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Papstes Farnese und des deutschen Kaisers sich angebahnt und die europäischen Fragen nach der Meinung ihrer Politik zu regeln begonnen. hatte. Hier zeigt sich uns jezt die erste Frucht dieser neuen Liga: ohne sie wäre jenes Conzil unmöglich gewesen.

Da der Papst nicht in Person die Leitung der Versammlung übernahm, so sandte er drei seiner Cardinäle als seine Vertreter, als die Präsidenten der Versammlung nach Trident. Er wählte dazu Männer, verschieden an Begabung und an Bedeutung: der Cardinal Monte, der den ersten Rang unter ihnen bekleidete, war ein ziemlich unbedeutender Kopf, ohne irgend eine hervorragende Eigenschaft, ein Alltagsmensch. Aber neben ihn hatte der erfahrene und überlegende Papst den Cardinal Cervino gestellt, den Erzieher der Farnesischen Enkel, einen Mann durch klassische Gelehrsamkeit, durch theologische Bildung, durch hohe Sittenstrenge ausgezeichnet. Und in ihm, dem Freunde Caraffa's, dem Genossen bei jener Neubelebung der italienischen Geistlichkeit war dem Conzil die Seele gegeben. Diesen beiden war als dritter der Cardinal Pole zugesellt, jener englische Aristokrat, den Heinrichs VIII. Schisma aus der Heimath vertrieben, der mit literarischen und politisch-literaris schen Dingen beschäftigt, in Italien lebte und dort ein Freund Contarinis und seiner milderen Weise geworden war; sein schwächliches und zaghaftes Auftreten hat ihm aber niemals Einfluß im Conzile verschafft.

Als diese Legaten in Trident erschienen, war ihnen doch eine Aufgabe unermeßlicher Bedeutung und unendlicher Tragweite auferlegt. Wenn man zuletzt von allen Seiten der Idee dieses allgemeinen Conziles zugestimmt, so war man leichten Fußes über alle die Schwierigkeiten und Gefahren hinweggeeilt, die sich in der Praxis sofort auf jedem Schritte und in jedem Momente der Behandlung so schwieriger und verwickelter Fragen entgegenstellen mußten; sogar noch vor dem eigentlichen Anfang der conziliaren Verhandlung ergaben sich der Thätigkeit der Legaten allerlei Uebelstände. Auch abgesehen davon, daß noch fast Niemand zur Verhandlung erschienen war es wollte doch nicht viel sagen, wenn nach und nach sich ein Paar Italiener einfanden so hatte man nicht einmal eine Geschäftsordnung, nicht einmal eine allgemein anerkannte Form für die Berathungen, nicht einmal eine zweifellose Vorstellung von dem Umfang und der Zahl der als berechtigt zuzulassenden Prälaten: alle diese Dinge sind erst in den Verhandlungen selbst unter täglichen Schwierigkeiten und unter endlosem Hader festgesetzt worden. Und wenn nun erst, wovon man bald schon hörte,

unter den Legaten Uneinigkeit und Zwist entstanden wäre 5)! Nur zwei Dinge standen von Anbeginn aller Thätigkeit in Trident fest, und an diesen zwei Punkten war in feinem Augenblicke ein Zweifel: die Legaten, die in der Versammlung fast allmächtig erschienen, durften in keiner Frage nach eigener Meinung entscheiden, sondern über Alles, über Kleines und Großes, sollten sie die Weisungen von Rom aus erwarten; und dann, es wurde Sorge getragen, daß der Papst und seine Meinung stets auf die Stimmenmehrheit unter den Prälaten zählen, und daß in jedem Augenblicke, wenn es Noth that, eine Schaar abhängiger Italiener dort auftreten konnte.

Aber wenn schon in jenen ersten Vorberathungen und Vorbesprechungen in Trident manche Schwierigkeiten auszugleichen und manche Härten zu ebenen waren, so erwuchsen den Prälaten bald aus ihrer ganzen Stellung und Lage Bedenken auch allgemeinerer Natur. Ganz besonders schwierig war da das Verhältniß, in das diese Versammlung von Geistlichen auf italienischem Boden zu dem Reichstage der deutschen Stände sich stellen sollte, der in denselben Tagen in Worms zusammentrat: in dem Falle, daß dort in Worms auch religiöse Verhandlungen vorgenommen würden, daß der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit mit den Protestanten Gespräche oder Verhandlungen erneuern würde, in dem Falle konnte doch unmöglich das Conzil eröffnet werden. Wenn die weltliche Gewalt sich erkühnte, ohne Rücksicht auf Papst und Kirche die religiösen Fragen zu besprechen, wie hätte da ein Conzil und ein Papst, gleichsam in Concurrenz mit Kaiser und Reich, sich derselben Aufgabe unterziehen sollen! Wie hätte man der Welt das Schauspiel bieten dürfen, daß während eines ökumenischen Conziles noch neben dasselbe eine Versammlung von Laien sich als ebenbürtig hinstellte ®) !

Da der Kaiser, in seiner Stellung zu den Protestanten völlig klar geworden, die Gegensäte der Protestanten gegen seine katholische Auffassung in diesem Augenblicke an den entscheidenden Bruch hinzuführen noch Anstand nahm, so wünschte er, daß auch in Trident jene Frage über Religionsverhandlungen außerhalb des Conziles noch nicht zur

5) Depesche Mendoza's vom 23. Mai 1545 spricht schon davon: lo peor es que cada dia se entienden peor entre sy Monte y Santa Cruz y Inglaterra, no es para concertallo. (A. v. Sim.)

6) Die Legaten stellen diese Erwägungen auf in Depeschen vom 8. April, 26. Mai, 20. u. 26. Juli. (Vgl. Mendham Memoirs of the Council of Trent p. 20, 24 u. 28 und Quirini IV. p. 210 u. 216.)

Entscheidung gebracht werde. Auch in Trident wünschte er für einige Monate Alles in der Schwebe zu halten, und vor Allem drang er darauf, daß nicht etwa schon voreilig dogmatische Bestimmungen aufgestellt würden 7). Aber weit entfernt von dem Ideengange der kaiserlichen Politik, wünschte der Papst nichts eiliger von dem Conzile, als daß es sich über alle Dogmen der Kirchenlehre ausspreche und besonders die streitig gewordenen Lehrfäße in bestimmter und unzweideutiger Weise feststelle 8).

Und in der That, an dieser Frage, ob die Festsetzung der Dogmen der großen Reformation der Kirche vorangehen oder folgen solle, zeigte sich sofort der Gegensatz der Anschauungen und der Ziele, in dem sich der Kaiser und der Papst befanden.

Was war überhaupt die Idee, die der Kaiser mit diesem Conzile verband? War es wirklich für ihn ein Bedürfniß und eine Nothwendigkeit, daß die Dogmen der Kirche auf's Neue in Untersuchung gezogen, oder daß auf's Neue das ganze Lehrgebäude mittelalterlicher Ueberlieferung untersucht werde? Ich meine, für diesen Karl von Spanien war in diesem Sinne das Conzil etwas Ueberflüssiges. Für seine spanische Rechtgläubigkeit existirte diese Aufgabe einer conziliaren Erörterung und Festsetzung nicht. Der spanischen Kirche und der spanischen Politik erschien ein allgemeines Conzil nur als das Mittel, und als das geeignetste Mittel, die gewünschte Reformation der Kirche und der Geistlichkeit in's Leben zu rufen. So hatte Karl durchaus kein Interesse daran, daß in Trident eine dogmatische Arbeit beginnen solle.

Und jetzt, in dieser Lage seiner Politik, in den deutschen Händeln mit den Protestanten, in diesem Momente, als er des Papstes Bündniß für seine Zwecke zu erringen das Glück gehabt, als er den beabsichtigten Schlag auf die Gegner langsam und sicher vorzubereiten alle Anstrengungen machte: jetzt war es doch das Wünschenswertheste für ihn, daß die Dinge in der augenblicklichen Lage verblieben, und daß das Conzil nicht durch formelle Erklärungen und endgültige Entscheidungen die Protestanten zum offenen, bewaffneten Aufstande hintreibe. Die Dogmen sind schon alle in Büchern enthalten", sagte der

"

7) Auch das ist in jener Sendung Andelot's enthalten Pallavicino V. Cap. 14. §. 1 u. 2.

8) Depesche der Legaten vom 26. Juli bei Mendham p. 29. Vgl. Quirini IV. 216.

Gesandte ) des Kaisers, „die Reformation kann der Papst und der Kaiser einführen, weit besser als die Bischöfe in Trident": wenn man die Prälaten noch einige Monate dort versammelt halten und inzwischen die Reformdekrete in's Leben sezen könnte, meinte man am besten auf die Gemüther der deutschen Protestanten zu wirken.

Nachdem ferner in dem Abschied des Wormser Reichstages den Protestanten noch einmal ein Religionsgespräch ausgemacht und noch einmal ein Reichstag auf das künftige Frühjahr angesetzt war — wir wissen, in welcher verborgenen Absicht — durfte nach der ganzen Anschauung des Kaisers diese dogmatische Erörterung auf dem Conzile, welche unausbleiblich zu einer bleibenden Absonderung der deutschen Neuerer führen mußte, noch nicht erfolgen. Aber es drängte den Papst und die Legaten aus dieser unentschiedenen und schwankenden Lage sich zu befreien. Wie es ihr Streben war, ganz und unumschränkt des Conziles Meister zu werden, so wünschten sie das Conzil nach Rom oder an einen anderen vom Papste abhängigen Ort zu verlegen. Die Verhandlungen in Trident waren noch nicht eröffnet, und schon machte der Gedanke sich geltend, das Conzil aus Trident wieder wegzubringen 10); sie ließen bald dem Kaiser diesen Antrag auf Verlegung des Conziles vortragen. Karl aber lehnte jede Verhandlung über diesen Gegenstand ab 11): wie er den Deutschen ein Conzil auf dem Boden des deutschen Reiches zugesagt, und wie er sich noch fortwährend bemühte, die Protestanten zum Gehorsam unter dieses Conzil zu führen, erschien es nicht passend, das Conzil aus dem Reiche hinauszuschaffen; und wenn man meinte, nach der Eröffnung des Conziles würde dasselbe zu einem Verbot aller religiösen Verhandlungen und aller Religionsgespräche in Deutschland kommen müssen, so erinnerte der Kaiser daran, daß ja alle jene Verhandlung in Deutschland und auf den deutschen Reichstagen nur als eine schüßende Maske für kriegerische Unternehmungen gemeint sei; zugleich ertheilte er seine Zustimmung dazu, daß man in Trident die Verhandlungen beginne.

9) Depesche der Legaten vom 17. August 1545 bei Pallavicino V. 14. §. 8 und bei Quirini IV. 217.

10) Schon in einer Depesche vom 19. Juli 1545 bei Mendham p. 27 sprechen die Legaten diese Ansicht aus. Vgl. für das Folgende Pallavicino V. 15 11) Die Antwort des Kaisers auf Dandino des Bischof von Caserta Antrag, d. 9. October 1545 ist im Archiv von Simancas leg. 872 fol. 120: über das colloquium heißt es in ihr: su santidad sabe el fin con que se ha hecho esto del colloquio, que es para mejor enderesçar, proveer y exortar lo que se tracta; y ternan en ello el respecto que conviene.

Und da endlich erhielten die Legaten auch von Rom den Auftrag, getrost an das schwere Werk der Erörterungen, Berathungen, Entschließungen zu gehen 12).

So verwickelt sind schon die ersten Afte des neuen Conziles und die ersten Schritte der Kirchenfürsten gewesen, welche von der hohen Politik von Europa beachtet, bewacht, berathen das Lehrsystem der katholischen Kirche neu festgesetzt haben. Was auch immer die Geistlichkeit Italiens und Spaniens, die den größeren Körper des Tridentiner Conziles bildete, beschlossen und festgesetzt hat, das ganze Schauspiel jener Versammlung in Trident ist doch nur Einer der Faktoren gewesen, aus denen die kaiserliche Staatskunst die Geschicke Europas beherrschen und bestimmen wollte. Und das Conzil selbst, dessen Häupter und Leiter der Kaiser und der Papst waren, ist in jeder seiner Bewegungen von den politischen Rücksichten dieser Mächte, sei es hemmend oder fördernd, beeinflußt worden.

Wie gewaltig auch die geistige Arbeit gewesen, die jene Versammlung für alle Folgezeit vollzogen, wie großartig die Resultate ihrer Thätigkeit für die Restauration des gesammten Katholicismus geworden, es kann heutzutage Niemanden mehr einfallen, behaupten zu wollen, daß dieses Conzil, das die religiösen Dogmen endgültig festgesetzt hat, nur von religiösen Erwägungen geleitet worden sei; es liegt für jedes Auge klar zu Tage, daß die Politik und die politischen Verwickelungen der europäischen Großmächte, von Papst und von Kaiser, von Frankreich und von Deutschland, in einem jeden Momente den Gang der dogmatischen Verhandlungen durchbrochen und bestimmt haben.

Es ist nicht unsere Absicht, die Geschichte der Verhandlungen an dem Conzil zu verfolgen oder der Entstehung der einzelnen Dogmen nachzugehen. Es genügt für unsere Aufgabe, die Beziehungen und Wechselwirkungen darzulegen, in welchen des Kaisers Politik und des Papstes Haltung zu den Berathungen dieser Versammlung gestanden.

Nachdem man am 13. December 1545 in feierlicher Weise das Conzil eröffnet hatte, waren zunächst eine Reihe formaler Fragen und Vorbestimmungen zu entscheiden. Zuerst mußte darüber Klarheit ge= wonnen werden, wer Alles zu den stimmberechtigten Mitgliedern gehören sollte. Und nicht ohne Widerspruch gelangte man zu dem Schlusse, daß den Bischöfen allein eine entscheidende Stimme zustehe, und daß die Fachtheologen nur zu den Vorberathungen und Vorbereitungen

12) Breve vom 4. Dezember 1545.

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