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Drittes Buch.

Die neue Zeit.

Weber, Geschichte. II. 9. Aufl.

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§. 418. 3m 14. und 15. Jahrhundert kamen mehrere große Erfindungen in Anwendung, die auf die Umgestaltung der mittelalterlichen Welt von dem wichtigsten Einfluß waren, der Compaß, das Schießpulver und die Buchdruckerkunst. Die wunderbare Eigenschaft der Magnetnadel, nach Norden zu zeigen, war schon frühe verschiedenen Völkern bekannt, aber erst als Flavio Gioja aus Amalfi dieselbe im Anfang des 14. Jahrhunderts auf die Schifffahrt anwandte, kam sie in allgemeinen Gebrauch und war von unberechenbaren Folgen. Denn ohne den Compaß, ohne diesen in einer Kapsel schwebend erhaltenen Polweiser (Boussole) hätte die Schifffahrt wie bisher auf das Mittelmeer beschränkt und Küstenfahrt bleiben müssen; jeßt wagte man sich auf den Ocean und unternahm weite Entdeckungsreisen. Ob das Schießpulver den Chinesen, Indern und Arabern bekannt gewesen, oder von dem deutschen. Mönch Berthold Schwarz aus Freiburg im Breisgau erfunden worden, 1354. ist streitig, gewiß aber ist, daß es seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Anwendung kam und auf die Umgestaltung des Kriegswesens eben so folgenreich gewirkt hat, wie der Compaß auf die Veränderung der Seefahrt. Die Einführung der Schießwaffen, die den Werth des geharnischten Reiters bedeutend herabdrückten, beschleunigte den Untergang des entarteten, von keiner höhern Idee mehr getragenen Ritterthums. An die Stelle des seit der Entkräftung des Lehnswesens machtlos gewordenen ritterlichen Heerbannes trat ein geübtes Fußvolk von bezahlten Söldnerschaaren und endlich stehende Heere, burch welche die Fürstengewalt über die losen Feudalzustände siegte. — Auf die Erfindung der Buchdruckerkunst, die in der geistigen Ausbildung der europäischen Menschheit eine neue Epoche schuf, mochte die im 14. Jahrhundert entstandene und zunächst zur Verfertigung von Spielkarten und Heiligen= bildern angewandte Holzschneidekunst nicht ohne Einfluß gewesen sein. Allein die Ehre des Gedankens, eine Anzahl einzelner Buchstaben auf hölzerne Stäbchen einzugraben und zu Wörtern zusammenzusetzen, gebührt dem deutschen Bürger Johann Guttenberg, gebürtig aus Mainz, aber in Straßburg 1440. lange wohnhaft. In Verbindung mit dem Mainzer Goldschmied Fust oder

Faust, der das zu den Arbeiten nöthige Geld hergab, und mit dem gewandten. Bücherschreiber Peter Schöffer brachte Guttenberg die neue Erfindung bald zu solcher Vollendung, daß schon 1456 eine lateinische Bibel mit großer Vollkommenheit gedruckt werden konnte. Aber dem Erfinder war es nicht vergönnt, den Lohn seiner Anstrengung zu genießen. Faust zerfiel mit ihm, ließ sich durch das Gericht für seine Geldvorschüsse alle Lettern und Geräthschaften zusprechen und führte dann im Verein mit Schöffer, dem er seine Tochter vermählte, das Begonnene zum Ziel. Guttenberg starb vergessen am gebrochenen Herzen. Schöffer, ein fähiger Kopf, erfand die zu den Lettern geeignete Metallmischung und die Druckerschwärze und führte gegossene Lettern ein anstatt der geschnittenen hölzernen, deren sich Guttenberg bedient hatte. Die anfangs geheim gehaltene Kunst wurde bald überall bekannt, als in dem Kriege, den der Erzbischof 1452. Dieter mit seinem Mitbewerber Adolf von Nassau führte (§. 368), Mainz erobert wurde und sich viele Gesellen in andere Länder flüchteten. In Kurzem besaßen alle bedeutenden Städte Deutschlands und Italiens Druckerpressen, und durch deutsche Kunstgenossen wurde die neue Erfindung bald allen civilisirten Nationen überbracht. Wurde schon dadurch die Verbreitung der Bücher unter dem für die geistigen Erzeugnisse alter und neuer Zeit so sehr empfänglichen Volke erleichtert, so geschah dies noch mehr seit der Anwendung des Leinen- und Baumwollenpapiers statt des theuern Pergaments. Nun gelangten die Bücher, die bisher nur den Reichen und Vornehmen zugänglich gewesen, in Jedermanns Hände, und was der Geist erschuf, war nicht mehr Sondergut der bevorzugten Stände, sondern drang ins öffentliche Leben, in die freie Welt. Die geistliche Censur, die bald nachher als natürliche Gegenkraft in Köln, Mainz u. a. D. ins Leben trat und endlich von Rom aus allgemein eingeführt wurde, war nicht vermögend, den neuen Geist, der durch die Buchdruckerkunst über die Welt gekommen, zu unterdrücken. — Auch das durch Kaiser Maximilian in Deutschland begründete Post wesen förderte durch Erleichterung des schriftlichen und persönlichen Verkehrs den Austausch der Ideen und wirkte zur Begründung der neuen Zeit mit.

b) Der Seeweg nach Ostindien.

§. 419. Im Mittelalter wurden die Waaren des reichen Indiens auf beschwerlichen Wegen (Karavanenzügen) unter Vermittelung der Araber und anderer Mohammedaner durch die Venetianer und Genuesen dem Abendlande zugeführt. Aber in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ließ der Der Sees portugiesische Prinz Heinrich der Seefahrer, Johanns des Unechten +1460. (§. 393) dritter Sohn und Großmeister des reichen Christus - Ordens,

Heinrich

fahrer

ein rauher Mann von großem Unternehmungsgeist und beseelt von dem Streben, sein Vaterland zu verherrlichen und das Evangelium zu verbreiten, Entdeckungsreisen in dem atlantischen Meere unternehmen, die den glücklichsten Erfolg hatten. Der Auffindung der Inseln Porto Santo und Madera, wo die Anpflanzung des Weins und Zuckerrohrs vortrefflich gedieh,

II. von

1481

nachdem man die undurchdringlichen Waldungen zum Theil in Brand gesteckt, und der canarischen Inseln mit ihren wilden in Höhlen wohnenden und in Ziegenfelle gekleideten Bewohnern (Guanchen), folgte bald die Erwerbung der Azoren und die Entdeckung des mit Palmenhainen geschmückten grünen Vorgebirgs, so wie der an Goldstaub, Elfenbein und Gummi reichen Küste von Oberguinea füdwärts der Sierra Leone. Hier erblickte man mit Erstaunen die ersten kraushaarigen Neger, welche die menschliche Gewinnsucht durch den Sklavenhandel bald auf schmachvolle Weise ausbeuten lernte. Eine Urkunde des Papstes ertheilte den Portugiesen das Eigenthumsrecht über diese und alle ferneren Entdeckungen bis nach Indien. König 30- Johann hann II., der zuerst die rohe Macht des Adels brach und die Königsgewalt Bortugal und den Bürgerstand hob, betrieb die Entdeckungsreisen planmäßiger. Die 1495. Linie wurde durchschnitten und dadurch das Vorurtheil zerstört, daß die heiße Zone unbewohnbar sei. Von Unterguinea (Congo) aus gelangte sodann der kühne Bartholomäus Diaz nach Afrika's Südspige, dessen anfängliche 1486. Benennungstürmisches Vorgebirg" der vertrauensvolle König bald in die der guten Hoffnung“ umwandelte. Denn schon zwei Jahrzehnte später, der Große nachdem mittlerweile die neue Welt im Westen aufgegangen, entdeckte von 1521. da aus unter König Emanuel dem Großen der unternehmende Vasco 1498. de Gama den Seeweg nach Ostindien, indem er von Afrika's Ostküste (Mozambique und Zanquebar) über den indischen Ocean nach der Malabarischen Küste segelte und in den Hafen von Calicut einfuhr.

Emanuel

1495

§. 420. Da der Beherrscher (Samorin) von Calicut, aufgestiftet von den neidischen Mohammedanern, die bisher im Alleinbesitz des Handels gewesen, feindselig gegen die Portugiesen auftrat, so beschlossen diese, sich mit Gewalt Niederlassungen in Ostindien zu erkämpfen. Dieses schwierige Unternehmen wurde mit solcher Ausdauer und solchem Heldenmuthe ausgeführt, daß es den großartigsten Unternehmungen des Alterthums würdig zur Seite treten kann. Die Zwietracht der indischen Fürsten kam den Portugiesen zu Statten. Im Bunde mit dem Beherrscher von Cochin kämpften zuerst Vasco de Gama und Cabral (der bei der Ueberfahrt Brasilien entdeckt und 1500. für Portugal in Besitz genommen hatte) mit Glück wider den Samorin. Vor Allen aber waren es der muthige und besonnene Francisco d'Almeida und der heldenmüthige Albuquerque, die Portugals Macht in Indien begründeten und, wie einst die Hellenen, den Beweis lieferten, daß eine von Ehrgefühl, Ruhmbegierde und Vaterlandsliebe begeisterte und von europäischer Kriegskunst unterstützte kleine Schaar stets den Sieg über die despotisch regierten Massen des Orients davon trägt.

Almeida, ein vaterländisch gesinnter Mann, gewann eine glorreiche Schlacht über die vielfach überlegenen Streitkräfte der 3nder und Mohammedaner, machte 1509. mehrere Fürsten zinspflichtig und zwang sie, die Oberhoheit Portugals anzuerkennen und die Anlegung von Factoreien in ihren Hauptstäoten zu gestatten. Nach Almeida, der auf der Rückkehr von den wilden Hottentotten erschlagen wurde, erhielt Alfonso

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