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Von großer Tragweite war schon der Fehltritt der protestantischen Fürsten, den sie in der Cleve'schen Frage begingen: sie ließen die am Niederrhein begonnene Reformation im Stiche und führten vornämlich durch ihr Verhalten die Befestigung kaiserlicher Macht in jenen Gegenden und die Rückkehr des Fürsten von dem schon geschehenen Uebertritt herbei.

Und während auf dem Speierer Reichstage die Aussichten der Protestanten sich glänzender denn je gestaltet hatten, mußte es sich auf dem Wormser Reichstage nun entscheiden, ob auch nach dem Frieden mit Frankreich und der Annäherung an den Papst auf dem vorjährigen Grunde weiter gebaut, oder ob jezt das Conzil, das eben berufene, und die Unterwerfung aller Parteien unter dies Conzil die Lösung der Frage werden solle: die Protestanten verlangten da, daß sie jezt eines beständigen Friedens versichert würden,,,dermaßen, daß die zuvor aufgerichteten Friedstände durch berührtes Tridentisches Conzil nicht aufgehoben, sondern nichtsdestoweniger bis zu christlicher Vergleichung beständig bleiben und gehalten werden sollten“. Natürlich ging der Kaiser nicht darauf ein; er hielt die Protestanten zwar noch im Unklaren über seine eigentliche Meinung, er entschloß sich nur, durch ein neues Religionsgespräch die Unterordnung unter das allgemeine Concil vorzubereiten. Wir wissen, zur selben Zeit wurde mit dem Papste der Beschluß gefaßt, durch alle Mittel, auch durch Gewalt diese Unterwerfung zu erzwingen.

Wenn die Protestanten 1544 die günstige Lage nicht zu einer endgültigen Erledigung der schwebenden Frage benutt, so war jetzt sicher kein Gedanke mehr, daß sie in ihrem Sinne Abmachungen hätten erlangen können. Gerüchte und Gerede gingen am Reichstage nnd im Reiche von kriegerischen Absichten des Kaisers; aber die Protestanten wiesen den einmal auftauchenden Gedanken zurück, den noch nicht vorbereiteten Kaiser zu überziehen. Und auch in einer anderen praktischen Frage ließen sie sich gleichfalls den günstigen Moment entgehen. In dem Erzbisthum Köln hatte Kurfürst Hermann von Wied, begünstigt und getrieben von dem allgemeinen Aufschwunge der protestantischen Sache eine Kirchenreformation nach protestantischem Sinne in Angriff genommen und war darüber mit seinem Kapitel in offenen Zwiespalt gera then. Als der Kaiser nun den Protest der Katholiken von Köln gnädig entgegennahm, und als die Kurie die Suspension über den abtrünnigen Kirchenfürsten mit rascher That verhängte, wandte sich auch Kurfürst Hermann an die protestantischen Bundesfürsten um Aufnahme unter

die Bundesverwandten und Schutz seines Erzstiftes. Und wirklich beschloß der Bund, dem Kölner zu helfen und von dem Kaiser Abstehen von allem raschen Verfahren zu fordern. Aber die ausweichenden Erklärungen des Kaisers und die Versicherungen seiner gütigen und friedlichen Gesinnungen vermochten schließlich über die zögernden Fürsten des protestantischen Bundes noch immer so viel, daß sie sich ruhig verhielten und die Beseitigung des Kölner Erzbischofes thatsächlich zu hindern sich nicht rührten.

Es ist in der That unbegreiflich, wie im Frühjahr des Jahres 1546 die ganze Atmosphäre von Kriegsgedanken und Kriegsgerede erfüllt war, wie man die Boten zwischen Rom und Brüssel, zwischen Brüssel und Valladolid kommen und gehen sah, und wie man doch immer noch Vertrauen und Zuversicht in des Kaisers friedliebendes Gemüth sette.

Diese Verblendung der Protestanten ist nur durch ihre Ungeschicklichkeit erreicht worden.

Es waren genug Elemente vorhanden, welche die Stellung der Protestanten zu einer gewaltigen und widerstandsfähigen machen konnten. Wenn der Protestantismus fast in allen deutschen Gebieten sich Anhänger erworben und von den Fürsten schon die überwiegendste Mehrzahl unter seine Bekenner zählte, so schien es nur eines großen Anstoßes zu bedürfen, um die Nation zur Einheit auf protestantischem Boden zurückzuführen. Allenthalben war der Haß und die Abneigung gegen die habsburgische Herrschaft so gewaltig gewachsen, daß ein Angriff Karl's auf die deutschen Zustände den allseitigsten Widerstand hervorrufen zu müssen schien3). Welches die Stimmung in Deutschland gewesen, hatte noch im Herbste 1545 sich in Braunschweig gezeigt. Die Erhebung Herzog Heinrich's war vor dem Uebergewicht der Schmalkaldner Fürsten fast ohne Schwertstreich zur Ruhe gebracht. Und noch mehr. Wenn damals auch der Kurfürst von der Pfalz über seinen Anschluß an die Schmalkaldner zu verhandeln sich getraute, wenn auch der neuerwählte Erzbischof von Mainz bei den Protestanten Hoffnungen rege machte, daß Mainz dem Beispiele Kölns folgen werde, so erscheint es fast wunderbar, daß jener allgemeine deutsche Fürstenbund", den im Herbste 1545 Landgraf Philipp projectirte, nicht zum

3) Vgl. über die überwiegende Majorität der Protestanten die Aeußerung Sanuto's (bei Albèri I. Bd. 2. p. 135.) und den Haß gegen Carl ib. p. 130 ff. p. 146.

Abschluß kommen konnte1). Wie wäre da Karl eine Fessel angelegt, und wie wäre es ihm schwierig oder unmöglich gemacht worden, den eben erfaßten und mit dem Papst verabredeten Gedanken eines ,,deutschen Krieges" zur Ausführung zu bringen.

Aber die Protestanten verstanden es nicht, diese Elemente zu sammeln: alle weiteren Entwürfe hinderte die tief gewurzelte Spannung. zwischen Johann Friedrich und Moritz, die der Landgraf zu vermitteln durchaus nicht der Mann war. Selbst die inneren Angelegenheiten. des Schmalkaldner Bundes konnten nicht völlig in Ordnung gebracht werden: Beschwerden und Reibungen der Mitglieder untereinander waren auch hier an der Tagesordnung, und gar neue Mitglieder hineinzuziehen oder die großen evangelischen Territorien, wie Brandenburg und die Pfalz, einzuschließen, schien etwas durchaus Unmögliches. Und auch die benachbarten Rivalen Desterreichs, die Herzoge von Bayern, deren Verbindung mit den protestantischen Fürsten früher zu den Siegen des Schmalkaldener Bundes ein Wesentliches beigetragen, auch sie wußte man jezt nicht bei der Gemeinschaft dieser Opposition festzuhalten. Endlich trieben territoriale Händel und persönliche Feindschaften eine Reihe protestantischer Fürsten in die weitgeöffneten Arme des Kaisers.

An allen Stellen in Deutschland verloren die Protestanten nach und nach die Verbindungeu, die den Widerstand gegen Karl's Angriffspläne erfolgreich zu machen versprachen. Und die Stüßen im Auslande, die helfen konnten, sich beizubringen, wollte ihnen auch nicht ge= lingen.

Diese Idee, die doch so nahe lag, hatte man wirklich auch bei diesen Protestanten gefaßt: man hatte sich bemüht, sowohl an König Franz Schutz zu gewinnen, als mit dem antirömischen England einen Bund einzugehen gegen den Kaiser. Man hatte Gesandte hin- und herge= schickt, zunächst die beiden Kronen zu versöhnen und beide zu dieser Allianz gegen Habsburg geneigt zu machen. Aber nach vielfachen Täuschungen mußte man es erfahren, daß man weder in Frankreich noch in England der entgegenarbeitenden Faktionen Herr geworden war; und was etwa König Heinrich bieten mochte, genügte der eigensinnigen Pedanterie des sächsischen Kurfürsten nicht. Wenn immer wieder der Landgraf in England anknüpfte, so zerriß jedesmal seines deutschen Alliirten Weigerung die Fäden dieser Verbindung 5).

4) Vgl. Seckendorf III. 570 u. 571. Rommel II. p. 480–482. 5) Seckendorf III. 552 ff. 568 ff. Eine Reihe sehr interessanter Details

Als endlich im Juni 1546 der Reichstag in Regensburg eröffnet wurde, hatte des Kaisers Sache im lezten Jahre überall neue Mittel und neue Hülfsquellen seiner Kriegsmacht sich eröffnet. Und in dem= selben Jahre war der Boden der protestantischen Stellung in Deutschland von Innen und von Außen stets unsicherer, und ihre Macht, die anscheinend so kräftige, stets unkräftiger und loser geworden. So trat man in den Krieg ein.

aus diesen Verhandlungen enthalten die Aktenstücke in den State Papers X. und XI. Auch Sleidan ist hier eine erste Quelle.

7.

Was Das einstens von Ferne gedroht, das kam jetzt zur Erscheinung: gegen die von der Kirche abgehaltenen Kezer entschloß sich der Kaiser Gewalt in Anwendung zu bringen.

Heutzutage mag es freilich widersinnig erscheinen, eine religiöse Genossenschaft, die von der allgemeinen Kirche sich lossagt, durch Maßregeln äußeren Zwanges in ihr festhalten zu wollen; es mag in unseren Ideen ganz unnatürlich sein, das religiöse Gefühl der Menschen durch Waffengewalt lenken zu wollen; es mag ein Regent uns thöricht erscheinen, der durch militärische Massen für das Seelenheil seiner Unterthanen Sorge tragen will: Karl aber, der spanische Kaiser von Deutschland, hat fest an die Wirksamkeit auch dieses Heilsweges geglaubt.

Die Protestanten lebten und starben der festen Ueberzeugung, wo man nur der Predigt des Evangelii freien Raum schaffe, werde überall die Wahrheit ihrer Lehre sich an dem Herzen der Menschen erweisen. Kaiser Karl aber war so durchdrungen von der Wahrheit der Kirchenlehre, in der er erzogen, daß er überall das Verderben hereinbrechen sah, wo diese Lehre sich mindere: so wenig Zweifel hegte er über die Wahrheit seines Standpunktes, daß er auch den Widerstrebenden ihn aufzuzwingen kein Bedenken trug.

Der deutsche Krieg, den der Kaiser 1546 begonnen, ist in der That ein Religionskrieg gewesen.

Wir haben es verfolgt, wie schon mehrmals zu diesem Kreuzzuge des Katholicismus gegen die deutsche Neuerung der Kaiser Ansäße gemacht, und wir sahen auch, welches an den einzelnen Stellen die Umstände gewesen, die von diesem Plane ihn immer zurückbrachten. Es ließ sich nicht verkennen, daß in den letzten Jahren immer mehr und

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