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der Beschlüsse für die Bischöfe zuzuziehen seien. Mit größerer Leichtigkeit ward darauf die ganze Weise der Verhandlungen so geordnet, daß der feierlichen und förmlichen Session nur die Proklamation der Dekrete vorbehalten blieb, daß also alle sachliche Verhandlung in die vorausgehenden Congregationen falle. Und man entschied sich auch das für, daß nicht, wie in den Reformconcilien des vorigen Jahrhunderts nach Nationen, sondern nach Köpfen abgestimmt werde. Damit war alle Entscheidung in die Hand des Papstes gegeben, der ja eine beliebige Anzahl italienischer Prälaten nach Trident beordern konnte, so daß sie alle anderen Meinungen zu überstimmen im Stande waren.

Eine andere Frage, die über die Stellung des Conziles zu dem Papste entscheiden mußte, führte zu sehr erregten Debatten und konnte alle die achtzehn Jahre hindurch, die das Conzil im Ganzen gesessen, niemals ganz zur Ruhe gebracht werden: steht das Conzil über dem Papste, oder der Papst über dem Cenzil? Wenn diese Frage zu höchst bedenklichen Entscheidungen führen konnte - mußte man sich doch der Beschlüsse von Constanz und Basel erinnern -, so boten die Legaten allen ihren Scharfsinn und ihre Gewandtheit auf, eine bindende Entscheidung in dieser Controverse zu verhüten. Und es ist wenigstens in diesen Anfängen geglückt.

Was schon vor der förmlichen Eröffnung des Conziles zwischen Kaiser und Papst nicht klar geworden war, das mußte hier erst recht zu Conflicten führen. Wenn vorher der Papst seinem Verbündeten gegenüber es begreiflich zu machen gesucht, daß das Conzil unmöglich an der sofortigen Erörterung der dogmatischen Lehrsäße und Controversen vorübergehen könnte 13), so ließ er jezt den Legaten die Weisung zugehen, sofort in diese religiösen Festsetzungen einzutreten 14). Und da der Kaiser von seiner Meinung, daß die Reformen der Kirche vorzunehmen weit wünschenswerther und dringlicher sei, durchaus nicht abzugehen gesonnen war, so konnte es nicht fehlen, daß auch im Conzile ein heftiger Streit dieser beiden Auffassungen entstand. Wenn die Legaten anfangs Zeit zu gewinnen suchten, wenn sie die ganze Lage nochmals dem Papste vorzutragen beabsichtigten, ehe eine Entscheidung getroffen werde, so mußten sie es schließlich noch als einen Vortheil

13) Farnese an Verallo 19. Juli 1545 bei Pallavicino V. 14. §. 4. 14) Vom 31. Dezember 1545 Pallavicino V. 16. Für alles Einzelne sei überhaupt auf Pallavicino VI. u. VII., sowie Mendham und Quirini IV. verwiesen.

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und einen Sieg ihrer gewandten und geschickten Behandlung der Debatten ansehen, daß auf des Bischofs von Feltro Vorschlag die Gegensätze sich dahin einigten, gleichzeitig Dogmen und Reformen zu bera= then. Aber auch so fiel es ihnen schwer genug, in Rom eine Billigung dieses Beschlusses zu erhalten, eines Beschlusses, in dessen scheinbarer Nachgiebigkeit die Folgezeit doch nur einen gut angelegten Plan der Legaten sehen konnte, zu ihrem Ziele zu gelangen.

Während man in dieser Weise die Normen aufstellte und die Formen in Ordnung brachte, und während man die dritte Session nur mit einer feierlichen Rezitation des apostolischen Glaubensbekenntnisses ausfüllte, famen mittlerweile immer mehr Prälaten zusammen. Jetzt traf auch eine Anzahl spanischer Geistlichen ein, an deren Spize des höchsten Ansehens Pedro Pacheco, ter Kardinal von Jaen, genoß: mit ihnen erschienen von den spanischen Theologen die Häupter und die glänzendsten Lehrer, ein Domingo de Soto und ein Bartolomme Caranza, zu welchen sich im Juni noch die spanischen Jesuiten Lainez und Salmeron gesellten: das sind doch die Theologen, welche die Entscheidungen des Conziles in der dogmatischen Controverse mit den Protestanten eingegeben, vertheidigt und aufgesetzt haben. Sie haben niemals in Trident die Majorität der Zahl gehabt, diese Spanier, aber ihr geistiger Einfluß überragt bei weitem die Bedeutung ihrer italienischen Genossen: in allen wichtigen Lehrstücken die Aussprüche des Conziles bestimmend und durch die Ordnungen ihrer heimischen Kirche gut. geschult, haben sie dort auch den Tendenzen ihres Kaisers, der ja ihre eigenste Meinung in sich aufgenommen, in allen Dingen Vorschub ge= leistet. Der Kaiser selbst hatte übrigens Sorge getragen, in geeignetster Weise dort vertreten zu sein. Sein Gesandter war Don Diego. Hurtado de Mendoza, der seine diplomatische Brauchbarkeit schon hinlänglich bekundet, der die Selbständigkeit seines Urtheils und den Scharfblick seiner politischen Anschauung schon an wichtiger Stelle bewiesen 15), der aber zu dieser politisch - theologischen Aufgabe 'noch ganz besondere Befähigung verhieß: er, der Beschüßer der Gelehrsamkeit und der klassi= fchen Studien, der selbst als Dichter, als Novellist, als Historiker unter den Spaniern aller Jahrhunderte einen der ersten Plätze einnimmt, er war gewiß geeignet in einer Versammlung gelehrter Männer und bei Fragen theologischer Natur, die so oft auf gelehrte Dinge hinüber

15) Ich meine hier sein Auftreten gegen der Farneses Mailändische Pläne. Vgl. o. S. 55.

spielen mußten, sich Ansehen zu verschaffen und die Meinung seines Kaisers mit allem Nachdruck zu vertreten. Unabhängig und selbständig in seinem Urtheile sprach Mendoza in den gerade damals schwebenden Fragen allerdings seine Ueberzeugung dahin aus, daß ihm ein längeres Studium der alten Conzile das Resultat ergeben habe: unzweifelhaft stehe das Conzil über dem Papste, und unzweifelhaft sei das der Gebrauch aller Conzilien, mit dem dogmatischen Fundament zu beginnen und dann erst Mißbräuche und Zweifel aus der Kirche zu entfernen 16). Aber dennoch wurde des Kaisers Wunsch und Wille, daß unverzüglich man zu der Reform der Mißbräuche schreite, immer dringender vorgetragen; und für die dogmatische Seite bestand Karl ebenso fest darauf, daß man langsam vorgehe, um die Protestanten in Ungewißheit über die Resultate des Conziles zu erhalten und ihre Unterwerfung unter die späteren Entscheidungen desselben möglich zu machen.

Auch in der vierten Session war die Gefahr noch nicht dringend, daß durch das Conzil die Verhandlung mit den Protestanten abgeschnitten werde. Auch hier blieb man noch bei den Präliminarien. Cervino schlug vor, zuerst die Quelle festzusetzen, aus der die Dogmen des Glaubens herzuleiten seien. Man nannte die biblischen Schriften alten und neuen Bundes und die mündliche Tradition in der Kirche. Und erst als dies festgesetzt war, ging man tiefer in die eigentliche Aufgabe ein.

Im März erschien in Trident noch ein zweiter Gesandter des Kaisers, Francisco de Toledo, der sowohl in der Abwesenheit Mendoza's als vereint mit ihm die kaiserliche Partei und die kaiserliche Sache aufrecht erhalten sollte. Sogleich nach seiner Ankunft erneuerte er den Legaten die Vorstellungen und Vorhaltungen, daß in jedem Falle die Reformation jezt an der Reihe sei, und daß es für des Kaisers Vorhaben in Deutschland bedenklich werden könne, die Absichten einer Erörterung über die Erbsünde, die man hegte, auszuführen. Was konnten die Legaten in dieser Lage vornehmen, wenn von der einen Seite der Kaiser, die kai

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16),,Su parecer es segun lo que colige de los concilios antiguos y modernos y de otros scriptores que el concilio es sobre el papa; . opinion es que se deve començar igualmente por lo que toca a la fee y despues a la reformacion y despues a declarar las dubdas de la religion christiana, y esta es la orden que se ha guardado desde el concilio Niceno aca. (Relacion de la carta de D. D. H. de Mendoza, fecha 22. de Febrero 1546. im A. v. Sim. leg. 1318. fol. 107.

serliche Partei und die spanischen Bischöfe auf Reformen brangen, die der Papst noch hinausschieben wollte, und wenn der Papst auf Beginn der eigentlichen Glaubensverhandlungen bestand, die der Kaiser so lange als möglich aussetzen wollte? Cervino, dem es persönlich Ernst war mit den Ideen einer Reformation, und der auch damals Verhandlungen über die Residenzpflicht der Bischöfe zuließ, verfiel in jener Schwierigkeit auf den Gedanken, einstweilen alle Verhandlungen abzubrechen und den Verlauf der deutschen Angelegenheit abzuwarten, ehe man die schwebenden Fragen entscheide 17). Aber man fand einstweilen diese Idee eines Aufschubes (Suspension) oder einer Verlegung (Translation) noch nicht ausführbar. Trotz allen Widerspruches der Kaiserlichen, trok aller Künste Pacheco's, immer neue Fragen in die Debatte zu ziehen, trotz aller Vorstellungen Mendoza's und Toledo's sing man endlich im Mai an, die gelehrtesten Untersuchungen scholastischer Theologie über die Erbsünde hervorzuziehen und zu erneueren; und Mitte Juni war man zum Abschluß dieses ersten der wichtigen Dogmen gelangt. Der Kaiser ließ da noch einmal einen Versuch machen, wenigstens die Publication dieses Dekretes zu hindern: ehe er in Deutschland Klarheit in alle Verhältnisse gebracht, durfte er doch den Bruch mit den Protestanten nicht unheilbar machen: wenn er sich bemühte, zu seinem Kriege auch aus den Protestanten Verbündete sich zu gewinnen, mußte eine gleichzeitige, conciliare Verwerfung protestantischer Anschauungen ihm gewaltig hinderlich werden, und auch die religiöse Reizbarkeit der großen Menge wollte er schonen 18). Aber nichtsdestoweniger wurde in Trident am 17. Juni in der fünften Session die katholische Lehre von der Erbsünde endgültig proklamirt. Um sofort auf dem hier eingeschlagenen Wege weiter zu gehen, wurden die Debatten über das Dogma von der Rechtfertigung des Menschen eröffnet, Debatten, in denen sogleich von Einsichtsvollen der Schwerpunkt der ganzen Aufgabe erkannt, für die daher auch der Zeitraum eines halben Jahres in Anspruch genommen wurde: wenn das einmal erledigt sei, hegten die Legaten die Hoffnung, mit ihrer ganzen Arbeit zu Ende zu sein 19).

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17) Cervino an Maffei 19. Mai 1546 bei Pallavicino VII. Cap. 3 §. 4. 18, Karl an Mendoza und Toledo vom 13. Juni 1546 (A. v. Sim. leg. 642.fol. 116) Eine recht gute und warme Empfehlung des kaiserlichen Standpunktes enthält auch das Schreiben des Nuntius Verallo an die Legaten von demselben Tage bei Quirini IV. p. 304.

19) Bericht vom 26. Juni 1546 bei Pallavicino VIII. Cap. 1.

Und während so in Trident die dogmatische Sonderung der Religionsparteien mit Eifer verfolgt wurde, begann auch der Versuch der hohen Politik, die Protestanten mit Gewalt dem katholischen Standpunkt zu unterwerfen. Bei dem Eintritt in die größte seiner dogmatischen Arbeiten ward das Conzil freudig bewegt durch die Nachricht, die eben aus Rom einlief von der Ratification der päpstlich-kaiserlichen Liga und von der Proklamation des Religionskrieges, die der Papst im Consistorium am 22. Juni vorgenommen hatte.

Maurenbrecher. Karl V.

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