Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

anlassung zu dem grausamen Sklavenhandel, der eine Plage für den schwarzen Menschenstamm wurde, ohne jedoch den Untergang der kupferfarbigen Race zu hin= dern. Seine menschenfreundlichen Absichten wurden durch die Herzenshärtigkeit der europäischen Ansiedler in einen Fluch für die Menschheit verkehrt. Nicht besser war das Loos der Bewohner des amerikanischen Festlandes. Die Peruaner und Mexi= caner wurden (durch die Einrichtung der Repartimientos) als leibeigene Knechte spanischer Colonisten zu Arbeiten gezwungen, denen sie größtentheils erlagen; die Wilden wurden in die Urwälder getrieben, wo sie in alter Weise fortlebten; aber die Art neuer Anbauer, die sie mit reißenden Bluthunden jagten, raubte ihnen eine Strecke nach der andern, und durch den Verkehr mit der europäischen Cultur wurden fie in ihrem innersten Leben gebrochen. Die fremden der weißen Race angehörigen Uebersiedler besonders Spanier und Portugiesen, Briten und Franzosen, Deutsche und Niederländer eigneten sich die Herrschaft zu, indeß die farbigen Bewohner, Indianer und Neger, zu dem harten Loos der Unterwürfigkeit und Knechtschaft verdammt, zu einer geist und willenlosen Heerde gemacht wurden. „Von den alten Culturstaaten sind längst nur noch steinerne Trümmer übrig. Die Paläste im Heliadenreiche der Incas sind in Schutt und Staub zerfallen. Die Kaiserburgen der Azte= ken sind dem Boden gleich gemacht worden, die Teocalli's (Gößentempel) haben christlichen Kirchen weichen müssen. Ein,,dritter Lichtpunkt aufdämmernder Bildung", das Reich der Muhscas auf dem Hochlande von Bogota, ist seit Jahrhunderten erloschen. Kaum eine Sage deutet an, von wem einst jene großen Prachtstädte in Chiapas und Yucatan erbaut wurden, deren Trümmer uns mit Erstaunen und Bewunderung erfüllen. Ueberall ist der weiße Mann durch sein Schwert und seine überlegene Bildung Herr des Amerikaners geworden." Rasch wurden durch die Berührung mit der europäischen Menschheit den großen Reichen der Indianer,,die Flügel geknickt". Aber wie groß auch die Leiden und Bedrückungen der lebenden Geschlechter waren, Land und Bevölkerung wurden durch die Eroberung einem würdigeren Lebensziel entgegengeführt. Wie mit einem Zauberschlag gelang das große Werk, diese Völker dem Christenthume zu gewinnen und die Anfänge der Gesittung dort einzupflanzen, wo zuvor der roheste Naturzustand neben den Merkmalen einer frühen Entartung war, Menschenfraß neben chinesischem Luxus und Ceremonienprunk, Einfalt neben den Lastern eines verfeinerten Gesellschaftszustandes, Thierheit neben den Künsten. einer abgefeimten Despotie, das niedere Volk wie Lastthiere gedrückt, ohne Eigenthum, ohne Lebensschutz, ohne Freiheit der Bewegung, ohne die natürlichsten Gefühle der Blutsverwandtschaft, ohne jede Triebfeder menschlicher Bildsamkeit!"

Die gebornen Europäer heißen in Südamerika Chapetonen; sie sind die Inhaber aller Regierungsstellen; die in Amerika gebornen Europäer werden Kreolen genannt, die Mischlinge der Europäer und Indianer Mestizen, die der Europäer und Neger Mulatten, Geschlechter, die von ihren ungleichen Eltern durchschnittlich alle Untugenden und keine Tugenden erben. — Neuere Forscher haben die amerikanische Menschheit, die sie größtentheils als eine eingeborne, nicht als eine aus Asien eingewanderte Nace zu betrachten geneigt sind, in zwei große Gruppen eingetheilt, in die toltekische und amerikanische. Mit der erstern (willkürlich gewählten) Benennung belegen sie alle Völker, welche sich durch eigene Entwickelung auf eine höhere Bildungsstufe emporgearbeitet hatten, unter der zweiten faffen fie alle übrigen Bewohner der westlichen Hemisphäre (mit Ausnahme der Polarmenschen, Eskimo,) zusammen. Die toltekische Familie begreift die civilisirten Völker von Mexico, Peru, Bogota, also hauptsächlich die Bewohner der Hochebene auf der Cordillere und des westlichen Küstenlandes von Nord-, Mittel- und Südamerika, in sich; die als amerikanische Gruppe bezeichneten Volksstämme zerfallen wieder in den apalachischen Zweig, der alle Völkerschaften Nordamerika's, mit Ausnahme der Mexicaner, und die Stämme im Norden des Amazonenstroms und im Often der Andes in sich faßt, in den bra

silianischen, dem die Völkerschaften zwischen dem Amazonenfluß und dem La Plata von den Andes bis zum atlantischen Ocean angehören; in den patagonischen, zu dem man die Stämme in den Gebirgen Chili's und vom La Plata bis zur Magellans-Straße rechnet, und endlich in den feuerländischen Zweig, der nur wenige Tausend Köpfe zählt, und dessen Angehörige in geistigem Stumpffinn durch die traurige Wildniß schweifen.

§. 427. Produkte und Handelsverhältnisse. Die Folgen der Entdeckung der neuen Welt auf europäische Sitten und Cultur sind unberechenbar. Durch die Einführung amerikanischer Erzeugnisse wurde die Lebensweise ganz umgeändert. Sind nicht die Colonial waaren, Kaffee, Zucker, Tabak und dergl., die seitdem herrschend wurden, wenn gleich das Zuckerrohr erst von den Europäern eingeführt ward, ein unentbehrliches Bedürfniß? Bilden nicht die Kartoffeln, die uns von dort zukamen, den wichtigsten Nahrungsstoff des Volks? Welchen Einfluß hat nicht die Bermehrung der edeln Metalle, die Peru's und Mexico's Minen lieferten, auf alle Lebensverhältnisse und auf den Werth der Güter geübt? - Die Ent= deckung von Amerika und die neuen Seewege gaben dem Handel eine andere Richtung; wie bisher die italienischen Handelsstädte, so wurden jetzt die westlichen Staaten, Bortugal, Spanien, die Niederlande, und etwas später England, der Viittelpunkt des Verkehrs und der Sitz des Reichthums. Da aber die beiden erstern gleich von Anfang den Handel in Fesseln schlugen, so war die Blüthe von vorübergehender Dauer. Industrie und Handel gedeihen nur bei Freiheit; beide Staaten schlossen aber andere Nationen von ihren Colonien aus, gestatteten diesen nur den Verkehr mit dem Mutterlande und legten ihnen drückende Lasten und hemmende Beschränkungen auf. In den spanischen und portugiesischen Niederlassungen gab es keine gewerbsame weiße Bevölkerung,,,die redlich im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen wollte", daher konnten die Töchterstaaten nie zur Blüthe und Selbständigkeit gelangen; und wie sie im Innern ohne freien Bürgerstand wa= ren, so traten sie auch gegen das Mutterland nie aus dem Zustande der drückendsten Abhängigkeit heraus. Die Colonien durften nur Rohstoffe und Naturprodukte abs sezen, alle Erzeugnisse des Gewerbfleißes und der Kunst lieferte das Mutterland; und wenn darum jene nie zu einer erfreulichen Macht und Blüthe sich zu erheben vermochten, so versank das letztere durch den leichten Gewinn in Schlaffheit und Trägheit. Während die Spanier jährlich auf den stolzen Galeonen und Silberflotten die Schäße Amerika's, die der ergiebige Hüttenbau von Zocotecas und Potosi zu Tage förderte, in ihre Seehäfen einführten, geriethen ihre eigenen Bergwerke in Verfall; die Reichthümer, die aus der neuen Welt der Staatskasse zu= flossen, vernichteten den legten Rest ständischer Rechte, indem sie die despotischen Könige in Stand setzten, die Einberufung der Cortes, deren Geldbewilligung sie entbehren konnten, zu unterlassen; und mit der Freiheit schwand auch der Wohlstand, als die Spannkraft des Geistes und die Regsamkeit der Arme, wodurch allein eine Nation blühend wird, unter der harten Hand spanischer Gewaltherrscher erschlafften. — Unverfümmert dagegen war der Gewinn, den die Wissenschaft, besonders die Natur- und Erdkunde, aus den überseeischen Entdeckungen davon trug, und für das mehr und mehr an Uebervölkerung leidende und von religiöser Verfolgungswuth heimgesuchte Europa gewährte die neue Welt eine willkommene Zufluchtsstätte, namentlich seitdem die Entdeckungsreisen in Nordamerika größern Fortgang nahmen.

Beber, Geschichte II. 9. Aufl.

2

2. Das Wiederaufleben der Wissenschaften und Künfte. A) Blüthe der humanistischen Studien.

§. 428. Der geisttödtende Scholasticismus des Mittelalters war schon im 14. und 15. Jahrhundert mächtig erschüttert worden sowohl in Italien durch die Mediceer und einige aufgeklärte Päpste, die wie erwähnt (§§. 387. 389) durch den Ankauf von Manuscripten, durch Anlegung von Bibliotheken, durch Gründung von Akademien und durch freigebige Unterstüßung gelehrter und geistreicher Männer sich große Verdienste um die Beförderung der klassischen Studien erworben, als in den Niederlanden durch die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, die in Deventer u. a. D. einen verbesserten Schulunterricht begründete. Aber den heftigsten Steß erfuhr die mittelalterliche Schulweisheit im 15. und 16. Jahrhun dert durch die neue aus den Werken der Griechen und Römer geschöpfte Wissenschaft, die von Italien aus sich über ganz Europa verbreitete und die religiöse und philos sophische Weltanschauung früherer Zeiten allmählich überwand und verdrängte.

§. 429. 3n 3talien wetteiferten im 15. Jahrhundert viele glänzende Höfe und reiche Städte mit einander um den Nuhm, Beförderer der Künste und Wissenschaften zu sein. Der Lohn und die Ehre, die daturch dem Talent zuflossen, erzeug= ten bei der bildungsfähigen, regjamen Nation einen Culturgrad, wie er nur in einzelnen Staaten des Alterthums bestanden hatte. Werthvolle Manuscripte wurden eingesammelt und durch die Buchdruckereien, die allenthalben auffamen und wovon einige, wie die Aldinische (des Altus Manutius) in Benedig, zu hohem Ruhme gelangten, vervielfältigt und verbreitet; Wörterbücher und Grammatiken wurden bearbeitet; Erklärungen und Ueberjeyungen erleichterten das Verständniß der alten Schriftsteller. Und hatte man sich bisher fast ausschließlich mit der römischen Literatur befaßt, so wurde jezt auch das Hellenenthum zugänglich, seitdem in Florenz u. a. D. die griechische Sprache gelehrt wurde und der Aufenthalt kenntnißrei= cher Byzantiner in Italien während der Vereinigungsversuche der beiden Kirchen und seit der Eroberung Konstantinopels (§§. 413. 414) das Erlernen dieser Sprache erleichterte (Chalfontylas, Lask ris, Theoder Gaza u. A.). Ein klassisches Latein verdrängte die barbarische Sprache der Scholastiker und das Mënd slatein des Mittel† 1457. alters, und schon Laurentius Valla wandte seine neuen Sprachkenntnisse zur Bekämpfung der Schulweisheit, zur Erläuterung des Bibeltextes und zur historischen Kaitik an, indem er die Unächtheit der Constantin'schen Schenkungsacte nachwies. Aber nicht blos das entartete Kirchenthum erlitt durch die neue Bildung einen hef= tigen Stoß, sondern auch die christliche Religion und Moral. Die Anhänger der platonischen Weisheit (Akademie) und der aristotelischen Philosophie (Peripa= tetiker), die zwei feindliche Parteien bildeten, vergaßen das Evangelium und die christliche Weltanschauung über den Lehren ihrer Meister, und aus Bewunderung und Nachahmung der Tenk- und Redeweise des Alterthums fanden die gelehrten Kardinäle und Prälaten endlich Gefallen an heidnischen Vorstellungen und Ansichten und überließen die Lehren des Christenthums dem ungebildeten Volke, dem die heid= nische Weisheit nicht zugänglich war, und das sich in demselben Grade dem Aber= glauben hingab, wie jene in Unglauben versanken. Mit der Gleichgültigkeit gegen das Evangelium (Indifferentismus) ging der Verfall der Moral und Lugend bei den höheren Ständen Hand in Hand. Eigennutz und Selbstsucht ward die Quelle alles Thuns, weltliche Klugheit wurde allein geachtet. So entstand jene fittliche Verworfenheit, die der florentinische Staatsmann und Geschichtschreiber Mac= chiavelli in seinem „Fürsten“ der Welt enthüllt hat (§. 553) und als deren Repräsentant die gottvergessene Familie Vorgia (§. 389) angesehen werden kann.

† 1527.

§. 430. Humanisten und Obscuranten. Italien wurde nunmehr die Pflanzschule für ganz Europa. Gelehrte und Künstler zogen schaarenweise aus allen Ländern dahin und brachten die Schäße der Weisheit und Kunst nach Frankreich, England, Deutschland u. s. w. zurück. Bald traten allenthalben zwei Parteien einander feindlich gegenüber, die für die neue Wissenschaft kämpfenden Humanisten und ihre für die Beibehaltung des Alten eifernden und als Obscuranten gebrandmarkten Gegner mit dem Dominicanerorden an der Spize. Die Humanisten aller Länder standen, ohne Rücksicht auf Geburt oder Vaterland, mit einander in innigem Berband. Das Latein, das damals die allgemeine Sprache der Gelehrten und Diplomaten war, erleichterte den Verkehr und das Verständniß; ein lebhafter Briefwechsel, der die Stelle der Zeitungen vertrat, unterhielt die Berbindung, die literarischen Erscheinungen steuerten auf Ein Ziel los und wurden von den Humanisten aller Nationen als Gemeingut betrachtet. Was konnte die altkirchliche Partei einer solchen Macht entgegenstellen? 3hre barbarische Sprache und spißfintige Wortphilosophie konnte vor dem eleganten Latein und der gefunden Weltweisheit der Humanisten nicht bestehen und ihr blinder Eifer und ihre Verkeherungsfucht erlagen ohnmächtig unter dem Spotte und den wißigen Satiren der Neuerer; die geistige Bersunkenheit der Mönche, die Unsittlichkeit so vieler Kleriker, das weltliche Treiben der Prälaten boten manche Blöße zum Angriff. Dieser geistige Kampf hatte eine Veränderung der ganzen Denkweise zur Folge. Während aber in Italien, Frankreich und England die hochgestellten Gelehrten die neue Weisheit als Sondergut ihres Standes betrachteten und sie in aristokratischer Vornehmheit dem Volke vorenthielten, drang sie in Deutschland, wo der Bürgerstand im Besitze der Bildung war und die Religion tiefere Wurzeln hatte, in den Kern des Volks ein und ging aus der Gelehrtenstube ins Leben über, und während dort die Humanisten der Kirche und Geistlichkeit spotteten, dem Volke aber seinen Glauben und Aberglauben ließen, ward in Deutschland die ganze Nation zur Betheiligung an dem geistigen. Kampfe zugezogen und dadurch eine Umgestaltung aller Verhältnisse in Kirche und Staat herbeigeführt.

§. 431. Universitäten und gelehrte Gesellschaften. Die nächste Folge des geistigen Aufschwungs war die Gründung neuer Bildungsanstalten. In Italien entstanden im Laufe des 15. Jahrhunderts in vielen Städten Gymnasien und Universitäten, Kunstschulen und Akademien. Gelehrte Italiener begaben sich nach Frankreich und England und streuten hier, verbunden mit einheimischen Gleichgesinn= ten, einen Samen aus, der im Anfang des folgenden Jahrhunderts unter den alle Künste und Wissenschaften fördernden Königen Franz I. und Heinrich VIII. schöne Früchte trug und durch neugegründete Collegien zu einer nationalen Bildung aufblühte. Den fruchtbarsten Boden jedoch fand der Humanismus in Deutschland, das von jeher mit Italien in enger Verbindung gestanden. Hier erhoben sich eine Menge Lehranstalten und Universitäten *) mit Immunitäten (Abgabenfreiheit), eigner Gerichtsbarkeit und mancherlei Privilegien, und einige der ältern, wie Wien (feit 1365) und Heidelberg (seit 1386), nahmen einen neuen Aufschwung. Auch geringere Schulanstalten, deren eine große Menge an allen Orten und Enden entstanden, waren Pflanzstätten des Humanismus; so Deventer, wo Hegius wirkte, so die berühmte Schule von Schlettstadt unter des gelehrten Dringen= berg Leitung; so Münster unter Rud. von Langens segensreicher Wirksamkeit und unter dem Einfluß Hermanns von dem Busche; so Gotha, wo unter Andern der edle Mutianus Rufus freiere Lebensanschauungen und höhere Gefinnungen zu wecken suchte. Und nicht blos Geistliche und Lehrer, auch Dichter, wie Eoban Hessus († 1540 in Marburg), und Staatsmänner, wie Konrad Pew-finger von Augsburg († 1547) und der reiche Patrizier Willibald Birkheimer

Renchlin

1522.

von Nürnberg († 1530), waren thätige Förderer der humanistischen Denkweise. Besonders war der lettere, der in 3talien der Rechtswissenschaft obgelegen und von Kaiser Maximilian in wichtigen Reichsgeschäften verwendet wurde, durch Bildung und Lebensstellung eine hervorragende Persönlichkeit in den höheren Gesellschaftsfreisen jener Tage. -Es bildeten sich gelehrte Vereine zur Hebung und Ver= breitung des Humanismus (die rheinische Gesellschaft, gestiftet von Konr. Celtes und Joh. von Dalberg, die von Wimpfeling gegründete Straß= burger Gesellschaft u. a.), die mit einander in Verbindung standen und einen Gemeinfinn erzeugten, der wie eine „elektrische Kette“ sich durch die Länder zog. Neben Nürnberg, Basel, Erfurt u. a. D. war besonders Heidelberg der Brennpunkt dieses geistigen Lebens, der Sammelplay vieler edlen Kräfte. Hier wirkten abwechselnd Dalberg, Bischof von Worms, Freund und Rathgeber des Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen, Agricola, Konr. Celtes, ein vielseitig gebildeter und vielfach anregender Mann, u. A. Reuchlin blieb in fortwährenter Verbindung mit der rheinischen Gesellschaft und Melanchthon machte in Heidelberg seine Studien. Die meisten dieser Gelehrten führten ein vielbewegtes, thätiges Leben und suchten sich durch Reisen und persönliche Bekanntschaften einen größern Wirkungskreis zu eröffnen. Durch sie wurde der Klerus aus dem Alleinbesiß der Wissenschaft und Gelehrsamkeit gedrängt. Die bedeutendsten darunter waren Reuchlin, Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten.

*) Deutsche Universitäten wurden gegründet: Köln 1388; Erfurt 1392; Würzburg 1403; Leipzig 1409 (§ 363); Rostock (Mecklenburg) 1419; Löwen in Brabant 1436; Trier 1454; Greifswald (Pommern) 1454; Freiburg im Breisgau (durch Herzog Albrecht von Desterreich) 1456; Basel 1460; Ingolstadt 1472; Tübin gen und Mainz 1477; Wittenberg 1502; Frankfurt a. d. D. 1506; Marburg 1527; Straßburg 1538 u. a. m.

§. 432. Johann Reuchlin (Kapnio) geb. 1455 zu Pforzheim, studirte 1455 zu Freiburg und zog dann mit dem Sohne des Markgrafen Karl nach Paris, wo er zuerst die griechische Sprache lernte und unter Johann Wessel sich dem Studium der Bibel zuwandte. 3m 3. 1474 begab er sich nach Basel und arbeitete daselbst ein lateinisches Wörterbuch aus, das in 27 Jahren 23 Auflagen erlebte. In seinen griechischen Vorlesungen von den Mönchen gestört, ging Reuchlin abermals nach Paris, wo er sich seinen Unterhalt durch Abschreiben griechischer Schriften erwarb, dann widmete er sich in Orleans und Poitiers der Rechtswissenschaft und verfaßte daneben eine griechische Grammatik. 3m 3. 1481 ließ er sich in Tübingen nieder, wurde Doctor der Rechte und Universitätslehrer und begleitete Graf Eberhard im Bart als geheimer Rath nach Italien. Hier machte er die Bekannt= schaft des Marsilius Ficinus, des Politianus und des gelehrten Picus von Mirandola (§§. 387. 390), von denen er zu weitern wissenschaftlichen Forschungen und namentlich zum Studium der hebräischen Sprache angeregt wurde. Nach seiner Rüdkehr wurde er Assessor des Hofgerichts in Stuttgart und Anwalt des Dominicanerordens in ganz Deutschland, ein Ehrenamt, das er 29 Jahre lang bekleidete. Als sein Gönner, Graf Eberhard im Bart, im 3. 1496 starb und der Nachfolger seinen erbittertsten Feind zum Kanzler machte, hielt sich Reuchlin in Stuttgart nicht länger sicher und folgte daher einer Einladung Johanns v. Dalberg nach der Universität Heidelberg, wo er als Freund dieses gelehrten Bischofs und Kanzlers und als Bibliothekar und täglicher Gesellschafter des hochsinnigen Kurfür= sten Philipp ein heiteres durch geistige Thätigkeit gehobenes Leben führte, und ein Handbuch des Civilrechts und eine kurzgefaßte Weltgeschichte nach dem System der 4 Weltmonarchien ausarbeitete. Nach dem Thronwechsel in Würtemberg kehrte Reuchlin im 3. 1499 nach Stuttgart zurück und wurde 1502 Rich=

« ZurückWeiter »