagegen das Leştere jede Naturanlage, jede geniale Eigenthümlichkeit in die Schranken der Convenienz und der Regel. Nichts desto weniger verschaffte jene Eleganz der Form, jene Leichtigkeit und Gewandtheit des Stils, verbunden mit Frankreichs politischem Uebergewicht, der französischen Sprache und Literatur fast ein ganzes Jahrhundert lang die Herrschaft in Europa. Die für den geselligen Verkehr, für Conversation wie für Briefe besonders ausgebildete französische Sprache, auf deren Vervollkommnung die Hauptsorge aller Gelehrten und Dichter jener Zeit gerichtet war, blieb fortan die Sprache der Diplomatie, der Höfe und der höhern Gesellschaft; ihre Schriftsteller und Schöngeister standen mit den berühmtesten Fürsten und Staatsmännern in brieflicher Verbindung; dies begann schon mit Balzac und Voiture, deren zierliche Briefe von der schwedischen Christine, von Richelieu und von dem ganzen gebildeten Europa bewundert wurden. Wie sehr dagegen der Despotismus des Cardinals und seiner Schüßlinge in der Akademie jede wahre Poesie vernichtete, ersieht man aus den erbärmlichen Produkten eines Chapelain und Desmarets, die (jener durch seine Jungfrau von Orleans, dieser durch seinen Clovis) den Franzosen ein Nationalepos schaf=

Gorneille fen wollten, und aus dem Widerstand, den der einzig geniale Dichter, Peter Cor1606-84. neille von Rouen, bei Begründung eines National-Drama zu überwinden hatte.

§. 628. Drama. Corneille, Racine. Molière. Als Corneille nämlich wagte, ohne Zustimmung des Cardinals und der Akademie sein Hauptdrama, den Cid, auf die Bühne zu bringen, worin er den von den Spaniern entlehnten tragischen Stoff und die dem Euripides und Seneca nachgeahmte Form und prunkvolle Darstellung zu einem, in Sprache und Ton eigenthümlichen und den nach Effect haschenden Franzosen besonders zusagenden Dichtungsstücke umzuschaffen gewußt hatte, fanden der Cardinal und seine Freunde an diesem neuen Geschmack Bieles auszuseßen, mußten aber erfahren, daß die überall unterdrückte Nationalstimme wenigstens in der Literatur noch Gewicht habe. Denn während Chapelain im Namen der Akademie eine klassische Kritik des Cid ausarbeitete, und ein sehr mittelmäßi= ger Kopf, Scudéry, dessen Schwester durch ihre breiten Romane im falschen Geschmacke jener Zeit sich einen Namen und viele Nachahmer erworben, tadelnde Bemerkungen gegen denselben schrieb, fand Corneille's Drama solchen Beifall beim Volke, daß er dadurch ermuthigt ward, auf den Cid die Horazier und den Cinna folgen zu lassen. Das letztere Stück stand in inniger Beziehung zu den herrschenden Zeitideen über Königthum und höchste Gewalt. In ihm,,erscheinen die republikanischen Stürme und Zwistigkeiten, aus denen gehässige Leidenschaften und blutige Ereignisse entspringen, im Gegensatz mit der Monarchie, die, nachdem sie einmal begründet ist, keiner Gewaltsamkeiten zur Sicherung ihrer Zukunft bedarf und nur nach Verdienst belohnt und bestraft; die Fabel des Stücks beruht auf dem Widerstreite der Rachsucht, welche die Nachkommen der Besiegten erfüllt, und der Milde, mit welcher der Fürst sie entwaffnet". So wurde Corneille,,,eine zugleich bescheidene und hochstrebende, durch beschränkte Verhältnisse auf eine gewisse Fügsamkeit angewiesene, aber in sich selbst auf das Ideale gerichtete Natur“, der Schöpfer der dramatischen Poesie der Franzosen, die in der Form sich enge an die von den Alten gegebenen Muster anschloß, wie gleich sein erstes, dem Seneca nachgebildetes Drama „Medea“ bewies.

Aus Mißverständniß der aristotelischen Poetik (§. 99) wurde das Geseß der drei Einheiten (Zeit, Ort, Handlung), wornach alle Momente der tragischen Handlung an dem selben Orte und in dem engen Zeitraum eines Tages sich entfalten müßten, eigensinnig festgehalten, so groß auch die Unwahrscheinlichkeiten waren, in die sich die Dichter dadurch verwickelten. Der Stoff wurde gewöhnlich der griechischen und römischen Geschichte oder dem Oriente entnommen, aber die Helden traten mit der Feinheit der gebildeten Welt und mit den Sitten des französischen Hofes auf, eine Vermischung des Antiken und Modernen, die bisweilen höchst lächerlich erscheinen mußte; und da der Ton und die Bildung der vornehmen Kreise in die Poesie übertragen wurde, so konnte es nicht fehlen, daß ein kaltes Pathos und hohle Declamation häufig an die Stelle der Natur und der wahren Empfindung traten. Aber die Schönheit der Form und Sprache, die Glätte der Versification, die kunstmäßige Anlage entzückten ganz Europa und verschafften dem französischen Geschmace überall den Sieg. Aus den Alten schöpfte Corneille die Lehre, „daß die Nebensachen nicht auf die Bühne gebracht werden müssen, um das Gemüth nicht zu zerstreuen. Ihm kam es nur darauf an, die großen Motive, welche die Begebenheit innerlich beleben, den Kampf zwischen Liebe und Ehre, hervorzuheben, die großzen Gestalten der alten Romantik auf eine dem Sinne seiner Zeit gemäße Weise zu vergegenwärtigen. Damit berührte er eine Lebensader seiner Zeit." — Corneille's 33 Tragödien, unter denen die spätern den ersten nachstehen, haben sich auf der Bühne erhalten. Im „Polyeukt“ stellt der Dichter die siegreiche Macht und die Wahrheit der christlichen Ideen vor Augen und berührt darin die damals viel besprochenen Streitigkeiten „über Gnade, Vorherbestimmung und Freiheit“; im „Nicomède“ liegt die

Idee, „daß die Nationalfreiheit, das oberste aller Güter, von dem Fürsten um jeden Preis vertheidigt werden müsse“, im „Tod des Pompejus“ dagegen tritt die schwache und verrätherische Gewalt eines kleinen Fürsten und seiner Minister, welche ihr Verfahren mit empörenden Grundsätzen beschönigen, um so verächtlicher auf. Robogune" beruht auf der Leidenschaft, „welche den Zweck des Lebens in dem Besitze der Gewalt erblickt, alle durch die Sitte gebotene Zurückhaltung sprengt, aller Verhüllung entsagt und das innerste Wesen hervorkehrt; bis auch endlich die, mit der sie streitet, sich das Herz faßt, zu lieben und zu hassen, und dem Sohne Rache gegen seine Mutter zum Preise ihrer Liebe setzt. Es entstehen Situationen, welche zu den gräßlichsten gehören, die jemals auf der Bühne vorgekommen sind, aber eine Aber in dem nationalen Charakter und selbst in den Stimmungen der Zeit berühren.“ Ueberhaupt zeigen die Frauen Corneille's ,,die Mischung ehrgeiziger Theilnahme an den öffentlichen Dingen und persönlicher Leidenschaft, Liebe oder Rachsucht, wodurch seine Landsmänninnen nicht selten in die Geschichte eingegriffen haben“. Zuweilen erscheinen sie als Vertheidigerinnen der Nationalität, wie Sophonisbe und die Fürstin in „Viriathe“. In allen seinen Stücken rollt der Dichter „eine Welt voll großartig angeregter und energischer Naturen“ ver uns auf; sein Sinn war,,,nicht allein durch Schrecken und Mitleid, sondern auch durch Bewunderung den ethischen Zweck der Tragödie, die Reinigung der Leidenschaften zu erreichen.“

Der vollendetste dramatische Dichter Frankreichs, wenn gleich dem vorigen an Racine Kraft und Charakterschilderung nachstehend, ist 3. Racine, bei dem die Eleganz 1639-99.. der Form, die Schönheit der Sprache und der gleichmäßige Fluß der Rede unübertrefflich sind und verbunden mit der harmonischen Zusammenseßung und Klarheit der Anlage einen ergreifenden Eindruck hervorbringen.

In seinen beiden ersten Stücken (die „feindlichen Brüder“ und „Alexander") erscheint er als Nachahmer Corneille's; erst in der „, Andromache“ und im „Britannicus“ schlug er eine eigenthümliche Bahn ein und wurde national. In dem leßtern Stück ist die Schilderung des verfeinerten, von Tücke und Ränken umstricten römischen Hofs zu Nero's Zeit besonders interessant und gelungen, weil die ähnlichen Zustände des französischen Hofes unter Ludwig XIV. dem Dichter dabei vor der Seele standen, was seinem Gemälde Farbe und Leben gibt. Denn ein unbedingtes, rücksichtsloses Ergreifen und Wiedergeben des Gegenstandes wurde nur da recht durchführbar, wo das gesellschaftliche Leben selbst denselben bildete". In der,,Berenice" ist eine feine Schmeichelei auf Ludwigs erste Geliebte nicht zu verkennen. Das von der Herzogin von Orleans den beiden großen Dichtern zur Bearbeitung gegebene Süjet dieses Stückes bildet die Resignation eines großen Fürsten, des Kaisers Titus, auf eine leidenschaftliche Zuneigung (§. 221). Corneille legte nun den meisten Nachdruck auf die politischen und nationalen Motive, indeß Nacine den innern Streit mehr als Gegensatz zwischen Bernunft und Pflicht auffaßte und das Hauptgewicht auf die Bewegungen und Stürme der Seele bei der Nothwendigkeit einer Trennung legte. Im „Mithridates" entwickelte Nacine eine richtige Kenntniß des Alterthums, nur ist hier die Ansicht, daß in jedem Stücke ein Liebesverhältniß vorkommen müsse, besonders übel angewandt, von der,,Iphigenia“ und „Phädra“ behaupten die französischen Kritiker, besonders Laharpe, daß sie den Stücken des Euripides, die jenen als Vorbilder dienten, vorzuziehen seien; hinsichtlich der Anlage mögen sie vielleicht Recht haben, aber die kräftigen Züge und das echte Colorit des Alterthums, wie sie sich in Euripides bei allen Mängeln noch finden, fehlen der pomphaften und conventionellen Poesie der Franzosen gänzlich. In beiden hatte Racine den Höhepunkt seiner dichterischen Ausbildung erreicht, als Frau von Maintenon in eine Art Pietismus versank und an der weltlichen Dichtkunst Anstoß nahm. Sie beredete daher Racine zu den beiden letzten Dramen biblischen Inhalts: „Esther“ und „Athalie“, wovon jenes für die unter dem Schuß der Frau von Maintenon stehende weibliche Erziehungsanstalt von St. Cyr bestimmt war, das leßtere erst nach des Dichters Tod zur Aufführung kam.

Gleichzeitig mit Racine brachte Jean Bapt. Poquelin de Molière das Molière französische Lustspiel zur Vollendung und der talentvolle Musiker und Componist 1620-73.

Beber, Geschichte. II. 9. Aufl.

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