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litischen Einflusses nach Außen ist das Ideal, das ein wahrer Staatsmann durch seine Politik seiner Nation zu verschaffen und zu erhalten sucht: er muß erkennen, wo Machtentfaltung nach Außen und wo Beschränkung auf die eigenen Grenzen, wo Eroberung und wo Entsagung am Plage ist; er muß ebenso Mäßigung wie Kraft besigen, in beiden Fällen seiner Einsicht Folge zu geben; kurz er muß vollständig im Stande sein, innere und äußere Politik seiner Nation in gesunder Harmonie zu erhalten.

Und wie selten ist diese staatsmännische Größe in den Lenkern und Führern der Staaten gewesen! und wie wenige der großen Regenten sind solchem Bilde eines Staatsmannes ähnlich gewesen!

Wenn einmal eine Nation zum Gefühle ihrer Kräfte gelangt ist, und wenn dann ein begabter und thätiger Kopf die Leitung dieser Nation in seine Hand gebracht hat, so eilt man so gerne in stürmischem Laufe den Träumen eines ungezügelten Ehrgeizes, den Lockungen einer nicht zu befriedigenden Eroberungslust nach. Selten sind solche Fürsten, die selbst reich begabten Charakters einer aufstrebenden Nation gebieten, durch die Niederlagen ihrer Vorgänger belehrt, zu politischer Mäßigung gemahnt worden.

Trotz allen Unheiles, das die Eroberungspolitik über die Nationen gebracht hat, ist das Streben nach Weltherrschaft in den politischen Führern und den politischen Mächten Europas ein altes unverţilgbares Erbübel geblieben.

Als im Mittelalter von allen staatlichen Elementen Europas zuerst die deutsche Nation geordneten Zuständen entgegenzugehen und ihre innere Tüchtigkeit zu fühlen beginnt, da haben Deutschlands Kaiser die Erhebung dieses Volkes an die Spiße der ganzen Christenheit erstrebt; sie haben aus allen Kräften darum gerungen und gekämpft, auf der Grundlage der deutschen Monarchie das Weltreich der ganzen abendländischen Kirche zu erbauen. Aber sie sind völlig gescheitert, diese hochfliegenden Plane unserer Kaiser, und mit ihnen sind die besten Kräfte unserer Nationaleinheit vergeudet.

Als nun im Beginne der Neuen Zeit die Staaten Europas sich in nationale Staatswesen zusammenzuschließen und in sich abzurunden anfangen, da haben sich gleichzeitig aus dem Kreise der romanischen Nationen zwei Staaten, Frankreich und Spanien, erhoben, welche mit der inneren Erstarkung des staatlichen Lebens sich ihrer nationalen Kräfte bewußt geworden und dem natürlichen Drange einer frischen

Volkskraft nachgebend nach Außen hin eine Politik der Eroberung er= öffnen. Und wie Beide zunächst die italienische Halbinsel ihrem natiomalen Staate einzufügen streben, sind sie in Italien feindlich zusammengestoßen.

Und doch, welch ein Unterschied in dem Kampfe dieser beiden Mächte um den Besitz von Italien!

Spaniens Staat war der Leitung eines ächten Realpolitikers unterstellt, der erreichbare Ziele anstrebend dem nationalen Wohle seines Volkes nach allen Seiten wahrhaftige Förderung zu geben sich bemüht hat. Frankreich aber, dessen Könige alle Elemente der Nation mit kühner Energie zusammengefaßt, ist bald in die glänzenderen Bahnen einer allseitigen Eroberungspolitik eingetreten. Während Spaniens katholischer König die Vereinigung verwandter und gleichartiger Elemente zu einem großen romanischen Reiche bereitet, nehmen die französischen Könige jene Universalpolitik auf, die im Mittelalter schon einmal Deutschlands Kräfte ruinirt hatte: auch Frankreich will seine Periode der Weltherrschaft haben!

Da ersteht noch eine dritte politische Größe. In jenen Kampf um Italien greift eine neue Macht ein, die eben jetzt aus den verschiedensten Elementen sich bildet: die Herren von Habsburg-Burgund, die auch die deutsche Kaiserkrone erlangen, werden die Rivalen der Valois um den Preis jener Weltmonarchie.

Was der Vater von ferne allmälig vorbereitet, das sucht Kaiser Maximilian I. auf allen Seiten zu entfalten: in der Wirklichkeit mit äußerst beschränkter Macht und mit äußerst geringen Mitteln ausgestattet, hat er die höchsten, die ausschweifendsten Pläne einer kaiserlichen Weltmonarchie verfolgt, wie sie nur immer im Mittelalter die kühnste Phantasie sich erdacht hatte. Und wenn er auch in dem Ringkampfe mit den französischen Königen oft nahe daran war, aus seinen Kaiserideen heraus in vollständige Ohnmacht niedergeworfen zu werden, so ist er doch im Reiche der Pläne und Entwürfe nie einen Schritt vor dem Gegner zurückgewichen. Nach allen Demüthigungen und Enttäuschungen hat er zuletzt wirklich eine Zeit der Erfolge für Habsburg herannahen gesehen.

Wie verwandeln sich oft die Tendenzen der Menschen zu nicht gewollten Erfolgen!

Der Staatsmann, der mit praktischem Blicke ein spanisch-italienisches Reich aufzubauen sich zur Lebensaufgabe gesezt, der dabei allen Plänen unnützer Eroberungspolitik und allen Ideen einer Universal

monarchie aus allen Kräften widerstrebt hatte, derselbe Ferdinand von Spanien hat zuletzt nur die Mittel bereitet, die diesem Gedanken des habsburgischen Reiches dienen sollten, und die erst dem Streben der Habsburger die Möglichkeit einer ernstlichen Verwirklichung boten!

Was einst des habsburgischen Max' verwegener und phantastischer Ideenflug von der Zukunft seines Hauses geträumt hatte, das alles kann der Enkel, der spanische Karl mit spanischen Mitteln auszuführen unternehmen!

Als Karl V. mit den habsburgischen Landen die Reiche der spanischen Krone, die wohlgefügte Macht der großen spanischen Staatsmänner, durch Erbgang vereint hatte, ist er dem rivalisirenden Valois, Franz I., bei weitem überlegen gewesen.

Schon in dem spanischen Reiche verfügte Karl über eine bedeutende Macht, die in den italienischen Kriegen gegen Frankreich ihren Nachdruck und ihre Ausdauer hinlänglich bekundet und die sich jezt nach und nach mit großartigem Feuer und stürmischer Begeisterung erfüllt hatte: es war eine Nation, die von selbst zu Eroberungen drängte, die ein wahrer und großer Staatsmann weit eher gezügelt als angespornt hätte.

Und die politischen Stellungen, welche dieser habsburgische Kaiser in Europa einnahm, gaben ihm sehr leicht die Mittel und Wege an die Hand, auf allen Seiten feine Macht noch weiter zu führen.

Hielt im Norden doch der Erbbesiß der Niederlande und des österreichischen Landes das deutsche Reich umspannt, es in des Kaisers aufsteigende Macht hineinzuzwingen; und im Süden war der Erwerb von Neapel, den Ferdinand schon gesichert hatte, und die kaiserliche Hoheit über Mailand ganz geeignet, Italien und das Papstthum in spanische Abhängigkeit zu verseßen.

In der finanziellen Blüthe, welche die Regierung der katholischen Könige und die neu entdeckten Colonien der spanischen Zukunft verhießen, in dem geschulten und schlachtgeübten Heere, das gegen Mauren und in Italien sich Lorbeeren erkämpft, in der Reihe erprobter und geübter Diplomaten, die jener feinste und gewandteste Politiker selbst erzogen hatte: in allem, was Ferdinand und Isabella dem Enkel hinterließen, fand Karl den Weg geebnet, den seines väterlichen Ahnherrn politisches Ideal ihn gewiesen: Alles hat er an die Verwirklichung dieses habsburgischen Programmes gesetzt, und er ist in der That seinem Ziele nahe gekommen.

Und was hat diesen spanischen Kaiser Karl V. im Grunde verhin

dert, die habsburgische Universalmonarchie ins Leben zu rufen? Es ist jene große religiöse Erhebung in Europa und ihre Folge, die Spaltung in der abendländischen Kirche, gewesen, die wir die Reformafion nennen.

Die Verschiedenheit und der Gegensatz der nationalen Elemente, aus denen Karls Reich bestehen sollte, sie sind durch die Erschütterung des religiösen Zustandes und durch die Bewegungen im kirchlichen Leben immer mehr geschärft worden: es war bald nicht möglich, in gedeihlicher Weise zwei Nationen zu vereinen, die der heftigste religiöse Fanatismus auseinanderriß.

Und in Deutschland entstanden aus der reformatorischen Bewegung dem Kaiser stets Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten, auch für seine politische Stellung. Denn eine rein politische Haltung der Kirchenneuerung Deutschlands gegenüber zu beobachten und die Opposition der Deutschen gegen die abendländische Kirche des Mittelalters nur nach politischen Gesichtspunkten zu seinem politischen Ziele zu benußen, ein solches Verfahren war für diesen spanischen Habsburger undenkbar: auch Karl war dafür zu katholisch, zu sehr ein Gegner der deutschen Reformation.

Es ist die Absicht dieser Darstellung, es auszuführen, welche Stellung Karl zu der Reformation in Deutschland eingenommen und in welchen Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen seine europäische Politik, sein Streben nach der Universalmonarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden hat.

1.

Es ist ein kleines und geringfügig erscheinendes Ereigniß gewesen, aus welchem die gewaltige, den ganzen Erdtheil erschütternde Bewegung der Reformation ihren Anfang genommen hat. In die dicht geschichteten Massen des Zündstoffes in Staat und in Kirche ist an einer Stelle ein Funken gefallen, und in wenigen Monaten steht das ganze Deutschland von einem Ende zum andern in Flammen. Es ist eine Zeit hereingebrochen des ungestümen, unruhigen Drängens und Wogens, eine Periode der gährenden und treibenden Kräfte, in welcher das Endziel der vorwärts drängenden Bewegung wohl noch keinem der Neuerer klar vor der Seele gestanden. Die Wogen der Revolution schlugen an die Grundmauern des mittelalterlichen Staatsgebäudes, sie umspülten die Pfeiler des alten Kirchendomes: alles war in Bewegung, in Umgestaltung, in Erneuerung.

An die Spitze der so erregten Nation trat 1519 durch die Wahl der Kurfürsten ein Prinz, jung, rührig, strebsam, aber dem deutschen Volke fremd und dem deutschen Reiche ein Ausländer. Und dennoch empfing ihn der Jubel der popularen Begeisterung: als die Wage ge= schwankt zwischen dem muthigen, kecken, eroberungslustigen Könige Franz von Frankreich und dem habsburgischen Herrscher der Niederlande, der auf sein Haupt auch die spanischen Kronen gebracht hatte, da war ohne Bedenken der Deutschen Zuruf laut und stürmisch für den Habsburger erschollen. Die Erwartung war im Volke lebendig geworden, daß dieser Enkel des verstorbenen Kaisers alle die Hoffnungen erfüllen werde, die einst des österreichischen Mar' Beliebtheit erregt hatte: so brachte dem in Frankfurt Gewählten die Nation in lebhafter Bewegung ihre Neigung und ihre Kräfte entgegen.

Dem jungen Fürsten der Niederlande und Spaniens hatten sich die Anfänge der Regierung an keiner Stelle sehr hold erwiesen, aber

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